Dienstag, 30. März 2010

In Gowan Ring & Lisa o Piu & Diego Zavatarelli, Paris, 28.03.10


Konzert: In Gowan Ring & Lisa o Piu & Diego Zavatarelli

Ort: Café de Paris
Datum: 28.03.2010
Zuschauer: geschätzte 100
Konzertdauer: insgesamt fast 3 Stunden


Selbst nach 8 Jahren rastlosen Unterwegsseins in Pariser Hallen, Clubs, Bars und Cafés gibt es für mich nach wie vor neue Locations in der französischen Metropole zu entdecken. Und selbst nach mehreren hundert besuchten Konzerten stoße ich immer noch auf Musiker, die mir vorher unbekannt waren. So wie an jenem 28. März 2010. In Gowan Ring spielte im Café de Paris. Doppeltes Neuland. Die Location war schnell gefunden, liegt sie doch inmitten des trubeligen Oberkampf Viertels unweit des Nouveau Casino und der Maroquinerie. Erstaunlicherweise handelt es sich aber nicht um ein kleines, enges Café wie ich das erwartet hatte, sondern um einen festlichen, stimmungsvollen Saal, in dem man sogar stilvoll eine Hochzeit feiern könnte. Genauer gesagt gibt es hier beides. Im vorderen Teil ein Café bzw. eine Bar und im hinteren jenen schlauchförmigen Festsaal. Vermutlich ist der die meiste Zeit geschlossen und wird nur für besondere Veranstaltungen wie heute geöffnet. Ein nettes Pariser Mädel namens Carole hatte geladen (ich hatte sie ein paar Tage zuvor kennengelernt) und sich die Unterstützung der Unternehmung "Le 7 ième Ciel" hinzugeholt. Le 7 ième Ciel funktioniert so ähnlich wie die Oliver Peel Sessions. In einer Privatwohnung werden Konzerte veranstaltet und ausgewählte Gäste eingeladen. Ich selbst kam nie in den Genuß eines solchen Konzertes, obwohl mit Whalebone Polly Künstler genannt werden können, die sowohl im 7 ième Ciel als auch bei uns gespielt haben. Die könnten mich also ruhig auch mal einladen, ich würde natürlich das Gleiche tun! Nun gut...

Ich sitze also an einer langen Tafel im Café de Paris und warte genau wie alle anderen auf den ersten Künstler des Abends. Diego Zavatarelli heißt der Bursche, der gegen 21 Uhr 30 auf der hübschen Bühne erscheint. Ein Argentinier, der in Paris lebt. Seinem Akzent zufolge hatte ich ihn glatt für einen Franzosen gehalten, vielleicht hat er sich schon den seltsamen französischen Akzent beim Aussprechen englischer Wörter angeeignet. Sein Vortrag auf der Akustikgitarre gestaltet sich anfangs ziemlich zäh, aber im weiteren Verlaufe komme ich etwas besser rein. Einen nachhaltigen Eindruck hat er dennoch nicht bei mir hinterlassen. Vielleicht müßte ich ihn noch einmal sehen, um auf den Geschmack zu kommen.

Nach einer kurzen Pause wird die Bühne von einer vielköpfigen Truppe eingenommen. Es handelt sich um die Band der Schwedin Lisa o Piu, die den amerikanischen Troubadour In Gowan Ring heute unterstützt. Von dem lockenköpfigen Burschen, der aussieht wie Ex-Kommune 1 Chef Rainer Langhans, hatte ich zuvor nie ein Sterbenswörtchen gehört. Ein paar Experten im Saael kreiden mir das übel an. Was, Du kennst In Gowan Ring nicht? Und Birch Book auch nicht? Ich versteh' nur Bahnhof! Was ist denn jetzt Birch Book? Achso, das ist das andere Projekt des Barden. Langhans, ähem B'eirth wie er sich nennt, legt also los. Ich bewege mich nach nach vorne und sehe seine grüngebeizte Gitarre. Sehr kunstvoll und hochwertig gearbeitet, aber wenn ich ehrlich sein soll: ein etwas gewöhnungsbedürftiges Teil! Sieht aus wie die Schuhe des französischen Nobelherstellers Berluti. Die haben genau den gleichen Grünton im Sortiment und ich frage mich immer, wer so etwas tragen kann (und wann?). Hinterher erfahre ich, daß der Künstler die noblen Klampfen selbst herstellt. Feinste Handarbeit! Der Kerl spielt in Socken, das passt ins Bild. Irgendwie erinnert er mich mit seiner runden Brille an Reinhard Mey. Keine gute Assoziation, ich versuche sie zu verdängen. Die gespielte Musik ist sehr harmonisch und erlesen. Stimmlich gibt es Parallelen zum großen Nick Drake, aber bei In Gowan Ring klingt alles keltischer, mittelalterlicher und weniger spartanisch als bei Nick. Boat Of The Moon ist von profunder Schönheit, streichelt die Seele, tröstet. Ein Kleinod. Viele Songs des heutigen Sets stammen aber von Birch Book, dem Nebenprojekt von B'eirth, das weniger keltisch und psychdelisch und mehr dem tradionellen Folk verhaftet ist. Für mich schwer zu unterscheiden, da ich schändlicherweise beide Projekte vorher nicht kannte. Ein Lied mit Violinenbegleitung gefällt mir besonders, hinterher recherchiere ich und stelle fest, daß es sich um das recht neue Crack Of The Sun handeln muss.

In den allermeisten Fällen wird B'eirth heute von den Musikern von Lisa o Piu unterstützt, aber ein paar Lieder trägt er auch alleine vor. Bei Dandelion Wine mischt wieder die Band mit. Ein schwarzes, mysteriöses Stück, bei dem Lisa das Glockenspiel zum Schwingen bringt. Sicherlich ein Highlight. Warum B'eirth allerdings bei der Zugabe ein Stück von Georges Moustaki covert, erschließt sich mir nicht ganz. Vielleicht wollte er den Franzosen zu Liebe einen Chanson auf französisch vortragen?!

Insgesamt spannend, ich muß mich unbedingt in das Werk von In Gowan Ring und Birch Book einarbeiten.

Dann darf die Schwedin Lisa o Piu ihre eigenen Lieder vortragen. Sie und ihre Band hatten wir ja bereits bei In Gowan Ring im Einsatz erlebt. Eine gut eingespielte, harmonisch agierende Truppe, in der Lisa nicht nur Akustikgitarre, sondern auch Querflöte spielt. Wenn ich das richtig verstanden habe, zupft sie aber normalerweise auch noch auf einer Harfe. Auch das Foto auf ihrem Album Behind The Bend (2010) zeigt sie mit dem imposanten Instrument. Aufgrund der Sperrigkeit bleibt die Harfe aber in Schweden und es muß auch ohne gehen. Ihre Stimme ist sehr schön und lieblich und hat ihr in der Musikpresse (Mojo) schon Vergleiche mit Sandy Denny und Vashti Bunjan eingebracht, aber so ganz stimmt das nicht, denn Sandy hatte einen deutlich hörbaren (tollen) englischen Akzent, während man bei Lisa ganz leicht die schwedische Mundart raushört. Zudem klingt ihr Kehlchen kindlicher und weniger reif als bei Sandy und Vashti. Teilweise wird deshalb auch Joanna Newsom ins Spiel gebracht. Aber lassen wir die Vergleiche! Ohnehin tragen ihre barocken Kompositionen ihre ganz eigene Duftnote. Schade, daß ich keine Lieder zitieren kann, da mir die Künstlerin vorher nicht vertraut war. Ein Stück sticht besonders hervor. Es ist äußerst komplex, Stimmungs-und Tempo schwankend und stattliche 15 Minuten lang. Der Track stammt vom dem 2010 er Werk, welches ich mir hinterher zulege. Aber ich denke auch der Vorgänger When This Was The Future lohnt, was überhaupt für den ganzen Abend gilt: Eine sehr lohnenswerte, schöne Veranstaltung!

Setlist In Gowan Ring, Café de Paris, Paris

01: Introduction
02: White Angel (Birch)
03: Boat Of The Moon (In)
04: Crack Of The Sun (In)
05: Patchwork Woman (Birch)
06: Feet Of Clay (Birch)
07: Moon Over Ocean
08: Warm Wind And Rain

09: Corners Of My Life
10: The Stag
11: Life's Lace (Birch)

12: Dandelion Wine (In)
13: Le Temps De Vivre (Georges Moustaki)

Setlist Lisa o Piu (grand merci à Carole!), Café de Paris, Paris:

01: Forest Echo
02: Cinnamon Sea
03: The Party
04: Two
05: Child Of Trees
06: And So On

- Tres charmante vidéo de Rod avec Birch Book sur le hiboo.com



1 Kommentare :

E. hat gesagt…

bis auf diego sind die herrschaften schon bekannt. vor allem auf deine meinung zu in gowan ring bin ich gespannt.

 

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