Dienstag, 31. Mai 2011

Fleet Foxes, Paris, 30.05.11


Konzert: Fleet Foxes (Josh T. Pearson)

Ort: Le Bataclan, Paris

Datum: 30.05.2011
Zuschauer: ausverkauft:

Konzertdauer: 95 Minuten
Temperatur: 55 ° Celsius



Die Innigkeit sei verloren gegangen, bemängelte Bloggerfreund Eike vom Klienicum bezüglich des aktuellen Albums von Iron & Wine. Obwohl ich das in diesem Falle anders sehe, verstand ich sehr gut, was er meinte. Wenn ein Singer/Songwriter, der zu Beginn seiner Karriere intimste Lofi-Alben aufgenommen hat, plötzlich stärker instrumentiert und radiotauglicher daherkommt, kann das Puristen und Anhänger reduzierten Folks schon verschrecken.

Nach dem heutigen Konzertabend frage ich mich deshalb, was Eike wohl zu seinen alten Lieblingen Fleet Foxes sagen würde. Von Innigkeit, Intimität und Reduziertheit war nämlich so gut wie gar nichts zu spüren. Stattdessen wurde überaus wuchtig, ohrenbetäubend laut und stark orchestriert aufgespielt. Die Fleet Foxes wirkten wie eine vulgäre Stadionband, die sich für das Stade de France empfehlen wollte. Über weite Strecken klang das für mich wie Bruce Springsteen in seiner Born In The USA -Phase. Überflüssig zu sagen, daß dies enorm abschreckend war.

Was ist bloß aus dieser barocken Folkband geworden, die zu Beginn ihrer Laufbahn mit soviel Gefühl, Filigranität und Charme begeistern konnte? Wo ist sie hin, diese Magie, die von den choralen Gesänge ausging? Nicht viel übrig geblieben ist von diesen einstigen Qualitäten. Leider. Am heutigen Tage konnten mich die Amerikaner in keiner Phase fesseln. Zu wuchtig und brachial performten sie, um Wärme und Emotionen aufkommen zu lassen, zu dumpf und schwer allein das Schlagzeug von Josh Tillman. Bumm, bum, bumm, donnerte es von hinten und es klang als würden einem Ziegelsteine an den Kopf geschleudert. Die Sensationstimme von Pecknold oft zugekleistert von diesem alles übertönenden Bombastsound, der aber (und dies war nicht sonderlich überraschend) dem Publikum ausgezeichnet gefiel. Und dann die Chöre. Auch hier zu viel des Guten. Schematisch und schablonenhaft wurden sie einem aufs Ohr gehetzt, bei jedem Lied klangen sie gleich und echte Emotionen konnten auch durch die extreme Inbrunst und Lautstärke mit der sie geschmettert wurden, nicht erzeugt werden.

Höhepunkte waren rar gesät, im Grunde genommen gab es sie nicht. Einzig und allein dann, wenn Pecknolds Stimme mal mehr Luft zum Atmen hatte, kam mehr rüber. Bei Montezuma zum Beipiel, oder bei Blue Spotted Tail. Da entstand zumindest ansatzweise etwas von der Magie, die ich mir vorher erhofft hatte.

Regelrecht fürchterlich dann der Abschluß mit Blue Ridge Mountains. Wummernder Bombastfolk schallte durch das unerträglich heiße und schwüle Bataclan und es klang fast wie ein Hit für das Oktoberfest. Wenn man den Kaiser Chiefs damals den Vorwurf der Kirmesmusiktruppe machte, dann muss man dieses Etikett konsequenterweise nun auch den Fleet Foxes an die Brust heften.


Schade auch, daß der reduzierte Song Oliver James bei der Zugabe vom rhythmischen Klatschen der Zuschauer ruiniert wurde und so nicht seine anziehende Wirkung entfalten konnte.

Als ganz zum Ende der Helplessness Blues ertönte, war mein Urteil schon gefallen: enttäuschend! Robin Pecknold hatte zwar erneut bewiesen, was für ein Ausnahmesänger er ist, aber die inzwischen sechsköpfige Band ( Morgan Henderson als neues Mitglied an Kontrabass, Querflöte und: (würg!) Saxofon) war leider mit der Brechstange zu Werke gegangen.

Die Innigkeit ist verloren gegangen, wie sehr dieser Satz heute stimmte. Schade!

Zum Glück gab es aber den famosen Bartträger Josh T. Pearson im Vorprogramm. Der Texaner zeigte vortrefflich, was Folk, wenn er authentisch und mit einer gewissen Demut vorgetragen wird, vermitteln kann. Hier gab es keine Note zuviel, keine massentauglichen Bubblegumrefrains wie bei den Fleet Foxes, sondern tottraurige, aber gerade deshalb enorm bewegende Songs und ein komplexes und ungewöhnlich kreatives Gitarrenspiel. Ein Storyteller im Geiste von Bob Dylan, dieser Pearson, der mit einer Stimme und einem Charisma gesegnet ist, wie kaum ein Zweiter. Gleich mehrfach traf er mit seinen reduzierten Endlosliedern mitten in mein Herz. Kein Wunder, daß alle renommierten Musikzeitschriften sein Werk Last Of The Country Gentlemen mit Sternen überhäuften und Josh über den grünen Klee lobten. Der neue Shooting Star der Folkszene hat aber dennoch nicht den Bodenkontakt und seinen trocken Humor verloren. "I'm not Fleet Foxes" sagte er gleich zur Beginn zu Vorstellung schmunzelnd und schickter hinterher: "Die Fleet Foxes fallen heute aus, ich übernehme ihren Part, wenn das ok für euch ist." Zynisch und witzig auch, daß er zwischen den Liedern immer wieder mit Hinblick auf den Merchandise sagte: "Please buy my shit!"

Habe ich dann auch glatt gemacht, Zwar kannte ich die Lieder alle schon von Konzerten her, den Tonträger hatte ich aber noch nicht. Ich bin sicher, daß ich mich daran gütlich tun werde.



Setlist Fleet Foxes, Le Bataclan, Paris:

01: Cascades

02: Grown Ocean
03: Drops In The River
04: Battery Kinzie
05: Bedouin Dress
06: Sim Sala Bim
07: Mykonos
08: Your Protector
09: Tiger Mountain Peasant Song
10: White Winter Hymnal
11: Ragged Wood
12: Lorelai
13: Montezuma
14: He Doesn't Know Why
15: The Shrine/An Argument
16: Blue Spotted Tail
17: Blue Ridge Mountains

18: Oliver James
19: Helplessness Blues

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1 Kommentare :

E. hat gesagt…

ich erinnere mich noch gut an die ersten foxes berichte, da leutchen sie in kleineren kirchen erhaschten, bleibendes. dein bericht hat mich erschreckt und fügt sich doch nahtlos an vieles an, was wir dahingehend schon erleben mussten. ich hab das münchner konzert aufgrund wetterkapriolen nicht erleben können/müssen.

 

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