Samstag, 21. Juli 2012

Phono Pop, erster Tag, Rüsselsheim, 20.07.12


Phono Pop, erster Tag, Rüsselsheim, 20.07.12


Bericht und Fotos von Gudrun aus Karlsruhe

Welch ein Glück, dass am Ende doch noch alles gepasst hat!

Eigentlich war nämlich das Festival sobald es an meinem Musikbeobachtungshorizont aufgetaucht war, eine Liebe auf den ersten Blick gewesen. Lineup, Größenordnung, Erreichbarkeit mit der Bahn und Termin sprachen alle eine eindeutige Sprache: Das ist für Dich gemacht, Gudrun!

Und dann wurde es doch noch alles terminlich irgendwie schwierig. Ich hatte mich schon von dem Plan nach Rüsselsheim zu fahren verabschiedet. Auf den allerletzten Moment löste sich doch noch alles in wohlgefallen auf, die DB machte ihre Arbeit zuverlässig und ich fand mich genau rechtzeitig in Rüsselsheim zum ersten Act: Me succeeds.

Kurz zuvor hatten sich noch Christoph und ich erstaunlich leicht auf dem Geländer des alten Opelwerkes gefunden und konnten uns damit erstmals in Person treffen und die Konzerte anschließend zusammen erleben.


Der erste Eindruck vom Festivalgelände war auf meiner Seite sehr positiv. Man könnte vielleicht den Eindruck gewinnen, dass ich ab sofort nur noch Musik in leicht ranzigen Industrieüberbleibseln stattfinden lassen würde (nach dem Bericht aus der Alten Fleischhalle)...

Aber gerade für so ein Open Air ist es doch besonders wichtig, dass
alles seinen Platz hat und findet. Die Gebäude begrenzen das Gelände optisch und vom Schall ganz natürlich, aber sie geben auch tatsächlich einen Raum in dem man sich geborgen fühlen kann. Alles weiträumig genug, um sich nicht zu drängeln, aber doch so strukturiert, dass es sich nicht verliert.

Dazu gab es an den Gebäuden einiges zu entdecken. Nach Einbruch der
Dunkelheit waren sie von innen geheimnisvoll in wechselnden Farben beleuchtet. Sicher fertigen darin Aliens heimlich noch Opels.

Die Ausstattung mit Essen und Trinken fand ich
überlegt und gut überschaubar, alle die mich bedient haben, waren besonders nett und die Preise eher im unteren Mittel. Die Security hat man sehr wenig wahrgenommen, und als es mit fortschreitendem Abend immer voller wurde, wurde es zum immer wichtigeren Aspekt, dass das Publikum insgesamt sehr entspannt und freundlich miteinander umging. Während des Konzertes von Warpaint habe ich in so viele komplett verzückte und entrückte Gesichter geschaut, dass man spätestens da merkte, dass hier wohl tatsächlich die Musik geliebt wird und nicht nur die Gelegenheit, mit Freunden irgendwie dem Alltag zu entfliehen. Eigentlich war die Stimmung vom ersten Konzert an sehr gut. Es gab keine Phase des warm werdens sondern Me succeeds sagte hallo und los ging es mit erstklassiger Musik, zufriedenem und enthusiastischem Publikum, tanzen, klatschen, ein bisschen mitsingen und das fast nonstop. Durch die Organisation auf zwei Bühnen schloss sich an jedes Konzert gleich das nächste an. Ein Aspekt, der mir sonst die Konzertgeherei doch etwas verleidet, wenn man zwischen Vorbands und eigentlichem Act immer noch ewig warten muss, dass umgebaut wird - das fiel hier fast komplett aus. Nur bevor Warpaint loslegen konnte, mussten wir etwa 20 extra-Minuten warten, was ja normalerweise gar keine lange Zeit ist, aber hier war es auf einmal auffällig (im Kontext des Abend) lang.

Vielleicht noch ein paar Worte zu den einzelnen Konzerten:



1) Da ich am Ende etwas Holterdipolter nach Rüsselsheim gekommen war, überraschte mich Me succeeds damit, dass Mohna die Sängerin ist... (ich glaube, die Reihenfolge ist für die Band anders, aber ich kannte zuerst und schon recht lange die Musik von Mohna und wie sie aussieht und Me succeeds traf ich in Rüsselsheim das erste Mal). Das war wie wenn man auf eine Feier kommt, wo man denkt keinen zu kennen, und als erstes sieht man dann doch ein vertrautes Gesicht, mit dem man nicht gerechnet hatte. Der Zauber des Auftritts lag für mich in der Stimme von Mohna, die eine ganz eigene spröde Färbung hat und damit gleichzeitig stark und zerbrechlich wirkt. Es gab auch bezüglich des Publikums keine Fremdelei. Nicht mal
der einzige Regenschauer des Abends konnte die Laune verderben. Was für ein Turbo-Auftakt!


2) Me and my drummer: Hier war das Set schon am Laufen, als ich nach Me succeeds den Bühnenwechsel geschafft hatte, was irgendwie auch schade ist (Vorsicht: Jammern auf hohem Niveau!). Der Höhepunkt des Sets war für mich als die Sängerin Charlotte Brandi hinter den Keyboards hervortrat und sichtlich nervös sich nur auf ihre Stimme verlassend (und der Unterstützung vom Drummer Matze Pröllochs) vor das Publikum trat. Und was sie für eine Stimme präsentierte! Ich muss zugeben, dass mir insgesamt die Auftritte und die Musik immer etwas zu kühl und stylisch vorkamen. Aber der Auftritt in TVNoir hat mein Herz für die Personen hinter der Musik geöffnet und so war mein Blick auf das Set jetzt auch ein positiv vorgestimmter und die so erzeugte Erwartung wurde nicht enttäuscht und mit dem einen ganz besonderen Moment des Abends sehr erfreulich ergänzt. Die CD habe ich mir aber auch diesmal nicht gekauft.

3) Bréton waren fast auf die letzte Minute im Lineup gelandet. Ich kannte sie nicht, hatte auch keine Zeit, im Vorfeld darüber schlauer zu werden. Aber der erfreute Aufschrei, der durch die Musik-Community rings um mich ging bei der Nachricht, verhieß eigentlich nur Gutes. Und die Jungs waren echt eine Augen- und Ohrenweide. Und es schien, als ob sie auch selbst Spaß an dem Auftritt hatten. Zwischendurch riss
eine Saite und es flogen Drumsticks davon im Enthusiasmus, aber irgendwie war alles eine große Feier und es wurde ordentlich mitgetanzt. Gerade die richtige Mischung von Professionalität und Spielfreude auch in der Interaktion mit dem Publikum. Ich fühlte mich aufs Beste unterhalten und werde zukünftige Konzerte nicht an mir vorbeigehen lassen.

4) Anschließend lief schon der Auftritt von We invented Paris. Hier muss ich unweigerlich vergleichen zu dem akustischen Setting der TVNoir Konzerte. Die Band war etwas anders zusammengesetzt und spielte die Songs deutlich Gitarren-lastiger und rockiger. Sicher richtig für Open Air und es machte den Jungs auch offensichtlich großen Spaß, mal richtig abzurocken. Aber mir hat die filigranere Bearbeitung irgendwie doch mehr Freude gemacht. Mir war auch der Schlagzeuger zu weit weg. Den fand ich beim TVNoir Konzert nämlich ganz besonders toll und hier war er doch etwas nach hinten entrückt.

Während des Auftritts gab es vielerlei fürs
Auge. Wir durften Ball spielen und die Band versammelte sich gegen Ende fast vollständig rings ums Schlagzeug, um einen Hexensabbath zu veranstalten. Das hat schon was und war emotional sehr mitreißend. Der Sänger sprang ins Publikum um dort mit zu tanzen. Dieser Auftritt also auch ein ganz besonderes Erlebnis.



5) Dry the river liegen eigentlich nicht so ganz in meinem Beuteschema, weil mir die Stimme des Sängers nicht liegt. Aber das Konzert hat mir als Live-Erlebnis außerordentlich gut gefallen. Eindrucksvoll für mich besonders der Hühne von Bassist, der sein Instrument wie ein Kinderspielzeug behandelt hat. Irgendwie waren aber alle Mitglieder der Band eher so Typen, die wir in meiner Jugend ''Kunde'' genannt hätten (orginal nur so ''das ist ein Kunde!'') - etwas schräg. Mir gefiel ja auch das ''Haters will hate'' Shirt des Sängers gut (die Version mit dem Pandabär). Das war überdies so schön selbstironisch.

Es war inzwischen auch dunkel geworden und mit Licht
und komplexer Musik von der Bühne wurde ein wunderschönes Gesamt-Kunstwerk erschaffen. Und wir konnten die Band ein bisschen damit überraschen, dass sich das Publikum zu einem recht ordentlichen Geburtstagsständchen für den Schlagzeuger spontan zusammenfinden konnte. Klang gar nicht so schlecht, vor allem im zweiten Versuch, als die Band uns auch richtig gelassen hat...


6) Warpaint. Auch hier bietet sich für mich der Vergleich an zum gerade erst erlebten Konzert in Prag. In Prag erschienen sie mir sehr unnahbar. Hier war es von Anfang an anders. Natürlich war während des Soundchecks (immerhin vor versammeltem Publikum) eine gewisse Nervosität zu spüren. Aber schon die Geste, dann auch gleich auf der Bühne zu bleiben und das Konzert zu beginnen, nachdem alles in Ordnung war, fand ich einfach famos. Keine Allüren, sondern pure Freude, jetzt was Ordentliches vorzeigen zu wollen. Während des Konzertes wurde viel gelächelt zwischen den Musikerinnen und man sah so manchmal förmlich die Funken hin und her springen. Und sie gaben ihrem Affen sichtbar Zucker in gesundem Selbstvertrauen und sozusagen als sich selbst als Höhepunkt des Tages präsentieren wollendes Ensemble. Das hat mich wirklich begeistert. Daneben fand ich es wirklich faszinierend, wie sehr diese Band ihre Fans an sich bindet. Zum Glück gab es vor der Bühne kaum Geschubse, obwohl auch schon der Alkoholpegel etwas erhöht war. Eine
kurze handgreifliche Auseinandersetzung:''Du hälst jetzt verdammt noch mal endlich deine Schnauze'' (und dann wurde dem Gegenüber der Mund zugehalten in angetrunkener Direktheit) rundete eigentlich den guten Eindruck nur ab, weil damit auch klar wurde im Schlaglicht, wie es auch hätte sein können. Vermisst habe ich diesmal eigentlich nur den Blick auf die Schlagzeugerin. Aber in gewisser Weise war das fair erkauft, weil ich damit diesmal näher an den Frontfrauen wir, die an diesem Abend eine wahre Augenweide waren.

Fazit des Abends: sehr müde Füße, aber ein übervolles Herz und so viele schöne
Bilder, die helfen werden, die Momente wieder in Erinnerung zu rufen. Für heute der Wunsch: möge sich das Wetter halten und die gute Stimmung. Wegen der Musik mache ich mir natürlich gar keine Sorgen...



 

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