Konzert: Spark
Ort: Tollhaus in Karlsruhe (zweiter Abend im Rahmen des Zeltivals)
Datum: 30.06.2012
Dauer: 20:30 Uhr - 23:00 Uhr mit 35 min Pause
Bericht und Fotos von Gudrun T. aus Karlsruhe
Ganz kurz gefasst ist der rote Faden all unserer Berichte hier im Konzerttagebuch zu bezeugen ob und wie der Funke überspringt.
Daran musste ich denken, als ich Samstag Abend zunächst auf das Konzert von Spark (dt.: Funke) wartete und schließlich Zeugin wurde, wie ein musikalisches Feuerwerk sondergleichen gezündet wurde von
Mischa Cheung (Klavier)
Andrea Ritter (Blockflöten)
Victor Plumettaz (Cello)
Stefan Glaus (Violine)
Daniel Koschitzki (Blockflöten und Melodica).
Nun ist es (mir jedenfalls) ein leidiges Thema sich mit der Einsortierung von Musik in bestimmte Schubladen zu befassen (Praktisch aber komplett subjektiv funktionieren eigentlich nur ''gefällt mir'' & ''gefällt mir nicht'').
Aber ''die klassische Band'' Spark dürfte sicher im Spektrum der hier behandelten Musikerlebnisse etwas randständig sein. Die Chiffren derer sie sich bedienen sind einerseits in der Kammermusik zu Hause, die eher in klassischen Konzertsälen gepflegt wird (und natürlich auch in Wohnstuben und Musikschulen). Mit Klavier, Cello und Violine hätten wir es auf den ersten Eindruck mit einem Streichtrio zu tun. Aber mit gleich zwei Blockflötenparts im Quintett ist die Mischung schon etwas bizarr, denn es ist sicher nicht sehr übertrieben zu sagen: dieses Instrument ist irgendwie uncool.
Uncool trifft aber auf keinen der Musiker auf der Bühne zu. Eher hat man gleich das Gefühl, hier wird drauf gepfiffen, welche Grenzen üblicherweise gezogen werden. Hier werden alle möglichen Grenzen überschritten außer die Grenze zu schlechter Musik. Dies betrifft nicht nur die ungewöhnliche instrumentale Zusammensetzung der Truppe sondern auch die Musizierhaltung. Denn dies ist tatsächlich eine Band, die ihre Musik in echter Rockerattitüde zelebriert. Ohne Gitarren zwar, aber es kann schon einmal vorkommen, dass Geige und/oder Cello unprätentiös wie eine Gitarre auf den Schoß gelegt und als solche gespielt werden. Und dass sich die zwei Blockflöten wie Gitarristen gegenseitig hochjagen und in Soli versteigen wo einem der Atem fast stehen bleibt. Und dass die Blockflötisten uns an dem Abend durch fast 30 verschiedene Flöten beeindrucken (ha, da werden die mitlesenden Gitarristen aber blass, was?)
Was hier ganz ungefiltert beim Publikum ankommt ist die Energie und die Begeisterung für die Musik, die ja ganz tief in uns anknüpft. Natürlich helfen kulturelle Prägungen und Gewohnheiten, die musikalischen Phrasen wieder zu erkennen und einzuordnen. Aber Musik an und für sich ist doch irgendwie in einem Rohzustand in allen Menschen angelegt. Wir singen, wir tanzen, der Rhythmus nimmt uns fast ohne unsere Zustimmung gefangen und kann es schaffen, dass wir uns vergessen. Wenn das dann etwas billig als ''Klassik für die Facebook-Generation'' verkauft wird, finde ich das viel zu kurz gegriffen.
An diesem Abend im Tollhaus in Karlsruhe sind etwa 400 Leute gekommen, um an diesem Erlebnis teil zu haben. Auffällig ist, wie altersgemischt das Publikum ist. Es sind viele Kinder anwesend. Das jüngste, das ich gesehen habe, war vielleicht im ersten Schuljahr. Und es ist faszinierend zu erleben, wie die Musik uns alle mitnimmt auf eine Reise, wo auch spontan gelacht, geklatscht oder ängstlich der Atem angehalten wird. Wo man in hingebungsvolle Gesichter sieht und keiner außen vor bleibt.
Der Abend ist ein Pre-release Konzert zum neuen Album ''Folk tunes''. Es geht also um Musikwurzeln, die hier freigelegt, auseinandergesägt, aufpoliert und neu zusammengesetzt werden. Oft geht es direkt übers Rückenmark in die Beine oder das Herz. In jedem Fall hat es eine rohe Dramatik, die man in klassischen Konzertsälen eher selten findet. Dazu passt der Bühnennebel für die ersten Lieder perfekt.
Als klassisch geprägter Musikliebhaber könnte man zuweilen die Nase rümpfen, dass etwas dick aufgetragen wird (die sprichwörtlichen dicken Eier in der Rockmusik), aber was soll's - das passt zu Spark. Sie ticken eben so und es ist zum Teil ein fast selbstironisches Spiel mit den Möglichkeiten die sich auftun, wenn man seine Grenzen selbst zieht. Virtuos werden nicht nur die Instrumente eingesetzt, sondern auch die Inszenierung im Raum und in der Setlist. Es wird gespenstische Stimmung erzeugt für ''Ich hab heut Nacht geträumet'' wo sogar gesungen wird (schon wieder so eine Grenzüberschreitung!) und das Cello im Stehen gespielt werden muss, weil sich das Cello dazuschleicht und am Anfang und am Ende das Klavier ganz allein die Bühne beherrscht. Es werden zum Teil von jedem Blockflötenspieler gleichzeitig zwei Flöten gespielt (sieht ziemlich abgefahren aus).
In den sympatischen Zwischenansagen verweist Daniel Koschitzki meist darauf, auf welcher Basis die Musik entstand und wie die Band sie sieht: Es geht los mit dem König von Thule (deutsch) über die Türkei, Finnland und Holland, Georgien, die Bretagne und Englisches Liedgut durch verschiedene Zeitepochen wie Rennaissance, Barock bis zur Minimalmusik der Gegenwart. Inhaltlich wird ein Stück auch schon mal als Streithandel von zwei Liedern beschrieben oder als holländische Version von
bayerischer Blasmusik (hier wurde im Stück besonders viel spontan dazwischengelacht und schließlich rhythmisch mitgeklatscht).
Das Set endet vor den Zugaben leise und geheimnisvoll. Als dann so lange geklatscht wird, bis Spark sich zu Zugaben bereit findet, ist ein etwas verwirrender Effekt, dass am Ende keine Hände mehr klatschen, die Band auf die Ruhe wartet, aber das Geräusch bleibt. Draußen regnet sich gerade ein zünftiges Unwetter in Stimmung und auf dem vorgebauten Zeltdach imitiert das genau das Geräusch des begeisterten Publikums.
In den Zugaben werden ein paar Sachen hervorgeholt, die im Publikum zum Teil bekannt sind und entsprechend abgefeiert werden. Spark hatten vor einem Jahr schon einmal gastiert mit ihrem (Echo prämierten) Debütalbum "Downtown illusions". So präsentieren sie die englische Volksweise Scarborough Fair als Thema mit Variationen, als zweite Zugabe das Stück Jack, wo endlich auch die besonders großen Subbassflöten zum Einsatz kommen, die man fast besser über den Bauch als die Ohren hört.
Anschließend werden 10 glückliche Gewinner ausgelost, die eine CD ''Folk tunes'' zugeschickt bekommen sollen, sobald sie erschienen sein wird.
Schließlich endet der Zugabenteil mit Can't take my eyes off of you und Budget Bulgar gegen 23:00 Uhr. Irgendeine der benutzten Weisen hat sich sicher in jedem Ohr noch für eine Weile verhängt.
Im Anschluss versammelt sich Spark am Merchstand. Dort werden fleißig CDs verkauft und beim Signieren beobachten fällt mir auf, dass hier drei Linkshänder im Mix sind.
Links:
Wer mehr erfahren möchte über diese Ensemble, kann es über die Webseite versuchen:
http://www.spark-die-klassische-band.de/
Die Einführung durch das Tollhaus Team finde ich sehr gut gelungen:
http://www.tollhaus.de/de/data/termin/746/spark.html
Es gibt auch einen youtube-Kanal:
http://www.youtube.com/user/SPARKclassicalband
Aber ich finde, das Liverlebnis im Tollhaus war noch einige Klassen besser als alle dort zu findenden Beispiele. Da während des Konzertes mit mehreren Kameras das Geschehen aufgezeichnet wurde, bleibt die Hoffnung, dies bald auch auf youtube abgebildet zu finden.
Als ich im Regen nach Hause radelte, fand ich den wirklich beeindruckendenen Blitzezauber des abziehenden Gewitters irgendwie sehr passend als Abschluss dieses besonderen Abends.
Setlist:
Folk Tune Rhapsody 1 (Johannes Motschmann)
Kumnu (Fazil Say)
Two Step Passion (Kamran Ince)
Prelude (Leva Auerbach)
Ich hab die Nacht geträumet (deutsches Lied)
Khaden Kauppa (Jonne Valtonen)
Boffons (Jacob van Eyck)
Rondeau (Jaques Duphly)
An eye for optical theory (Michael Nyman)
Pause
Georgian Folk Tunes 1+2 (Sulchan Zinzadse)
Folk Tune Rhapsody 2 (Johannes Motschmann)
The Old Lautar (Lev Ljova Zhurbin)
Concerto alla rustica (Antonio Vivaldi)
Csillagok (Ungarisches Volkslied)
Wild Heart (Chiel Meljerung)
Schafe können sicher weiden (J. S. Bach)
Folk Tune Rhapsody 3 (Johannes Motschmann)
Zugaben:
Scarborough Fair
Jack (Michael Nyman)
Can't take my eyes off of you (Bob Crewe & Bob Gaudio)
Budget Bulgar
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