Konzert: Tag zwo des Burning Eagle Festivals
Neufundland (35 min)
Green Apple Sea (35 min)
Zigitros (45 min)
Daniel Nordgren (30 min)
Honig (45 min)
Ort: Listhofgelände in Reutlingen
Datum: 27. Juli 2013
Dauer: 14:00 bis 18:15 Uhr
Es gibt bestimmt gut begründete psychologische Theorien, die nachvollziehbar begründen, dass man auf keinen Fall so einen Bericht mit irgendwelchen Negativa beginnen sollte. Aber das ist mir jetzt mal Schnuppe, zumal es genau genommen um ein Luxusproblem geht: Im Planungsvorlauf für das Festival auf dem Listhofgelände gab es nach der endgültigen Fassung des Lineups für mich eine schwierige Entscheidung zu treffen: Für Efterklang und Amatorski und gegen Get well soon oder umgekehrt. Zwei Übernachtungen in Reutlingen hätten meine Lebensbalance auf verschiedenen Skalen zu sehr belastet. Der gestrige Bericht hat schon verraten, dass die Entscheidung für einen langen Freitag und einen verkürzten Samstag fiel. Deshalb endet mein Bericht über den zweiten Tag schon am frühen Abend nach dem Set von Honig. Ich zweifele keinen Moment daran, dass ich damit Höhepunkte hier nicht bezeugen kann und muss das anderen überlassen.
Es spricht meiner Meinung aber sehr für das Festival, dass auch die Zeit in der ersten Hälfte des Samstagsprogramm mit Neufundland, Green Apple Sea und Honig für mich gleich drei wunderschöne Perlen barg, sich Zigitros als eine recht positive Überraschung erwiesen und das Set von Daniel Nordgren mich an diesem heißen Sommertag dazu einlud mich ganz fallen und treiben zu lassen. Kein einziges innerliches skip und schon gar keine halb ärgerlich verbrachte Wartezeit.
Der zweite Tag begann 14 Uhr mit brüllender Sonne und kaum Wolken am blauem Himmel. Die Jungs von Neufundland vorn an der Bühne hatten da eine richtige Tortur auszustehen: Sie wurden frisch gebraten - alles heiß und hell und die Gitarren verstimmten sich dauernd.
Mir gefiel die Musik der Kölner gleich. Es war recht eingängiger Indie-Rock mit den genau richtigen Ecken und Kanten für mich und am Schluss gab es auch noch ordentliche Hexenaustreibung an den elektronischen Reglern. Aber eigentlich sorgten die Texte dafür, dass ich das Set wohl auch in naher Zukunft nicht so leicht aus dem Kopf bekommen werde. Eher unerwartet für einen so heiteren Sommertag versetzten sie mich in einen sehr nachdenklichen Modus: wo wollen wir uns unterstellen wenn uns der Himmel auf den Kopf fällt - das hatte mich auf einmal voll getroffen. Und die verwendeten Bilder waren nicht platt und Effekte heischend, sondern drückten ein Lebensgefühl aus, das an Fragen in mir anknüpfte, die mich schon mein Leben lang begleiten.
Interessanterweise fragte ich mich schon im Moment des Konzertes wie sehr sich diese Art von Fragen in den verschiedenen Generationen gleichen, wo sich die Umstände im Laufe der Zeit so stark gewandelt haben. Meiner Mutter und meiner Oma fiel der Himmel auf dem Kopf als Fliegerbomben. Danach wurde nichts je wieder gut aber andererseits war danach alles eine Verbesserung. Und für die Kinder - meine Generation - sollte die Welt ja auch unbedingt besser werden. Was aber nicht wie erhofft eintrat, denn wir hatten die begründete Erwartung, dass ein atomarer Erstschlag durch menschliches Versagen eher heut als morgen die Menschheit auslöschen wird. Unser Szenario von Welt auf den Kopf fallen. Meine Kinder und damit auch die jungen Männer von Neufundland haben diese Sorge nicht mehr in der gleichen Form, aber sie stehen in einer Welt wo die Begriffe Nähe und Entfernung gerade neu definiert werden und Deutschland am Hindukusch verteidigt wird. Unsere Welt spuckt Rauch und fordert uns heraus, uns immer wieder einzumischen. Das ist immer neu und bleibt doch erstaunlich konstant.
Setlist Neufundland
1: Napoleon
2: Raus, Raus
3: Hallo
4: Unterstellen
5: Lernen
6: Großbuchstaben
7: Und reicht dir das
Einmal in der nachdenklichen Stimmung war eigentlich auch das Set von Green Apple Sea - wenngleich musikalisch ganz anders gelagert - eine Fortschreibung der existenziellen Gedanken. Where do you go when there's no place to go. Allerding war dies sowohl musikalisch als auch textlich von einem eher tröstlichen Unterton getragen in einer Art Grundvertrauen, dass sich schon alles irgendwie klären wird und wir alle ähnliche Sorgen tragen, wenn sie auch verschiedene konkrete Gesichter haben. Sehr sympathisch fand ich die Ansagen zu den Liedern, die jeweils einen guten Einstieg gaben, eine weitere Dimension der Musik etwas schneller zu erfassen. Ich schleiche virtuell schon länger um diese Band herum - ich glaube, mit dem Auftritt in Reutlingen haben sie mich nun endgültig gekriegt!
Setlist Green Apple Sea
1: Northern Sky
2: Nightmares
3: Whale watching
4: Satellite Wings
5: Sleep Now
6: How else
7: El fin del
8: One of a million
9: Farewell
10: Please slow down
Das erste Lächeln huschte mir übers Gesicht als Zigitros sich selbst vorstellten. Man muss sich dabei die schweizer Mundart vorstellen und der Name bekommt eine ganz andere Färbung! Die Gesangsstimmen fand ich angenehm und auch ein bisschen zum wegträumen. Andererseits luden Refrains zum mitgrölen ein. Das klingt wie ein Widerspruch, war es an dem Nachmittag in der Sommersonne aber gar kein bisschen. Ein sehr schönes Set, das in meinen Augen perfekt in das Festival passte.
Setlist Zigitros
1: Yours, truly
2: Wondering white
3. Horses an hold
4: Anchor & Sparrows
5: Nightshade grinning
6: Bellevue balcony
7: Black boots
8: Sinister
9: Whoever
10: Witch hunt
11: Bravery of none
Das Set von Daniel Nordgren nutzte ich zum essen und trinken. Die Biertische standen so günstig zur kleinen Better2gether Bühne, dass ich auch von da das meiste gut mitbekam. Seine schmachtende Amerikana-Musik-Mischung hatte ja die Sonne förmlich in der DNA und kam total überzeugend. Ich ließ mich damit treiben und genoß einfach nur ohne nähere Analyse.
Mit dem Set von Honig kam für mich schon leise der Abschied angekrochen. Ich bewegte mich noch einmal in alle Ecken des Festivalgeländes und genoß die schöne Atmosphäre. Die Band trat barfuß auf und es war wohl ihr erster Auftritt in kurzen Hosen? Konnte ich gar nicht so recht glauben.
Wie immer hatte mich die Musik von Honig vom ersten Moment an. Besondere Highlights waren aber For those lost at sea und In my drunken head. In den Zwischenansagen wurde viel rumgeblödelt. Es schien ihnen echt gut zu gehen da vorn auf der Bühne und ich glaube, sie genossen die Festivalatmosphäre in vollen Zügen. Kritik von mir aber daran, dass ich von Julias Stimme fast gar nichts gehört habe. Ihr dürft doch einen Trumpf nicht in den Skat drücken, Jungs!
Setlist Honig
1: Hometowns
2: The morning chorus
3: Song for Julie
4: Look what we brought in
5: For thoses lost at sea
6: Swimming lessons
7: In full makeup
8: In my drunken head
9: This old house
10: Burning down bookshops
Damit hieß es für mich Abschied nehmen von diesem bezaubernden Festival. Von Leuten, die ihren Müll mitnehmen und rücksichtsvoll nacheinander schauen. Von der Gelegenheit, meine Lieblingsmusiker im Publikum zu sehen und einen kleinen Schwatz mit ihnen zu halten.
Vielen Dank an alle, deren Idealismus und Begeisterungsfähigkeit diese zwei Tage in unsere Welt gebracht haben. Das nächste Burning Eagle steht schon jetzt in meinen Kalender für 2014 gemeißelt!
Aus unserem Archiv:
Tag 1 des Burning Eagle 2013
Honig, Köln am 22. Oktober 2012
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