Sonntag, 12. Februar 2012

Anna Ternheim, Köln, 11.02.12


Konzert: Anna Ternheim
Ort: KulturKirche Köln

Datum: 11.02.2012
Zuschauer: ausverkauft
Dauer: gut 90 min


Anna Ternheim ist ein dankbares Objekt für Konzertberichte.* Obwohl ich heute mein x-tes Konzert der Schwedin gesehen haben (und mich nicht traue, nachzuzählen, wie viele es waren), ist es nicht wie bei anderen Künstlern, die ich häufig erlebt habe und zu denen mir irgendwann einfach nichts mehr einfällt. Bisher glich keine Tour der Musikerin den vorherigen, und wenn man meint, alles gesehen zu haben, muß man diese Erkenntnis wieder um mindestens eine Tournee nach hinten verschieben.

Anna Ternheim hat mit Bands gespielt, mit hoch unterschiedlichen, sie ist alleine aufgetreten, mit einem Akustiktrio und zuletzt in Berlin im November mit dem Amerikaner Matt Sweeney, mit dem sie ihre vierte Platte The night visitor eingespielt hat.

Mit Matt und seinem eindrucksvollen Trucker-Schnauzbart hatte ich heute auch wieder gerechnet. Daß der aus Nashville stammende Dave Ferguson, ein Freund und Produzent Johnny Cashs, dabei sein würde, hatte ich gelesen. Es klang also nach einer (Country-)Band, die Anna Ternheim begleiten würde. Eine von vielen Fehleinschätzungen heute.

Die nächste wäre dramatischer geworden. Auf meinem Onlineticket stand nur eine Uhrzeit, nämlich 20.00 Uhr. Ich deutete das als Einlasszeit, da die Kölner Unsitte, ausgerechnet samstags wegen der anschließenden Disco Konzerte extrem früh beginnen zu lassen, für die KulturKirche wohl nicht gilt. Ich wollte also pünktlich zum Einlass da sein und einen guten Platz suchen, da es bestuhlt sein würde.

Bestuhlt war es auch nicht - aber voll, als ich um acht in die Lutherkirche kam. Um zehn nach acht begann Anna Ternheim, das hätte also ordentlich schief gehen können.

Daß ich mit der Band falsch liegen sollte, konnte ich da noch nicht sehen, weil wir links vorne am Rand standen und da die Sängerin zwar sehen konnten, die Sicht sich aber - sobald sie weiter hinten stand - auf ihre schwarzen Stiefel beschränkte. Da hätte ein Kinderchor im Hintergrund stehen können, gesehen hätte ich den nicht.

Die ersten Stücke spielte die Schwedin alleine. Solitary move und What remains stammen beide vom neuen Album und passen zu den ersten beiden Platten der Musikerin. In der Soloversion hörte ich die Besonderheiten von The night visitor nicht heraus. Ihre uralte Gitarre, auf der sie das Album eingespielt hat, klingt für geübte Ohren sicher besonders, für mich Banausen ist eine Gitarre eine Gitarre. Die beiden Stücke sind sehr schön, der erste Knüller war allerdings das folgende alte Lied, der Wedding song, eines meiner Anna-Lieblingsstücke (das sie früher immer als fröhliches Lied ankündigte, nachdem sie die vorherigen Stücke eines Konzerts immer als "das handelt von einem gebrochen Herzen" oder "das ist ein trauriges Lied" vorgestellt hatte). Wer fröhliche Lieder mag, wird zwar nicht ernstgenommen, das ist der Song aber wert.

Anna setzte sich anschließend ans Klavier - nicht mehr ihr schönes rotes, das so nach Pippi Langstrumpf aussieht - es war schwarz und mit einer Wohnzimmerleuchte dekoriert. Dort spielte sie Shoreline, einen weiteren alten Liebling, im Original von ihren Landsleuten Broder Daniel. I'll follow you tonight danach, und es hätte noch ein normales Konzert sein können.

Statt einer Band trat dann zunächst nur Dave Ferguson in den Altarraum und stellte sich an seinen Kontrabass. Dave Ferguson ist Ende 40 (ich hatte einen alten Mann erwartet... aber das passt ins Bild) und hat als Toningenieur für Johnny Cash und andere amerikanische Folklegenden gearbeitet. Wichtiger für heute war aber, daß Dave eine ausgewachsene Cowboy- und Country-Stimme hat. Bei der Albumversion des wunderbaren Duetts The longer the waiting (the sweeter the kiss) ahnt man die bereits, aber der Mann verdient ja sein Geld damit, Dinge anders klingen zu lassen. In seinem Fall unnötig, denn schon sein erster Einsatz bei Lorelie-Marie, zwar noch dezent nur beim Refrain, gefiel mir ausgezeichnet. Ich glaube nicht, daß ich Countrymusik mag, auch die gute nicht, aber die Mischung Schwedin und Cowboy passte punktgenau!

Wie gut die Stimmen der beiden harmonieren, zeigte sich beim nächsten Lied, dem schon erwähnten The longer the waiting... Bei ihrem Showcase-Konzert in Berlin im November hatte Anna das Stück noch alleine gespielt, gemeinsam mit dem brummenden Amerikaner wird es aber erst perfekt!

Noch schöner jedoch war das nächste Duett im Anschluß. All shadows habe ich bislang nicht als riesigen Knüller wahrgenommen, wenig überraschend also heute, daß es eines der schönesten Lieder des Abends werden sollte!

Auch die nächsten drei Titel stammten von The night visitor. Sie alle waren hervorragend, die schönste Szene dabei hatte aber nichts mit Musik zu tun. Anna Ternheim kündigte Come to bed als "It's a love song" an, worüber Dave kurz nachdachte, um dann in ein herzhaftes Lachen auszubrechen! Bei God don't know spielte der Musiker Banjo, ansonsten war sein Platz meist am Kontrabass, der er aber nicht zwangsläufig dann auch spielte (auch ein running gag der letzten Woche).

Dann wurde es wieder spektakulär: Anna verschwand nämlich. Das war aber offenbar geplant (gesehen habe ich nichts, ihre Schuhe waren nur plötzlich weg). Dave war davon weniger überrascht, er spielte Baby is gone von Jack Clement bzw. Charley Pride, mit denen er auch in Nashville gearbeitet hat. Die letzte Zeile des Stücks lautet "who want's to sing when his baby is gone?" Schon dafür hatte es sich gelohnt!

Aber das war es noch lange nicht (ich wollte mich wirklich kürzer fassen!). Anna ging zum schwarzen Klavier und spielte eine sehr abgespeckte Version von Terrified, einem Stück vom dritten Album, das ich wegen seiner wuchtigen Produktion nicht mehr gerne höre. Daß ein Lied davon gerade so besonders abgespeckt vorgetragen wurde, gefiel mir gut.

Johnny Cash wurde nicht nur erwähnt, er wurde auch zitiert, indem Anna und Dave sein The great divide spielten. Das Lied ist Teil einer Tour EP mit vier Coversongs, die bei einer geplanten Probesession in Nashville entstanden ist. Wie auch bei ein, zwei anderen Stücken verpatzten die beiden erst einmal den Einsatz. Dave stand nämlich an Annas Mikro, merke dann, daß es viel zu hoch für ihn hing, drehte es runter, und schon passte es nicht mehr.

Und dann wurde es noch einmal sehr speziell. Let it rain, auch vom viertbesten Album stammend, spielte Anna noch einmal abgespeckter als Terrified. Abgespeckter als nur mit Klavier funktioniert eigentlich einfach: die Sängerin legte ein Mikro neben das Metronom auf dem Klavier, schon das an und begleitete diesen monotonen Rhythmus nur mit ihrer Stimme. Erst gegen Ende stieg Dave mit seinem Kontrabass ein, der eintönige Klang änderte sich aber nicht mehr, wundervoll!

Nach Bow your head (wieder Night visitor) war erst einmal Schluß. Anna kam kurz später wieder, alleine. Ich hatte da auch schließlich kapiert, daß weder Matt Sweeney noch andere zusätzliche Musiker dabei sein würden, mir genügte es so aber auch vollkommen. Zugaben der in New York lebenden Schwedin sind oft eine Wunschrunde. Ein Stammgast in der ersten Reihe erbat sich Halfway to Fivepoints. Anna war unsicher, ob sie den Text kennte, spielte auch irgendwann intrumental weiter. Als ihr das an einer zweiten Stelle passierte, brach sie ab und versprach, das Stück morgen in Hamburg nachzuholen. Zugaben waren dann Better be und Black light shines (noch einmal aktuelle Platte).

Obwohl die Hintergrundmusik dann schon lief (Johnny Cash, oder?), kam Anna noch einmal zurück, um ein weiteres Lieblingslied zu spielen, My secret.

Ich lag in so vielem heute grundverkehrt. Daß es ein wundervolles Konzert werden würde, und daß ich nicht wie ein abgestumpfter Musikjunkie, der schon alles gesehen hat, gelangweilt am Rand stehen würde, hatte ich aber immerhin richtig eingeschätzt.

Setlist Anna Ternheim, KulturKirche, Köln:

01: Solitary move
02: What remains
03: Wedding song
04: Shoreline (Broder Daniel Cover)
05: I'll follow you tonight
06: Lorelie-Marie
07: The longer the waiting (the sweeter the kiss) (Pat McLaughlin/Roger Cook Cover)
08: All shadows
09: Come to bed
10: God don't know
11: Walking aimlessly
12: Baby is gone (Dave Ferguson solo) (Jack Clement Cover)
13: Terrified
14: The great divide (Johnny Cash Cover)
15: Let it rain
16: Bow your head

17: Halfway to Fivepoints (Z)
18: Better be (Z)
19: Black light shines (Z)

20: My secret (Z)

Links:

- Interview mit Anna Ternheim (2007)
- aus unserem Archiv:
- Anna Ternheim, Berlin, 03.11.11
- Anna Ternheim, Nyköping, 24.11.09
- Anna Ternheim, Paris, 23.09.09
- Anna Ternheim, Fribourg, 20.09.09
- Anna Ternheim, Köln, 13.09.09
- Anna Ternheim, Haldern, 14.08.09
- Anna Ternheim, Paris, 29.04.09
- Anna Ternheim, Frankfurt, 28.04.09
- Anna Ternheim, Nijmegen, 24.04.09
- Anna Ternheim, Stockholm, 08.12.08
- Anna Ternheim, Paris, 01.10.07
- Anna Ternheim, Köln, 26.09.07
- Anna Ternheim, Heidelberg, 25.09.07
- Anna Ternheim, Paris, 31.05.07
- Anna Ternheim, Köln, 12.03.07
- Anna Ternheim, Paris, 12.12.06

* und zum Anhimmeln

Konzert: Blouse

Ort: King Georg, Köln
Datum: 11.02.2012
Zuschauer: vielleicht 50
Dauer: 5 min

Weil es noch so früh war, als ich die KulturKirche verließ (21.45 Uhr), das King Georg nicht weit weg ist und da die fabelhaften Blouse spielen sollten, die ich gestern bereits gesehen hatte, wollte ich mir die Amerikaner nicht entgehen lassen. Um 21.00 Uhr sollte die Vorgruppe o F F aus London auftreten. Um fünf nach zehn, als ich vor dem Club stand, sollte ich also höchstens ein Lied verpasst haben. Es war ähnlich. Ich hörte noch die letzten Takte von Into black, dann den Dank von Sängerin Charlie und immerhin die komplette Zugabe Nights and days.

Links:

- Blouse, Luxemburg, 10.02.12




4 Kommentare :

lottapeppermint hat gesagt…

Schön, einen Bericht vom gestrigen Abend lesen zu können (und zu sehen, was aus den Notizen geworden ist - hab auf dem Konzert hinter dir gestanden und dich danach kurz angequatscht ;)).

War ein schönes Konzert =)

Viele Grüße!

Christoph hat gesagt…

Vielen Dank!

Ich hoffe, wir haben Dir nicht zu sehr die Sicht genommen!

lottapeppermint hat gesagt…

Nein, gar nicht =)
Solang Anna vorne stand, konnte ich alles perfekt sehen. Sonst hatte ich das selbe Problem wie alle bei uns in der Ecke ;)

Andre Kuijpers hat gesagt…

Schön diese fantastischen Abend noch mal zu erleben! Gut, enthusiastisch geschriebener Stück! :)

Wir sind von Holland nach Köln gekommen und wurden nicht enttäuscht.

(Es gibt nur ein kleiner Fehler in die Setlist: "Leaving On A Mayday" soll eigentlich "Let It Rain" sein)

 

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