Freitag, 25. Juni 2010

Josh T. Pearson & Bosque Brown & Thousand & H-Burns & Tom Cooney, Paris, 24.06.10


Konzert:West Country Night mit: Josh T. Pearson & Bosque Brown & Thousand & H-Burns & Tom Cooney

Ort: Le Nouveau Casino, Paris
Datum: 24.06.10
Zuschauer: gut besuchte Veranstaltung
Konzertdauer: insgesamt mindestens 2 1/2 Stunden


"Texas is bigger than France"

Der in Paris lebende Texaner Josh T. Pearson wußte genau wie er die Franzosen in ihrem Nationalstolz treffen kann. Aber er meinte das natürlich mit einem Augenzwinkern und keiner nahm ihm seinen (in der Sache zutreffenden) Spruch übel. Schließlich feierte man hier ja auch so eine Art französisch -amerikanischer Freundschaft, oder genauer gesagt ein texanisches Fest in Paris. Mit dem Film Paris, Texas hatte das Ganze aber nichts zu tun. Hier und heute ging es nicht um den Kultstreifen von Wim Wenders, sondern um das Zelebrieren von Countrymusik. Die ungemein netten Crêperie- Betreiber Sophie und Erwan (Bretonen wie sich das für Crêpesbäcker gehört!) hatten zur ersten West Country Night außerhalb ihrer eigenen vier Wänd geladen und ein Starensemble aus französischen und amerikanischen Folkmusikern aufgeboten, um das Nouveau Casino für fast drei Stunden in eine Wüstenlandschaft zu verwandeln. Die eingespielte Truppe, bestehend aus Bosque Brown (Forth Worth, Texas), Josh. T. Pearson (Texaner im Pariser Exil), Thousand (Paris), H-Burns (Valence, Frankreich) und Tom Cooney (Australien) betörte mit zauberhaft schönen Herzenswärmern, mit denen man die nächsten drei Winter die geschundene Großstadt-Seele trösten kann. Eigentlich war es im Nouveau Casino ja schon warm genug, aber vermutlich gehört die Schwitzerei zum Texas-Feeling einfach dazu.

Aber welcher Musiker hat mir am besten gefallen? Die Antwort gibt es in Kürze...





So, machen wir es nicht weiter spannend. Der Musiker, der mir in dieser wunderbaren West Country Night Session am besten gefallen hat, kommt nicht aus Texas, ja noch nicht einmal aus Paris. Nein, er stammt aus dem südfranzösischen Valence und wohnt (bzw. wohnte) in Grenoble. Ich rede von Renaud Brustlein aka H-Burns, der zusammen mit einer mehrköpfigen Band ein fulminantes Konzert ablieferte! Sein Auftritt verfügte über alle Ingredienzen eines gelungenen Sets. Es gab mehrere rockige und dennoch hochmelodische Stücke, aber auch betörende Balladen, die nie ins Kitschige abdrifteten und mir sehr nahe gingen. Are You Scared Of The Dawn, das den brillanten Gig abschloß, war allein das Kommen wert. So etwas von schön dieser Song! "Are you scared of the dawn, can I borrow your time?" croonte der kräftig gebaute Symphat und in meinen Herz ging die Sonne auf! Da war es zu verschmerzen, daß H-Burns nicht meinen Wunschsong Horses With No Medails vom Vorgängeralbum spielten, sondern sich stattdessen auf Material vom dritten Longplayer We Go Way Back konzentrierten. Und auf diesem Meisterwerk (das ist es wirklich!) an dem auch der geniale Jonathan Morali aka Syd Matters mitgewerkelt hat, finden sich ohne Zweifel zahlreiche Zungenschnalzer. Half A Man, Half A Freak, We Go Way Back oder das granatenhafte Fires In Empty Buildings, zu dem Organistor Erwan abging wie ein Wahsinniger, an starkem Material, das auch live prima zog, mangelt es wahrlich nicht!

H-Burns hat internationale Klasse, das hat er erneut bewiesen. Selbst Tony Dekker von den fabelhaften Great Lake Swimmers ist Fan und hat auf dem Album bei dem Titel Lonely Nights On Queens St mitgesungen. Wenn das kein Ritterschlag ist!

Zweitbester Künstler des Abends war für mich Josh T. Pearson. Endlich ein waschechter Texaner! Und dann spricht der Kerl auch ncoh deutsch! Er war (ist?) mit einer Bajuwarin verheiratet und da lernt man die Sprache der Teutonen natürlich um so schneller. Auch seine Französischkenntnisse sind berühmt berüchtigt: "Fermez la bouche!" ("haltet den Mund") zischte er augenzwinkernd das Publikum an und als immer noch Leute plapperten: "Ta geule!" (Schnautze!). Alle lachten, denn aus dem Munde dieses baumlangen Kerls mit dem schwarzen Cowboy-Hut und der extravaganten Gürtelschnalle wirkte das Ganze besonders komisch. Aber sein Vortrag brauchte in der Tat totale Ruhe, denn sein Gitarrenspiel ist so fein und leise, daß schon das kleinste Geräusch stören würde. Heute fesselte mich Josh. T Pearson von der ersten bis zur letzten Minute. Alles war so intim, so bewegend, so authentisch, da kam wirklich was rüber. Ohne großen Aufwand und ohne zu forcieren erreichte Josh die maximale Wirkung. Ein äußerst charismatischer Kerl, der eine Menge auf dem Kasten hat. Besonders gelungen war sein Cover von Thousand, The Singer To The Crowd. "You can have me now", sang er flehentlich und alle Augen waren auf ihn gerichtet. Da stand er da, dieser schöne und riesengroße Cowboy und schüttete sein Herz aus. Ein paar Leute waren von diesem betörenden Vortrag sehr ergriffen und schluchzten leise vor sich hin. Als Josh das letzte Lied des Abends vortrug, ring auch er selbst um Fassung. "This one is hard for me" gab er zu und trug Sweetheart I Ain't Your Christ vor, in dem es um den Trennungschmerz von seiner Frau ging. Etwa zehn Minuten lang streichelte er die Gitarre, sang hingebungsvoll und ließ ein entzücktes Publikum zurück. Ganz groß!

Schön auch die Auftritte von Bosque Brown, Thousand und Tom Cooney. Die einzige Frau in der Runde und die einzige, die extra aus Texas angereist kam, war Mara Lee Miller, die unter dem Pseudonym Bosque Brown agiert und eigentlich ein paar Begleitmusiker hat. Heute aber trug sie vier Lieder ganz alleine auf der Akustischen vor, darunter der fabelhafte Opener White Dove vom Album Baby. Natürlich spielte sie auch ein Duett ein und ihr Song Fine Lines vom ersten Album wurde durch die rauhe Stimme von H-Burns bestens neu interpretiert. Thousand hingegen hatte keine lange Anreise. Der wahnsinnig nette Pariser, der eigentlich Stephane Milochevitch heißt, spielte mit einer ausgewachsenen Band, in der auch eine sehr hübsche Backgroundsängerin stimmlich und optisch zu gefallen wusste. Tom Cooney schließlich kam sogar aus Australien eingeflogen, weilt aber schon seit ein paar Wochen in Paris und war somit bereits akklimatisiert. Mit Stephane versteht er sich prima und zusammen musizierten die beiden Freude sehr harmonisch und ausgewogen.

Letztlich hatte also jeder seinen Teil zum Gelingen dieser vorzüglichen Veranstaltung beigetragen, die Crêperiebetreiber Sophie und Erwan, das Nouveau Casino, die zahlreichen ehrenamtlichen Helfer, die bei der Promo der Platte mithalfen (West Country Night Session One), die Verkaüfer am Merch, die neben CDs und Vinyl auch T-Shirts mit Eulenaufdruck feilboten und natürlich die exquisiten Künstler. Tolll! Wann gibt es die nächste West Country Night??



 

Konzerttagebuch © 2010

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