Konzert: Calexico mit Support Depedro
Ort: Tollhaus in Karlsruhe im Rahmen des Zeltivals
Zuschauer: 1200
Datum: 10.07.2013
Dauer: 45 Minuten + 120 Minuten
Ich hatte mich schon sehr auf den Zeltival-Abend mit Calexico gefreut, aber mit dem Gedanken gespielt, die Vorband Depedro zu übergehen. Es klang nicht so richtig nach meinem Geschmack. Einerseits mag ich die spanische Sprache und manche spanische Musik, aber nicht wenn es mir zu folkloristisch oder poppig ist bzw. Machismo oder eine gewisse Selbstverliebtheit des Latinos ausstrahlt. Und noch ein bisschen in der Abendsonne zu träumen war tatsächlich sehr verlockend.
Aber Depedro zu verpassen wäre ein großer Fehler gewesen: Es gab eine überwältigende Hitdichte. Jairo Zavala zeigte sich als geborener Entertainer der aber zugleich geerdet war und in der vorgeführten Lebensfreude die Unbill des Lebens nicht aussparte. Dazu gab es einen Witzbold am Schlagzeug und Unterstützung an Keyboard bzw. zweiter Gitarre. Das sprach mich vom ersten Lied an aus tiefstem Herzen an, erst wippte der Fuß, dann schwang die Hüfte und beim ersten mitgesungenen Lalala war ich ihm verfallen. Er war ein 10 kW Herzen-Erhitzer aus dem Chillmodus des Sommerabends im Biergarten auf das Calexicokonzert. In den Gesichtern der Besucher des Tollhauses wurde das Lächeln angeknipst und der Tanzmodus aktiviert.
Zum Glück verabschiedete er sich mit dem Versprechen: We are back in October! denn die 45 Minuten waren viel zu schnell vorbei.
Nach wohltuend kurzem Gitarren stimmen ging es schon 15 min später weiter mit Calexico. Und natürlich hatten die sieben Musiker alles mitgebracht, was ich mir erhofft und erwartet hatte: strahlende Trompeten, viele Gitarren, Pianos, ein differenziert gespieltes Schlagzeug und Akkordeon. Und Spielfreude ohne Ende - ganze 2 Stunden würden sie uns an dem Abend unterhalten.
Die ersten Songs rissen mich nach dem emotionalen Überschwang des Supportes nicht so recht mit. Es gab Zeit, sich auf der Bühne umzusehen und ein echter Wermutstropfen war, dass die E-Gitarre vom ersten Moment an in der Abstimmung zu laut eingestellt war. An meiner Position übertönte es manchmal fast den Gesang, der doch hier gerade so wichtig ist und puschte die E-Gitarre in die Position der Leadstimme.
Es war ein für mich überaus interessanter Zeitvertreib, den verschiedenen Temperamenten auf der Bühne zu zu sehen. Südamerikanische Hüftschwünge mit indianischer Geschmeidigkeit rieben sich am spanischen sehr stolzen Temperament des einen Kopf größeren Südeuropäers. Daneben das fast spröde wirkende Herz der Band an Gesang und akustischer Gitarre (Burns) und Schlagzeug (Convertino) und dazu noch das typische Understatement aus Nordeuropa mit seinem ganz eigenem Charme an Bass und Gitarre.
Und dann die Momente, wo sie fast alle wie die Chorknaben vorn nebeneinander stehen und sich das Herz aus dem Leib singen mit halb geschlossenen Augen und einer Innigkeit als hätten sie ein gemeinsam schlagendes Herz. Jeder ein Meister seines Faches und dies über den Abend verteilt in der Regel an mehreren Instrumenten beweisend.
Und dann die Momente, wo sie fast alle wie die Chorknaben vorn nebeneinander stehen und sich das Herz aus dem Leib singen mit halb geschlossenen Augen und einer Innigkeit als hätten sie ein gemeinsam schlagendes Herz. Jeder ein Meister seines Faches und dies über den Abend verteilt in der Regel an mehreren Instrumenten beweisend.
Mit Roka von meinem Lieblingsalbum Garden Ruin kommt für mich das erste Ah! und ich bin im Calexico-Konzert richtig angekommen. Hier ist sie - die vertonte Sehnsucht nach dem Horizont, der Ferne. Es setzt das vertraute E-Gitarren-Intro ein mit einem zurückhaltenden Rhythmus unterstützt und dann der sehnsuchtsvoll zurückgenommene Gesang. Schließlich rufen die Trompeten das Verlangen weit hinaus. Es gibt Raum für Soli am Piano und an der E-Gitarre, die uns alle ein bisschen anfixen und der Tanz mit dem Tod bekommt einen Charme, der fast ein bisschen gefährlich wirkt: Danza de la muerte Que viene a verte Bailala (*).
Ebenso wirbt der nächste Song Dead Moon mit schwerem und sehnsuchtsvollem Herzen erfolgreich um meine Gunst - diesmal darf die Stealgitarre das Verlangen untermalen.
Para wird ein weiterer Knaller. Ganz dramatisch zelebriert zerreißt es mir als Zuhörerin fast das Herz vor Verlangen. Der vertraute Basslauf ein Gänsehautmoment, die Trompeten setzen gleißende Akzente und der Spieler hat das Akkordeon so im Arm als hätte er den Wunsch, das Leiden des Liedes durch eine menschliche Umarmung zu lindern.
In den wenigen Zwischenansagen zeigt sich Joey Burns als netter Zeitgenosse. Da Calexico schon im Tollhaus zu Gast war, kann er einschätzen, was sich durch den Umbau verbessert hat und gratuliert Karlsruhe und den Tollhäuslern zu den neuen Bedingungen. Das bringt natürlich Sympathiepunkte!
Die erste Zugabe muss sich das Publikum durch sehr langes Klatschen erbitten und mit Fortune Teller geht es eher ruhig los. Die Band umarmt ihre Instrumente (Trompete, Akkordeon und Gitarren) als wäre die Schmuserunde in der Disko kurz vor dem Abschluss des Tanzabends dran.
Zum zweiten Song der Zugabe gibt es auf der Bühne Verstärkung. Vorgestellt als alter Freund aus Tucson, der jetzt hier lebt, darf Chris Cacavas an eine E-Gitarre. Während er noch ein bisschen justieren und stimmen muss, stimmt Burns die Eingangssequenz von Neon Golden (The Notwist) an bis schließlich das Zimtmädchen abgefeiert wird und alle ihrem Affen ordentlich Zucker geben. Dieser Schwung trägt dann ins letzte Lied des ersten Zugabenblocks, das noch einmal mexikanische Trompeten und den Rhythmus zelebriert und fast gebetsmühlenartig das Güero Canelo wiederholt und mit dem Publikum im Zwiegesang Oh Oh feiert. Es gibt ausgedehnte und zum Teil theatralische Soli und begeisterten Applaus.
Auch die finale zweite Zugabe zieht noch einmal alle Register an Emotionen und es wird an Liebe und Hingabe zwischen Band und Zuschauern nicht gespart. Die beiden fehlenden Musiker von Depedro kommen mit auf die Bühne und es ist eine Stimmung wie nach einer durchfeierten Nacht: Überglücklich aber doch auch im Abschied schon der guten Zeit nachtrauernd. Der Augenblick wo Wehmut und Glück gleichermaßen glühen.
Aber der schönste Moment ist für mich ein ganz unscheinbarer: Nämlich als sich Joey Burns nach den zwei Stunden Konzert von Zuschauern vorn von der Bühne helfen lässt, um sofort ganz für sein Publikum dasein zu können. Er steht für alle Wünsche und Fragen in selbstverständlicher Freundlichkeit und ohne Allüren zur Verfügung und es scheint ihm wirklich Freude zu machen, dass wir seine Musik mögen.
Was für eine eindrucksvolle Persönlichkeit sich in diesen kleinen Gesten zeigt!
(*) Tanz den Tanz mit dem Tod, der dich holen kommt - tanz!
Setlist, Calexico (link führt zu Spotify-playlist)
01: Epic
02: Across The Wire
03: Splitter
04: Roka (Danza De La Muerte)
05: Dead Moon
06: Minas De Cobre (For Better Metal)
07: Inspiracion
08: Man Made Lake
09: Para
10: Woven Birds
11: Ballade Of Cable Hogue
12: Maybe on Monday
13: Alone Again Or
14: Puerto
15: All systems red
16: Crystal Frontier
17: Stray
18: Fortune Teller (Z)
19: Cinnamon Girl (Neil Young Cover mit Chris) (Z)
20: Güero Canelo (Z)
21: The Vanishing Mind (Z)
Mehr Fotos:
Aus unserem Archiv:
Calexico, Paris, 16.11.2012
Calexico, Paris, 14.10.2008
Calexico, Paris, 08.09.2008
Calexico, Stuttgart, 04.07.2013
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