Freitag, 20. Juli 2012

Jesca Hoop, Paris, 18.07.12


Konzert: Jesca Hoop

Ort: Le Silencio
Datum: 18.07.2012
Zuschauer: vielleicht 80 oder so
Konzertdauer: eine Stunde


Die härteste Tür von Paris, ich habe sie überwunden! (ich klopfe mir gerade selbst auf die Schulter)


Tja, in den sehr stylischen Club Le Silencio von Filmemacher David Lynch kommt halt eben nicht jeder rein! Da muss man entweder Clubmitglied sein (angeblich gegen Zahlung von jährlich 1.500 Euro möglich), oder auf der Gästeliste stehen. Bei mir war die zweite Alternative gegeben. Die gute M. aus Paris hatte mich freundlicherweise eingeladen, weil sie weiß, daß es für mich nicht in erster Linie darum ging, Zugang zu einem exklusiven Angeber-Laden zu bekommen, sondern mir die amerikanische Musikerin Jesca Hoop anzusehen.

Natürlich habe ich es mir trotzdem nicht nehmen lassen, das Silencio ein wenig zu inspizieren. Wie immer in solchen Etablissements gab es auf oberwichtig tuende Türsteher mit Listen in der Hand ("arbeiten sie für femme actuelle? nein? für wen dann?") und drinnen angekommen erwarteten einen puristische Strukturen, schlicht- elegante Treppen, die wie in einem Labyrinth nach unten führten, ein paar schwarz-weiß Fotos an den Wänden und im Keller schließlich eine weitere Kontrolle der Identität, diesmal durch ein junge Empfangsdame. Als ich auch diese Prüfung erfolgreich bestanden hatte, gelangte ich endlich in die eigentlichen Räume- und davon gab es mehrere. Einer hatte die gewölbte Form eines Tunnels, war mit sargförmigen kleinen Tischen und beigefarbenen Sesseln dekoriert und diente als Lese- und Flirtzimmer. An den Seiten lagen von stilvollen Nachttischlampen erleuchtete Designzeitschriften und feine Bildbände aus, die aber von niemandem konsultiert wurden. Über einen kurzen Flur gelangte man von dort an die Bar, die funktionell, hochmodern und elegant war und nur ein paar Schritte weiter befand sich der eigentliche Konzertssal. Der Clou an der Sache war das Schatzkammerdesign aller Räume. Reliefartig herausgearbeitete Goldbarren aus Holz dekorierten die Wande und gaben dem Ganzen eine noble, äußerst edle Note. Hier waren renommierte Designer und Innenarchitekten am Werke gewesen, soviel schien klar. Trotzdem ließ mich der kühle Luxus des Clubs weitestgehend indifferent. Ein abgeranzter Laden mit gammeligen Sofas und funzeligem Licht wäre mir mindestens genauso lieb gewesen, aus Realität gewordenen Designerträumen mache ich mir eben nicht viel.

Reden wir also nicht mehr von diesem ganzen elenden Bling-Bling, sondern vom Konzert, das schom im Gange war, als ich eintraf. Meine U-Bahn Linie war überraschend gesperrt worden und so musste ich wohl oder übel ein Taxi nehmen und geriet an den langsamsten und unfähigsten Taxifahrer der ganzen Stadt. Das Silencio kannte er nicht und ich musste ihm den Weg zeigen. So kam es zu dieser ärgerlichen Verspätung.

Das erste Lied, das ich von Jesca Hoop und ihrer dreiköpfigen Begleitband zu hören bekam, war allerdings so schlecht, daß ich mich fragte, ob ich hier richtig war. Hospital (Win Your Love) hatte einen übel käsigen Bubblegumrefrain und erinnerte bestenfalls an Cyndi Lauper, nicht aber an gute Folkmusik, die ich mir erhofft hatte. Zum Glück wurde es danach wesentlich besser (wenngleich nicht wirklich folkiger) und Hospital sollte der einzige Rohkrepierer bleiben. Born To, was folgte, war richtiggehnd catchy und auch nicht so poppig wie in der Studioversion, sondern etwas erdiger und ungekünstelter.





Der Titelrack de Album The House That Jack Built folgte und kam butterweich und einschmeichelnd rüber. Jesca schaffte es, abwechselnd brüchig und fragil zu intonieren, dann aber auch mit sehr fester und lauter Stimme nachzulegen, um schließlich höchste Töne anzustimmen. Ein wundervoller Titel, perfekt gesungen.

Mit Dig This Record wurden düstere Seiten aufgezogen und eindrucksvoll belegt, daß ihr Oeuvre sehr abwechslungsreich und kontrovers ist. Der Song erinnerte mich an langsame Gruselnummern der frühen PJ Harvey. When I'm Asleep im Anschluß übermittelte ein gothisches Feeling, verfügte aber auch über eine psychelische Hippie-Note.

Wir näherten uns dem Ende des Konzertes, durften aber noch ein wenig an dem herrlich süffigen Sound nippen und uns von Piecemaker becircen lassen. Ein Song, den Bat For Lashes so ähnlich hätte schreiben können mit seinem mysteriösen, feenhaften und tribalischen Touch und den stimmlichen Kapriolen.

Krönender Abschluß dann mit Deeper Devastation, wobei krönend sich nicht auf die Perfektion des Vortrages bezog, sondern die menschliche Wärme, die davon ausging, daß Jesca darüber schmunzelte, das Lied insgesamt dreimal neu anstimmen zu müssen. Sie hatte sich jeweils an der gleichen Stelle verspielt, aber das änderte rein gar nichts daran, daß das Konzert insgesamt sehr schön und gelungen war. Hinterher habe ich mir das Studioalbum zu Hause angehört und war ziemlich enttäuscht. Ich finde es zu aufgeplustert, mit Chören zugekleistert und zu satt produziert. An den Charme der abgespeckteren Liveversion, die wir im Silencio genießen durften, kommt es jedenfalls nicht ran (man vergleiche die beiden Videos, die ich eingebunden habe, da sieht man sehr gut den Unterscheid).


- Fotos waren nicht erlaubt.



2 Kommentare :

E. hat gesagt…

auf album ist hoops musik fast unerträglich glatt, eher was für kleine teenage girls.
du warst wahrscheinlich wirklich nur wegen des exklusiven clubs zugegen... ;-)

Oliver Peel hat gesagt…

Nein, ich war schon wegen Jesca hier.Ich kannte das neue Album nicht und live war es wirklich schön. Erst hinterher habe ich mir die Studioversion nagehört und war von der Glätte und Popigkeit enttäuscht. Mochtest du ihr altes Album?

 

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