Konzert: Swann
Ort:L'Hotel, Paris 6
Datum: 17.06.2013
Zuschauer: hmm, 70?
Konzertdauer: etwa eine Stunde
Der für seinen opulenten Lebensstil bekannte Oscar Wilde soll hier seine letzten Tage (oder sogar Jahre?) verbracht haben und selbst wenn die moderne Inneneinrichtung nichts mehr mit der Originalausstattung zu tun hat, so war das schlicht betitelte Hôtel im feinen 6. Pariser Arrondissement sicherlich schon damals etwas für den dickeren Geldbeutel. Obwohl ständig von Geldsorgen geplagt, liebte es Wilde eben komfortabel und luxuriös.
Heutzutage hängen hier eher gelangweilte reiche Amerikaner, Japaner und Russen ab, sprich genau das geliche Völkchen, das auch in der ganzen übrigen Welt in den schicken Hotellobys rumlungert und nicht weiß, für welchen Schwachsinn man heute wieder Geld ausgeben soll. Ich persönlich würde ihnen empfehlen, CDs zu kaufen, statt sich Silikon in die Lippen oder Brüste zu jagen, denn da hat man langfristig mehr davon und sieht auch nicht so gruselig aus.
Die CD Neverending von Swann beispielsweise. Die ist nämlich ungemein gelungen und ich war sehr gespannt, ob die junge Dame auch in der Lage war, zusammen mit ihrer männlichen Begleitband diese Songs gekonnt live zu präsentieren. Wobei ich mir angesichts der Tatsache, daß der routinierte Mocke Depret (Arlt, Holden, Midget!) an der Gitarre mitwirken würde, eigentlich keine Sorgen um die Qualität der Livedarbietung machte. Der Bursche ist einfach ein prima Musiker und war auch an jenem 17. Juni wieder brillant in Form. Mit dem charismatischen Engländer Stephen Munson gab es aber auch noch einen weiteren Herrn, der ebenfalls sehr zu gefallen wusste. Er spielte ab und an Gitarre, manchmal Mundharmonika, spannenderweise aber auch auf einem Instrument namens Stylophone, mit dem er sehr stimmungsvolle, leicht psychedelische Geräusche erzeugen konnte.
In der Mitte der Bühne und somit tonangebend aber die junge Sängerin Chloé Lénique alias Swann. Eine eher zurückhaltende, schüchterne Person mit einer absolut faszinierenden tiefen Stimme. Sofort drängten sich Vergleiche zu Nico auf, aber da diese heute ja inflationär benutzt werden, will ich darauf nicht zu sehr rumreiten. Zumal sie mich äußerlich eher an eine junge Jane Birkin erinnerte, wozu auch die roten Schuhe im 1970 er Jahre Look passten.
Swann wirkte genauso sanft und melancholisch wie ihre absolut wundervollen Lieder. Man fand in den Stücken eine einzigartige Atmosphäre wieder, eine spannende Mischung aus englischen, amerikanischen und französischen Einflüssen. 60ies Pop, Folk, Velvet Undergroundsche New Yorker Coolheit und Serge Gainsbourgsche Pariser Sinnlichkeit und Melancholie gingen eine wilde Ehe ein. Und das Schönste war, daß dieser Mix ganz unaufgeregt und lässig dargeboten wurde. Es gab keine übertriebene Posen, kein Gehabe, keine Allüren, Swann kam natürlich und ungekünstelt rüber. Ich hatte im Vorfeld schon ein wenig Angst, daß ihr die Lobpreisungen in der französischen Musikpresse (Les Inrocks sprachen vollmundig von einer neuen Cat Power) zu Kopfe gestiegen sein könnten, spürte davon aber davon zum Glück rein gar nichts.
Einzelne Lieder als Highlights rauszupicken fällt mir nicht leicht, da es wirklich in Gänze ein vorzügliches Set war. Aber reden wir ruhig von Loneliness, das trotz seines Titels so viel Lieblichkeit und Hoffnung versprühte, oder von Trying Hard To Find Myself, daß mich wirklich angenehm an Velvet Underground erinnerte und herrlich sonnig, beschwingt und relaxt klang, oder auch Show Me Your Love, daß akustisch deutlich weniger rockig, dafür aber wesentlich melancholischer rüberkam.
Sehr stimmig das Ganze und durchgängig herzerwärmend. Ich selbst saß während des ganzen Vortrages auf dem Boden, ganz nahe an der Band und genoß alles in vollen Zügen. Ich verlor jeglichen Zeit - und Ortsinn, wußte irgendwann gar nicht mehr so richtig, daß ich in diesem Nobelhotel war, so fasziniert war ich von der Vorstellung der drei Musiker. Aber dummerweise rannte die Zeit runter wie die Sanduhr in der Sauna und es war schnell eine knappe Stunde vorbei. Das Konzert war schon in der Nachspielzeit und wartete noch mit Lovely Girl auf, genau jenem Lied, welches auch das Album beschließt. Eine umwerfende Ballade, die gleichzeit so traurig und so wunderschön war, daß sich mir die Brust zuschnürte.
Hinterher dachte ich mir, daß Oscar Wilde sicherlich auch seinen Spaß an dem Konzert gehabt hätte. Aber das konnte man ihn natürlich nicht mehr fragen, es sei denn er schwebt noch heute als Hausgeist durch die Flure...
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