Freitag, 18. April 2008

Interview: Rooney, Köln


Interview: Rooney

Ort: Luxor, Köln
Datum: 17.08.2008


Weil ich einen Parkplatz in der Luxemburger Straße gefunden habe (einen legalen), bin ich ein paar Minuten zu früh dran. Bei fast kalifornischem Wetter stehen schon am frühen Nachmittag ein paar indie angezogene Frauen, die ganz offensichtlich auf die Band aus LA warten. Ui, Groopies! Die sieht man nicht oft vor dem Luxor.

Innen ist das erste, was ich, geblendet durch die Sonne, sehe, eine Sammlung von Notebooks an den kleinen Stehtischen rechts. "You're here for the interview?" fragt mich jemand hinter einem von denen. "I'm Robert! That's Taylor." Meine Gesprächspartner sind Sänger und Gitarrist der Band, die im vergangenen Jahr mit "When did your heart go missing" einen großen Radiohit in Deutschland hatte.

Rooney hat den Soundcheck noch vor sich, die beiden Musiker wirken etwas müde.

Ihr kommt gerade aus Paris? Wie war das?

Robert: Ja richtig. Das war toll.

In Köln wart ihr, soweit ich weiß, einmal, letzten September in diesem Club. Der hieß da aber noch Prime Club.

Taylor: Ok, deshalb habe ich mich nicht an den Namen erinnert. Wir haben hier gespielt.
Robert: Ich mag die Tapete!

Ihr seid in den vergangenen Monaten überhaupt viel auf Tour gewesen...

Robert: ...und das ist anstrengend. Die Tour rund um das Album hat im vergangenen Mai begonnen, das Album erschien dann im September 2007. Wir haben LA im Januar verlassen. So ganz ohne Pause spürst du dann irgendwann richtig, daß du auf Tour bist. Wir haben zwar viel Spaß, sind aber auch froh, nach Hause zu kommen.

Das ist heute das letzte Konzert in Deutschland?

Taylor: Richtig. Wir kommen aber für einige Radiokonzerte wieder!

Werdet ihr im Sommer bei Festivals in Deutschland sein?

Robert: Wir spielen Rock am Ring und Rock im Park [Anmerkung: absolut akzentfrei ausgesprochen, hochdeutscher als viele Besucher der Festivals aus Eifel oder Franken]. Darauf freuen wir uns sehr. Wir waren bisher noch nie bei Festivals in Deutschland.

Spielt ihr lieber Festivals als Clubkonzerte?

Robert: Eine der am häufigsten gestellten Fragen ist, ob wir lieber große oder kleine Konzerte bestreiten. Wir mögen beides. Wir sind ganz gut in einem größeren Umfeld, in diesen großen Arenen. Normalerweise schaffen wir es da, die Zuschauer zu erreichen. Auf so riesigen Bühnen mußt du dafür den ganzen Platz nutzen. In so einem Club hier, hast du kaum Platz, man muß aufpassen, daß man sich nicht in die Gitarre rennt. Shows wie die heute machen Spaß, weil die Leute näher dran sind. Es ist persönlicher. Wenn du es versaust, lachen sie und denken, daß das sehr menschlich ist. In Stadien mußt Du dagegen eine echte Bühnenshow haben. Wir spielen in unseren Konzerten eine Menge Coversongs, wollen natürlich sein und viel Spaß haben.

Ihr habt in Coachella gespielt? Wie war das?

Taylor: Das war vor ein paar Jahren. Coachella ist nach den europäischen Festivals konzipiert, mit mehreren Bühnen und so. Da sind wir aufgetreten, bevor unser Debütalbum erschienen war. Unsere erste Festivalerfahrung. Der Gig da war in einem Zelt, das total überfüllt und verschwitzt war. Du machst da keinen Soundcheck, du wirst auf die Bühne geworfen und beginnst. Das war cool!

Ich habe Bilder von Arcade Fire gesehen, die bei Sonnenschein vor Palmen gespielt haben...

Robert: Ja, das ist mitten in der Wüste. Das ist ziemlich abgefuckt. Du spielst mitten in einer Wüste, es ist trocken und heiß!
Taylor: Sie verschieben es schon jedes Jahr nach vorne. Es war im Juni, dann im Mai und jetzt im April, weil es viel zu heiß ist.

Seid ihr schon an anderen komischen Plätzen aufgetreten? Was war der ungewöhnlichste?

Robert: Die bizarrste Show? Wir haben im Wohnzimmer eines Mädchens gespielt.

Ok...?

Robert: Sie hatte uns erzählt, sie hätte ein Sommerfestival in ihrem Haus. Wir waren der Headliner. Gespielt haben wir dann in ihrem Wohnzimmer vor zehn Mädels. Wir haben uns alle wie Idioten gefühlt. Aber das ist eine Weile her.
Wir spielen nicht so gerne die "21 and older" Shows [Anm. In England und Amerika gibt es oft Unterscheidungen, für welche Altersklassen die Konzerte geeignet bzw. erlaubt sind. Robert Cicero wäre bei uns analog "45 and older"]. "All ages" Konzerte machen einfach mehr Spaß. Wir hatten mal ein Konzert in einem riesigen, ausverkauften Saal in LA, ganz großartig. Am nächsten Abend sind wir in San Diego in einem "21 and older" Club aufgetreten mit extrem wenigen Zuschauern. Das war komisch, von der großen LA Show zwei Stunden zu der "Nothing-Show" zu fahren. Wir fühlten uns wie vollkommene Arschlöcher. Das war lächerlich. 'Was machen wir hier'?

In Deutschland kann das auch passieren. Wir haben keine richtige Indiekultur. Viele Bands, die in England ganz groß sind, spielen hier vor kleinem Publikum. Es gibt auch zu wenige Radiostationen, die Alternative Musik spielen, das wird zwar besser aus meiner Sicht, das meiste ist aber dieser Rihanna-Pop, der hier läuft.

Taylor: Naja, sie spielen Rooney!
Robert: Deshalb wollen wir, daß die Leute uns mehr als Liveband verstehen. Wir hatten Radioerfolg in Deutschland, wollen aber auch, daß die Leute wissen, daß wir live gut sind. Wir sehen uns nicht als Popband. Wir machen Rock 'n' Roll, sind eine Indierock-Band. Wir hatten gute Verkaufserfolge, aber uns liegen unsere Liveshows mehr am Herzen.

Was für die Fans eine gute Sache ist.


Robert: Ja, unbedingt! Die Lösung, die wir sehen, ist eben oft zurückzukommen und aufzutreten. Es gibt zwar viele Promotionwege, am einfachsten zeigst Du den Leuten aber live, ob Du etwas kannst.

Ihr habt eben erwähnt, daß ihr live gerne Coversongs spielt...

Taylor: Das ist cool, dem Publikum so zu zeigen, was deine Einflüsse sind. Und es ist auch eine gute Übung, solche Lieder anderer Bads einzuspielen. Das macht dich zu einer besseren Band, erweitert dein Repertoire. Das macht viel Spaß!

Also covert ihr Lieder, die ihr mögt?

Taylor: Ja, sicher.

Wie ist das, wenn andere Euch covern? Ist das mehr Ehre oder komisches Gefühl?

Taylor: Das wäre toll! Das bedeutet, daß du ihnen wichtig bist.
Robert: Wenn ich Kids sehe, die bei Youtube unsere Songs spielen, ist das ein irres Gefühl.

Sind solche Web 2.0 Sachen für Euch also wichtig?

Robert: Ja, sehr! Langsam entdecken unsere Fans, daß wir einen eigenen Youtube Channel haben. Dann unsere myspace Seite und die Website, auf die wir viele Sachen stellen. Das ist uns extrem wichtig.

Gibt es Bands, mit denen ihr gerne einmal zusammenarbeiten würdet?

Taylor: Das haben wir zum Teil schon getan. Wir waren mit Weezer, den Strokes und Travis auf Tour. Mit Susanna Hoffs [von den Bangles] haben wir "Walk like an Egyptian" gespielt.
Robert: Wir mögen es, Gastsänger zu haben. Es gibt die Band "The Feeling". Der Sänger kam zu uns, um mit uns "Bohemian..", nein "Under Pressure" zu singen. Das war cool! Wir lieben das. Es dauert eine Weile, bis wir andere fragen, ob sie auf unserem Album mitsingen, jeder ist ja sehr eigen, wenn es um die eigenen Sachen geht. Aber Gäste sind schon toll. Wir mögen "Classic Rock People" wie Tom Petty. Wenn Tom Petty auf einem Album mitsingen würde, wäre das schon was [und lacht].

Wie sind eure eigenen Konzerterfahrungen als Fan? Was ist das beste Konzert, an das ihr euch erinnert?

Robert: Hmmm, ich erinnere mich... Ja, klar. Da gibt es die Band namens Superdrag, eine amerikanische Band, die niemand mehr kennt.

Ich kenne die nicht...

Robert: Die sind ziemlich gut, die würden Dir gefallen! Ich war jung und liebte ihr Album, wollte sie sehen und live war das alles noch viel besser. Das erste Konzert, das ich gesehen habe, war Elton John und Erik Clapton. Die Cardigans waren toll, die liebe ich sehr. Das beste war aber Grandaddy im Troubador in LA. Grandaddy haben so viele sonderbare Soundeffekte auf ihren Alben. Live haben sie jeden kleinen Sound auch erzeugt. Ich war so beeindruckt!

Und das Gegenteil? Habt ihr irgendwelche schrecklich schlechten Konzerte gesehen?

Taylor: Unzählige.
Robert: Ich finde schrecklich, wenn ich ein Konzert scheußlich finde aber alle anderen begeistert sind. Da will ich einfach nur im Boden versinken und fühle mich, als wäre die Welt am Ende. Jeder hier denkt, das ist richtig gut, und ich denke, mir muß etwas entgangen sein. Wenn 500 Leute bei unseren Konzerten sind und 2000 bei so etwas, das ich nicht gut finde, bin ich wohl der Trottel. In der Musik herrscht so eine Mittelmäßigkeit vor. Mittelmäßige Musik, die dann mittelmäßige Leute anzieht. Amerika hat den miesesten Musikgeschmack, den du dir vorstellen kannst.
Taylor: Wenn du mitten in Amerika wohnst und nur Walmart und deine Alternative Radiostation hast, ist es kein Wunder, daß du auf Nickelback stehst, weil das alles ist, was du mitbekommst. LA und New York sind Städte mit einer Musikszene und mit coolen Radiosendern, da entsteht viel Interessantes. Aber die USA sind wirklich groß. Eine hippere, reifere Musikkultur dringt einfach nicht weit vor in diesem Land.
Robert: Wir müssen uns unseren Weg erarbeiten. Wir wollen nicht die Kopie von irgendwas sein. Wir müssen härter arbeiten.
Taylor: In Amerika gibt es die Emo-Welt, Pop-Punk oder New Metal oder so, alle die Bands dieser Szenen haben den gleichen Sound, das gleiche Aussehen oder das gleiche Verhalten. Die Leute sind dann nicht Fans einer Band sondern einer Szene. Du kaufst Dich dann praktisch in ein Genre ein als Fan. All diese Bands, die bei Fueled by Ramen sind...
Robert: Fall Out Boy, Panic At The Disco, all dieser Shit...
Taylor: Ich bin sicher, viele Kids kaufen das neue Fueled by Ramen Album, als sei das eine Band und kein Label. Weil sie eben Teil von etwas sein wollen.
Robert: In England oder überhaupt Europa gibt es einfach mehr Bands, die klassischen Rock machen, British Invasion eben. Das kennen die Leute in den USA nicht. Wenn wir uns Skaterklamotten anziehen würden, uns schminkten, Tattoos hätten und etwas härter spielten, würden wir in Amerika viel mehr verkaufen. Wir wehren uns aber dagegen, so zu sein.
Taylor: Wir waren gerade mit Good Charlotte auf Tour. Die Jungs wissen, daß die Songs, die sie schreiben extrem popig sind aber sie habe das dunkle Make-Up und die Tattoos, sodaß die Leute im Publikum meinen, sie wären bei einem Punkkonzert. Sie kaufen sich quasi den Look. Die Zuschauer haben uns dann angesehen und wußten nicht, was sie mit uns anfangen sollten, weil wir so anders aussehen. Mein Gott! Einige unserer Songs waren härter als die von Good Charlotte!
Robert: Was wir versuchen, ist so eine Art Indiementalität in diesen ganzen Mainstream zu packen. Man kann uns vorwerfen, daß wir einen Pophit hatten, man kann sich aber auch freuen, daß wir als Rockband auch Zugang zu einer Welt haben, in der Rock'n'Roll Bands normalerweise nicht sind. Leute, die unsere Musik mögen, sollten glücklich sein, daß wir vielleicht andere für diese Art Rock begeistern und hoffentlich damit eine Tür für weitere Bands wie uns öffnen. Denn wie Du schon sagst, da ist all dieser Rihanna-Kram, dieser echte Pop-Mist. So wollen wir nicht sein.

Kennt ihr deutsche Bands?

Taylor wie aus der Pistole geschossen: Tokio Hotel. Rammstein. David Hasselhoff. Scorpions.
Robert: Oh ja! Wir hätten ein Scorpions-Cover einüben sollen.
Taylor: Alphaville. Wir haben "Forever young" gecovert.

Was hört ihr im Tourbus für Musik?

Taylor: Alles mögliche, klassischen Rock, British Invasion, 60s, Britpop...

Was war die letzte CD?

Robert: Aktuelles? Ach, es gibt so ein paar coole neue Alternative Bands aus Amerika. Vampire Weekend, MGMT.

Vampire Weekend habe ich vor einem halben Jahr als Vorgruppe von Los Campesinos! aus Wales gesehen. Das hat mir gut gefallen.

Robert: Wie sind die live?

Sehr gut, sie klangen aber ganz anders als das, was ich hinterher über sie gelesen habe. Ich hätte gedacht, daß das eine Britpop Band wäre, nach dem Konzert. Da fehlten all die Percussions und die anderen afrikanischen Elemente. Ich konnte erst die Paul Simon Referenzen nachvollziehen, als ich die Platte gehört habe.

Robert: Vampire Weekend will ich gerne mal live sehen.

Vielen Dank für das Gespräch! Viel Spaß heute abend und natürlich bei Rock am Ring!

Taylor: Sollten wir da ein Scorpions Cover spielen?

Das wäre sicher ein großer Spaß! Das Publikum wäre vermutlich sehr überrascht, weil da wohl nicht viele echte Scorpions Fans sein werden.



 

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