Montag, 11. November 2019

Adorable, London, 02.11.19


Konzert: Adorable
Ort: Bush Hall, London
Datum: 02.11.2019
Dauer:
Zuschauer: 425 (ausverkauft)



Heute vor 25 Jahren spielten Adorable ein Konzert in Brüssel und verkündeten auf der Bühne ihre Auflösung. Creation Records hatte die Band kurz vorher rausgeworfen, nachdem das zweite Album Fake hinter den wirtschaftlichen Erwartungen zurückgeblieben war. Mitte der 90er Jahre war eben keine gute Zeit mehr für Shoegaze-Bands, Slowdive und Ride hörten ein bzw. zwei Jahre später auf. Hauptgrund für das Adorable-Ende war allerdings das Verhältnis der Bandmitglieder untereinander. Auf der einen Seite stand Sänger Pete Fijalkowski, auf der anderen die anderen drei. In Interviews heute sagen vor allem Bassist Wil und Schlagzeuger Kevin, daß sie die Band als großen Spaß und Pete als überehrgeizigen Schleifer empfanden. Es gab keine Vermittlung zwischen diesen Lagern, die Band löste sich auf und verschwand. 


Daß solch ein Ende letztlich das ist, was in den Köpfen der beteiligten übrigbleibt, muß frustrierend sein. Egal, wie gut der Anfang war, der letzte Eindruck bleibt. Und der letzte Eindruck war dauernder Streit und dann der Schock, daß alles vorbei war. Als er eine der wenigen Ansagen an diesem Abend fast 25 Jahre später machte, drückte Pete Fij genau das aus. "Wenn wir an Adorable denken, kommt uns nur das verkorkste Ende in den Sinn, das wollten wir korrigieren."
 


Diese Korrektur sollte ein neues letztes Konzert sein, ein neugeschriebenes Ende von Adorable. Im März war Pete alleine mit akustischer Gitarre durch Deutschland getourt und hatte Lieder aus allen Phasen seiner Karriere gespielt und dazu Episoden aus seinem Leben berichtet. Der Sänger arbeitet heute in einem Pflegeheim und erzählte von seinen Erlebnissen dort. Wenn er über Adorable-Songs sprach, klangen die Anekdoten viel weiter weg und distanziert. Bei meinen beiden akustischen Konzerten in Köln und Montabaur wäre ich nie auf die Idee gekommen, ein gutes halbes Jahr später Adorable einmal sehen zu können. Der Plan war aber bereits im März fix, die Ankündigung erfolgte etwas später. Und wie so viele alte Helden schätzen auch Pete, Robert, Wil und Kevin ihre heutige Größe komplett falsch ein. Zwei Konzerte wurden angekündigt, eines zum Warmwerden in Yorkshire und eines in der wunderschönen Bush Hall in London - Kapazität 425. Die Tickets für beide Konzerte waren innerhalb von Minuten ausverkauft, es folgten eine Weile später ganz offensichtlich aus der Not heraus geplante Zusatzshows in Yorkshire (eine) und in London (zwei, eine vor und eine nach der Samstags-Show).


Wir waren beim offiziell letzten, inoffiziell vorletzten Konzert der Band, die ihr Ende zurechtrücken wollte. "Dies ist kein Neubeginn, das ist ein neues Ende", betonte Pete auch noch.

Die Bush Hall ist ein ehemaliger Tanz-Saal mit Spiegeln und Kronleuchtern, einer der schönsten Konzertsäle, die ich kenne. Wir waren von der Freitags-Show vorgewarnt worden, daß der Sound nicht perfekt gewesen sei, was nichts von der Vorfreude nahm. Wir waren auch vorgewarnt, daß es einen Film vorher geben solle, waren aber überzeugt, daß beim offiziellen Schlußkonzert der angekündigte "special guest" vorher auftreten würde und hatten spekuliert, wer das wohl sein könne (Favorit: Piroshka). 

Der Special guest war der Film, ein Kurzfilm über ein Paris nach dem dritten Weltkrieg, eine Aneinanderreihung von Bildern, die in Trümmern und am Flughafen Orly spielten, in zu leisem Französisch mit kaum lesbaren englischen Untertiteln.


Danach wurde es am Rand der Bühne hektisch. In dem kleinen Bereich zwischen Backstage-Tür und Bühnentreppe versammelten sich Freunde der Band. Creation-Gründer Alan McGee entdeckte ich nicht, den hatte ich irgendwie hier erwartet. Der Prophet im eigenen Land...: Zu meinem Erstaunen waren wohl weit mehr Gäste aus dem Ausland als aus Großbritannien da. Pete fragte dies irgendwann ab, sehr viel mehr als die Hälfte schien eine weitere Reise gehabt zu haben. In meiner Nähe standen größere Gruppen aus Italien aber auch ein guter Teil der deutschen Shoegaze-Szene war da.

Das Konzert begann mit der Single I'll be your saint und war das Best-Of, das zu erwarten war bzw. das wir erhofft hatten. Keine überraschende Erkenntnis, denn der Katalog der Band ist nach zwei Alben und ein paar Singles nicht sehr groß. Und auch wenn es ein Traum gewesen wäre, wenn Adorable einfach alles gespielt hätten, funktionieren Musiker-Hirne leider anders als Musiknerd-Träume. Wir bekamen 14 Lieder und drei Zugaben, also 17 Hits, ein Konzert das vermutlich doppelt so lang wie alle während ihrer aktiven Karriere war und wir bekamen das Gefühl, gemeinsam mit 424 Leuten in einem Raum zu sein, denen die Musik und diese Gelegenheit auch so viel bedeutete, dafür am erst Tage vorher verschobenen Brexit-Datum nach London zu reisen.


Es war durchweg brillant, kurzweilig, laut, pannenfrei (der Vorteil des vierten Konzerts nach 25 Jahren).  Wie viel Freude die Musiker daran hatten, sah man vor allem Gitarrist Robert Dillam an. Er feuerte uns immer wieder an und wirkte extrem euphorisch, es war herrlich! So weit ich weiß, hat neben Pete nur Robert auch nach Adorable Musik gemacht, für Stephen Williams (Wil - stellvertretender Institutsleiter an der Uni in Coventry) und Kevin Gritton (Direktor eine Schule in Derby) war der Ausflug in die Vergangenheit eine Spur ungewöhnlicher. 

In den letzten Tagen kam zum fantastillionensten Mal das Gerücht eine Smiths-Reunion auf. Gottseidank wird die nie stattfinden. Die wichtigen Wiedervereinigungen sind für jemanden wie mich, der die meisten seiner Lieblingsbands in den 90ern verpasst hat, die von Bands wie Lush, Slowdive, Ride, My Bloody Valentine und jetzt Adorable. Alle stilvoll, die Erwartungen übererfüllend und musikalisch relevant wie damals. Oder vermutlich viel relevanter.

Setlist Adorable, Bush Hall, London:

01: I'll be your saint
02: Vendetta
03: Favourite fallen idol
04: Glorious
05: Road movie
06: Sunburnt
07: Kangaroo court
08: Radio days
09: Sunshine smile
10: Summerside
11: Submarine
12: Sistine Chapel ceiling
13: Cut #2
14: Breathless

15: Crash sight (Z)
16: Homeboy (Z)
17: A to fade in (Z)




1 Kommentare :

mark hat gesagt…

an diesem tag (17.10.) im jahre 1994 haben adorable im luxor gespielt - und es gab genau 14 songs. war ein tolles konzert, etwas seltsam, die aufnahme zufällig 26 jahre später nochmal zu hören.

 

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