Konzert: Kettcar
Ort: Hugenottenhalle, Neu-Isenburg
Datum: 25.02.2012
Zuschauer: fast ausverkauft
Dauer: Kettcar 90 min, Patrick Richardt 35 min
Wieso merke ich mir zwischen zwei Konzerten eigentlich nie, wie viel mehr ich Kettcar live als auf Platte mag. Es war heute einer dieser Abende, auf den ich keine furchtbar große Lust hatte. Natürlich nicht wegen Kettcar; wegen Stresses, der doofen Hugenottenhalle (auch das hatte ich vergessen)...
Die Vorgruppe, Patrick Richardt und Band, änderte an meiner Lethargie nicht viel. Die Krefelder klangen vom zweiten Lied an nach Rio Reiser, haben aber auch Clueso im Plattenschrank. Als es bei einem der letzten Stücke hieß "jetzt ist es vorbei -bei..." fühlte ich meine Rio Reiser Theorie bestätigt. Später fiel mir ein, was mich an dem kurzen Auftritt gestört (und an Clueso erinnert) hatte: die fies wehleidig in die Länge gezogenen Vokale, die immer wieder vorkamen. Das ist eine Unsitte vieler deutscher Künstler. Ganz verkehrt war es aber trotzdem nicht (Konsonanten überwiegen ja), vor allem beeindruckte mich die professionelle Herangehensweise des Bandkopfs, dem man überhaupt keine Nervosität anmerkte. Aber es war eben auch nicht sehr aufregend.
Am Anfang des Abends war der Sound gruselig schlecht. Im Verlaufe der Vorgruppe wurde das besser, die Hugenottenhalle und meine Ohren werden aber keine Freunde mehr, denn auch bei Kettcar war der Klang allenfalls passabel.
Um kurz nach neun gingen die Hamburger auf die Bühne der Halle, die ansonsten Sparkassen-Jahrestreffen und Modelleisenbahn-Ausstellungen beherbergt. Das neue Kettcar-Album Zwischen den Runden (das mit den Ruderern mit den gelben Bauhelmen auf dem Cover) ist verdammt ruhig geworden. Die neuen Stücke erkannte man heute einfach: immer wenn Marcus Wiebusch und Erik Langer ihre elektrischen gegen akustische Gitarren tauschten, wurde es aktuell. Die besten Phasen des Konzerts waren allerdings die lauten - meist alten.
Auch wenn ich mit den neuen Liedern noch fremdele, war das Konzert insgesamt sehr gut - und oft mitreißend! Mitreißend wurde es immer dann, wenn die akustischen Gitarren in die Ecke gestellt wurden, und die Lautstärke hoch ging. Das fand übrigens auch Keyboarder Lars Wiebusch, der immer dann extremen E-Gitarren-Neid entwickelte und Luftgitarrenposing als Ersatzbefriedigung betrieb!
Selbst bei den Stücken, die mir zu ruhig waren, habe ich mich nicht gelangweilt. Das erscheint mir ein echter Qualitätsbeweis zu sein. Bei anderthalbstündigen Konzerten zwischendurch nicht auf die Uhr zu sehen, mag einfach sein, wenn man im Jahr eines davon sieht. Bei Konzertnerds, die zwangsläufig immer mehr abstumpfen und meinen, alles schon einmal gesehen zu haben, stellt sich diese Unruhe schnell ein. Ich verachte solche Stimmungen und wünschte, es wäre bei mir nie so. Allerdings läßt sich diese Art der Routine überhaupt nicht verhindern. Wenn mich dann also ein Konzert im Umkehrschluß auch in den musikalisch nicht überragenden Momenten nicht schrecklich langweilt - oder zumindest dauernd auf die Uhr gucken läßt (wie früher bei zweistündigen Religionsunterrichten samstags) - ist das sehr ordentlich!
Und es waren nicht nur die Kleinigkeiten nebenher, die meine Aufmerksamkeit gesichert haben! Zum Beispiel das Stimmen des Basses von Reimer für die Zugaben, bevor er nach dem letzten regulären Stück die Bühne verließ - habe ich auch noch nicht gesehen! Oder - noch viel schöner - die kleine tschekistische Einlage von Gitarrist Erik und Bassist Reimer bei Schwebend. Sie klatschten da nämlich am Bühnenrand einen Takt vor, der herrlich kompliziert und viel zu schwierig für den gemeinen rhythmisch-Mitklatschenden war! Es wurde zwar überall eifrig in die Hände gehauen, mit dem Rhythmus der beiden Musiker hatte das aber nichts zu tun. Für mich als Mitklatsch-Skeptiker war es einer der schönesten Konzertmomente seit langem! Die schönste Trompete gab es dann auch noch, bei Am Tisch kurz vor Ende. Sie war so schön, weil sie unendlich verstimmt klang. Da wäre Tunen nötig gewesen, es hätte uns aber um ein paar tolle und schrecklich schiefe Töne gebracht!
Nein, die Sachen am Rande waren es nicht, die mich so aufmerksam sein ließen. Kettcar müssen eben doch eine verdammt gute Liveband sein.
Setlist Kettcar, Hugenottenhalle, Neu-Isenburg:
01: Rettung
02: 48 Stunden
03: Schwebend
04: Graceland
05: Es gibt kein Aussen mehr
06: Balkon gegenüber
07: Kommt ein Mann in die Bar
08: Balu
09: Nach Süden
10: Money left to burn
11: Stockhausen, Bill Gates und ich
12: R.I.P.
13: In deinen Armen
14: Im Taxi weinen
15: Im Club
16: Deiche (Z)
17: Wir danken der Academy (Z)
18: Am Tisch (Z)
19: Schrilles buntes Hamburg (Z)
20: Landungsbrücken raus (Z)
Links:
- Kettcar, Highfield, 16.08.08
- Kettcar, Köln, 09.05.08
Ort: Hugenottenhalle, Neu-Isenburg
Datum: 25.02.2012
Zuschauer: fast ausverkauft
Dauer: Kettcar 90 min, Patrick Richardt 35 min
Wieso merke ich mir zwischen zwei Konzerten eigentlich nie, wie viel mehr ich Kettcar live als auf Platte mag. Es war heute einer dieser Abende, auf den ich keine furchtbar große Lust hatte. Natürlich nicht wegen Kettcar; wegen Stresses, der doofen Hugenottenhalle (auch das hatte ich vergessen)...
Die Vorgruppe, Patrick Richardt und Band, änderte an meiner Lethargie nicht viel. Die Krefelder klangen vom zweiten Lied an nach Rio Reiser, haben aber auch Clueso im Plattenschrank. Als es bei einem der letzten Stücke hieß "jetzt ist es vorbei -bei..." fühlte ich meine Rio Reiser Theorie bestätigt. Später fiel mir ein, was mich an dem kurzen Auftritt gestört (und an Clueso erinnert) hatte: die fies wehleidig in die Länge gezogenen Vokale, die immer wieder vorkamen. Das ist eine Unsitte vieler deutscher Künstler. Ganz verkehrt war es aber trotzdem nicht (Konsonanten überwiegen ja), vor allem beeindruckte mich die professionelle Herangehensweise des Bandkopfs, dem man überhaupt keine Nervosität anmerkte. Aber es war eben auch nicht sehr aufregend.
Am Anfang des Abends war der Sound gruselig schlecht. Im Verlaufe der Vorgruppe wurde das besser, die Hugenottenhalle und meine Ohren werden aber keine Freunde mehr, denn auch bei Kettcar war der Klang allenfalls passabel.
Um kurz nach neun gingen die Hamburger auf die Bühne der Halle, die ansonsten Sparkassen-Jahrestreffen und Modelleisenbahn-Ausstellungen beherbergt. Das neue Kettcar-Album Zwischen den Runden (das mit den Ruderern mit den gelben Bauhelmen auf dem Cover) ist verdammt ruhig geworden. Die neuen Stücke erkannte man heute einfach: immer wenn Marcus Wiebusch und Erik Langer ihre elektrischen gegen akustische Gitarren tauschten, wurde es aktuell. Die besten Phasen des Konzerts waren allerdings die lauten - meist alten.
Auch wenn ich mit den neuen Liedern noch fremdele, war das Konzert insgesamt sehr gut - und oft mitreißend! Mitreißend wurde es immer dann, wenn die akustischen Gitarren in die Ecke gestellt wurden, und die Lautstärke hoch ging. Das fand übrigens auch Keyboarder Lars Wiebusch, der immer dann extremen E-Gitarren-Neid entwickelte und Luftgitarrenposing als Ersatzbefriedigung betrieb!
Selbst bei den Stücken, die mir zu ruhig waren, habe ich mich nicht gelangweilt. Das erscheint mir ein echter Qualitätsbeweis zu sein. Bei anderthalbstündigen Konzerten zwischendurch nicht auf die Uhr zu sehen, mag einfach sein, wenn man im Jahr eines davon sieht. Bei Konzertnerds, die zwangsläufig immer mehr abstumpfen und meinen, alles schon einmal gesehen zu haben, stellt sich diese Unruhe schnell ein. Ich verachte solche Stimmungen und wünschte, es wäre bei mir nie so. Allerdings läßt sich diese Art der Routine überhaupt nicht verhindern. Wenn mich dann also ein Konzert im Umkehrschluß auch in den musikalisch nicht überragenden Momenten nicht schrecklich langweilt - oder zumindest dauernd auf die Uhr gucken läßt (wie früher bei zweistündigen Religionsunterrichten samstags) - ist das sehr ordentlich!
Und es waren nicht nur die Kleinigkeiten nebenher, die meine Aufmerksamkeit gesichert haben! Zum Beispiel das Stimmen des Basses von Reimer für die Zugaben, bevor er nach dem letzten regulären Stück die Bühne verließ - habe ich auch noch nicht gesehen! Oder - noch viel schöner - die kleine tschekistische Einlage von Gitarrist Erik und Bassist Reimer bei Schwebend. Sie klatschten da nämlich am Bühnenrand einen Takt vor, der herrlich kompliziert und viel zu schwierig für den gemeinen rhythmisch-Mitklatschenden war! Es wurde zwar überall eifrig in die Hände gehauen, mit dem Rhythmus der beiden Musiker hatte das aber nichts zu tun. Für mich als Mitklatsch-Skeptiker war es einer der schönesten Konzertmomente seit langem! Die schönste Trompete gab es dann auch noch, bei Am Tisch kurz vor Ende. Sie war so schön, weil sie unendlich verstimmt klang. Da wäre Tunen nötig gewesen, es hätte uns aber um ein paar tolle und schrecklich schiefe Töne gebracht!
Nein, die Sachen am Rande waren es nicht, die mich so aufmerksam sein ließen. Kettcar müssen eben doch eine verdammt gute Liveband sein.
Setlist Kettcar, Hugenottenhalle, Neu-Isenburg:
01: Rettung
02: 48 Stunden
03: Schwebend
04: Graceland
05: Es gibt kein Aussen mehr
06: Balkon gegenüber
07: Kommt ein Mann in die Bar
08: Balu
09: Nach Süden
10: Money left to burn
11: Stockhausen, Bill Gates und ich
12: R.I.P.
13: In deinen Armen
14: Im Taxi weinen
15: Im Club
16: Deiche (Z)
17: Wir danken der Academy (Z)
18: Am Tisch (Z)
19: Schrilles buntes Hamburg (Z)
20: Landungsbrücken raus (Z)
Links:
- Kettcar, Highfield, 16.08.08
- Kettcar, Köln, 09.05.08
2 Kommentare :
vielen Dank, passt ziemlich gut. :-)
das Konzert war OK, die Stimmung des Publikums eher verhalten, richtig abgerockt wird fast gar nicht mehr...schade...aber immerhin Academy *freu*...schlimmerweise war das Keyboard viel zu laut...entweder Mixer stümperhaft oder Keyboarder Profilneurose, egal wie, das hat ordentlich genervt.
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