Meeting mit Peter Hook (Warsaw, Joy Division, New Order)
Ort: Le Môtel, Paris
Datum: 21.01.2013
Zuschauer: sehr viele, etwa 150
Dauer: etwa 40 Minuten Interview
Kein böses Wort über Barney Sumner oder die schmerzvolle Trennung von New Order, keine Auseinandersetzung mit der der Frage, was die übrigen alten Bandmitglieder von Joy Division oder andere der Gruppe Nahestehende davon halten, daß er, Peter Hook, mit alten Joy Division Alben auf Tour gegangen ist.
Klarer Fall, daß hier war eher eine Promoveranstaltung als ein kritisches Interview mit Peter Hook.
Hooky war extra nach Paris gekommen, um seine beiden inzwischen auf französisch übersetzten Bücher "Unknown Pleasures- Joy Division vu de l'interieur" und L'Haçienda- la meilleure façon de couler un club"* zu vermarkten und im kleinen Indieschuppen Le Motel dem englischen Moderator Rede und Antwort zu stehen.
Die kleine Herrenrunde wurde aufgelockert durch die charmante Übersetzerin und Dolmetscherin Suzy Borello, der es zu verdanken ist, daß die Franzosen die Werke nun in ihrer Landessprache lesen können.
Hooky, Suzy und der mir nicht namentlich bekannte Moderator saßen auf der kleien Fäche, die ansonsten hier meist von lokalen Bands als Bühne genutzt wird und unterhielten sich äußerst entspannt und angeregt. Erstaunlich wie gelöst Peter Hook wirkte. Er lächelte oft, bewies Charme und Witz und schien sichtlich Spaß an der Veranstaltung zu haben. All diejenigen, die einen agressiven,verbitterten Kotzbrocken erwarteten, wurden eines Besseren belehrt. Der ex-Bassist von Joy Divion war die Ruhe selbt, sprach mit sanfter Stimme, lobte immer mal wieder die engagierte Übersetzerin und ging extensiv auf die Fragen ein.
Warum er denn mit den alten Platten von Joy Division auf Tour gegangen sei? Na, weil die Lieder nach wie vor großartig seien und viele unbekannte Songs schon damals eher selten gespielt wurden. Insight sei so ein Beispiel, ein klasse Song, den nicht viele kennen. Er habe sich von Bobby Gillespie von Primal Scream inspirieren lassen, der mit Screamadelica getourt war. Warum nicht selbst noch einmal mit den alten Songs von Joy Division durch die Städte ziehen? Das gab es nie nach dem Tode von Ian Curtis und das sei rockhistorisch gesehen ein Kuriosum. Keine spezielle Tour zum 10, 20 oder 30 Jährigen Jubiläum der Alben Closer oder Unknown Pleasures, keine Festivalauftritte mit Joy Division Material, nichts. Aber gut, das habe daran gelegen, daß New Order eben noch aktiv war. Als er dann bei New Order ausgestiegen ist, hatte er plötzlich wieder die Zeit und Muße sich mit Joy Division zu beschäftigen. Erst 2010 habe er noch einmal die Platten gehört und festgestellt, daß die Lieder super und gut gealtert seien. Dem Produzenten Martin Hannett habe er auch jetzt, 33 Jahre (!) später, die ihm damals zu glattgeschmirgelte Produktion verziehen. Er habe damals lieber wie The Clash oder The Sex Pistols klingen wollen. Überhaupt The Sex Pistols. Als er Barney, Ian und Stephen1976 das kultige Konzert der Pistols in Manchester in der Lesser Free Trade Hall gesehen haben, wussten sie, daß sie auch als Band durchstarten wollen. Zudem habe er, Hooky, sich gesagt: "was die da machen, das kannst du auch." Led Zep, die er sehr schätze, habe er in dieser Zeit auch gesehen, aber die zu kopieren war ihm musikalisch viel zu anspruchsvoll, das traute er sich nicht zu. Joy Divison wollten also ein wenig wie die Pistols klingen, beziehunsgweise genauso energiegeladen und wild live auftreten, aber auch von The Doors waren sie besessen und stark beeinflusst.
Da hakte dann der Morderator ein, sagte The Doors seien unter Tausenden erkennbar durch das markante Orgelspiel von Ray Manzarek, Joy Division hingegen durch das einzigartige Basspiel von Hooky. Der Gelobte nahm das Kompliment gerne an und klopfte sich selbst auf die Schulter: "ja, stimmt, keiner spielte und spielt den Bass wie ich und das Tollste für mich ist, wenn junge Musiker auf mich zukommen und mir sagen: "ich habe deinetwegen mir dem Basspielen angefangen. Diese Art von Selbstbeweihräucherung wirkte aber nie zu penetrant oder unangenehm, weil Hooky dabei immer schelmisch grinste und das Ganze mit einem gewissen Augenzwinkern versah. So als wolle er ausdrücken: "tut mir leid, ich spreche einfach nur Wahrheiten aus, so ist es eben" Gleiches Bild als Hook sagte: "Manchester ist immer noch die wichtigste und einflußreichste Musikstadt der Welt, wer wolle das ernsthaft bestreiten?" Fast hätte ich reingerufen: "was ist denn mit Brooklyn oder Portland, Oregon?", aber dazu kam ich gar nicht, weil der englische Moderator meinte: ist Liverpool nicht die wichtigste Musikmetropole der Welt? (Anmerkung von mir: die sind lustig, die Engländer!).
Wie ein gütiger Lehrer gab sich Hooky beim Thema Auftreten einer jungen Band. Man müsse 100 % an sich glauben und denken, man sei großartig, sonst könne man das den Leute nicht übermitteln. Aber man müsse auch ziemlich bescheuert sein und kein Sicherheitsdenken haben. Es sei sicherlich vernünftiger, einen ordentlichen Beruf zu ergreifen. Sie selbst seien damals enthusiastisch, aber auch sehr naiv gewesen, hätten nie geglaubt, daß es mal einen solchen Kult um die Band geben würde. Aber er wolle nicht verschweigen, daß er es dadurch zu Wohlstand gebracht habe. Seine beiden Wagen seinen jedenfalls keine Gebrauchten ("no crappy cars"), sondern eher ziemlich tolle Modelle. Er könne sich wahrlich nicht beschweren, wisse aber, daß er ziemlich viel Glück gehabt habe. Wenn er neben dem frühen Tod von Ian Curtis etwas bedauere sei das, daß so viele Mithelfer der ersten Stunde heute nicht finanziell von dem Boom profitierten könnten, Martin Hannett (der Produzent), Rob Gretton (der Manager von Joy Division und New Order) und Tony Wilson (der Labelboss von Factory) seien tragischerweise so früh gestorben.
Bezüglich New Order gab er sich diplomatisch und pragmatisch. Für die Fans sei es doch toll, daß man 2013 die Chance habe, New Order gleich in zwei Bandformationen zu sehen, ihn als Peter Hook and The Light, der mit Movement ("the album sounded like Joy Division but it had New Order Lyrics") und Power, Corruption and Lies auf Tour gehe und New Order mit Barney. Diese beiden Alben seien ihm in der Diskografie sowieso am liebsten, während Barney sie nie wirklich mochte, weil sie noch so viel mit Joy Division zu tun hatten.
Über das Thema Haçienda wurde nicht viel gesprochen. Der fatale Niedergang des falsch geführten Nachtclubs in den New Order viel eigenes Geld gesteckt hatten, blieb weitestgehend außen vor, wichtiger war das Thema Joy Division. Hooky habe das Buch geschrieben, um als Insider die Sachen darzustellen und auch mit gewissen Fehlvorstellungen aufzuräumen. Ohne es gelesen zu haben: eine Abrechung mit den anderen Bandmitglieder scheint es keinswegs zu sein. Eher eine persönliche Darstellung mit der Distanz der Jahre, die dazu führt, daß man über einiges heutzutage eher lachen kann. Peter Hook liebt Joy Disbion, es ist ein ganz wichtiger Teil seiner Existenz. Als reine Coverband will er Peter Hook and The Light aber nicht verstanden wissen. Das habe in England immer so einen ranzigen Beigeschmack. Bei ihm geht es vielmehr darum, die Lieder nicht sterben zu lassen und wie oben geschildert auch unbekanntere Songs ins Rampenlicht zu stellen.
Auch das ähnlich chaotisch wie die Hacienda geführte Factory Label kam kurz zur Sprache. Erstaunlicherweise meinte Hooky hierzu, daß Factory die Art und Weise, wie Record Labels arbeiten, entscheidend geändert hätte. Da fragte ich mich natürlich: "wie meint er denn das jetzt? Factory ist durch Missmanagement pleite gegangen, Maßstäbe im ordentlichen Führen eines Labels haben sie in wirtschaftlicher Hinsicht ja wohl keine gesetzt. Aber nun gut, solche Interviews sind dann trotzdem oft zu kurz, um mehr in die Tiefe zu gehen und Vorgänge richtig zu erklären.
Dennoch: immerhin stand Peter Hook 40 Minuten lang Rede und Antwort und nahm sich dann noch alle Zeit der Welt, um Bücher zu signieren und für Erinnerungsfotos zu posieren.
Auch mein Konzertticket von dem Sensationsgig im Trabendo hat er unterschrieben. Der Gig wurde von den Lesern eines sehr bekannten Pariser Newsletters deutlich auf Platz eins gewählt, bei mir landete die Show auf Platz zwei.
Wo wird Peter Hook am Ende des Jahres 2013 mit Movement und Power Corription & Lies landen? Sicherlich weit vorne!
* In der englischen Originalausgabe heißen die Werke "Unknown Pleasures: Inside Joy Division" und "The Haçienda: How Not To Run A Club"
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