Festival Le Rock Dans Tous Ses Etats 1. Tag
Ort: Evreux, Normandie
Datum: 29.06.12
Zuschauer: tausende
Ach, herrlich, Freunde! Endlich wieder Festivals! Was gibt es Schöneres? Musik in frischer Luft, lolitahafte Mädchen mit knackigen Körpern, wohin meine lüsternen Altherrenaugen nur schauen (nennt mich Humpert Humpert!) und eine gute Band nach der anderen. Perfekt. Wenn dann noch das Wetter mitspielt, steht einem guten Tage nichts mehr im Wege.
So war dann auch jener 29. Juni 2012 close to perfect. Ich hatte eine Gratis-Eintrittskarte zugeschanzt bekommen, wurde von Freunden umsonst in die Normandie mitgenommen, bekam problemlos meine mittelgroße Kamera (eine Bridge) mit rein und genoss durchgängig tolle Bands und die hervorragende Stimmung. Zudem ist Le Rock Dans Tous Ses Etats nie überlaufen und die Wege von der einen zur anderen Bühne angenehm kurz.
Los ging es für mich mit dem Franzosen Daniel Darc. Ein Kultstar, der schon zu Zeiten der New Wave Bewegung mit seiner Gruppe Taxi Girl für Furore gesorgt hatte und unter seinem Namen regelmäßig sehr schöne, ungemein melancholische Alben mit französischen Texten aufnimmt. Der Kerl hat aber leider sehr exzessiv gelebt. Seine 53 Jahre sieht man ihm mehr als an, der bucklige Gang und die seltsame Körperhaltung lassen ihn noch viel älter erscheinen. Er konnte die Finger nicht von Drogen und vom Alkohol lassen und an den Folgen leidet er eben heute. Im Grunde genommen hat er Vieles mit Pete Doherty gemein. Genau wie der Brite hat Darc eine poetische Ader, liebt Literatur und hat eine feine Beobachtungsgabe. Er ist der ewig Unverstandene, der James Dean der französischen Popmusik.
Trotz allem oder gerade deswegen sind seine Lieder sehr bewegend. In Evreux rührte er mich mit seinem nuscheligen Gesang, seiner düsteren Poesie und den tollen Melodien fast zu Tränen. Es war heiß in der Normandie, nur wenig Leute waren zu diesem frühen Zeitpunkt schon erschienen und ein abgehalfteter Rockmusiker mit riesigen schwarzen Tattoos auf beiden Armen setzte mir emotional schwer zu. Schon kurios. Aber auch irgendwie schön. Seine Band war ohnehin spitze, gab dem Sound die Dynamik, die der Frontmann schon lange nicht mehr besitzt. Beschlossen wurde das recht kurze Konzert mit einem Medley englischer Klassiker von The Fall, The Clash und The Ramones (Blitzkrige Bop). Er mag eben diese alten Helden des Punk, der Daniel, obwohl ich ihn definitiv lieber auf französisch höre.
Dann war Seitenwechsel angesagt. Das Festivalvolk marschierte nun rüber zu der gegenüber liegenden Bühne, wo der Ameriker M. Ward und seine Band musizierten. Countryeske Klänge erfüllten die Anlage, es lag ein Hauch von Tennessee in der würzigen Luft der Normandie. Matt Ward hatte in den vergangenen Jahren ja vorwiegend Schlagzeilen mit seinem Duo-Projekt She & Him gemacht, aber bei dieser Festivalsaison geht er auch endlich mal wieder unter seinem Namen an den Start. Ich hatte mich lange nicht mehr mit ihm beschäftigt, war aber im Nu wieder angetan von seiner rauchigen Stimme mit dem bluesrockigen Timbre. Der Mann hat Klasse, keine Frage. Und der etwas antiquierte Stil seiner Band war eine Wohltat, eine schöne Abwechslung zum moderneren Allerlei, was man sonst bei Festivals so hört. Seine Songs kannte ich allerdings in der Mehrzahl nicht, zu lange war es her, daß Sachen von ihm auf meinem I-pod liefen. Erkannt habe ich aber sofort Chinese Translation (von Post War 2006) Primitive Girl (neu) und Rollercoaster (Post War), zudem das Cover Bean Vine Blues ' 2 von John Fahey.
Einige Festivalbesucher hielten das Ganze für zu amerikanisch, aber ich hatte meinen Spaß mit M. Ward und seiner Band. Ein tolles Konzert daß mit dem Chuck Berry Klassiker Roll Over Beethoven sein Ende fand.
Danach wurd's a weng krass. Bomba Estero aus Kolumbien zogen nun auf der anderen Bühne vom Leder und ihre Mischung aus funkigem Latino-Pop à la CSS und Hip Hop im Stile von M.I.A klang ziemlich beschmiert. Dennoch ging das Publikum ab wie so ein Zäpfchen und die jungen Mädchen hüpften rum als hätten se Hummeln im Hintern. A propos Hintern: der von der Sängerin sah in der engen Jeans Short ziemlich geil aus, aber das war auch schon das Einzige, was ich diesem Konzert abgewinnen konnte.
Im Anschluß kamen die Punkrocker von The Bronx auf der Scène B zu ihrem Recht. Ihre Musik war ein einziges unmelodiöses Gehaue und Gesteche, das man wohl nur besoffen ertragen konnte. Der klatzköpfige Fettsack von Sänger peitschte das Publikum permanent an und seine Liebslingsvokabel war hierbei "fuck". Alles bei ihm war "fuck". Logischerweise lautete sein Dank an die Zuschauer am Ende dann auch: "thanks for fucking."
Ab 21 Uhr 30 dann endlich wieder vernünftige Musik. The Rapture standen bereit und trotz des geschmacklosen Bandnamens wurde es nun stark. Punk/Funk war angesagt und diese Mischung funktionierte so gut, daß die Leute unentwegt tanzten. Die Ryhthmen waren aber auch enorm zackig und der eunuchenhafte Gesang von.... kam fantastisch rüber. Die Kuhglocken und die scharf angerissenen Gitarren taten ihr Übriges für das Gelingen eines mit Hits gespickten Sets. Get Myself Into It, House Of Jelous Lovers oder Echoes, hier wurde so manches Ass aus dem Ärmel geschüttelt. Die Stimmung war wirklich fantastisch, The Rapture genau die Band, die man brauchte. Wow!
Inzwischen war ich regelrecht euphorisch geworden und es war mir auch egal, ob es an dem Bier, den Schmerzmitteln oder der Musik lag. Hauptsache high. Die Hochstimmung konnte ich zu Crystal Castles rüberretten, die nun ihre wilde Show abzogen. Es zirpte, wummerte und schepperte wie verrückt und junge Körper zuckten im Rhythmus der synthetischen Noise-Musik. Die jungen Leute hatten absolut recht, denn Crystal Castles waren der absolute Hammer. Egal ob Baptism, Courtship Dating oder Crime Wave, jeder Stich fand sein Zeil, jeder Song war ein Volltreffer. Wohlige Erinnerungen an Atari Spiele wurden bei dem perlenden Sound wach und auch an Bands wie New Order oder die Pet Shop Boys, zwei meiner Lieblinge der 1980 er Jahre, musste ich denken.
Frontfrau Alice Glass hatte unterdessen keine Zeit sich Träumerein hinzugeben, sie war wie immer Hansdampf in allen Gassen. Wie eine hysterische Furie peitschte sie die Leute an, stieg auch einmal ins Publikum runter und hüpfte auf der Bühne wie Rumpelstilzchen.
Crystal Castles verstehen es einfach immer wieder, mich zu begeistern. Ihr Auftritt bei dem Festival in der Normandie bildete da keine Ausnahme, es war fantastisch. Einzig die Ordner waren etwas weniger angetan. Sie mussten nämlich immer wieder Crowsdufer rausfischen und über die Barriere ziehen.
Ach, es war einfach herrlich Freunde! Mailand oder Madrid, ähem... Mädchen oder Musik, Hauptsache Weiber.
1 Kommentare :
ziemlich schwaches lineup, das mich sicher nicht hinter dem ofen hervorgelockt hätte. aber bitte sehr, wir haben dich, der du uns auch auf die randbereiche des business aufmerksam machst bzw. uns davon erzählen darfst. grazie!
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