Konzert: Bernhard Eder
Ort: B72, Wien
Datum: 15.05.2011
Zuschauer: um die 50
Konzertdauer: etwa 90 Minuten
Mein neuntes Mal Bernhard Eder. Eigentlich beschämend für mich, dass ich mich (und meine Arbeitsmoral) jetzt erst zu einem ersten Konzerbericht des ganz sicher besten Songwriters Österreichs überwinden kann. Aber es ist einfach wirklich an der Zeit, "Meister Eder", wie er von manchen liebevoll genannt wird, hier vorzustellen.
Oft wird es in Rezensionen so dargestellt, als hätte der gelernte Automechaniker ganz plötzlich seine Berufung im Songschreiben gefunden, dabei hat er sich mit einem Gesangsstudium und einigen Bands schon einen Namen gemacht, bevor es "Bernhard Eder" gab. Dass er auch in Deutschland recht bekannt ist, liegt an seinen Jahren in Berlin. Vor wenigen Monaten veröffentlichte er sein drittes Album, To disappear doesn't mean to run away, ein wahnsinnig großartiges Werk, das seine bekannten Stärken konzentriert und ein dichtes, wunderschön instrumentiertes Stimmungsbild zeichnet.
Ein Glück (für mich jedenfalls), dass Bernhard Eder so oft live zu sehen ist. Wie zum Beispiel sonntags im B72. Die Wahl des Wochentags und das Wetter dürften aber einige nicht aus dem Bett gelockt haben, es hat schon Konzerte mit deutlich mehr Besuchern gegeben. Soll sein, war das halt eher eine kleine Freundesrunde!
Weshalb mit In a foreign land der erste Song solo und mit Ukulele im Publikum gespielt wurde, bevor Eder den Wiener Linien für die fünfminütige Fahrplanpause über unseren Köpfen mit einer Abschwur vom Schwarzfahren dankte und sein Dream-Team auf die Bühne bat. Man könnte auch sagen: "Allstar-Team", so viele Mitglieder anderer Bands der Szene waren vertreten. So zum Beispiel die Geschwister Lacherstorfer von Velojet mit Kontrabass und Geige und der Garish-Schlagzeuger Markus Perner. Weitere Gastauftritte sollte folgen, weiter gings jedenfalls mit einem älteren (Künstleraussage: "nostalgischen") Stück, Buried in oblivion.
Den kuriosen Umstand, dass er diesmal Wasser statt des geliebten Bieres trinke, erklärte Eder dann mit einem falsch bestellten Falafel-Sandwich. Rohe Zwiebeln und er, das seien keine Freunde. Gut, es soll nichts schlimmeres passieren und auch ohne Bier war er so gut gelaunt wie immer.
Die folgenden Songs stammten allesamt vom neuen Album, so das famose Lisbon und With my head in hands, mit der tollen Glockenspielmelodie gegen Ende. Kleinere Fehler sorgten dabei für Erheiterung. Six eight 1 wurde gespielt, den Songtitel kann sich Eder selbst nicht erklären, den des folgenden Songs, Fog over land, schon: Der Nebel im Hausruckviertel, den es dort monatelang beständig gäbe, hat sich dieses Stück verdient. "Auch wenn der Wettbericht vielleicht Restösterreich und sogar dem Nachbarort Sonnenschein verspricht, bei uns gibts nur Nebel." Und ja, das stimmt wohl wirklich, ich bin mit solchen Gegenden bestens vertraut. Fakt auch, dass abgeschiedene Landregionen einen mit ihrer Einsamkeit und der wenig berührten Natur zu Großem inspirieren können. Auch To disappear... ist am elterlichen Bauernhof (welchen zu übernehmen sich Eder übrigens strikt geweigert hat) entstanden, im alten Jugendzimmer zwischen Relikten früherer Tage.
Normalerweise käme jetzt wohl das AC/DC-Cover von Thunderstruck (einer der Fälle, wo mir das Original völlig wurscht ist, das Cover jedoch großartig) und der Geschichte seiner Jugend als Teil einer Motorrad-Gang und dem dazugehörigen Soundtrack. Aber da heute ja Tag des Herrn sei ("kleiner Scherz"), wolle man lieber etwas Anderes covern. "Brave Musik", wie Marlene Lacherstorfer, die Kontrabassistin, ein Cover ihrer Band Velojet ankündigte.
I follow my heart ist sowas wie ein österreichischer Indie-Hit, seit einigen Jahren fixer Bestandteil diverser Playlists und auch live ein energiegeladener Genuss. Von diesem Song gibt es auch eine Live-Version aus dem Radiokulturhaus, gesungen von Eder gemeinsam mit Velojet-Sänger Mühlberger - ein wunderschönes Stück Musik.
Aber auch Eder alleine kann sehr toll singen und so wird diese Darbietung mit extra viel Applaus bedacht.
Mein Highlight stand aber noch aus. Zwei Songs später kam Good to be, ein neues Stück, und mit Julian Schneeberger (ebenfalls von Garish) kam Unterstützung an der zweiten Gitarre. Diese setzt nach einigen Takten der ersten Gitarre ein und errichtet eine hübsch ineinander verstrickte Songstruktur, die den Lyrics Raum zur Entfaltung gibt. "So I have built a wall around me, to find out it's better to be open..." Von der Erfahrung, wie schön es doch sei, zu leben und der Gewissheit, dass immer jemand hilft, um es mit Ilija Trojanow zu sagen: "Die Welt ist groß und Hoffnung lauert überall."
Ein weiteres "to be"-Stück folgte. Nachdem Bernhard Eder nicht gerade selten mit Nick Drake verglichen wird, ist es legitim und ironisch zugleich, einen Song des Großmeisters zu bearbeiten: Place to be. "And I was green, greener than the hill. Where the flowers grew and the sun shone still. Now I'm darker than the deepest sea, just hand me down, give me a place to be."
Was für ein schönes Ende. Schade nur, dass hinten irgendein Subjekt unfähig war, die Klappe zu halten. Hätte ich mehr im Oberarm als im Oberstübchen, hätte ich so eine Situation sicher schon mal selbst beendet.
Fürs Klatschen jedenfalls reicht mein Bizeps und nachdem das auch bei allen anderen der Fall war, wurde mit Polen #1 die erste Zugabe gespielt. Älterer Song übrigens.
Beim darauffolgenden Now's the time kam es, wie man es bereits bestens gewohnt ist, im Mittelteil zur Aufforderung, den Takt klatschend zu übernehmen und da der Großteil wohl schon einem Eder-Konzert beigewohnt hat funktionierte das bestens. Auch dieser Song ist älteren Semesters, von sehr melancholischer Sprache und Instrumentierung und dennoch ein Beweis für die Lebensfreude des Herrn Eder. Mögen seine Songs noch so dunkel sein, für diesen Burschen ist der Grat zwischen Melancholie und Lebensbejahung ein Spaziergang.
Das Publikum hatte jedenfalls noch immer nicht genug und so gab es eine weitere Zugabe. Being boring von den Pet Shop Boys wurde in lustigen Version gecovert, dass der Titel nicht die Stimmung dieses Abends traf, muss glaube ich nicht erwähnt werden.
Mit Konzerten von Bernhard Eder ist es ein wenig mit dem sonntäglichen Kirchgang überzeugter Christen (um auf den Tag des Herrn zurückzukommen): Im Grunde bekommt man immer das gleiche serviert, schon mit Raum für spontane Ideen, aber mit einem guten Teil, auf den man sich verlassen kann. Und dennoch kommt man immer wieder gerne: ist es die sympathische Erscheinung des Songwriters, seine erstklassige Musik oder die Freude, mit der die Leute immer bei der Sache sind - Bernhard Eder-Konzerte gehören jedenfalls zu den schöneren Seiten eines Sonntags. Besonders wenn dieser wettertechnisch grau in grau ausfällt. Wie im gesamten Leben: Man muss nur den Farbtupfen finden...
Setlist Bernhard Eder, B72, Wien:
01: In a foreign land
02: Buried in oblivion
03: Lisbon
04: With my head in hands
05: Six eight 1
06: Fog over land
07: Until the end*
08: Sad ballad man
09: I follow my heart (Velojet Cover)
10: Unexpected
11: Good to be
12: Place to be (Nick Drake Cover)
13: Polen #1 (Z)
14: Now's the time (Z)
15: Being boring (Pet Shop Boys Cover) (Z)
*Hier war ein weiterer Gast am Werken, nämlich Stephan Stanzel von A Life, A Song, A Cigarette an der Hawai-Gitarre - auch ganz hervorragend!
Ausgewählte Konzerttermine von Bernhard Eder:
27.05. - Esterhazygassenfest, Wien
03.06. - Röda, Steyr
19.07. - WUK-Hofkonzert, Wien
09.08. - B-Flat, Berlin
12.08. - Polarstation, Schellhorn (D)
03.09. - SoB-Festival, Dresden
Die Bilder sind allesamt Pressebilder.
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