Montag, 23. Juli 2012

Melt! Festival 2012, Ferropolis, 13.07-15.07.12


Festival Melt! 2012
Ort: Ferropolis, Sachsen-Anhalt
Datum: 13.07.-15.07.2012
Zuschauer: 20.000


Kurze Anmerkung (von Oliver Peel): Zur Zeit sind wir mittendrin in der Berichterstattung über das tolle Phono-Pop Festival. Glücklicherweise haben wir aber auch eine ausführliche Zusammenfassung über das diesjährige Melt! bekommen und die wollen wir euch natürlich nicht vorenthalten, selbst wenn das Festival seit einer Woche schon wieder Geschichte ist.


Text und Fotos* von Martin K, vielen Dank! Ein Dank für die Übermittlung und Kontaktaufnahme geht auch an Gudrun!

Das Melt! gehört ohne Frage zu den ganz besonderen Festivals in Deutschland. Das liegt nicht nur an der ausgewogenen Mischung von über 130 Acts aus dem Spektrum Elektro, Indie und Alternative, sondern vor allem auch an dem bunten Publikum und der sagenhaften Location im sachsen-anhaltinischen Ferropolis.

Bereits bei der Ankunft wird man von der Faszination dieses Ortes hingerissen. Mitten in den Dübener Heide eines ehemaligen Braunkohletagebaus erhebt sich die Szenerie eines sonst als Freiluftmuseum genutztes Areals mit Maschinen der Superlative. Vier große Abraumbagger bis zu 140 Meter groß säumen das Gelände und bilden eine einzigartige Kulisse, die als „Stadt aus Eisen“ bezeichnet wird. Aber auch das Publikum trägt zu der Einzigartigkeit bei. Ich habe selten so viele bunte, originell-kreativ gekleidete Besucher gesehen, bei denen der „Assianteil“ auf ein Minimum reduziert zu sein scheint. Dafür sprechen auch die Zahlen: Trotz des großen Andrangs – die Tickets waren bereits im April ausverkauft – ist die Besucherzahl auf 20.000 limitiert, von denen 40% aus dem Ausland, vor allem Skandinavien, den Niederlanden und Großbritannien, kommen. Wer solche Anfahrtswege und Planungszeiträume in Kauf nimmt, hat auch genug Energie, sich angemessen darauf vorzubereiten. Wir sind bereits am Donnerstag aus Berlin angereist, was sich als guter Schachzug herausgestellt hat. Zum einen hatte wir dadurch mehr als genug Zeit, um unseren selbstkonstruierten Pavillon bestehend aus vor Ort gekauften Holzlatten und einer 4x8m-Plane windsicher aufzubauen (Dauer: 3 h). Zum anderen konnte wir dadurch noch genügend Platz reservieren, um die erwarteten sieben Zelte unserer Gruppe unterzukriegen. Gegen Mitternacht waren wir mit dem Aufbau fertig und brachen zu einer ersten Erkundungstour in Richtung Festivalgelände auf. Rein kamen wir allerdings noch nicht, da wir vergessen hatten, Extratickets für die Pre-Party (u.a. mit WhoMadeWho) zu besorgen. Uns blieb also nur ein kurzer Blick und der 2-Kilometer Fußmarsch zurück zum Zeltlager.


Am nächsten Tag ging es aber endlich los. Nach mehr als einer Stunde Anstehen haben wir zwar den Auftritt von The Vaccines verpasst, sind dafür zufällig zum Auftritt der Band The Cast of Cheers im Introzelt gestolpert. Die vier Iren haben mit ihren harten Post Rock/Indie-Klängen ordentlich eingeheizt, was nach der langen Warterei eine willkommene Abwechslung war. In einem noch mäßig gefüllten Zelt hatte man allen Platz der Welt, um in guter Indierock-Manier einen gebührenden Einstand ins Festival zu feiern. Nach dem Auftritt ging es weiter zur Main Stage, wo The Rapture (Foto by Oliver Peel)) ihren neuen, zarteren Indie/Elekto-Sound zum Besten gaben. Stücke, wie „In the Grace of Your Love“ oder „Sail Away“ kamen beim Publikum und bei uns sehr gut an, so dass die Stunde wieder viel zu schnell zu Ende war. Das Gelände füllte sich währenddessen immer weiter und so mussten wir zusehen, dass wir zu dem nächsten Act kommen, den wir unter keinen Umständen verpassen wollten: Brandt Brauer Frick auf der Melt! Selektor Stage. Das Line-Up dieser Bühne wurde in diesem Jahr von Modeselektor ausgewählt und mit dem Trio aus Berlin haben sie auf jeden Fall eine erstklassige Wahl getroffen. Obwohl sie auf dem Melt! „nur“ ein DJ-Set spielten, entstammen alle Sounds selbstaufgenommenen instrumentalen und akustischen Klängen, die sich durch geschicktes Loopen zu einem harten, aber noch gut tanzbaren Elektro-Sound verbinden. Sieben große Subwoofer-Würfel halfen dabei, den Bass in Richtung Publikum am Strand vom Gremminer See zu blasen. Nach dieser sportlichen Höchstleistung brauchten wir erstmal eine Verschnaufpause, die uns sogleich bei dem Sing- and Songwriter Duo Boy (Foto by Oliver Peel) im Introzelt erwartete. In erwartet ruhiger Manier präsentierten sie bekannte Lieder, wie „Skin“ oder „Little Numbers“ und erlaubten uns somit, mal ein Bier komplett ohne „Tanzverluste“ zu trinken. Nach diesen fröhlich-ruhigen Klängen ging es wieder Richtung Main Stage, nicht aber vorher ohne bei den zahlreichen Fressbuden vorbeizuschauen. Dabei lauschten wir erst von fern, dann von nah dem Elektrokünstler Caribou, der seine psychedelischen Elektroklänge zum Besten gab. Der Doktor der Mathematik (!) sampelt und mixte in sich gekehrt und zusammen mit einer Rhythmuskombo Werke, wie „Odessa“ oder „Sun“ und gehört damit zu einem meiner persönlichen Highlights des Abends.

In der Pause nach dem Konzert konnten wir unseren Stehplatz dann noch etwas verbessern, so dass wir nur wenige Meter vor der Bühne standen als gegen 00:30 Uhr Bloc Party (Foto by Oliver Peel) heraustrat. Sie waren wahrscheinlich der rockigste Act des gesamten Festivals und so ließen wir uns leicht zum ausgiebigem Pogen in der Masse hinreißen. Die Auswahl der Lieder war dabei sehr gemixt. Eingangshit war die offizielle Melt!-Hymne „Octopus“, die bereits dem neuen Album entspringt und dessen gesetztes Erscheinungsdatum der Sänger gefühlte 10-mal erwähnte. Werke vom ersten Album (e.g. „This Modern Love“) waren aber ebenso dabei, wie das Rihanna-Cover „We found love“. Als zum Schluss noch das Stück „Helicopter“ anklang, hielt es auch den letzten nicht mehr auf seinem Platz und der einsetzende Regen spielte nur noch eine Nebenrolle. Nach diesem, eher rockigen Teil des Festivals zog es uns auf die zweitgrößte Gemini-Stage, wo uns allerdings Frittenbude statt Knife Party erwartete. Es hatte wohl ein Slottausch gegeben. Da die Stimmung recht gut war, sind wir geblieben. Allerdings sagte mir die politische Grundstimmung der Band durch Parolen, wie „Scheiß Deutschland“ überhaupt nicht zu. Damit klang der erste Tag des Festivals aus.


Am Samstagmorgen wurden wir um 10 Uhr früh jäh durch einen Sturm jäh aus dem Schlaf gerissen. Als wir heraustraten waren fast alle Pavillons auf dem Zeltplatz eingestürzt oder flogen auf das offene Feld. Unsere Konstruktion Marke Eigenbau hielt erstaunlicherweise, was uns zu einem Sammelpunkt im Schutz vor dem Regen machte. Wir mussten lediglich die Spanngurte nachziehen. Nachmittags klarte es dann wieder auf und so brachen wir zu ähnlicher Zeit wir tags zuvor auf, was ein großer Fehler war, denn wieder hieß es eine Stunde warten. Blood Red Shoes waren damit schon durch. Nach dem Einlass gingen wir direkt zur Main Stage, wo wir den letzten Liedern von Citizens lauschten. Den nächsten Auftritt von Casper haben wir nur aus der Ferne verfolgt. Er gehörte nicht zu meinen Favoriten. Ich muss jedoch anerkennend zugeben, dass er mit seiner enormen Energie und dem Mix aus Indie und Rapgesängen das anfangs skeptische Publikum erfolgreich zum Tanzen gebracht. Dass seine gesamte Combo in der selben „T-Shirt-Uniform“ auftraten, mutete zwar etwas amüsant an, hat aber auf die Performance keinen großen Einfluss gehabt. Dass wir gegen Ende des Konzerts dann doch noch in die Menschenmassen gingen, hatte aber eine anderen Grund: Wir wollten uns gut positionieren für den nächsten Act: Two Door Cinema Club (Foto by Oliver Peel). Die Iren sind ja in letzter Zeit sehr gehyped worden, habe aber trotzdem ihr Versprechen gehalten. Die wohlklingende Kombination aus melodiösen Gitarrenriffs im Indierhythmus und der klaren Stimme des Sängers haben jeden von vorn bis hinten mitgerissen. Die Stimmung war ausgelassen und heiter. Dies übertrug sich scheinbar auch auf das Publikum. Ich habe selten so wenig Schubser und Durchdrängler erlebt wie auf diesem Konzert. Nach dieser ausgelassenen Stimmung haben wir erstmal eine musikalische Pause eingelegt. Jemanden aus unserer Gruppe ging es nicht so gut und so zog es uns in das Shisha-Zelt, wo wir erstmal gepflegt chillen waren. Erst nach Mitternach ging es weiter, als eine der Main Acts des Festivals, Modeselektor, auf die Main Stage traten. Mit einer phänomenalen Lichtshow im Dauerbass-Elektro heizten sie dem Publikum und legten mit Champagnerdusche und Kissenschlacht showtechnisch sogar noch einen drauf. Allerdings war ich froh, meine Ohrstöpsel mitgebracht zu haben, da Bass und Lautstärke einfach hammerhart waren. Einige aus unsere Gruppe sind bereits während des ersten Stückes nach hinten gegangen. Wer nach dem Konzerts noch mit seines ursprünglichen Gruppe zusammen war, hat auch meiner Meinung nach nicht richtig abgetanzt! Wer Modeselektor kennt, hatte sicher seinen großen Spaß. Wer aber eher Stücke aus der Zeit mit Apparat (erschienen unter dem Namen Moderat) erwartete, wurde hier definitiv eines besseren belehrt. Modeselektor ist und bleibt ein Elektro-Duo, bei dem man nach Elektro-Slang gut „eins auf die Fresse“ kriegen kann. Nach dem 1,5-Stunden Auftritt hatte man den Workout für die nächste Woche absolviert. Auf dem Weg nach draußen schauten wir noch im Introzelt vorbei. Was dort jedoch ablief, ist mit schockierend noch vorsichtig ausgedrückt. Ein Bodybuilder namens Rummelsnuff präsentierte dort mit offenem Oberkörper und roboterhaften Armbewegung seine Musik, die stark an Rammstein mit Elektoelementen erinnerte. Nach nur wenigen Minuten mussten wir diese Bühne wieder verlassen. Ausklang haben wir auf dem Sleepless Floor gefunden, wo wir noch ein paar Stunden zu den (Remix)-Klängen von Oliver Koletzki abtanzten – ein perfekter Ausklang nach einem durchmischten Tag!

Der Sonntag war dann wieder ruhiger und kürzer, da wir bereits in der Nacht wieder zurück nach Berlin mussten. Los ging es mit Lana del Rey (Foto by Oliver Peel), die sich mit ihrer künstlich, divenhaften Art und nicht immer tonsicher einige Lacher im Publikum abholen musste. Trotzdem war das Gemini-Zelt rappelvoll und viele konnten die Lieder mitsingen. Es war für uns übrigens das erste Mal, das wir pünktlich zu einem geplanten Konzert auf dem Gelände waren. Yay! Danach haben wir uns eher langsam angehen lassen und den Indie-Klängen von The Jezabels und dem Elektrohammer von Riton gelauscht. Ersteres war auf jeden Fall hörenswert, aber nicht unbedingt weltbewegend. Bei Riton hat mir das Publikum nicht wirklich zugesagt: Zu viele Poser, die sicher eher stumpf zu immer gleichmäßigen Beats bewegten. Ich bin bei beiden nicht bis zu Ende geblieben.

Die Durststrecke hatte aber ein Ende, als The Whitest Boys Alive auf die Main Stage kamen. Ich hätte es nicht für möglich gehalten, dass die „alten Herren“ so eine klasse Stimmung bei dem eher jungen Publikum erzeugen konnten, wenn ich es nicht selbst erlebt hätte. Der angenehm leichte Offbeat und die wohldosierten Synthesizerklänge machen den Sound zu einem individuellen Klang. Hits, wie „Burning“ oder „Intentions“, versetzten jeden in Bewegung und animierten scheinbar viele, sich das ein oder andere Tütchen Gras anzustecken. Passivrauchen war angesagt! Als letzten Höhepunkt des dreitägigen Musikmarathons kam dann das französische Elektroduo Justice auf die Bühne. In ähnlich imposanter Manier wie Modeselektor an selber Stelle tags zuvor, nur etwas sympathischer, präsentierten sie ihre Hits „Dance“ oder „Genesis“ und man hatte den Eindruck, dass das Publikum einer der letzten Gelegenheit zum Abtanzen nicht einfach so verstreichen lassen wollte. Mit ungefähr 5 Meter vor der Bühne standen wir fast im Zentrum des Geschehens und ich kam aus dem Schwitzen und Hüpfen gar nicht mehr heraus. Im Gegensatz zu Modeselektor, wo fast die ganze Zeit ein konstant harter Beat vorherrschte, gab es bei Justice immer abwechselnd ruhige Phasen, wo sich das Lied aufbaute, und intensive, energiegeladene Refrains, so dass sich musikalischer Genuss und sportliche Betätigung in optimaler Weise miteinander verbanden. Als dann der letzte Ton verklungen war, machten wir uns zügig auf in Richtung Auto, da einige von uns aufgrund verschiedener Termine am Morgen wieder in Berlin sein mussten.


Damit ging das Melt!-Festival schon wieder zu Ende. Es war eine schöne Zeit mit vielen neuen musikalischen Eindrücken. Die Kulisse und die Leute mit ihren kreativen Kostümen werde ich nicht vergessen. Ich komme im nächsten Jahr auf jeden Fall wieder. Dann hoffentlich mit besserem Wetter!


* wenn im Text nicht anders gekennzeichnet



1 Kommentare :

Drops of Melodies hat gesagt…

Toller ausführlicher Beitrag!

War dies Jahr auch das erste mal dabei (aus der Schweiz angereist) und hab mich gleich verliebt in das Festival! Weit besser als zB das Southside!

 

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