Konzert: Slowdive
Ort: Primavera Sound Festival
Datum: 30.05.2014
Dauer: 60 min
Zuschauer: Tausende
In einer meiner Lieblingsbands existiert der Running Gag, daß es besser gewesen wäre, vor der langen Pause vor einigen Jahren zu behaupten, man habe sich aufgelöst. Nach der gefaketen Wiedervereinigung wären dann nämlich die Hallen viel größer als vorher.
Daß Slowdive vor zwanzig Jahren vor solchen Menschenmassen wie heute gespielt hätten, kann ich mir beim besten Willen nicht vorstellen. Die Auflösung bzw. der Wechsel zu Mojave 3 hat offenbar in dieser Hinsicht funktioniert, der Platz zwischen Haim (grrrr) und den Pixies half aber sicher auch, zigtausend Zuschauer zur Co-Mainstage Sony zu locken.
Die beiden zuerst angekündigten Reunion-Konzerte in London vor 14 Tagen und heute beim Primavera sollen der Finanzierung eines neuen Albums dienen. Da die Macher des Festivals als außerordentliche Musikliebhaber gelten (und das Jahr für Jahr mit der Auswahl der Lineups bestätigen), haben sie vermutlich Slowdive eine ordentliche Prämie geboten. Die Band zahlte die mit einem grandiosen Auftritt zurück. Wie man das eben als höflicher Brite so macht.
Vor dem Londoner Konzert hatte ich eigentlich erwartet, daß Neil Halstead seinen Rauschebart und die viele Frisur stutzt. Der Der-Mann-aus-den-Bergen-Look passt in meinem Weltbild nicht zu seiner Musik. Rachel Goswell hatte sich rausgeputzt trug Glitzerkram. Auf der riesigen Bühne standen beide aber so weit auseinander, daß der Kontrast Jeansjacke / Pailletten-Kleid nicht sehr auffiel.
Rachel, die nur bei ein paar der Lieder Gitarre spielt und oft wenig zu tun hat, nutzte die Phasen ohne Beschäftigung für breite Grinsen. Sie scheint ganz offensichtlich sehr viel Spaß an der Wiederbereinigungssache zu haben und die Zeit zu genießen. Ihre drei Kollegen vorne - Neil, Christian und Nick ließen sich das nicht anmerken, sie schienen konzentriert und guckten oft, wie sich das gehört, nach unten.
Das Konzert im Village Underground vor zwei Wochen war schon sehr toll, die Umstände heute aber noch einmal sehr viel toller. Diese besondere Lage des Primavera Festivals zwischen Meer und Hochhäusern schafft bei der richtigen Musik eine perfekte Stimmung, die man selten hinbekommt. Bei Bands wie den Pixies ist es egal, wo und wann sie spielen, bei anderen schafft das Zusammenspiel aus Musik, Lage und Stimmung besondere Momente. Warpaint in den Sonnenuntergang hinein (zweimal schon) oder The xx (beim ersten Mal) in der Nacht oder Dean Wareham unter blauem Himmel auf der alten ATP direkt am Meer - das waren solch außergewöhnlich stimmungsvolle Konzerte, die ich in der Form bisher nur beim Primavera erlebt habe (no offense, RaR). Slowdive waren genauso. Die verträumte und gleichzeitig krachige Musik ist perfekt für exakt diese Umgebung. Lieder wie das heute sagenhafte When the sun hits oder Slowdive waberten in brillantem Klang über den enorm großen Vorplatz - hymnisch, ohne Hymnen zu sein.
Mag sein, daß ich als Shoegaze-Verehrer wenig objektiv bin. Aber unter all den vielen Reunions erscheint mir die von Slowdive doch wirklich zu denen zu gehören, die den meisten Sinn machen. Was soll ich immer der neusten musikalischen Mode hinterherrennen, wenn vor 20, 25 Jahre zeitlose Schönheiten geschaffen wurden, die den Kram, den man in fünf Jahren vergessen haben wird, auch jetzt so locker in den Schatten stellen!
Shellac tritt beim Primavera Festival entgegen der eigentlichen Regeln der Macher fast jährlich auf. Es wäre zu schön, wenn das für Slowdive auch eingerichtet werden könnte!
Setlist Slowdive, Primavera Festival, Barcelona
01: Slowdive
02: Avalyn
03: Catch the breeze
04: Crazy for you
05: Machine gun
06: Blue skied an' clear
07: Souvlaki space station
08: When the sun hits
09: She calls
10: Golden hair (Syd Barrett Cover)
Links:
- aus unserem Archiv:
- Slowdive, London, 19.05.14
- mehr Fotos hier