Samstag, 25. April 2009

Anna Ternheim, Nijmegen, 24.04.09


Konzert: Anna Ternheim
Ort: Doornroosje, Nijmegen
Datum: 24.04.2009
Dauer: Anna Ternheim ca. 80 min, The Tiny 20 min
Zuschauer: gut 200


Im vergangenen Dezember stellte Anna Ternheim
ihre dritte Platte Leaving on a mayday in Schweden live vor. Fast fünf Monate mussten wir warten, bis die mittlerweile in New York lebende Stockholmerin auch wieder in Südeuropa auf Tour ist. Weil das Kölner Konzert mit einem anderen Highlight kollidiert, lag es in jeder Hinsicht nahe, ins nahe Nijmegen zu fahren. Das Doornroosje, der Laden, in dem Anna Ternheim auftreten sollte, ist einer der schönsten und angenehmsten Clubs, die ich kenne.

Vor Konzerten der schwedischen Sängerin ist es grundsätzlich spannend, in welcher Form sie auftreten wird. Ich habe jetzt drei ihrer Touren gesehen, einmal trat sie mit klassischer Bandbesetzung, beim nächsten Mal alleine und im Dezember mit Band mit Instrumenten wie singender Säge, Kontrabass und kleinem Chor auf.

Da das Konzert in Stockholm ein Vorabkonzert zur jetzigen Tour war, überraschte mich nicht, daß viele Streichinstrumente und Keyboards auf der Bühne standen. Also sollte es nicht solo sein. Da Anna Ternheims dritte Platte recht opulent instrumentiert ist, und es im Gegensatz zu den beiden Vorgängern keine zweite CD mit abgespeckten ("naked") Versionen gibt, war es auch hoch unwahrscheinlich, daß
die Singer/Songwriterin alleine auftreten würde. Mich begeisterten bisher all ihre Konzerte, in der Nachbetrachtung waren aber wohl die akustischen meine Lieblinge.

Vor Anna sollten The Tiny auftreten. Hinter diesem Namen verbargen sich zwei mir bekannte Musiker: Ellekari Larsson und Leo Svensson, die ich in Stockholm in Annas Band gesehen hatte. Vor allem Ellekari mit ihrer Pippi Langstrumpf 2.0 Frisur ist unverwechselbar. Als Annas Keyboarderin, Trompeterin, Glockenspielerin und Sängerin im Frauenchor bei Summer rain war mir die Künstlerin in sehr positiver Erinnerung geblieben. Und nun saß sie also neben Annas Cellisten am Keyboard und überraschte mich mit ganz
wundervollen Liedern, in die ich mich aber erst reinhören musste. Am Anfang war nämlich Ellekaris manchmal an Björk erinnernde Stimme gewöhnungsbedürftig. Das dauerte bei mir aber nur ein halbes Lied, dann überrollte mich der Charme der Musik der beiden. Anna Ternheim erzählte später, daß sie The Tiny bei ihrem ersten Konzert kennengelernt habe. Gemeinsam mit den beiden sei sie in einem griechischen Restaurant aufgetreten, in dem sich die Gäste mehr für ihr Essen als für die Musik interessiert hätten. Obwohl auch in Nijmegen die Geräuschkulisse im Saal recht hoch war, widmeten viele den beiden die verdiente Aufmerksamkeit, denn die Stücke von Ellekari und Leo waren wirkliche musikalische Kleinode mit wundervoller Instrumentierung. So spielte Leonicht nur Cello, er bediente vor allem ein Tasteninstrument mit Luftzufuhr per Pedal. Ob es nun ein Harmonium war...? Wir waren nicht sicher.

The Tiny spielten etwa zwanzig Minuten, vier Lieder, wenn ich richtig mitgezählt habe. Im Gegensatz zu vielen anderen Vorgruppen hätte es bei den beiden Schweden ruhig noch eine Weile dauern dürfen!

Als Anna Ternheim und ihre Band dann auf die Bühne kamen, passierte mir etwas, was ich bei ihr noch nie erlebt hatte. Ich fragte mich, ob die kritischen Stimmen zum neuen Album, die das Schlagzeug viel zu heftig finden, nicht recht haben. Denn bei Terrified von Leaving on a mayday standen die Trommeln schon sehr stark im Vordergrund. Auch beim zweiten Stück What have I done (von dem es eine naked version gibt) klang es noch sehr dumpf. Es lag aber - puh! - nicht an einer Änderung meines Geschmacks, offenbar war das
Konzert am Anfang einfach nur zu tief und basslastig abgemischt. Als sich der Mischer auch gefragt hatte "what have I done", wurde es besser, nein traumhaft und großartig wie immer.

Bei meinen ersten Konzerten hatte Anna immer zwischen Klavier und Gitarre gewechselt. Zuletzt hatte ich sie auch erstmals ohne Instrumente erlebt. Dabei lief sie hin und her über die Bühne. Das machte sie auch diesmal... nur war alles viel näher und dichter.

Am Klavier spielte die Sängerin diesmal nicht. Sie hatte ihr rotes kleines Piano gar nicht dabei. Leider hieß das auch, daß sie Shoreline, ihr fabelhaftes Cover der Band Broder Daniel nicht spielen würde. Aber es sollte reichlich Entschädigungen für dieses erstmals fehlende Highlight geben. Die ersten waren Girl laying down und vor allem das schon fast punkig gespielte A french love, das mich schon in Schweden fasziniert hatte, weil diese Version obwohl so anders auch absolut fabelhaft war. Und direkt nach dem lautesten Lied folgte eines der ruhigsten des Abends. I'll follow you tonight spielten nur Anna an ihrer Gitarre und
Leo an der singenden Säge. Was soll man dazu sagen... Glücklicherweise wurde dieses schönste Stück des Abends auch nicht vom Publikum versaut. Später verstanden es einige ganz zielsicher, immer dann rhythmusähnlich zu klatschen, wenn es besonders schön wurde. Oder mitzupfeifen. Ellekari kann das, sie ist nämlich für allerlei mit Mund und Stimme erzeugte Hintergrundgeräusche zuständig. Die Frauen vorne rechts konnten es nicht und nervten damit schrecklich.

Die Arrangements der Lieder sind so ungemein detailreich. Annas Band, neben Ellekari und Leo standen ein Schlagzeuger (vermutlich wieder Nils Törnqvist) und Bassist (Patric Thorman) auf der Bühne, spielte irre viele Instrumente (Bass und Kontrabass, Cello, Glockenspiel, Säge, Schlagzeug, verschiedene Keyboards und Gitarren) und erzeugte wundervolle kleine Geräusche aller Art.

Viel zu früh kündigte die große Schwedin den letzten Song an. "But it's a good one!" Keinerlei Widerspruch, denn I say no ist einer ihrer großen Knüller!

Auch die erste Zugabe war besonders. Gemeinsam mit ihrer Keyboarderin sang Anna
Ternheim sonst nur von einer Gitarre unterstützt Summer rain. Beide Frauen standen am Bühnenrand und bannten alle! Leider wurde die Stille, die fast feierliche Stimmung des Lieds durch Dauerfeuer eines Fotografen an meinem rechten Ohr und hunderte von Klicks sehr gestört...

Zu My secret kam die Band zurück. Dieser Liebling hatte ein für mich neues Ende, eines, das mir sehr gut gefiel - die zweite Hälfte klang nach einem ganz neuen Stück! Auch das ist typisch Anna Ternheim. Sie verändert ihre Lieder regelmäßig, so wie sie die Arrangements variiert. Der mitklatschende Landsmann gehört nicht zum von ihr verantworteten Arrangement und war daher nicht lobenswert.

Eigentlich sollte die dritte Zugabe (dazu kam sie wieder auf die Bühne) das letzte Lied sein. Aber Anna verpatzte
No subtle man gleich mehrfach, lustigerweise auch in der Zeile "I failed so many times." Als "Wiedergutmachung" folgte ein zusätzliches Stück, der wundervolle Wedding song, der in den letzten Jahren immer mehr zu meinem Anna Ternheim Lieblingslied geworden ist. Ausgerechnet das zum Schluß - perfekt!

Nach einem unverschuldet holprigen Start entwickelte sich schnell das gewohnt (und erwartet) brillante Konzert, obwohl Anna Ternheim sagte, nach fünf Tagen Tourbus, ohne Hotel und Dusche, seien sie fertig und schmutzig - davon allerdings sah und roch man nichts.
Und auch wenn es bis Dienstag in Frankfurt neun Tage sind, freue ich mich irre auf noch einmal perfekte 80 Minuten.

Setlist Anna Ternheim, Doornroosje, Nijmegen:

01: Terrified
02: What have I done
03: Black sunday afternoon
04: Girl laying down
05: A french love
06: I'll follow you tonight
07: Better be
08: Lovers dream
09: Damaged ones
10: No, I don't remember
11: Let it rain
12: I say no

13: Summer rain (Z)
14: My secret (Z)

15: No subtle man (Anna Ternheim solo) (Z)
16: Wedding song (Anna Ternheim solo) (Z)

Links:

- aus unserem Archiv:
- Anna Ternheim, Stockholm, 08.12.08
- Anna Ternheim, Paris, 01.10.07
- Anna Ternheim, Köln, 26.09.07
- Anna Ternheim, Heidelberg, 25.09.07
- Anna Ternheim, Paris, 31.05.07
- Anna Ternheim, Köln, 12.03.07
- Anna Ternheim, Paris, 12.12.06
- Interview mit ihr in Köln
- mehr Fotos vom Konzert im Doornroosje



5 Kommentare :

Oliver Peel hat gesagt…

Ellekari Larsson kenne ich noch nicht. Ob sie auch nach Paris mitkommt? Und ob Anna wohl auch in Frankreich ohne Piano erscheint?

Nelle hat gesagt…

So ruhig wie gestern Abend habe ich Köln selten erlebt.
Ansonsten war das meiste wie bei euch... lediglich bei den Zugabe verschwimmt meine Erinnerung an die Stücke ein wenig. Definitiv wurde da aber "Better be", einer meiner zwei Favoriten, gespielt. Das ohne Stecker und Mikrophon dargebotene "Summer rain" war das absolute Highlight und das nicht nur weil die beiden auf dem Kasten neben der (vom Publikum aus) rechten Box standen und du raten darfst, wer direkt vor dieser Box stand. ;-)

Christoph hat gesagt…

Ich beneide Dich. Aber leider konnte ich mich nicht zweiteilen, da gestern Antony and the Johnsons in Frankfurt gespielt haben. Aber Anna sehe ich dann heute.

Ok, ich rate... aber ich komme nicht drauf! ;-)

Nelle hat gesagt…

Dann sind heute bestimmt alle ruhig für dich. :-)
Als Link mal eine Aufnahme aus Stuttgart bei YouTube, die für YouTube-Verhältnisse gut ist.

Christoph hat gesagt…

Danke für das Video!

Nein, es war heute auch nicht ruhig. Ein paar Id... wir wollten hier nie beleidigen... also ein paar Leute, die sich wie Vollidioten benommen haben, haben fies reingelacht und -gequatscht.

Aber ansonsten: hach...

 

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