Freitag, 25. Januar 2013

The Group, Berlin, 24.1.2013


Konzert: The Group
Ort: Haus Ungarn, Berlin
Datum: 24.1.2013
Zuschauer:grob geschätzt 150-200. ausverkauft
Dauer: Raum und Zeit vergessen





Ich komme direkt auf den einzigen wirklichen Kritikpunkt des Abends zu sprechen: Das nächste Mal wünsche ich mir auch im Raum verteilte  Matratzen. Das war es dann auch schon. Ab jetzt folgt nur noch Lobhudelei.

Viel war im Vorfeld zu diesem Abend nicht bekannt geworden. Außer die grobe Zusammenstellung der Band, die aus Casper Clausen (Efterklang), Peter Broderick, Greg Haines, Franceso Donadello sowie Martyn Heyne bestehen sollte.

Das Haus Ungarn, das zwischenzeitlich auch mal .hbc hieß, ist einer der Lieblingsorte für mich. Ich kenne es schon seit Anfang der 90er, damals noch als Relikt aus einer vergangener Epoche. Nicht wenige Kinofilme habe ich dort erlebt. So habe ich mich sehr gefreut, dass dort dieses besondere Event stattfinden sollte. Als ich viel zu früh eintrudelte, war der Soundcheck noch durch die leider verschlossenen Türen zu verfolgen. Erst kurz nach neun wurden dann die Türen geöffnet und was ich da erblickte, hätte ich mir nie erträumen lassen. Der dezent rot ausgeleuchtete Raum war voll mit Kerzen. In der Mitte des Raumes waren diverse Instrumente, Schlagzeug, Cello, Keyboards, Gitarren und ein balinesisches Gamelan-Instruments klanglich ähnlich des eines Xylofons - nur mit runden Klangkörpern.

Überall standen Stühle und Bänke, Tischchen und Kerzen. Selbst auf der eigentlichen Bühne konnte Platz genommen werden (zwischen dem Flügel und der Orgel). Man musste schon aufpassen nicht aus Versehen auf ein Instrument zu treten. Ich fühlte mich direkt in eine komplett andere Welt versetzt.

Schnell füllte sich der Raum und irgendwann kam auch die Band hinzu und begann den Abend mit verzerrten Soundsamples, Gitarre, Schlagzeug, Stimmen und Celloklängen. Zwischendrin stellte sich Peter Broderick auf eine der Monitorboxen und hieß das Publikum in seiner unnachahmlichen Art willkommen.

Was dann passierte war unbeschreiblich. Bei der Weltpremiere von The Group, war genau das passiert, was man im Vorfeld kaum zu hoffen wagt, weil es viel zu selten passiert: Phantastische Einzelmusiker vereinen sich gemeinsam zu etwas viel Größerem. Aber mal der Reihe nach. Wobei - es gab keine "Reihenfolge" im Sinne von einer Setlist, welche abgearbeitet wurde. Stattdessen wurde den ganzen Abend über munter improvisiert. Ein Wechselspiel der Instrumente, Musiker und Emotionen. Nie wusste man wohin die Reise geht. Eine Jam-Session der obersten Güteklasse. Eine Momentaufnahme war Casper Clausens betörender Gesang, gepaart mit dem Klavierspiel von Greg Haines, dazu Peter Broderick und Martyn Heyne an der Gitarre sowie am Schlagzeug Francesco Donadello, um dann in den nächsten Minuten ein Wechselspiel einzuleiten. Unheimlich zarte Momente, die kurz vor dem Zerbrechen standen, aber immer vom Publikum und den Musikern schützend in den Arm genommen wurden. Die Instrumente wurden liebevoll getauscht, kein fliegender Wechsel, sondern eine Behutsamkeit sich mit voller Aufmerksamkeit und Gefühl in die Vergänglichkeit des Momentes einzubringen. Ein kurzer Monolog von Peter Broderick über seine Gitarre und George David Armstrong. Dann das Gamelan-Xylofon, Cello und Casper Clausens Stimme. Es ist kaum machbar den Abend umfassend in Worte zu bringen. An was ich mich erinnere sind Peter Brodericks singende Säge, sein Geigenspiel, das Schlagspiel von Francesco Donadello, Greg Haines an den Keyboards und Klänge, die mich immer wieder in an CAN erinnerten. Wie es der Zufall will, habe ich nur wenige Tage zuvor alte Songs von CAN wieder hervorgekramt. Bis auf die hervorragende Cellistin, die ihrem Instrument durchgehend treu blieb, haben alle anderen Musiker alles mal gespielt oder bedient.

"We had no idea what is going to happen and what we already did. We were talking a lot about this thing and the only thing we figured out is we shouldn´t talk about it". 


So entspannt, offen und zufrieden wie die Musiker waren, so war es auch das Publikum. Mit welcher Lust das miteinander agiert wurde. Einmalig.
Enttäuscht werden mussten an diesem Abend diejenigen, die sich eine der eingängigen Top-Hits von Efterklang oder Peter Broderick erhofft hatten. Aber wie mir schien, waren die meisten Zuhörer begeistert.

Nur ein Mal bediente Peter Broderick diese auch verständliche Sehnsucht mit einer schönen Country-Ballade. Danach wurde auf Wunsch des Publikums das Tempo langsam, aber deutlich gesteigert. Wie Mantren wurden die Soundsamples geschickt eingebaut, dazu das Gamelan-Xylofon. Wäre Platz da gewesen, man hätte sich an diesen Klängen tanzend berauschen können. Ein fulminates, dramatisches Finale wurde eingeläutet.

Mit Thank you very much endete dann ein Sinnesgenuss, der auch keiner Zugabe bedarf, weil schon alles gegeben wurde.

The Group wird wohl keine Eintagsfliege bleiben. Dafür hat es den Musikern viel zu viel Freude gemacht. Ob es auch Tonträger geben wird, die so einen Abend reproduzierbar machen, ist schwer zu sagen.

Durch das wirklich sehr gedimmte Licht, sind kaum Fotos der Musiker brauchbar entstanden. Über Informationen zu der vorzüglichen Cellistin wäre ich sehr dankbar.



3 Kommentare :

Gudrun hat gesagt…

Die Cellistin war Anne Müller (die ich von Konzerten mit Agnes Obel kenne). Lieben Gruß, Gudrun

Anonym hat gesagt…

Sehr schön war auch der Nachsatz zu dem Zitat oben "... and yet, here I am, talking about it!"

Anonym hat gesagt…

Anne Müller kennt man vielleicht auch noch als Cellistin von sdnmt/seidenmatt oder dem Projekt 7fingers, zusammen mit Nils Frahm.

 

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