Konzert: Festival Fnac live, mit Liz Green, Liza Manili, Alt-J, Balthazar, Mina Tindle u.v.a.
Ort: Parvis de l'Hôtel de Ville, Paris
Daten: 20, 21, 22.07.12
Zuschauer: ingesamt 75.000
Ich erzähle sicherlich nichts Überraschendes, wenn ich sage, daß große Massenfestivals wie das Gratis-Festival Fnac live in Paris eigentlich nichts für mich sind.
Allerdings hatten die Veranstalter zumindest auch ein wenig an uns Indienerds gedacht und uns ein paar schöne Namen beschert. Da ließen sich auch einige regelmäßige Klubkonzertbesucher nicht lange bitten und mischten sich unter das musikunwissende Volk.
Vier Tage lang steppte bei endlich gutem Wetter vor dem herrlichen Rathaus von Paris der Bär, gaben sich französische und internationale Künstler die Klinke, nein, die Mikros in die Hand.
Den ersten Tag am Donnerstag hatte ich komplett gestrichen, interessiert hätten mich da eh nur François and The Atlas Mountains. Am zweiten Tag, sah ich als Erstes Mina Tindle, die unseren Lesern hier schon seit Jahren wohlbekannt ist. Ihr Siegeszug in Frankreich setzt sich fort und im November wird sie die 1000 er Location Le Trianon bespielen, was wirklich famos ist. Aber auch deutsche Fans können sie in diesem Jahr noch sehen und zwar am 8. August im Hafensommer in Würzburg und 10. August auf der Sommerbühne in Detmold. Beim Fnac live spielten Mina und ihre beiden Mitstreiter Olivier und Guillaume ein stark verkürztes Set in dem so hübsche Stücke wie Sister (sehr beschwingt) Pan (melancholisch und auf französisch gesungen), To Carry Many Small Things (der Hit!) Lovely Day (der samtweiche Closer) ihren Platz hatten. Trotz unzähliger Konzerttermine in den letzten Wochen und Monaten wirkten die drei Musiker frisch und spielfreudig, lachten viel und spielten wie aus einem Guß. Das viele Training hat dazu geführt, daß allles prima flutschte und inzwischen sind sie auch in der Lage, ein solch großes Geläde wie hier zu beschallen, in dem sie das Songmaterial druckvoller spielen.
Ich bin jedenfalls sicher, daß der rasante Aufstieg der Mina Tindle noch nicht zu Ende ist. Bereits vor vier Jahren hatte ich ihr eine rosige Zukunft attestiert und recht behalten (freu' dich Oliver!).
Nach den Franzosen dann Belgier auf der Bühne. Balthazar nennen sie sich und spielen frischen, melodieverliebten und druckvollen Indierock/Pop. Das klang zwar nicht weltbewegend neu, war aber so tight, daß viele voll mitgingen. Im Grunde genommen hätte das jetzt auch eine amerikanische (z.B. Eels oder Beck) oder englische Band (z.B. Franz Ferdinand oder die Arctic Monkeys) sein können, ihre belgische Herkunft merkte man ihnen jedenfalls nicht an. Die vier Jungs und das eine fesche Mädel (Patricia) an der Geige spielten sich schnell in die Herzen der Pariser und jagten nur so durch ihr knackiges Set. Am Besten gefiel mir, daß die Geigerin ihr Instrument am Ende wie eine Gitarre behandelte und ohne Geigenbogen einfach mit den Fingern durch die Saiten strich. Aber nicht nur das, die Songs an sich waren auch sehr ansprechend. Ein Aufmerker!
Am nächsten Festivaltag interessierten mich zwei Namen. Alt-J (∆) und Dominique A. Letztgenannten habe ich aber verpasst, weil ich in einem Straßencafé in netter Begleitung Bier trinken war und in diesem Moment an ganz andere Dinge als ein Festival dachte. Alt-J ∆ hatte ich aber komplett gesehen. Wobei komplett heißt: dreißig Minuten, länger war ihr Set leider nicht. Musikalisch irgendwo zwischen der Beta Band, Django Django und Tunng angesiedelt, spulten die Jungs aus Leeds ihren rhythmischen Elektro-Folk mit düsterer Note ab und wussten mich vor allem mit dem wundervollen Stück Mathilda auf ihre Seite zu ziehen. Insgesamt gefiel vor allem die Unaufgeregtheit, das angenehm Unaffektierte der Songs, die aus vielen Puzzelteilen zusammengestellt waren und ihre wahre Größe sicherlich in einem Indie-Club entfalten. Cleverer Indie Pop mit vielen kleinen schönen Melodien und einem Sänger mit markanter Stimme, die mich mit ihrem leicht bluesigen Einschlag an Timber Timbre erinnerte. Ob Alt-J nun wirklich eine Sensation sind, mag ich freilich nach diesem kurzen Auftritt noch nicht zu sagen. Dranbleiben, abwarten und Tee trinken (und vielleicht ihr Album An Awesome Wave, von dem natürlich die meisten Stücke stammten, öfter mal hören).
Blieb der Sonntag, der letzte Tag des Fnac live Festivals. Es war heiß geworden in Paris, die Fahrer der Tour de France waren heute durch die Ziellinie an den Champs- Elysées geschossen und mit der Britin Liz Green stammte auch eine Künstlerin aus dem Land des Tour de France Siegers Bradley Wiggins, dem Green (wohl zu Scherzen aufgelegt) ein Lied widmete. Vor Liz ging aber noch Liza an den Start und zwar genauer gesagt Liza Manili aus Frankreich. Die hübsche Schauspielerin und Sängerin sorgte auch heute wieder für gute Laune mit ihrem Retro-Pop der teilweise in Richtung New Wave geht. Neben ihrem auffällig gemusterten Kleid und den grasgrünen Pumps sorgte der Überhit Le Petit Train für die größte Aufmerksamkeit, aber darüber hab ich mich ja schon in der Vergangenheit detailliert ausgelassen, insofern verweise ich auf meine alten Berichte.
Und dann endlich Liz Green und ihre Band. Ich hatte mir nach dem nur 20 minütigen Auftritt von Liza Manili Sorgen gemacht, daß auch der Gig von Miss Green verdammt kurz werden würde, wurde aber mit einem 40-45 minütigen Set positiv überrascht. Liz erschien mit grünem Tirolerhütchen und einem strahlenden Lächeln, das wohl auch dem sonnigen Wetter in Paris geschuldet war. In England habe es 6 Monate in Folge geregnet, berichtete die Britin und meinte schulterzuckend, daß sie jetzt dummerweise keinen sonnigen Song im Programm habe, der zu den Pariser Temperaturen passe. Aber egal. Denn schließlich entpuppten sich die tragisch- komischen Melancholienummern der Liz Green zu einer spannenden Sommermusik. Anstatt die Stück wie am Anfang ihrer Karriere üblich, in dunklen Spelunken oder Jazzcafés geboten zu bekommen, entwickelten Klassiker wie Bad Medecine und der Displacement Song auf dem sonnenüberfluteten Festivalgelände ihren ganz besonderen Reiz. Zwei Lieder schossen mir an diesem Tag die Lampen aus. Das war zum einen Louis. Hierbei dreht es sich um eine Mann in Mexiko, der seit 20 Jahren keine einzige Beerdigung in seiner Heimstastadt verpasst hat. Ist doch verrückt, oder? Ein Lied mit einem bedrohlichen Gitarrenintro, aber einer Passage mit einem lieblicheren Refrain: "I think we are better off here." Die Band spielte hierbei ihren Part perfekt, Saxofon und Kontrabass unterstrichen immer mal wieder die von der Akustikgitarre getragenen Erzählstränge und sorgten für noch mehr Dramatik und Gänsehaut.
Und zum anderen mein schon oft zitierter Liebling The Quiet, bei dem mich Liz Green an Antony and The Johnsons und seine herzergreifenden Ballade Hope There Is Someone erinnerte. Das Lied war wie immer wahnsinnig emotional und erstaunlicherweise blieb selbst das feierfreudige Festivalvolk, das Liz Green zum Großteil nicht kannte, bei ein paar stillen und sehr bewegenden Momenten ruhig und hörte gespannt zu. Mein Herz pochte wie verrückt und ich merkte wie eine kleine Träne höher und höher stieg. Dann aber war das Lied vorbei und Liz und ihre Band lachten in den Pausen immer so laut, daß man plötzlich von traurig zu heiter überging, nur um kurze Zeit später den Schalter wieder auf traurig zu stellen.
Auch zwei neue Lieder gab es, darunter das herrvorragende Penelope und ein Lied, das einen engen Zusammenhang zu der Beerdigung ihres Onkels hatte, der riesiger Fan von Tina Turner und Kylie Minogue war, wie Liz augenzwinkernd erzählte.
Nach diesem erneut hervorragenden Konzert von Green ging es mit Ewert and The Two Dragons aus Estland weiter. Eine ganz erstaunliche Band, die mit einem flotten Glockenspielpart das erste Lied In The End There's Only Love begann. Die Stimme des Sängers gefiel mir auf Anhieb, sie erinnerte mich an Paul McCartney, den Badly Drawn Boy, aber auch The Tallest Man On Earth, hatte ein warmes und melancholisches Timbre. Der Sound klang erfreulich fein, sehr rhythmisch und temporeich, war aber immer mit der typisch slawischen Schwermut überzogen. Eine Schwermut, die aber nie deprimierend war, sondern immer wieder die Sonne durchs Fenster blicken ließ und teilweise auch weitestgehend aufgehoben wurde, um in einen schwungvollen Schunkelrhtyhmus zu driften, der einen fast euphorisch stimmte. Genau wie Loney Dear verstanden es die Esten, Freude und Leid quasi zeitgelich in ihren absolut wundervollen Liedern zu vertonen. Und dann immer wieder diese feinperlende Melodien, hach Mensch wie großartig! Von Lied zu Lied verliebte ich mich mehr in dieser Gruppe, die obendrein noch wahnsinnig sympatisch rüberkam.
Eine spekatukläre Szne gab es, als bei einem Lied gleich drei Bandmitglieder trommelten, aber das war keine Effektheischerei, sondern lediglich eine schöne Abwechslung, die auch optisch was hermachte.
Noch besser war aber, daß ich hinter mir drei semmelblonde Lettinen bemerkte, die stolz die Landesfahne im Wind wedeln ließen und zu Sailor Man aus voller Kehle mitsangen
Ich könnte jetzt noch stundenlang weiterschwärmen, hebe mir aber noch ein paar Komplimente für die Haldern-Berichterstattung auf. Da werden Ewert and The Two Dragons in der kleinen Haldern Pop Bar spielen und da bin ich definitiv dabei!
Setlist Liz Green, Festival Fnac live, Paris
01: Midnight Blues
02: Louis
03: Displacement Song
04: neu
05: The Quiet
06: Penelope
07: Bad Medecine
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