Montag, 9. Juni 2008

Interview mit Alina Simone


Interview: Alina Simone

Ort: Auf der Wiese des Parks von La Villette, Paris
Datum: 08.06.2008


Nach dem Konzert in dem kuriosen Glaskasten stand Alina mir für ein paar Fragen zur Verfügung. Wir überlegten uns kurz, wo wir uns ausbreiten sollten und entschieden uns für ein Plätzchen auf der Wiese gleich neben einem Baumstamm und mit Blick auf den Canal, der durch la Villette fliesst.

Die erste Frage beschäftigte sich natürlich mit dem abgefahrenen Austragunsort:

Konzerttagebuch.de:
Alina, wie war das für Dich heute in diesem Käfig auf dem Gelände von La Villette zu spielen?

Alina Simone:

Oh, Du meinst diesen Glaswürfel ?(auf englisch sagt sie lachend: "the glas cube"). Na, das war sehr nett! Für mich war das eine ungewöhnliche, aber wundervolle Idee! Ausserdem waren alle Kopfhörer vergriffen, so dass ich auch mit dem Publikumsinteresse zufrieden war. Vor allem hatte ich den Eindruck, dass die Leute aufmerksam zuhören und das ist immer schön für einen Künstler.

Konzertagebuch.de:

Hast Du schon einmal unter solchen Bedingungen gespielt? War das für Dich das erste Mal in einem solchen Glaswürfel?

Alina Simone:

Oh ja, das war für mich auch eine ganz neue Erfahrung! Vielleicht bin ich noch nicht soviel rumgekommen, aber so etwas hatte ich vorher noch nicht!

Konzerttagebuch.de

Wurdest Du vorher über den kuriosen Spielort informiert?

Alina Simone:

Halbwegs. Sie sagten mir, das das Konzert in einem "Glas Cube" stattfinden solle. Ich wusste allerdings nicht, was ich davon zu erwarten hatte. Ich bin davon ausgegangen, dass ich darin stehen kann. Ich spiele grundsätzlich lieber im Stehen. Sie fragten mich dann, ob ich einen Stuhl haben wolle und ich lehnte ahnunglos ab, "no thank you". Als ich dann das Teil sah und zum ersten Mal reinkroch, merkte ich sofort, dass es unmöglich ist, darin zu stehen! Da wollte ich doch einen Stuhl und sie sagten sofort: o.k., kein Problem! (Alina kichert, als sie die Story erzählt...)

Konzerttagebuch.de:

Du warst ja kürzlich schon einmal in Paris und hast eine Show bei einem Radiosender gespielt. Wie ist das gelaufen?

Alina Simone:

Ja, das war für Planet-Claire und war sehr gut. Der Leiter der Sendung, Dennis, ist ein sehr netter und lustiger Typ. Und sein Kollege Laurent war auch extrem engagiert. Er schickte mir hinterher noch einige Mails, an denen man erkennen konnte, dass er eine Menge über russische Rockmusik wusste. Er war offen und neugierig und fragte mich Details über einzelne meiner Songs, was mich sehr freute. Wir sprachen auch viel über die besten Bands aus Russland, die Musikszene dort, etc. So etwas ist toll, da bekommt man als Künstler das Gefühl, dass sich die Leute, die die Show machen, wirklich für die Musik interessieren und nicht nur einen Namen aufbieten wollen, der vielleicht gerade angesagt ist.

Konzertagebuch.de:

War das eine öffentliche Sendung? Konnten da Zuschauer teilnehmen?

Alina Simone:

Eigentlich nicht. Ich habe zwar eine Freundin mit reingenommen, aber das Ganze spielte sich in den privaten Studios des Senders ab.

Konzerttagebuch.de:

Hast Du ungefähr die gleichen Lieder wie heute gespielt?

Alina Simone:

Ja, weitestgehend. Aber im Radio habe ich mehr Stücke als heute vorgetragen.

Konzertagebuch.de:

Ich habe Dich im Pariser Club "La Java" vor ein paar Wochen entdeckt. Auch dort hast Du mit zwei englischen Songs begonnen, bevor Du dann zu den Coversongs von Yanka Dyagileva übergegangen bist. Ein Lied fehlte damals aber und zwar "Nightswimming" (vom Album "Placelessness"), das Du heute ganz zum Schluss gebracht hast.

Alina Simone:

Stimmt. Das lag daran, dass wir ein paar technische Probleme hatte und ausserdem hätte das Instrument, das ich für diese Lied verwende, einen speziellen Soundcheck erforderlich gemacht.


Konzerttagebuch.de:

Oh, ja, dieses Instrument! Erzähl mir doch einmal davon. Wie heisst dieses Ding? So etwas hatte ich noch nie gesehen...

Alina Simone (lächelt):

Das nennt man Strumstick, ein traditionelles Folk- Instrument, das aus den amerikanischen Hochebenen kommt. Es sieht etwas ungewöhnlich aus, das stimmt. Das liegt an der Form (Anmerkung: langer Stiel, kleiner Klangkörper, so sieht das aus), was dazu führt, dass mich Leute oft darauf ansprechen.

Konzerttagebuch.de:

Um auf Deine Setlist bei den Shows zurückzukommen: man kann also sagen, dass Du immer wechselst, zwischen Deinen eigenen englischen Songs und den russischen Covern ?

Alina Simone:

Im Grunde genommen schon. Bei Konzerten in Amerika fokussiere ich mich aber noch stärker auf die russischen Lieder, weil das Album dort im August erscheinen wird.

Konzerttagebuch.de:

Eine Sache ist dabei auffällig. Die Cover von Dyagileva tragen allesamt englische Titel. Warum?

Alina Simone:

Das ist richtig. Ich habe alle Songtitel und auch die Texte übersetzen lassen, damit die interessierten Hörer, die kein russisch beherrschen, besser verstehen können, was Dyagileva mit ihren Texten übermitteln wollte.

Konzerttagebuch.de:

Sind denn Deine Versionen nahe am Original, oder hast Du Dinge verändert?

Alina Simone:

Das kommt darauf an. Einige Stücke sind komplett anders, das ist fast wie Tag und Nacht (lacht). 2 oder 3 Lieder entsprechen aber fast dem Original, obwohl ich immer Details hinzufüge.

Konzerttagebuch.de:

Hat Dyagileva denn solo gespielt damals, oder hatte sie eine Band?

Alina Simone:

Manchmal hatte sie einen Drummer und einen Bassisten, oft war sie aber solo unterwegs.

Konzerttagebuch.de:

Und wann sind die Lieder entstanden? Du sagtest, dass die Künstlerin 1991 gestorben ist?

Alina Simone:

Ja sie starb 1991 mit nur 24 Jahren und die Lieder hat sie zwischen 1987 und 1991 aufgenommen, also in der Glasnostära.

Konzerttagebuch.de:

Wie kamst Du eigentlich auf diese Künstlerin?

Alina Simone:

Ich habe nun einmal russisch-ukrainische Wurzeln, da lag das nahe. Viele Freunde und Bekannte erzählten mir überdies von ihr, so dass meine Neugierde geweckt wurde.

Konzerttagebuch.de:

Du bist Russin, lebst aber in schon lange in Brooklyn. Da gibt es so viele spannende Bands! In letzter Zeit habe ich etliche gesehen, die da herkommen (ich zähle auf: Dirty Projectors, Telephate, Levy, etc...). Und vor allem gibt es TV On The Radio und Liars.

Alina Simone:

Klar, TV on The Radio! Und der Produzent der Liars arbeitet auch für mich und hat meine beiden Alben produziert.

Konzerttagebuch.de:

Fühlst Du Dich als Teil einer Brooklyner Musikszene, oder willst Du lieber völlig eigenständig sein?

Alina Simone:

Ach weisst Du, Brooklyn ist so gross, da gibt es viele verschiedene Szenen. Ich bin allerdings definitiv kein Teil einer Szene, vor allem auch deshalb, weil ich gerade ein Album mit russischen Coversongs mache. Das passt in keine Schublade und ist z.B. TV On The Radio natürlich überhaupt nicht ähnlich. Davon abgesehen habe ich aber selbstverständlich viele Musikerfreude in Brooklyn, die mich unterstützen. Das läuft aber eher auf persönlicher Ebene ab und hat weniger mit der Musik zu tun.

Konzerttagebuch.de:

Gehst Du denn manchmal mit Musikerkollegen aus Brooklyn auf Tour?

Alina Simone:

Ja, das kommt vor. In Berlin habe ich zum Beispiel kürzlich mit den Castanets gespielt und in Chicago werde ich mit einer anderen Gruppe aus Brooklyn auftreten. Trotzdem führt das nicht dazu, dass ich Teil einer Szene werde. Es sind vor allem Booker, die glauben, dass unsere Musik gut zusammenpasst.

Konzerttagebuch.de:

Definierst Du Dich denn eigentlich eher als Folk-oder Punksängerin?

Alina Simone:

Ich sehe mich schlicht und einfach als Sängerin und passe auch nicht in eine zu enge Schublade. PJ Harvey oder Scout Niblett (deren Namen ich zuvor ins Spiel gebracht hatte) schätze ich z.B. sehr, verfolge aber meinen eigenen Stil, der zwischen ruhigeren Folk- und aggressiveren Punkssongs hin und her schwankt. Wichtig ist mir vor allem, gute Melodien zu haben.

Konzerttagebuch.de:

Dein Gitarrenspiel ist sehr engergisch, das mag ich sehr. Ich sehe da Parallelen zu Scout Niblett, aber auch zu Julie Doiron.

Alina Simone:

Mag sein. Ich habe jedenfalls schon mit beiden zusammen gespielt, mit Julie übrigens in Frankreich.

Konzerttagebuch.de:

Lass uns doch einmal kurz über Deine kürzlich absolvierte Deutschland-Tour zu sprechen kommen. Wie lief es denn da so. Was war für Dich persönlich die beste Show, das angenehmste Erlebnis?

Alina Simone:

Ich mochte die Konzerte in Berlin am liebsten. Sie waren sehr gut besucht und die Leute nett und herzlich. Es waren auch ein paar dabei, die mich zuvor schon einmal live erlebt hatten. I love Berlin, it's a great city!

Konzerttagebuch.de:

Und wie war es, in der deutschen Provinz zu spielen, wie z. B. in Bielefeld?

Alina Simone:

Auch interessant, zumal die Location in Bielefeld - ein altes Kino - eigentlich sehr gross war.

Konzerttagebuch.de:

Wie sind die Leute in der Provinz überhaupt auf Dich aufmerksam geworden? Woher wussten sie von den Konzerten?

Alina Simone:

Mein Manager Michel Bergner hat super Arbeit geleistet und ausserdem habe ich oft in lokalen Radiostationen vor Ort gespielt, um auf die Veranstaltungen hinzuweisen.

Konzerttagebuch.de:

Und was war grundsätzlich Dein bisher bestes Konzert, Dein schönstes Erlebnis?

Alina Simone:

Das ist noch gar nicht so lange her. Im April bin ich in einem Pub in Manhattan aufgetreten und hatte meine ganze Band dabei. Der Laden war knallvoll und die Stimmung famos! Sogar meine Familie war dabei, die sind extra aus Massachusetts angereist. Einfach unbeschreiblich!

Konzerttagebuch.de:

Gehst Du denn selbst gerne auf Konzerte? Als Zuschauer meine ich?

Alina Simone:

Klar mag ich das, aber ich trete oft selbst auf und da bleibt mir nicht so viel Zeit übrig. Ausserdem hänge ich an meinen freien Tagen nicht so gerne in Clubs rum, da bin ich ja sonst schon häufig genug...

Konzertagebuch.de:

Du warst ja auch bei SXSW in Texas, da gab es doch bestimmt jede Menge toller Bands zu entdecken, oder?

Alina Simone:

Ja klar, aber ehrlich gesagt, war mir das alles zu überlaufen da und ich wollte auch was von der Umgebung sehen. Deshalb habe ich meistens an einem See relaxt und gelesen (sie grinst). Es treten einfach zu viele Gruppen (1.500) dort auf, das ist eine Massenveranstaltung auf engstem Raum und dies passt nicht so recht zu meiner intimen Musik.

Konzerttagebuch.de:

Letzte Frage: Hast Du auf Deiner Deutschland-Tour auch ein wenig deutsch gelernt?

Alina Simone:

Super, dankeschön. Mein Bier...

Konzerttagebuch.de:

Magst Du das deutsche Bier?

Alina Simone:

Ich trinke gar kein Bier! Aber dieses vietnamesische Essen in Berlin war toll. Na gut, typisch deutsch ist das ja nicht (lacht laut)... Aber warte, in Süddeutschland (Konstanz) habe ich gerne diese Nudeln gegessen. Wie nennt ihr das? Spätzle? Die mochte ich sehr, zumal ich kein Fleisch esse.

Konzerttagebuch.de:

Vielen Dank für das angenehme Gespräch und viel Erfolg bei der Amerika - Tour im Sommer!

Dieses Interview möchte ich Eike vom Klienicum widmen. Durch ihn habe ich überhaupt erst von dieser vorzüglichen Künstlerin erfahren! Tausend Dank!

Und auch bei Michel Bergner möchte ich mich bedanken, der sich toll dafür eingesetzt hat, dass dieses Gespräch zustande kam!





3 Kommentare :

E. hat gesagt…

nun, ich kann nicht verhehlen, dass du das ganz großartig gemacht hast, oliver. wie ein profi. die fragenauswahl, das wahren von distanz und der mut zur länge des interviews. klasse! echt, hut ab!
und alina stellt sich als die eloquente und überaus sympathische dame heraus, als die ich sie dir auch vorstellte! haha! um den vorsprung, den du nun nachweislich hast, beneide ich dich sehr!

Oliver Peel hat gesagt…

Danke, Eike!
Bezüglich der Länge des Interviews kann ich vermelden, dass es ganz genau 16 Minuten gedauert hat, das hat mein kleines Gerät gestoppt.

Ich habe also eine Minute überzogen, da eine Viertelstunde unser Richtwert ist.

Erscheint es getippt länger?

E. hat gesagt…

durchaus. aber immer noch lesbar. ich gebe gern mal auf, wenn mir ein interview zu langatmig und vor allem uninteressant erscheint.

 

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