Donnerstag, 15. November 2007

The National, Paris, 14.11.07


Konzert: The National

Ort: L'Elysée Montmartre, Paris
Datum: 14.11.2007
Zuschauer: ausverkauft


Daß es eine Band ohne Skandale, Drogenexzesse, Supermodels und den entprechenden Medienhype schafft, einen recht großen Saal wie den Elysée Montmartre auszuverkaufen, ist in der heutigen Zeit eine Seltenheit geworden. Den Amerikanern The National ist dieses Kunststück trotzdem gelungen. Ganz ohne Rockstar-Attitüde, engen Jeans, nacktem Oberkörper und dem gängigen Fuck-Patois ("Fucking nice city", "Fucking good crowd"...) lockten sie zahlreiche Pariser in das Pigale-Viertel am Fuße des Montmartre. Und dies obwohl die ganze Stadt wieder einmal durch den Metro-Streik fast vollkommen lahm gelegt worden war.

"How did you get here?, did you take one of these bikes?",
fragte dann auch ziemlich überrascht Sänger Matt Berninger, verbüfft feststellend, daß der Saal trotz des Streiks nahezu voll war. Auf seine Frage konnte ich allerdings schlecht mit "ja" antworten, da ich nicht mit einem dieser Leihfahrräder, sondern mit dem Taxi gekommen war. Und dies zu kriegen war gar nicht so leicht. Fast 50 Minuten stand ich in der Kälte am Taxistand und wartete verzweifelt darauf, schleunigst zum Orte des Geschehens gebracht zu werden. Auch eine amerikanische Familie harrte mit mir aus und auf meine Nachfrage hin, stellte sich heraus, daß sie aus Ohio kamen. Cleveland, Ohio. Ich verkniff mir zu sagen, daß ich mal eine Kappe des lokalen Baseball-Teams Cleveland Indians hatte und wünschte viel Glück, als ich endlich in eines der heißbegehrten Vehikel einsteigen konnte. "We are from Ohio. Columbus, Ohio", war dann witzigerweise der zweite Satz von Matt Berninger. "Nobody wanted us there, so we moved to Brooklyn", scherzte er weiter.

In Paris wollte man ihn und seine Band aber haben, sehr gerne sogar. Mit "Start A War" wurde dann entgegen des Titels nicht ein Krieg begonnen,
sondern ein Reigen unvergleichlich schöner, perfekt arrangierter Lieder begonnen. Lieder, die zum Großteil vom aktuellen Album "Boxer", aber auch vom Vorgänger "Alligator" stammten. Das Reptil wurde zum ersten Mal mit "Secret Meeting" ins Spiel gebracht und kehrte mit dem herrlichen "Baby, We'll Be Fine" auch an fünfter Steel schon zurück. Insgesamt sollten sieben Lieder vom "Alligator" stammen, darunter auch das famose "Abel", welches man als Vinyl-Single am Merchandising-Stand kaufen konnte. Der große Rest dann aber vom "Boxer". Ein geschmeidiger Boxer, dieses Album, daß einen umhaut, ohne zu forcieren. Ganz entspannt bekommt man von diesem Faustkämpfer einen Hieb in die Magengrube versetzt, daß man nur so taumelt. Taumelt, benommen vor Glück, ob dieser puren, tiefgründigen Schönheit, die von den Liedern ausgeht, die ähnlich hell strahlten wie das goldene Lametta , welches als Bühnendeko diente. Höhepunkte des sehr ausgewogenen Konzertes hervorzupicken, fällt nicht so leicht, ich möchte aber dennoch "Squalor Victoria" nennen, das fast punkig gesungen wurde. Endlich schrie und keifte Matt mal in sein Mikro, das tat gut, denn manchmal war mir das Konzert fast zu brav, trotz der wundervollen Lieder. Ich hätte mir gewünscht, daß der schlaksig wirkende Mann öfter mal explodiert, er wirkte immer ein wenig schüchtern und wenn er in die Hände (oder gegen sein Hosenbein) klatschte, erinnerte das an Frau Merkel. Wie ein Kind, mit ausgetreckten Handflächen. Überhaupt: dem Mann fehlte es leider etwas an Charisma, er hatte die Austrahlung eines netten Erdkundelehrers mit dem man die Noten diskutieren kann. Diesen Mangel kompensierte er aber durch sein freundliches und kommunikatives Wesen. So erzählte er beispielsweise, daß er San Diego liebe, sie da aber immer schlecht spielen würden. Ein anderes Mal widmete er ein Lied ( eben Squalor Victoria") einem gewissen Mathieu, einem Fan der ersten Stunde, der die Band schon unterstützt hat, als sie lediglich vor 20 Personen spielten. "Abel" kündigte er schließlich mit "A song about love between brothers" an und gegen Ende versicherte er (auf das Problem der Rückfahrt anpielend) gar: "Don't you worry, we'll take everybody home, otherwise we have a lounge with refrigerator"...

Auch sein Gitarrist war gesprächig, er parlierte sogar recht gut französisch, was die Sympathien nur noch steigerte. Nach 17 Liedern wurde der erste Teil beendet. Das gespielte "Mr.November" war für mich eines der besten Lieder des Sets, weil hier auch mal wieder ein bißchen mehr Druck erzeugt wurde. Bei langsameren Stücken plätscherte es hingegen manchmal ein wenig vor sich hin. Die zwei Zugaben waren noch einmal recht überraschend "You've Done It Virginia", das man auf der "Lit-up"-Ep finden kann, spielt die Band nach eigenem Bekunden selten und auch der endgültige Schlußpunkt "About Today", entsprang einer Ep und zwar "Cherry Tree". 19 durchweg hervorragende Lieder hatten mich verzückt, konnten aber nicht ganz über die gewissen Defizite bei der zu zaghaften Live-Performance hinwegtäuschen.

Vielleicht bräuchte die Band auch einmal einen handfesten Skandal, ein Supermodel, oder irgendetwas in der Richtung!? Nein, mal ganz im Ernst, The National haben soviel Klasse und Eleganz, da muß das nicht sein. Nur ein wenig mehr Action auf der Bühne wäre wünschenswert...

Setlist The National, Elysée Montmartre, Paris:

01: Start A War
02: Mistaken For Strangers
03: Secret Meeting
04: Brainy
05: Baby We'll Be Fine
06: Slow Show
07: Squalor Victoria
08: Abel
09: All The Wine
10: Racing Like A Pro
11: Ada
12: The Geese Of Beverly Road
13: Apartment Story
14: Daughters Of The Soho Riots
15: Fake Empire
16: Green Gloves
17: Mr. November

18: You've Done It Again Virginia (Lit Up EP)
19: About Today (Cherry Tree EP)

Link: mehr Photos von The National



7 Kommentare :

Anonym hat gesagt…

Kommentar folgt ;)

Anonym hat gesagt…

Bei so einem Review wird mir ja richtig schlecht.

Übrigens: Der Song richtet sich an Virginia, nicht an Victoria, ja?

Oliver Peel hat gesagt…

Absolut richtig "You've Done It Virginia" war die Zugabe und nicht Victoria. Das wußte ich auch, habe aber ständig an "Squalor Victoria" denken müssen. Der Fehler ist korrigiert.

Im Übrigen halte ich es für feige, anonym rumznörgeln und oberlehrerhaft nach Fehlern zu suchen.

Nenn' doch Deinen Namen, wenn Du so talentiert bist und besser und genauer recherchiert schreiben kannst.

Wir bieten Genies wie Dir gerne eine Plattform für diverse Konzertberichte.

Und gegen die Magenschmerzen solltest du es mal mit Alka Seltzer versuchen.

Oliver Peel hat gesagt…

Und eine vollständige und komplette Setlist von einem anderen Konzert von The National möchte ich auch von Herrn/frau anonym.

Ich habe die gesamte Liste nur auf Grund von handgeschriebenen Notizen erstellt und mir dafür die halbe Nacht um die Ohren geschlagen. Und was erntet man dafür?

Solche Kommentare.

Bei so viel Bitterkeit und Neid kann einem in der Tat schlecht werden!

Anonym hat gesagt…

Haha. Und ich dachte ihr immer, ihr verfasst diese Berichte aus Liebe zu Konzerten und nicht aus Selbstdarstellung.

Oliver Peel hat gesagt…

Dann hattest du vorher richtig gedacht:

Wir verfassen die Berichte in der Tat aus Liebe zu Konzerten und die lassen wir uns auch nicht nehmen!

Oliver Peel hat gesagt…

Im Übrigen weiß ich auch immer noch nicht, was Grund der Erregung ist.

Ich mag The National sehr gerne und habe dies in dem Bericht auch deutlich zum Ausdruck gebracht.

 

Konzerttagebuch © 2010

Blogger Templates by Splashy Templates