Konzert: Russian Red
Ort: Le Café de la Danse, Paris
Datum: 27.04.2012
Zuschauer: etwa 300
Konzertdauer: Russian Red etwa 75 Minuten
Um es hier vorab schon mal klarzustellen: ja Lourdes Hernández alias Russian Red sieht fantastisch aus, ja in ihrem schwarzen Kleid und mit den mindestens 10 Zentimer hohen Schuhen war sie höllisch sexy und ja, ihre wundervollen (grünen?) Augen können einem ganz schön den Kopf verdrehen. Gebe ich alles unumwunden zu, auch, daß ich ihren Reizen nicht abgeneigt war.
Dennoch: nein, ich bin da nicht nur hingegangen, um das Mädel anzugaffen, nein, hübsche Sängerinnen haben bei mir keinen Bonus, der dazu führt, daß das selbst bei beschissener Musik mein Votum positiv ausfällt und nein, mir geht es nicht nur um Oberflächlichkeiten bei meiner Konzertauswahl.
Im Falle von Russian Red waren es drei Beweggründe, die dazu führten, daß ich sie live sehen wollte. Da war zunächst eine positive Erwähnung auf dem Klienicum, auf dessen Geschmack ich sehr viel halte, dann sah ich auch noch einen charmanten Videoclip, der mich weiter neugierig machte und schließlich warb der sehr ansprechend gemachte Flyer damit, daß ihr neues Album Fuerteventura von Tony Doogan ,dem Produzenten von Mogwai und Belle & Sebastian in Glasgow produziert worden sei.
Hinzu kam, daß ich für Cat Powersche Hauchstimmen grundsätzlich ein Faible habe. Und Lourdes hat wirklich eine ganz außergewöhnlich schöne Hauchstimme.
Langer Rede, kurzer Sinn, ich musste da hin!
Als ich im Café de la Danse ankam, spielte noch eine mexikanische Sängerin, die poppig klingende Lieder auf spanisch vortrug und anscheinend ihren eigenen kleinen Fanclub dabei hatte. In den ersten Reihen sah ich dunkelhaarige Mädchen, die ständig die mexikanische Fahne wehen ließen und durch lautstarke Beifallsbekundungen und kräftiges Mitsingen auffielen. Ich fühlte mich ehrlich gesagt etwas fehl amPlatze und war deshalb froh, als das Ganze vorbei war, ohne jetzt damit ein negatives Urteil über die Musik von Natalia Lafourcade fällen zu wollen. Sie war eine von zwei Supportacts, vorher war in meiner Abwesenheit bereits Carla Morrison , ebenfalls ausMexiko an den Start gegangen.
Ich kletterte nach oben und holte mir an der Bar ein großes (0,5) Bier für happige 7 Euro. Aber ich war alleine hier, kannte keine Sau (eine absolute Seltenheit für mich bei Konzerten) und brauchte moralischen Zuspruch, den der Alkohlgenuß mir bieten sollte.
Dann ging ich runter, setzte mich vor die Bühne und die Show ging pünktlich um 21 Uhr los. Ich war der einzige "Fotograf" (in Anführungszeichen, weil ich nun wahrlich kein Profi bin) weit und breit, was mich sehr wunderte, denn normalerweise wimmelt es vorne immer nur so vor Knipsern mit großen Rohren. Und das "Model" war wie erwähnt hinreißend. Erstaunlich wie die junge Dame aus Madrid es schaftte, mit ihren Stöckelschuhen die Balance zu halten und nicht auf die hübsche Schnauze zu fallen. Aber sie war nicht ganz allein hier, hatte zwei männliche Mitmusiker an Gitarre und Schlagzeug dabei, die den Sound aufmöbelten und ihm Dampf verliehen. So war denn stilistisch von einer Mischung aus Folk, Pop und Indierock zu sprechen, wobei die wunderbare Stimme von Lourdes immer im Vordergund stand. Wahnsinn, wie lieblich, fragil, aber auch kess und selbstbewusst sie intonierte, die Tonlagen und die Intensität wechselte und dabei nie daneben lag. Den Songs wohnte ein faszinierendes, mitunter peaciges Hippie-Feeling inne und oft hatte ich das Gefühl, daß wir es heutzutage besser haben als die echten Hippies in den späten 60 er Jahren. Bei den hatten die Weiber Achselhaare, Labberkleider und keine Schminke, wir haben heute Lourdes mit ihrem sexy Kleid und dem roten Kussmund.
Ob die Texte unbedingt Weltklassniveau hatten, muss hier nicht unbedingt entschieden werden. Sie schienen mir recht simpel und ein wenig banal zu sein, aber es ist natürlich auch schwierig in einer fremden Sprache zu schreiben. Zudem ist das Mädel ja noch so jung.
Kommen wir zu einzelnen Songs. Da stach natürlich Everyday, Every Night heraus, ein Lied, das mich von der betörenden Melodieführung her irgendwie angenehm an Syd Matters aus Frankreich erinnerte, aber auch Cigarettes, das so wehmütig und anschmiegsam rüberkam. The Sun, The Trees (der Song, dessen Video ich gesehen hate) versprühte schließlich unbeschwertes Sommerfeeling und war auch einer der fetzigsten und lautesten Titel im Set. Es klang fast wie ein Cover von Give It Up von KC & The Sunshine Band und dies war sicherlich kein Zufall, sondern so gewollt. Langeweile kam ohnehin keine auf, dafür waren die Lieder zu catchy, die Stimme von Lourdes zu elektrisierend. Und für weitere Abwechslung sorgte die Spanierin dadurch, daß sie sich ab und zu Drumsticks nahm und im Stehen auf ein Schlagzeug eindrosch, oder in einem einzigen Falle, hinten Steeldrum spielte und sich anscheinend köstlich dabei amüsierte. Sie kicherte jedenfalls durchgängig.
Amüsement ist ohne das Stichwort, ich fühte mich wirklich bestens unterhalten, genoß dann am Ende auch noch das gelungene Magnetic Fields Cover All My Little Words und hätte sicherlich die neue CD Fuerteventura gekauft, wenn sie denn am Merch erhältlich gewesen wäre. Seltsamerweise war dies aber nicht der Fall und so mussten sich die Fans mit Erinnerunsgfotos mit der sehr zugänglichen und netten Sängerin begnügen.
Ich denke wir werden noch von ihr hören, sie hat auch außerhalb Spaniens das Potential zum Publikumsmagneten. Schön aber dennoch, daß es heute in Paris noch nicht übermäßig voll war, das lehrt sie Demut und lässt sie nicht überschnappen. Junge Talente sollen schließlich nicht verheizt werden.
Setlist Russian Red, Café de la Danse, Paris:
01: The Memory Is Cruel
02: I Hate You But I Love You
03: Tarantino
04: The Sun The Trees
05: Braver Soldier
06: My Love Is Gone
07: Nick Drake
08: Conquer The World
09: Every Day Everynight
10: Cigarettes
11: Fuerteventura
12: Big Me (Foo Fighters)
13: They Don't Believe
14: January 14th
15: All My Little Words (Magnetic Fields)
16: Loving Strangers
17: Mi Canción
- Sehr schöner Post im Klienicum über Russian Red