Konzert: Keren Ann
Ort: La Cigale
Datum: 25.05.2011
Zuschauer: ausverkauft
Konzertdauer: etwa 90 Minuten
Keren Ann ist ein Profi durch und durch. Man merkt sofort, daß diese ehrgeizige Frau nichts dem Zufall überlässt und hart an jedem Detail arbeitet. Sound, Bühnenperformance, Outfit, Licht, Frisur, alles muss bei ihr perfekt sein, damit sie zufrieden ist.
Lohn dieser Akribie war ein Konzert in der ausverkauften Pariser Cigale, bei dem alles flutschte, ihre Begleitband tadellos spielte und Keren Ann stimmlich nie daneben lag. Mir persönlich fehlte allerdings an der ein oder anderen Stelle das Herzblut, die Spontaneität, das Improvisierte. Das wir uns hier nicht missverstehen: der Gig war gelungen und musikalisch hochstehend. Bloß manchmal eben fast zu perfekt, zu einstudiert, soundtechnisch zu nah am Album. Die Lieder der aktuellen Platte 101 und einige alte Sachen aus dem Backkatalog wurden fehlerfrei reprodzuiert, der Funke sprang aber nicht immer auf das eigentlich sehr wohlwollende, für Cigale- Verhältnisse aber relativ stille Publikum über. Vielleicht schrie deshalb Keren Ann in einer Szene zwischen zwei Songs aus voller Kehle: "hey, what's up?" und als ihr die Reaktion zu dürftig ausfiel, fragte sie erneut und diesmal noch vehementer: "what's up?!!!!"
Richtig explosiv und sehr stimmungsvoll wurde es allerdings bei der Performance der aktuellen Single My Name Is Trouble. Eine elektropoppige Disconummer mit glasklarem und hohen Gesang à la Kate Bush und einem Refrain, der sofort im Ohr hängenbleibt. Da ließen sich die Leute nicht lange bitten und tanzten begeistert mit. Keren Ann wusste wohl allzugut um die Zugkraft dieses Titels und spielte ihn prompt bei der letzten Zugabe noch einmal, diesmal jedoch in einer rockigeren, gitarrenlastigeren Version, die scheinbar nie enden wollte und immer wieder von Neuem einsetzte. Wie ein Roboter hüpfte die Ann dazu über die Bühne und die Meute johlte vor Vergnügen.
Vorangegangen waren rund 90 Minuten, die mit melancholischen, fein instrumentierten (teilweise gar mit Theremin!) Pop/Rock/Folksongs gespickt waren und ihre Höhepunkte hatten, als die wundervollen Seelentröster All The Beautfiful Girls und Chelsea Burns (mit Keren an der Mundharmonika) gespielt wurden. All The Beautiful Girls trägt die Schönheit ja schon im Titel und der Inhalt hält hier 100 % was das Etikett verspricht. Eine schöne Frau ist Keren Ann im Übrigen ja auch. War sie schon immer. Neu ist allerdings, daß sie so gestylt, elegant und sexy auftritt. Früher erschien sie eher im alternativen Bequem- Look, für das aktuelle Album 101 wirft sie sich aber regelmäßig in Schale, trägt ausschließlich schwarz und oft atemberaubende Röcke, die ihre perfekten Beine wunderbar zu Geltung bringen. Auch die Frisur hat sie verändert, der runde Bob steht ihr ausgezeichnet. Als besonderen Gag kam sie heute mit blonder Perrücke, was Ahnungslosen noch nicht einmal sonderlich auffiel.
Ihre Band hingegen eher bieder und wenig glamourös, vielleicht weil man will, daß Keren Ann besonders hervorsticht. Witzig waren die Gitarrenduelle, die sich mit ihrem Mitmusiker an der Elektrischen lieferte. Der Typ hatte die Ausstrahlung von Peer Steinbrück oder Hans Eichel (also keine) und blieb selbst dann kühl wie eine Hundeschnautze, wenn ihm die attraktive Sängerin ganz nahe kam. Ich an seiner Stelle wäre abgegangen wie ein Flitzebogen!
Was sonst noch erwähnenswert war? An erster Stelle das breit gefächerte Repertoire, das von Gainsbourg/Birkin und Piaf über Velvet Underground (Lay Your Head Down) bis hin zu Leonard Cohen und Bob Dylan reichte. Letztgenannten coverte sie mit Daddy You Been On My Mind auf vorzügliche Weise. Und dann natürlich das unglaubliche Talent der Keren Ann, sich das Publikum zum Komplizen zu machen. Immer wieder blinzelte und flirtete sie einzelne Leute an und warf ihnen schelmische Blicke zu, oder aber sie sprach sinnlich und mit Hauchstimme zwischen den Songs.
Zu den Zugaben erschien dann schließlich auch noch eine sexy Geigerin mit hohen, ziemlich scharfen Stöckelschuhen (wie sie hieß? keine Ahnung) und auch der französische Sänger Doriand, der in meiner Abwesenheit das Vorprogamm bestritten hatte.
Unter dem Strich ein gutes Konzert, das es aber wegen seiner Einstudiertheit wohl nicht in meine Jahres Top Ten schaffen wird.
Setlist Keren Ann, La Cigale, Paris:
01: Strange Weather
02: For You And I
03: Sugar Mama
04: It Ain't No Crime
05: Lay Your Head Down
06: Song From A Tour Bus
07: Not Going Anywhere
08: You Were On Fire
09: Chelsea Burns
10: All The Beautiful Girls
11: Sailor And Widow
12: Je Fume Pour Oublier Que Tu Bois
13: My Name Is Trouble
14: Blood On My Hands
15: In Your Back
16: La Dernière Pluie
17: Midi Dans Le Salon De La Duchesse
18: Daddy You Been On My Mind (Bob Dylan)
19: My Name Is Trouble (Remix)
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