Konzert:Triggerfinger
Ort: Günther-Klotz-Anlage, Karlsruhe (Das Fest)
Datum:19.07.2013
Dauer:71 Minuten
Zuschauer: zigtausende
Als uns vor zwei Jahren unsere belgischen Zeltnachbarn beim nordfranzösischen Main Square Festival in der Zitadelle von Arras Triggerfinger als Hauptgrund ihres Kommens nannten, konnten wir mit dem Namen wenig anfangen. Mein Bruder schaute sich daraufhin das belgische Trio an, das den letzten Festivaltag eröffnete an, und war begeistert. Seitdem verlor ich die Band wieder aus den Augen und wurde erst vor wenigen Monaten wieder an sie erinnert, als ihr Cover von Lykke Lis „I Follow Rivers“ zum überraschenden, späten Hit wurde.
Als meine Entscheidung, dieses Jahr zum Fest nach Karlsruhe zu fahren, um noch einmal Kettcar vor der angekündigten Auszeit zu sehen, stellte ich fest, dass auch Triggerfinger für den Freitag angekündigt wurden, sodass ich eine Gelegenheit erhalte, das Urteil meines kleinen Bruders prüfen und mir selbst ein Bild der belgischen Rockband machen.
Gerade als wir den Hügel zur Hauptbühne des günstigen, unkommerziellen Familienfestivals hinabsteigen, eröffnen Ruben Block (Gitarre und Gesang), Paul van Bruystegem (Bass) und Mario Goossens (Schlagzeug) ihr Set mit dem trockenen Rocksong „I'm coming for you“, der sofort Erinnerungen an die Größen des Stoner Rocks weckt und mir in seiner Gradlinigkeit zusagt.
Erzkonservativ ist die Musik, das reicht vom Gepose des Frontmanns bis hin zur Struktur einzelner Songs. Seit 1998 gibt es Triggerfinger nun schon, jetzt 15 Jahre nach der Gründung erntet die Band aus Antwerpen nun die Erfolgslorbeeren harter Arbeit, nachdem sie außerhalb der Beneluxländer und Teilen Frankreichs höchstens ein Dasein als Geheimtipp fristete.
Dass mit dem Erfolg auch seltsame Kollaborationen wie ein gemeinsamer Song mit BossHoss zustande kommen und der Erfolg in erster Linie auf ein Cover fußt, verleiht diesem allerdings einen faden Beigeschmack.
Tausende Zuschauer kommen nichtsdestotrotz in den Genuss einer klassischen Rockshow. Bereits „I'm coming for you“ strotzt nur so von Zitaten, begonnen beim harten Gitarrenriff, wie es aus einem Queens of the Stone Age – Song stammen könnte, gipfelnd im hohen Shout-Gesang a la „Child In Time“.
Die arroganten Rockstar-Posen sitzen; Ruben Block inszeniert sich im dunklen Anzug als selbstgefälliger Rockgott, reißt die Gitarre herum, singt vor Klischees nur so triefende Zeilen wie „It's time to pay, / time to deliver“ oder „I'm selling my soul, / to the devil for you“ in „On my knees“ oder „Just for tonight baby / Just let it ride baby / Whatever you hide“ in "Let It Ride" - und unterhält glänzend.
Auf Festivals reichen oft bereits Entertainer-Qualitäten, um Auftritte genießbar zu machen, doch bieten Triggerfinger mit Tempo und harten Songsalven mehr als das.
Da wo die abgehobenen Machoismen des grau melierten Sängers mit dem markanten Backenbart stören könnten, konterkariert Bassist van Bruystegem mit übertriebenen Haltungen und einem potthässlichen Hut mit Wildkatzen-Tarnmuster den Bandleader.
Schlagzeuger Mario Goosens erinnert ein wenig an Bela B und darf sich schließlich mit einem mehrminütigen Schlagzeug-Solo profilieren. Dass sich die Band in einem klar begrenzten Festival-Set Zeit für derartige Einlagen nimmt, spricht für das künstlerische Selbstverständnis als ernst zu nehmende Rockband.
Kinder und Frauen mittleren Alters blicken gelangweilt Richtung Bühne, während Männer mit Bauchansatz und sonnenverbrannten Glatzen nach jedem Song die Ähnlichkeit mit Led Zeppelin lautstark beschwören. Recht haben sie sicherlich, wie bei jeder etwas härteren Rockband der Gegenwart lassen sich auch bei Triggerfinger Parallelen zu den englischen Hard Rock Pionieren finden, signifikant sind sie allerdings nicht. Referenzquelle Nummer 1 bleiben meines Erachtens Josh Hommes Projekte.
Triggerfinger klingen überhaupt nicht belgisch nicht einmal europäisch und das kann, betrachtet man ihren Sound, nur als Kompliment verstanden werden.
Der Blues getränkte Wüstenrock aus der belgischen Diamantenstadt mit dem eindrucksvollsten – durch koloniale Ausbeutung finanzierten – Bahnhof, den ich je gesehen habe, geht durch Mark und Bein.
Gegen Ende des Sets erkennt das Publikum den Anfang von „I Follow Rivers“, die Frauen, die eben noch genervt wirkten, zücken impulsartig Smartphones und Digitalkameras, während die Männer sie stolz anschauen; „Die sind scho' arg geil, hab' ich doch g'sagt!“
Wie es sich für eine Band wohl anfühlt für eine Coverversion geliebt zu werden, den größten Applaus zu erhaschen, erst Recht, wenn der Song doch so viel anders klingt, als das, wofür die Band eigentlich steht?
Tausende folgen der von Block, dem Sexsymbol der erwähnten mittelalten Frauen („Der sieht aus wie de' George Clooney“), gepfiffenen Melodie, während Schlagzeuger Goosens die Schlagwerkarbeit mit Messer und Gabel an Gläsern ausübt. Schließlich zerbricht eines, es folgt jauchzender Applaus, Goosens setzt sich wieder hinter sein gewohntes Instrument, lacht still in sich hinein, frenetisches Klatschen nach lautstarkem Refraingesang des Publikums.
Aus Bandsicht bleibt zu hoffen, dass die Euphoriewelle um die jüngsten Veröffentlichungen im fünfzehnten Jahr des Bestehens sich in Zukunft fortsetzen wird, dass sich deutsche Festivalgäste in Belgien oder den Niederlanden nicht wieder erklären lassen müssen, wer denn nun Triggerfinger sei, ohne dass auf das erwähnte Cover verwiesen werden muss.
Wohl durchdacht feuern sie den Publikumsliebling nicht am Ende ihres Auftritts ab und lassen mit „Soon“ und „Is It“ noch zwei Lieder folgen, die sinnbildlich für die Ästhetik der Gruppe stehen. Die Band spielt sich sichtlich in Rage, zumindest erscheinen die Posen echt, van Bruystegem hat sich endlich seines seltsamen Huts entledigt und präsentiert seine Glatze, Schlagzeuger Goosens im lila Sakko trommelt hart.
Rubens Block, der immer zwischen deutsch und englisch wechselnd mit dem Publikum kommunizierte, bedankt sich nach dem vorletzten Song auf Deutsch, bevor er beim furiosen Abschluss auf die Verstärkertürme klettert, hoch über der Band noch einmal die überlebensgroße Rockstar-Pose einnimmt und sich vor goldenem Backdrop in Kunstnebel gehüllt ein letztes Mal feiern lässt.
Setlist Triggerfinger, Karlsruhe:
01: I'm Coming For You
02: On My Knees
03: Let It Ride
04: Attitude For Darkness
05: My Baby's Got A Gun
06: Camaro
07: All This Dancin' Around
08: Schlagzeug-Solo
09: First Taste
10: I Follow Rivers (Lykke Li - Cover)
11: Soon
12: Is It
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