Freitag, 6. Mai 2011

Veronica Falls & Times New Viking & O'Death, Paris, 04.05.11


Konzert: Veronica Falls & Times New Viking & O'Death (Hospital Ships)

Ort: La Flèche d'or, Paris
Datum: 04.05.11
Zuschauer: nicht sonderlich viele


Am Donnerstag habe ich Christophs neue Lieblingsband gesehen. Er weiß das noch nicht, aber ich würde darauf wetten, daß er auf Veronica Falls abfahren wird. Ich kenne nun einmal seinen Geschmack. Indiepop, das ist genau sein Fall!



Times New Viking und O'Death gingen ebenfalls an den Start und in meiner Abwesenheit zudem Hospital Ships. Feines Line-Up, oder? Für 10 Euro etwa 3 Stunden gute Indiemusik, da kann man wirklich nicht meckern. Trotzdem war die Pariser Flèche d'or nicht sonderlich voll.



Ob der Abend gehalten hat, was er versprach, erzähle ich euch in Kürze. Liege seit gestern mit Grippe und Kater (nicht dem alkoholbedingtem, sondern dem Tier mit Pfoten) im Bett, deshalb geht alles etwas langsam zur Zeit. So, ich koche mir jetzt einen Tee. Bis bald...

Update: Mitten in der Nacht des 6. Mai:

Fieberschübe lassen mich nicht schlafen. Also kann ich auch gleich berichten, wie der Abend in der Flèche d'or denn nun gelaufen ist. Um es vorwegzunehmen: ich hatte mir mehr erhofft. Einmal mehr war an der nichtvorhandenen Performance und der mangelnden Bühnenpräsenz Kritik zu üben. Besonders krass wurde dies im Falle von Times New Viking. Eine dreiköpfige Amiband aus Ohio mit der Sängerin und Orglerin Beth Murphy an der Spitze. Leider erwies sie sich zu keiner Zeit als echte Bandleaderin, sondern klimperte schlafversunken und apathisch vor sich hin, ohne jemals Blickkontakt zu dem weit entfernt performenden Gitarristen, oder dem Drummer aufzunehmen. Brutal langweilig ihre Mimik. Ein ausdrucksloser, blaßer Blick, der sich nie änderte und nicht das leiseste Anzeichen von Spielfreude zeigte. Sie wirkte unsicher und angeödet und ratterte die kurzen, nosigen Lofi -Nummern lustlos runter. Da fragt man sich schon, ob das als Coolness oder Blasiertheit zu werten ist. Ich meine, ich kann ja verstehen, daß man an manchen (an vielen sogar) Tagen, Lust hat, sich mit einer Pistole in den Mund zu schießen, aber ein bißchen Dankbarkeit könnte man schon zeigen. Dankbarkeit dafür, dem Spießerleben, das die ehemaligen Jahrgangsgenossen von der Uni bereits jetzt oder in Kürze führen werden, entkommen zu sein. Ein paar von denen werden demnächst grauenvolle Berufe wie Rechtsanwalt oder Zahnarzt (Leuten im stinkenden Mund rumpulen, pfui Teufel!) ergreifen, da ist es doch letzlich schon ziemlich toll, auf einer Bühne in Paris zu stehen. Finde ich zumindest. Auch wenn das bedeutet, quasi ständig in gammeligen Hotels abzusteigen und nichts von der jeweiligen Stadt zu sehen.

Times New Viking also performancetechnisch mies, aber musikalisch eigentlich keineswegs übel. Schrammelige Songs, die auf Grund ihre Einfachheit und Direktheit an die Ramones erinnerten, aber auch amerikanischen Indiebands der 1990er Jahre wie Pavement oder Guided By Voices nahe standen. Zudem waren klare Parallelen zu aktuellen Girlgroups wie den Vivian Girls und Best Coast auszumachen.

Hervorstechend der letzte Titel des Sets. New Vertical Dwellings hatte Pfeffer, Dynamik und Biss und sorgte dafür, daß ich das Konzert unter dem Strich als gehobenen Durchschnitt einstufen konnte.

Vor Times New Viking war bereits eine andere trendige Band an den Start gegangen. Veronica Falls stammen aus London und bestehen aus zwei feschen Mädels und Jungs. Patrick, Roxanne, James und Marion kredenzten furios schnellen, gitarrenlastigen Indiepop mit 60ies Note, der enorm cathcy und charmant war. Leider hatte man auch hier vor allem bei der Bassistin den Eindruck, daß sich die Süße saumäßig langweilt. Ihren mürrischen Blicken zufolge, war das Bespielen der Pariser Fleche d'or nicht sexier als zur Beerdigung einer ungeliebten Tante zu gehen. Meine Güte, zog die eine genervte Fresse! Die Gitarristin und Sängerin war auch nicht sonderlich gesprächig und liebreizend, obwohl sie mit ihrem weißen Spitzenkragen doch eigentlich so herzallerliebst aussah.

Für Schlagzeilen gesogrt hatten die vier Engländer vor allem mit ihren zwei Singles Beachy Head und Found Love In A Graveyard, die wirklich enorm frisch und ohrwurmig sind. Natürlich spielten sie diese beiden Hits heute auch und auch die anderen Nummern machten Lust auf mehr. Ein erstes richtiges Album soll im Laufe dieses Jahres erscheinen, bislang muss man sich mit einer EP mit 5 Demotracks vertrösten.

Eine musikalisch tolle Band, die noch viel besser wäre, wenn sie mehr Spielfreude vermitteln würde.

Mangelnde Spielfreude und Gruppendynamik, einen Vorwurf, den man den rustikalen Amerikanern O'Death sicherlich nicht machen kann. Im Gegenteil, die fünfköpfige Folkrock-Band beherrscht die Kunst des wuchtigen und teamgeprägten Auftritts perfekt. Bei denen geht auf der Bühne richtig die Post ab. Der urwüchsige Drummer feuert wie ein Olli Kahn von hinten an, der Geiger und der Basser liefern sich feurige Duelle, während der Sänger und der Banjo/Ukulespieler eher etwas bedächtiger, aber dennoch engagiert bei der Sache sind sind. So hatte ich sie 2008 beim Festival in Evreux kennengelernt und so präsentierten sich sich auch an diesem 4. Mai 2011 in der Flèche d'or. Renaud von le Cargo hatte mir im Vorfeld erzählt, daß ihr neues Album Outside eher melancholische und gemächliche Töne anschlagen würde, mich aber gleichzeitig beruhigt, daß sie dennoch wild und ungestüm geblieben seien. Dies hatte er von einem Bekannten erfahren, der die Truppe vor Kurzem gesehen hatte.

Beides stimmte. Zum einen gab es eine stärker ausgeprägte Besinnlichkeit und Schwermut als zuvor, nach wie vor aber die Phasen, in denen der Geiste der Pogues durch die Fléche d'or schwebte, bierseelige Mitgröhlgesänge angestimmt wurden und die Fiedel den folkloristischen Punk von O'Death mit rasantem Tempo vorantrieb. Die Jungs schonten sich in diesen Momenten nicht, sondern gaben alles, was in ihnen steckte. Das Problem war allerdings, das nicht mehr sonderlich viele Leute da waren, um mitzufeiern- und zu tanzen. Vermutlich war eine eher bodenständig gekleidete Band wie O'Death nicht cool und trendy genug für die jungen Leute, die den Laden in der Pariser Rue de Bagnolet frequentierten. Viele waren nach dem Konzert der Times New Viking nach Hause aufgebrochen und verpassten somit das engagierteste und in musikalisch-handwerklicher Hinsicht ausgereifteste Konzert. Keine Frage, die O'Deathler können spielen! Allein mit welchem Punch und Schlagkraft der Drummer (Foto aus dem Archiv) zur Sache ging, war atemberaubend.* Und der eher in sich gekehrte Sänger Greg Jamie hat eine äußerst markante Stimme, die gerade in den ruhigen Momnet sehr schön und anrührend war.

Leider hatten die Burschen keine ausgeschriebene Setlist dabei, was es mir erschwert, Titel vor allem des neuen Albums Outside zu bennenen. Ich habe es noch nicht und verfüge nur über den mehrfach herausgebrachten Klassiker Head Home (2006 zum ersten Mal), von dem natürlich Down To Rest und Only Daughter gebracht wurden. Zwei famose Tracks im Übrigen.

Alles in allem ein richtig gutes Konzert von O'Death, das einen wesentlich volleren Saal verdient gehäbt hätte. Aber die coolen Indie Kids von heute stehen halt eben mehr auf Veronica Falls oder Times New Viking...

Setlist Veroncia Falls, La Flèche d'or, Paris, klick!
Setlist Times New Viking, La Flèche d'or, Paris, klick!

Konzerttermine O'Death:

06.05.2011: Tap Tab, Schaffhausen
07.05.2011: El Lokal, Zürich
08.05.2011: Manufaktur, Schorndorf
09.05.2011: Feierwerk, München

Konzerttermine Times New Viking:

12.05.2011: Marie Antoinette, Berlin
13.05.2011: Conne Island, Leipzig
14.05.2011: Feierwerk, München


Aus unserem Archiv:

O'Death, Evreux, 28.06.08

* vor dem Hintergrund, das er, David Rogers-Berry, erst vor nicht allzu langer Zeit an Krebs erkrankt war und durch die Hölle ging, um so bewundernswerter!






3 Kommentare :

E. hat gesagt…

gute besserung und lass dir zeit, mein lieber!

Oliver Peel hat gesagt…

Danke für die Wünsche, Eike! Es geht mir besser, ja.

Anonym hat gesagt…

gestern in münchen waren bei o'death auch nur 30-40 hanseln. was für eine schande. die jungs hätten mindestens 10mal so viel besucher verdient. starker auftritt. kurt vile war auch super.

 

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