Dienstag, 20. Mai 2008

Interview: Rogue Wave, Köln


Interview: Rogue Wave
Ort: Büro des Luxor in Köln
Datum: 15.05.2008


Mit amerikanische Musiker zu sprechen, war bisher immer ausgesprochen angenehm, weil die oft vorschnell als oberflächlich abgetane Freundlichkeit von Amerikanern, Gespräche über ein so subjektives Thema wie Musik nicht durch ein muffiges Gesicht oder genuschelte Wortbrocken unnötig verkomplizieren. Rogue Wave Schlagzeuger Pat Spurgeon war da keine Ausnahme. Er war furchtbar nett und interessiert, einfach vollkommen unkomplizert. Wäre ich nur nach dem Äußeren gegangen, wäre ich zu einem anderen Urteil gekommen, Pat gleicht nämlich zwei unglaublich unsympathischen Sportlern wie gespuckt: Bis zu den Augen dem jungen John McEnroe, der Rest des Gesichts incl. Bart dem Paul Breitner aus der Braunschweiger Phase. Wenn es eines dieser geteilten Kinderbücher, in denen man aus drei Tierteilen immer wieder neue Mutationen erzeugen kann, auch mit mürrischen Sportlern gäbe, könnte man sich Pat leicht basteln!

Dazu paßte dann aber gar nicht, daß der Trommler ein aufgeschlossener Mensch ist, der sich gerne über Musik unterhält.

Konzerttagebuch: Wir haben bisher leider noch nichts über euch geschrieben, weil wir keines eurer Konzerte sehen konnten.
Dabei wart ihr schon in Köln. Ich habe nur eure myspace Top-Freunde Ola Podrida vor ein paar Tagen als Vorgruppe gesehen.

Pat Spurgeon: Oh! Wen haben sie supportet?

Kettcar, eine der besten deutschen Indiebands.

Wir waren auf Tour mit Tomte.

Das sind Labelkollegen.

Daher kam mir der Name bekannt vor. Ja, wir waren schon ein paar Mal in Köln einmal als Headliner hier in diesem Club und dann vor ein paar Monaten mit Nada Surf.

Auf eurer Website habe ich gesehen, daß ihr in Coachella aufgetreten seid. Wie war das?

Das war wunderschön! Ich war zum ersten Mal da. Für uns als Künstler ist das Festival sehr angenehm. Aber es ist sehr heiß, für die Zuschauer ist das hart.

Wir haben als erste Band am ersten Tag auf der Hauptbühne gespielt. Das war also nicht die beste Zeit, obwohl schon eine Menge Leute da waren, vielleicht 1.500 oder 2.000. Wir haben gespielt und konnten dann das Festival noch genießen. Es war großartig. Am nächsten Tag hat Prince überraschend gespielt. Er war nicht vorher angekündigt worden.

Solche Festivals sind cool, weil sie so verschiedenen Musikrichtungen bieten. In Coachella gibt es zum Beispiel ein Elektronik-Zelt. Einfach ein tolles Festival.

Und mitten in der Wüste...

So sieht es aber nicht aus. Es ist da überall grün. Palm Springs ist nicht weit, die
Gegend ist sehr reich. Das Festival selbst findet auf einem Polo-Feld statt! Wie gesagt, da gibt es viel Geld...

Klingt nach einem guten Platz für ein Konzert. Fallen dir ähnliche Locations ein, an denen ihr Shows hattet?

Ein anderer guter Ort, an dem wir gespielt haben, ist das Sasquatch! Festival in Washington State, in einer riesigen Schlucht! Die Bühne liegt so, daß man diese Schlucht sieht, riesige Täler, es ist atemberaubend. Ein ganz großartiges Festival. Wir sind da dieses Jahr auch wieder. Headliner sind The Cure, R.E.M. und die Flaming Lips.

Was mögt ihr lieber, Festivals oder Auftritte in Clubs, so wie heute abend?

Das ganz unterschiedliche Sachen. Komfortabler sind Auftritte in Clubs, besonders wenn man Headliner ist. Man kontrolliert das ganze mehr, den Soundcheck, wie das Konzert klingen wird. Bei Festivals ist alles so gehetzt. Man hat 30 Minuten Zeit, danach winkt schon jemand und zeigt an, daß du aufhören mußt. Das kann stressig sein. Auf der anderen Zeit spielst du vor so vielen Leuten. Besonders in Europa sind wir großes Publikum nicht gewöhnt.

Ich mag am liebsten kleine, intime Konzerte. Bevor wir jetzt nach Europa kamen, haben wir unsere eigene Tour in den USA im Fillmore in San Francisco beendet. In diesem historischen Club. Besonders für Zach war das etwas ganz Besonderes, weil er aus der Bay Area stammt. Seine Familie war da, all seine Freunde. Die waren alle vollkommen begeistert ihn und uns natürlich, wir sind alle befreundet, da an diesem Ort zu erleben. Wir sind da vor 1.500 Leute auf die Bühne gekommen. Ein sehr angenehmer Platz für Konzerte.

Gibt es noch unerfüllte Traumorte für Konzerte?

Da kann ich nur für mich sprechen - aber wahrscheinlich auch für die anderen Jungs in der Band. Es gibt zwei Plätze, die mir gleich einfallen, beide werden wir bald erleben. Da ist zum einen Red Rocks in Colorado, der Ort, an dem "Under A Blood Red Sky" gedreht wurde. Und dann das Greek Theatre in Berkeley, weil das unsere Heimat ist - und ein großartiger Platz für Open-Air Konzerte. Da supporten wir Death Cab For Cutie. Im August sind wir dann mit Jack Johnson unterwegs. Da werden wir dann auch im Red Rocks Amphitheatre auftreten - und in der Schlucht, von der ich erzählt habe, in der das
Sasquatch! Festival stattfindet.

Ach, und natürlich würde ich gerne im CBGBs in New York City spielen. Aber das ist vorbei, sie haben es abgerissen. Es gibt Gerüchte, die besagen, daß sie es abreißen und in Las Vegas wieder aufbauen!

Oh Gott! Das ist eine spezielle Idee...

Ja. Es wird wohl nicht das selbe sein (lacht). Vielleicht schaffen sie dann ja Leute in Lederjacken und Jeans da rein, damit es authentisch wirkt und nach 1977 aussieht.

Großartig!

Absolut! Das klingt einfach falsch!

Nochmal zurück zu den Festivals. Diesen Sommer spielt ihr keine in Europa, oder?

Nein, diesen Sommer nicht. Durch die beiden Touren mit Death Cab For Cutie und Jack Johnson sind wir ja den ganzen Sommer unterwegs, nur im Juli haben wir ein paar Tage frei. Da werden wir wohl eine Pause machen. Reisen ist mittlerweile so teuer, daß wir vermutlich nicht für ein Festival einfliegen können. Heutzutage ist es nahezu unmöglich für Bands zu touren, gerade in Europa.

Ist das Publikum in Europa ein anderes als in den USA?

Zu Hause haben wir mehr Zuschauer. In Birmingham haben wir vor 25 Leuten gespielt. Die waren aber dann in toller Stimmung, sie kannten alle Texte und haben mitgesungen, waren begeistert, uns zu sehen. Heute lerne Leute offenbar überall neue Musik kennen, im Internet, in Kinofilmen oder Fernsehserien.

Mir fällt immer wieder auf, wie viele in meinen Augen gute Bands Lieder in TV Serien platzieren. Bei uns ist das nicht so. Ihr habt ja auch schon einiges zu Serien und Filmen beigesteuert. Woher kommt das? Haben die Produzenten in Nordamerika einen besseren Musikgeschmack? Oder sind die einfach gleich alt wie die Bands und kennen daher diese Musik?

Genau das! Leute, die verantwortlich für Musik in Werbung oder Filmen sind, stammen aus der gleichen Generation wie die Musiker. Wobei ich gar nicht genau weiß, welche Generation das ist, weil heute alles für alle überall verfügbar ist. Es findet da glücklicherweise eine gute Entwicklung statt.

Dieser Musikstil... weil mir kein besserer Begriff einfällt - Indierock? Obwohl da viele Bands bei sind, die nicht indie sind, die aber immer noch diesen Sound haben, die Yeah Yeah Yeahs, die White Stripes, die Shins, wobei die nicht bei einem Major sind oder Death Cab For Cutie. Das befruchtet sich gegenseitig. Diese Bands schaffen es, den Mainstream zu erreichen, damit wecken sie das Interesse neuer Leute an Indie-Musik. Also können die Produzenten wieder mehr solcher Songs platzieren. So wird Indie langsam zum Mainstream, wenn es das noch nicht ist.

In Deutschland sind wir davon noch entfernt. Kennst du deutsche Indie Bands?

Ja, Tomte natürlich, mit denen waren wir ja auf Tour. Das sind tolle Menschen, sehr sympathisch. Andere Bands? Ich war in den 80ern auf der Highschool, ich kenne also Nena. Neu, waren die aus Deutschland? Ich mag gerne klassische elektronische Musik. Faust? Oder waren das Österreicher? Es klingt nach einer deutschen Band (und lacht).

In einem Interview habe ich gelesen, daß einer von Euch gesagt hat, ihr wäret alle Musiknerds. Das bin ich natürlich auch. Geht ihr zu Konzerten? Hast Du irgendeines in besonders guter Erinnerung?

Da fällt mir sofort Tom Waits ein, den ich ... ich glaube 1986 gesehen habe. Das hat mich umgehauen, weil sich keiner der Musiker da in den Vordergrund spielt. Mir hat das viel darüber verraten, wie Musik funktioniert.

R.E.M. habe ich im College gesehen, bei der Green-Tour. Und The Cure habe ich bei der Head on the Door Tour erlebt, das war atemberaubend, in einem kleinen Club in Chicago. Ich könnte jetzt viele aufzählen aber die Tom Waits Show war das größte, das Konzert hatte einfach alles. Ich konnte die Augen nicht von der Bühne wegbewegen.

Und hast Du Bands verpasst?

Ich würde liebend gerne - und ich hatte mehrfach die Chance - die Pixies sehen. Ich habe sie so oft verpasst. Selbst auf der Reunion-Tour habe ich es nicht hinbekommen.

Die fehlen mir auch. Und die Smiths natürlich.

Oh ja! Wir arbeiten gerade an einem Smiths Cover für das Konzert heute.

Ihr spielt gerne Cover, habe ich gesehen...

Das stimmt. Das passiert einfach aus Spaß. Wir üben und Zach spielt auf einmal irgendeinen Song. Auf jeder Tour spielen wir neue Cover. Das ist so lustig, wenn das Publikum plötzlich ein fremdes Lied erkennt, das wir spielen.

Ich bin sehr gespannt auf das Smiths Cover! Vielen Dank!


 

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