Freitag, 27. Februar 2009

Fleet Foxes, Paris, 25.02.09


Konzert: Fleet Foxes (The Acorn)

Ort: La Cigale, Paris
Datum: 25.02.2009
Zuschauer: ausverkauft
Konzertdauer: ca. 65-70 Minuten (The Acorn ca. 35-40 Minuten)



Das erste was auffällt ist das Publikum. Es ist überwiegend jung und weiblich. Zumindest da wo ich stehe, also vorne am Bühnenrand. Die Mädchen, die um mich rum stehen und auf die Fleet Foxes warten, dürften alle noch unter 25 sein. Hippiebräute mit Jutetaschen und Sandalen, so wie man sich das bei Folkkonzerten klischeehaft vorstellt? - Fehlanzeige! Stattdessen sieht man junge, adrett gekleidete Mädels mit (vermuteter) hoher Bildung und Ambitionen. Die zwei kleinen Amerikanerinnen gleich vor mir unterhalten sich über irgend ein Master Programm einer Business School. Eine von den beiden erwähnt, daß sie morgen ins "Office" müsse und zwar um 8 Uhr 30. Sie müsse dann um 7 Uhr 30 aufstehen, aber das sei o.k., man will ja schließlich vorankommen im Leben und träumt heutzutage nicht mehr davon, mit einem bemalten VW-Bus durch die Welt zu reisen.

Ich bin geradezu umzingelt von Girlies diesen Schlages, darunter viele Amerikanerinnen, die in Paris leben. Das Publikum sieht aus wie bei den Shins Ende 2007 an gleicher Stelle. Junge, ordentliche Mädchen (und Jungen), die in Schule und Uni immer fleißig und gewissenhaft waren und auf dem Nachttisch ein gerahmtes Bild von Omi haben. Ihre Lieblingsgruppen sind bestimmt die Shins, Death Cab For Cutie, Bright Eyes und ähnliche Künstler, die nette Musik für nette Leute machen. Und die Fleet Foxes natürlich! Weil die so schön im Chor singen und so viele tolle Lieder haben.

Auch ich selbst bin wegen den Fleet Foxes hier, aus den gleichen Gründen. Allerdings hätte ich mir dieses Konzert an genau diesem Ort ein paar Monate früher gewünscht. Im Herbst 2008 wäre es ideal gewesen, da liefen moderne Evergreens wie Your Protector, Mykonos oder Blue Ridge Mountains auf meinem i- pod rauf und runter. Dabei war es ja nicht so, daß ich die Fleet Foxes gar nicht live erlebt hatte. Nein, nein, dreimal sogar wurde mir die Band aus Seattle präsentiert, allerdings waren die Auftritte in der Pariser Flèche d'or, beim Haldern Pop Festival und beim Pariser Festival des Inrocks mit 30-40 Minuten Spielzeit doch arg kurz, um so richtig ins Schwärmen zu geraten. Es fehlte jeweils noch etwas zum perfekten Konzert, auch ein wenig mehr Einsatz hätte ich mir gewünscht.

Aber heute nun war alles angerichtet: Eine ausverkaufte Cigale, ein Publikum, das ausschließlich und allein für die Fleet Foxes gekommen war und der letzte Konzerttermin für die Amerikaner vor einer mehrwöchigen Pause, bis es dann im April in den USA wieder weitergeht. Und eine erlesene Vorgruppe gab es auch. The Acorn aus Ottawa, Kanada, hatten die Ehre, den Ball zu eröffnen und machten ihre Sache gut. Deren vollbärtiger Sänger Rolf Klausener sprach sogar recht passabel französisch, was den Parisern natürlich enorm gut gefiel. Manchmal fehlten dem Mann, der auch Ukulele spielte, aber die Vokabeln, um sich verständlich zu machen. In einer Szene war seinem Gitarristen eine Saite gerissen und Klausener erkundigte sich daraufhin beim Publikum, was denn "string" bedeute. Die Antwort war "une chorde", aber das war eigentlich nicht mehr so wichtig, denn bereits sein Bemühen, auf französisch zu parlieren, wurde honoriert.

Aber auch musikalisch konnten die Kanadier Akzente setzen, vor allem mit Stücken vom letzten Album Glory, Hope Mountain wie Crooked Legs und Glory. In der Fachpresse werden The Acorn ob solcher Perlen bereits mit den Fleet Foxes verglichen, aber ich denke mit solchen Vergleichen sollte man vorsichtig sein. Die Songs von The Acorn sind weniger direkt und eingängig und auch anders instrumentiert. Vor allem aber ist die Stimme von Rolf Klausener derjenigen von Robin Pecknold nicht im Geringsten ähnlich. Sie erinnert eher an Elvis Perkins oder Andrew Bird und selbst dieser Vergleich hinkt. Folk-und Indiemusik - Fans sollten nicht krampfhaft nach Referenzen suchen und stattdessen lieber das neue Album in Ruhe hören. Es lohnt sich, die Songs sind komplex und vielschichtig und entfalten ihre volle Pracht erst beim wiederholten Hören!

A propos Hören, oder besser gesagt Zuhören: Robin Pecknold hat wohl genau aufgepasst wie das Konzert von The Acorn gelaufen ist, denn einer seiner ersten Kommentare, nachdem er und seine Band unter lautem Applaus endlich auf die Bühne geschlichen kam, war: "The Acorn talked french, so they lead the match against us, because we don't speak a word in french. But let's see how it ends" (Wörtlich hat er das nicht so gesagt, aber inhaltlich ging es ihm darum, drauf hinzuweisen, daß The Acorn ihnen gegenüber vorgelegt hätten...). Daraufhin Drummer Josh Tillman: But my english is better than their french! - Robin Pecknold: "Totally, totally!"

Am Anfang ließen sich die Fleet Foxes alle Zeit der Welt. Selbst als sie schon alle auf der Bühne standen, lief noch eine andere Musik vom Band weiter. Die Jungs brauchen anscheinend immer eine Weile, bis sie sich "ready to go" fühlen und loslegen können. Trotz der immensen Erfolge der letzten Monate scheint es ihnen immer noch ein wenig peinlich zu sein, im Mittelpunkt des Interesses zu stehen. Robin Pecknold wirkt regelmäßig ganz überrascht, wenn der Applaus aufbrandet, bedankt sich dann immer kurz mit einem energischen Kopfnicken, winkt dann aber mit der Hand ab und guckt ein wenig verlegen zur Seite. Das macht ihn enorm sympathisch und spricht dafür, daß er auf dem Teppich geblieben ist. Die teilweise geäußerte Kritik, die Konzerte der Fleet Foxes seien immer etwas lahm, schien er sich aber zu Herzen genommen zu haben. Von Beginn an wirkte er angriffslustig und bis in die deutlich kürzer gewordenen Haarspitzen motiviert! Ich merkte sofort: Dieses Konzert würde wesentlich intensiver werden, als die zuvor erlebten! Und so war es dann auch, obwohl der standardisierte Beginn mit Songs von der fabelhaften Sun Giant EP ja immer etwas verhalten ist. Aber nicht alle Zuschauer schienen diesen Ablauf zu kennen, etliche Besucher wunderten sich sehr darüber, daß der extrem hübsche, aber enorm schüchterne blonde Gitarrist Skyler Skjelset bei Drops In The River sein Arbeitsgerät mit einem Geigenstab behandelte.

Ich kannte das schon alles, aber als eifriger Konzertgänger wird man ja schnell ziemlich blasiert und deshalb ermahnte ich mich selbst, nicht zu borniert zu reagieren. Allerdings fehlten mir doch ein wenig die Überraschungen und insgeheim hofte ich sogar auf nagelneue Lieder. Songs, die die Fleet Foxes nie zuvor gespielt hatten, zumindest nicht in meiner Anwesenheit. Aber Pustekuchen, erst einmal gab es mit White Winter Hymnal und Your Protector Lieder, die innerhalb kürzester Zeit zu modernen Klassikern geworden sind. Aber eine Sache war doch anders, zumindest empfand ich das so: Alles war wuchtiger, pompöser und stärker instrumentiert. Am deutlichsten fiel mir das bei Your Protector auf, wo noch eine zusätzliche kleine Orgelmelodie draufgepackt wurde, die dem sensationell guten Lied ein wenig die Luft zum Atmen nahm. Aber gerade in dem Moment, wo ich mich ein wenig an der Oppulenz des - nichtsdestotrotz brillanten - Vortrages störte, verschwand die Band und zurück blieben ganz allein Robin Pecknold und seine Akustikklampfe. Er kündigte an, daß er nun ein Cover von Duncan Browne spielen werde. Das Publikum zeigte keine Reaktion. "Mögt ihr Duncan Browne nicht?" Immer noch kein Feedback, anscheinend war den Leuten dieser Musiker kein Begriff, ganz im Gegensatz zu einer britischen Musiklegende: David Bowie. Dessen Name rief ein vorlauter Besucher irgendwann einmal und Pecknold wunderte sich: "What was that? David Bowie?" - Nicht nur der Betroffene selbst, auch ich hielt den Vergleich (?) nicht für passend, aber egal es trug zur Unterhaltung bei...

Pecknold intonierte nun My Only Son und sein Vortrag war atemberaubend schön! Seine unglaublichen stimmlichen Qualitäten konnte er nun so richtig ausspielen. Es war beeindruckend wie er die ganze Cigale mit seinem Gesangesorgan beschallte, als würde er von einem Berg ins Tal rufen. Mir stellten sich die Nackenhaare auf. Wow, wow, wow, ein Jahrhunderttalent!, dachte ich mir und war mir sicher, daß Pecknold bald in allen Musiklexika für alle Zeiten seinen sicheren Platz haben würde. Ich fühlte mich von der Natur begünstigt und hätte ihn geradezu umarmen können, denn er sang nicht nur wundervoll, sondern spielte auch ganz exquisit Gitarre. Mit Oliver James hatte er dann den ganzen Saal in die Tasche gesteckt und das Publikum spendete Szenenapplaus während (!) des Liedes. "Oliver James washed in the rain - Noooo longer! Oliver James washed in the rain - Noooo longer! Niemals werde ich diese unfassbar kraftvoll gesungenen Zeilen nun mehr vergessen!

Ich war hingerissen, hätte am liebsten Pecknold bis zum Ende akustisch und alleine zugehört. Die Band war mir in dem Moment egal, ich wollte nur Robin! Aber die anderen Jungs stießen natürlich wieder hinzu und ihre wundervollen Chorgesänge sind natürlich auch etwas ganz Feines. Mit He Doesn't Know Why und Mykonos kamen gegen Ende dann noch zwei meiner Favoriten, bevor sich die Band erst einmal vorläufig verabschiedete. Vorangegangen waren ein paar wirklich witzige Dialoge mit dem Publikum. Es ging darum, wo man die besten Donuts in Paris essen könne, um veganisches Essen (das laut Drummer Josh Tillman in Frankreich immer nach Fisch schmecke), Baguette und ähnliche kulinarische Dinge. In Paris lebende Amerikaner (Expatriats wie sie Pecknold nannte) erwähnten das jüdische Viertel "Le Marais" und sagten, daß man da toll Falafel essen könne. Robin fand das spannend, ließ sich den Namen des Quartiers buchstabieren und entgegnete ziemlich frech einen Zuruf einer blonden Amerikanerin mit den Worten: "You sound to well feed to be vegan!" Aber er machte nur Spaß und das kam auch so an...

Auch als er alleine zum Zugabenteil zurückkam, musste er sich einen Zuruf gefallen lassen: "A poil", zieh dich aus!, schrie ein Franzose durch die ganze Cigale. "What was that? Bacon?" ,wunderte sich der Sänger, bevor ihm erklärt wurde, daß es um das "Sich- Nackt- machen" ginge. Darauf ging er aber natürlich nicht ein, schließlich war man hier nicht bei Iggy Pop oder Johnny "Razorlight" Borrell und außerdem erwähnte er, daß seine Underwear sehr "silly" und gar nicht sexy sei. Köstlich!

Mit dem gleich vor der Bühne ohne Mikro vorgetragenen Traditional Katie Cruel und dem Tiger Mountain Peasant Song wurde es dann aber wieder ernster und melancholischer und erneut hätte ich dem begnadeten Bartträger stundenlang zuhören können.

Die gesamte Band schmetterte schließlich noch Blue Ridge Mountains und zum ersten Mal gingen alle in der Gruppe so richtig aus sich raus. Josh Tillmann bollerte wie wild, der Pianist Casey Westcott headbangte an seinem Instrument und selbst Skyler Skjelset lächelte endlich einmal, als er den wunderschönen Mandolinenpart spielte.

Der abschließende donnernde Applaus wollte gar nicht mehr abreißen, aber eine weitere Zugabe gab es trotzdem nicht mehr.

Unter dem Strich hatte ich mein bisher bestes Fleet Foxes Konzert mit einem überragenden Robin Pecknold erlebt!




Setlist Fleet Foxes
, La Cigale, Paris (aus dem Gedächntnis reproduziert. Es gab keine getippte Setlist und mitgeschrieben habe ich auch nicht. Deshalb etwas mit Vorsicht zu genießen, aber sie dürfte eigentlich so stimmen. Bitte melden, falls Fehler drin sein sollten. Danke!)


01: Sun Giant
02: Sun It Rises
03: Drops In The River
04: English House
05: White Winter Hymnal
06: Ragged Wood
07: Your Protector
08: My Only Son (Duncan Browne Cover) - Pecknold solo
09: Oliver James - Pecknold solo
10: Quiet Houses
11: He Doesn't Know Why
12: Mykonos

13: Katie Cruel (Traditional) - Pecknold solo
14: Tiger Mountain Peasant Song - Pecknold solo
15: Blue Ridge Mountains

Pour nos lecteurs français:

Quelle voix! Robin Pecknold, chanteur barbu des Fleet Foxex n'a jamais chanté d'une manière plus intense que ce soir! C'était tout simplement impressionnant! Le concert a connu ses meilleurs moments quand le leader du groupe de Seattle a joué des morceaux seul avec sa guitarre acoustique. "Oliver James", sur l'excellent album un des titres qui me plaît un peu moins, a éte le plus beau du concert et le plus intense aussi ("nooo longer"). Egalement sublime: la reprise de "My Only Son" de Duncan Browne. Par contre ils ont eu la main un poil lourde sur l'orchestration. L'orgue hammond a été trop à mon gout et cela a rendu les morceaux tels que Your Protector et Mykonos un peu trop pompeux.

Conclusion: Robin Pecknold est un des meilleurs chanteurs de cette décennie et s'est beaucoup impliqué tout au contraire de son groupe, léthargique et timide comme d'habitude, à l'exception du batteur Josh Tillman, qui profite de l'occasion pour présenter les très beaux morceaux de son album solo vendredi à la Flèche d'Or.

- Videos von den Fleet Foxes live aus der Pariser Cigale!!! :

- Sun Giant/Sun Rises
- He Doesn't Know Why (hier gibt es die ganzen tollen Dialoge über das verganische Essen , good Donuts und das Viertel Marais, köstlich!)
- My Only Son,
- English House
- Blue Ridge Mountains
- Your Protector
- Katie Cruel
- Tiger Mountain Peasant Song (wunderschön!)

- Mehr Photos von den Fleet Foxes, klick!
- Fleet Foxes beim Haldern Pop Festival 2008 klick
- " " in der Pariser Flèche d'or klick
- " " in der Essener Grugahalle klick
- " " beim Festival des Inrocks 2008 im Olympia, Paris klick




3 Kommentare :

E. hat gesagt…

ich bin bei dir, wenn du die großen dieser musikwelt siehst. immer, oliver.

Oliver Peel hat gesagt…

Danke für die Treue, Eike! Das motiviert ungemein.

Anonym hat gesagt…

Merci beaucoup de traduire ta critique du concert en français =)
Je te remercie également pour les photos sur Flickr ! =) je les garde pour moi, en privé... pour le souvenir !

J'ai également adoré ce concert...

beyond beautiful ! *.*

à bientôt.
Cha

 

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