Konzerte: Josh T. Pearson (+ Lisa Germano) & Troy von Balthazar
Orte: Le Café de la Danse (Josh), La Machine Du Moulin Rouge (Troy), Paris
Datum: 15.04.11
Zuschauer: jeweils etwa 400-500
"Man soll nicht auf zwei Hochzeiten tanzen", so das Sprichwort.
Selbstredend, daß solch althergebrachte Weisheiten für mich nicht gelten. "Man kann nicht alles haben", auch diesen Spruch habe ich schon als Kind gehasst, ich wollte immer alles haben und dachte nicht daran, mich mit der Hälfte zu begnügen.
Gleichzeitig auf zwei Konzerten zu sein, ist aber selbst bei größtem Ehrgeiz nicht möglich. So musste ich dann zähneknirschend hinnehmen, daß ich von den Konzerten von Josh T. Pearson respektive Troy von Balthazar jweils nur die Hälfte mitbekam, weil die beiden Herren an relativ weit auseinanderliegenden Orten ihre schöne Kunst zur Schau stellten.
Begonnen hatte den Konzertabend des 15. April 2011 allerdings eine Dame. Lisa Germano hielt sich gegen 20 Uhr 15 im Café de la Danse am wundervollen Flügel bereit und ließ etwa 40 Minuten lang ihre Finger samtweich durch die Tasten gleiten. Ihre sehnsüchtigen Pianoballaden begleitete sie mit einer herzerweichenden Hauchstimme und schaffte es mit dieser Rezeptur tatsächlich, meinen überdrehten Puls deutlich nach unten zu fahren. Sie schien optisch vom Leben angegangen (kein Wunder, sie ist Jahrgang 1958), stimmlich war sie aber nach wie vor top. Zum Vortrag kamen Stücke von verschiedenen Werken ihrer umfangreichen Diskografie, vor allem vom aktuellen, noch nicht erschienenen Ouput und dem Vorgänger Magic Neighbor. Zwischen den Songs gab es immer mal wieder Erklärungen zur Entstehungsgeschichte der Stücke und auch ein paar Anekdoten, an die ich mich aber nicht mehr so genau erinnern kann (Alzheimer lässt grüßen!). Auf jeden Fall ging es in der witzigsten Szene um ihren bösen Nachbarn und auch eine Katze spielte in der Anekdote eine Rolle (oh je, Oliver, wo warst du mit deinen Gedanken, als sie das alles erzählte?).
Nach etwa 40 Minuten hatte die gute Lisa dann ausgeklimpert, schnappte sich die Setliste und ihr Glas Rotwein und überließ die Bühne dem Texaner Josh. T. Pearson, der in der Kabine schon mit den Hufen (ähem den Cowboy-Boots) scharrte.
Der hagere, hochaufgeschossene Bartträger ließ sich dann gegen 21 Uhr 15 auf der Bühne blicken, fragte zynisch, ob wir Pariser an einem Freitag abend nichts Besseres zu tun hätten, als einem traurigen Singer/Songwriter zuzuhören und legte mit einem Boney M Cover (!) los. The Rivers Of Babylon verhunzte er aber dreimal, weil er von Lachkrämpfen geplagt wurde und sein Manager Peter schüttelte am Bühnenrand schon entsetzt mit dem Kopf. Aber der verpatzte Start war (vermutlich) Teil der Show, die in der weiteren Folge wunderbar flutschte. Josh schafte es ganz alleine mit seine Akustikgitarre und seiner markanten Stimme, eine knisternde Atmosphäre zu kreieren und die Leute zum Schweigen und Zuhören zu bringen. Keiner muckte und dies obwohl die Stücke in der Regel mindestens 10 Minuten lang und oft sehr karg instrumentiert waren. In einzelnen Momenten kitzelte Josh die Saiten seiner Klampfe nur ganz leicht, bloß um kurz später perlende Riffs hinterherzujagen, die aufbrandeten wie eine hohe Welle im Meer. Tottraurig die Texte, in denen es um Trennungsschmerz, Einsamkeit und Depresisonen geht, Themen mit denen sich Josh in den letzten Jahren auseinandersetzen musste. Schmerzliche Erfahrungen, die allerdings der perfekte Näbroden für seine verzweifelten Bildhübsch-Songs waren und den Mann mit der Totenkopf Gürtelschnalle inspiriert haben. Aufgenommen wurden sie zum Großteil in Berlin, wo Josh ein paar Jahre lang lebte und wo er sogar eine deutsche Frau geheiratet hatte, von der inzwischen geschieden ist. In den letzten eineinhalb Jahren kampierte Pearson in Paris, genauer gesagt in der Wohnung über der Créperie West Country Girl. Der Patron Erwan Le Floch ließ ihn dort völlig mietfrei leben, ihm genügte es, daß der Texaner Akustik-Sessions in seinem Restaurant abhielt und famose Künstler aus Texas einlud, darunter Bosque Brown und Micah P. Hinson. Diese West Country Girl Night Sessions sind legendär geworden und inzwischen interessieren sich selbst britische Musikjournalisten genauestens für diese originellen Veranstaltungen, das Restaurant und die Pariser Vagabunden Zeit von Pearson (selbst Mojo berichtete).
Das Café de la Danse ist allerdings keine urige Crêperie und so war das heutige Konzert doch mit wesentlich mehr Druck verbunden, als die improvisierten Konzerte, die vor Augen von wohlwollenden Freuden stattfanden. Druck, dem Pearson nach den oben geschilderten anfänglichen Problemen auf beeindruckende Weise stand hielt. Dier Vortrag war intensiv, knisternd, packend und trotz der Länge der Stücke nie langweilig oger gar einschläfernd. Geradezu magisch, wie der baumlange Kerl das Publikum in seinen Bann zog.
Trotzdem: nach etwa 40 Minuten zog es mich weiter, denn ich wollte unbedingt noch das Ende des Konzertes von Troy von Balthazar mitbekommen. Ich rannte aus dem Café de la Danse Richtung U-Bahn, beeilte mich so gut wie ich konnte, kam aber dennoch mit massiver Verspätung in der Machine du Moulin Rouge an. Troy war bereits bei den Zugaben angelangt, aber die hatten es in sich und rechtfertigen die Hetzerei vollkommen. Wings ist eine der schönsten Balladen, die in den letzten Jahren geschrieben wurde. Der Hawaiianer trug dieses Kleinod mit solch brüchiger Falsett Stimme vor, daß sein Weltschmerz förmlich ertastbar war. Von Balthazar hatte Wings auch damals bei meiner Oliver Peel Session performt und schon zu diesem Zeitpunkt war ich hin und weg von dem Track, den man auf seinem aktuellen Album How To Live On Nothing finden kann. Der endgültig letzte Songs stammte dann allerdings vom ersten Solo Output des ehemaligen Chokebore Sängers. Heroic Little Sisters, fast schon ein Klassiker.
Hinterher hatte ich zumindest kurz die Gelegenheit mit Troy und seiner Begleitband, bestehend aus der französischen Bassistin Adeline und dem amerikanischen Drummer Christian (Chokebore), zu plaudern. Die drei Musiker waren vom Touren geschlaucht und urlaubsreif, was man verstehen kann, wenn man weiß, wie stark sie sich immer ins Zeug legen.
Setlist Troy von Balthazar, La Machine du Moulin Rouge, klick!
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