Samstag, 31. Mai 2008

Editors, Reims, 30.05.08

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Konzert: Editors
Ort: La Cartonnerie, Reims
Datum: 30.05.2008
Zuschauer: etwa 600 und somit war der Saal nur halbvoll
Konzertdauer: 65 Minuten

Wenn man als englische Band schon in den berümtesten Londoner Konzertsälen und auf den renommiertesten Festivals der Insel gespielt hat, muss es frustrierend sein, vor einem schnarchnasigen und nicht sehr zahlreich erschienenen französischen Provinzpublikum zu spielen. Dass sich die Editors trotzdem voll reinknieten, als spielten sie auf der Hauptbühne von Glastonbury, spricht für die Band um Sänger und Zappelphilipp Tom Smith. Der war noch überdrehter als sonst, umarmte sich selbst, legte sich auf's Klavier und überzeugte erneut mit seiner nörgeligen Grabesstimme. Seine Kumpels waren unscheinbar wie immer und spielten die meiste Zeit eh im Dunkeln. Die Spots waren fast ausschliesslich auf Tom gerichtet. Hervorzuheben war allerdings auch Schlagzeuger Edward Lay, der schnell wie ein Duracell-Hase trommelte und auch im Background mitsang.

Trotz dieser Bemühungen wachte das Publikum erst bei "Blood" ein wenig aus seiner Lethargie auf ging von nun an besser mit. Zu diesem Zeitpunkt war bereits eine halbe Stunde absolviert und selbst schnelle Stücke wie "The Racing Rats" zuvor weitgehend verpufft.

Heute wurde deutlich, dass die Hits vom ersten Album wie eben "Blood", aber auch "Munich" oder Fingers in The Factories" live nach wie vor besser ziehen, weil sie direkter und weniger komplex sind als die auf keinen Fall schlechteren neuen Stücke.

Allerdings gewinnt man zunehmend den Eindruck, dass sich die launischen Musikfans von den Stars des Jahres 2005, wie z.B. den Rakes, Art Brut, oder eben den Editors ein wenig abgewendet haben und sich neuen, vordergründig spannenderen Bands wie MGMT oder Vampire Weekend zuwenden.

Wir vom Konzertagebuch.de sind da weniger sprunghaft. Die Editors bleiben bei uns gesetzt. Die Band ist noch jung und wird sicherlich noch einige gute Alben herausbringen, davon bin ich überzeugt. Und das Konzert in der Champagner-Metropole Reims (bester Spruch des Abends von einem gotisch aussehenden Mädchen: "Fängst Du mich auf, wenn ich nach hinten wegkippe?, ich habe zuviel Champagner getrunken!") war angesichts der geringen Auslastung sehr engagiert und gut. Leider fehlten aber "Camera" und das The Cure Cover "Lullaby".

Setlist Editors, Cartonnerie, Reims:

01: Bones
02: The Racing Rats
03: An End Has A Start
04: All Sparks
05: Escape The Nest
06: The Weight Of The World
07: Bullets
08: Blood
09: You Are Fading
10: Munich
11: When Anger Shows
12: Fingers in The Factories

13: Lights
14: Banging Heads
15: Smokers Outside The Hospital Doors



Martha Wainwright, Nijmegen, 30.05.08

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Konzert: Martha Wainwright
Ort: Doornroosje, Nijmegen
Datum: 30.05.2008
Zuschauer: vermutlich ausverkauft (vielleicht 200)
Konzertdauer: 95 min.


Schön zu sehen, daß sich Rockstars manchmal mit den gleichen Problemen rumschlagen wie ich. Martha Wainwright beschäftigte eine Frage so sehr, daß sie eines der ersten Lieder abbrach. Bevor sie es noch einmal beginne, müsse sie unbedingt wissen, wie "Nijmegen" ausgesprochen wird. "Ich habe den ganzen Tag hier gesessen und Interviews gegeben und kam mir wie ein Arschloch vor, daß ich nicht wußte, wie man das spricht..." Natürlich half das Publikum im Doornroosje sofort und lieferte als Antwort "Neimegen", nicht mit ch-Laut, wie ich gedacht hatte, obwohl meine Version doch viel holländischer klingt. Vollkommen blöd, daß man sich so wenig mit diesem Nachbarland auseinandersetzt, wenn man nicht gleich an der Grenze wohnt und regelmäßig in die Niederlande fährt. Ich wäre nie auf die Idee gekommen, daß Martha Wainwright gerade auf Tour ist (Deutschland läßt die New Yorkerin aus), wenn wir nicht wegen eines Maximo Park Konzerts auf das Doornroosje gestossen wären und ich mir das Programm der nächsten Wochen angesehen hätte. Nijmegen liegt eine gute Stunde von Köln entfernt, ist also durchaus gut erreichbar, auch wenn man nur einen Kurzkonzerttrip plant.

Der Club mit dem schönen Namen Doornroosje liegt mitten in einem Wohngebiet.
Direkt an der Straße ist ein normales Wohnhaus mit Garten, dessen hohes, wildwachsendes Gras (Wiese, just in case...) Schlüsse auf den Ursprung des Clubnamens aufkommen lassen. Hinter dem Haus liegt ein kunterbunt besprühter Neubau, in dem das Kulturzentrum untergebracht ist. Die Leute, die da gemeinsam mit mir reingingen, waren ein ganz anderes Publikum als bei Indie-Konzerten in Köln. Der Altersschnitt lag wohltuend hoch, viele meiner unbekannten Begleiter wären in Deutschland wohl eher Musicalpublikum, schon einmal ein sehr angenehmer Unterschied. Natürlich zieht eine Singer/Songwriterin wie Martha Wainwright auch bei uns älteres Publikum an als die Kooks z.B., es war aber auffällig, wie viele nicht nach Indie-Freunden aussehende Zuschauer da waren. Auch in den Niederlanden scheint alternative Musik also viel mehr gesellschaftlich verwurzelt zu sein als bei uns.

Schluß mit der Soziologie, es geht um Musik.

Das Doornroosje ist 2006 von einer Zeitung zum besten "Nachttempel" der Niederlande gewählt worden. Ich kenne noch keinen anderen, schließe mich dem Urteil aber sofort an, weil der Club extrem viel Charme besitzt. Es ist schon eine echte Konzertstätte, also nicht so ein gemütlicher Sofa-Laden, aber ein wundervoller. Vor allem war alles so herrlich entspannt und unhektisch. An der Tür zum Saal (ich muß mal gerade abweichen: bis eben hatte ich geglaubt und gehofft, daß Martha im "grote Zaal" gespielt hätte. Die Beschilderung außen am Club ließ mich das vermuten. Der Martha-Saal war aber nicht furchtbar groß, bot etwa 200 - 300 Leuten Platz. Wenn da dann Maximo Park auftreten würden, wäre das ja schon fast ein Radiokonzert. Nach
der niederländischen Wikipedia-Seite fasst der grote zaal aber 1.500 Leute) hing ein Schild mit dem Zeitplan: 20.30 Uhr Doveman, 21.20 Uhr Martha Wainwright, ich würde also früher zu Hause sein als bei manchem Konzert in Köln.

Der Raum erinnerte mich ein wenig an ein Mischung der beiden Clubs Stadtgarten und Studio 672 in Köln. Er ist luftig, hat am Ende eine Bar und eine Bühne, die nicht abgesperrt war. Nach ein paar Minuten Warterei begann
die Vorgruppe Doveman, die mir vorher nichts sagte, dann auch fast pünklich. Doveman kommen aus New York und spielen nach eigenen Angaben "Lamp Rock" und "Insomnia Pop". Das beschreibt es perfekt (auch wenn ich nicht genau weiß, was sie damit meinen). Neben Keyboarder und Sänger Thomas Bartlett, der schon mit The National, Antony and the Johnsons und Yoko Ono gespielt hat, gehörten ein Gitarrist und ein Schlagzeuger zur Band. Ihre myspace Seite nennt deutlich mehr Mitglieder, daher kann ich nicht zuordnen, wer von denen in Nijmegen dabei war. Obwohl Thomas nur rechts am Rand der Bühne stand, war er eindeutig Kopf der Band. Der mittig auf einem Barhocker sitzende Gitarrist war eigentlich keiner, denn er spielte mit einer Ausnahme ausschließlich Banjo.

Die Musik der drei Amerikaner gefiel mir anfangs sehr gut. Der Gesang von Thomas (und ab und an vom Banjospieler) ist kaum mehr als gehaucht. Aktuell erinnerte mich manches an Girls in Hawaii - oder vielleicht treffender an den Twin Peaks Soundtrack. Auf Dauer war diese sehr zurückgenommene Musik aber viel zu ereignisarm, als daß sie mich weiter gefesselt hätte. Ohne es zu merken, hörte ich immer weniger hin, wahrlich kein gutes Zeichen. Irgendwie war das Indie-Fahrstuhl-Musik. Es tat nicht weh, verlor aber schnell die Fähigkeit, wahrnehmbar zu sein. (Und ich rede hier von einem 30 Minuten Auftritt!)

Der Umbau ging schnell und war gut organisiert. Ich hatte keine rechte Vorstellung,
ob Martha alleine oder mit Band spielen würde. Als dann der Bass, der schon auf der Bühne stand, von Doveman nicht benutzt wurde, war es also die Bandvariante.

Erst kam die groß wirkende Sängerin allerdings alleine auf die Bühne. Obwohl ich ihre Musik seit dem ersten Album von 2005 liebe, hatte ich bisher keine Gelegenheit, Martha live zu sehen. Vor zwei Jahren trat sie zwar in Haldern auf, allerdings donnerstags - und ohne mich. In den nächsten Tagen erscheint ihre zweite CD mit
dem unfassbar tollen Titel "I know you're married but I've got feelings too". Da das Album auch bei iTunes bisher nur zerstückelt zu erwerben ist, kannte ich noch keines der neuen Stücke, nur den Verriss von Jan Wigger auf Spiegel online. Die in Montreal geborene Sängerin war extravagent gekleidet. Zu einer schwarzen Bluse trug sie weiße Woll-Leggings, darüben ein Röckchen, das aus Wohnwagen Vorhängen geschneidert zu sein schien und ochsenblutrote hohe Stiefel mit Strass-Edelsteinen auf dem Stiefelrücken. Noch von den funkelnden Stiefeln geblendet, bemerkte ich als nächstes eine nette Marotte: Marthas Mikro war bewußt zu tief angebracht. Sie hätte es ja, wäre das aus Versehen passiert, korrigieren können, sie schien allerdings extra tief singen zu mögen und mußte sich ein wenig bücken, um zielsicher das Mikro zu treffen. Dazu passend bewegte sie ununterbrochen eines ihrer Beine, knickte es, nahm es hoch. Ihrer Stimme schadete dies nicht, denn die war auf dem Punkt da und passte perfekt.

Als erstes bewies sie dies bei "I wish I were" von der neuen Platte. Marthas Stimme hat ein deutlich punkiges Element. Manchmal erinnerte mich ihr Klang an meine Heldin Hazel O'Connor, was mir vorher nie aufgefallen war. "I wish I were" war ein gelungener Auftakt. Als die Band dann auf die Bühne kam, folgten mit "Bleeding all over you" und "Comin' tonight" gleich zwei frühe Höhepunkte. Vor allem das druckvoll gespielte (und damit überraschend laute) "Comin' tonight" gefiel mir ungemein. Ich weiß noch nicht, wie das Lied auf Platte arrangiert ist, live jedenfalls war es perfekt. Zu Marthas Band
gehörten zwei der Doveman-Leute, Keyboarder Thomas und der (hier namenlose) Schlagzeuger. Weiter waren ein Gitarrist und ein Bassist beteiligt. Den Bassisten lächelte Martha mehrfach während des Konzerts an, sodaß mein Klatsch-Ich gleich schloss, daß die beiden etwas mit einander haben müssten. Später beim wundervollen "Far away" vom Debüt lächelte die Sängerin bei der Zeile "I have no husband" in sich hinein, ich fühlte mich bestätigt. Als ich nach dem Konzert ins Booklet der CD sah, stellte ich fest, daß ich richtig gedeutet hatte. Martha und Brad, der Bassist, sind verheiratet (ok, schrecklich schwer war das nicht).

Nach den ersten acht Liedern, von denen bis auf "When
the day is short" alle vom neuen Album stammten (und mich nicht so sehr begeisterten wie die beiden bereits erwähnten), ging die Band wieder, um Martha kurz akustisch weitermachen zu lassen. Vor allem "Far away" war in dieser Konzertphase dann ein Knüller - wenig überraschend, ich mag das Lied sehr.

Überrascht war ich allerdings davon, wie die Sängerin auftrat. Ich hatte eine ganz schrecklich versponnene Hippie-Frau erwartet. Mein Bild des musikalischen Genies aus der so unglaublich musischen Familie (Bruder Rufus, Vater Louden, Mutter Kate McGarrigle), die lustige Anekdote über die Entstehung von "Bloody mother fucking asshole"
und auch ihr Kleidungsstil liessen mich auf eine in sich verschlossene und mit einem kräftigen Haschmich ausgestatteten Frau erwarten. Sie war ganz anders. Martha plauderte mit uns, lachte viel und wirkte überhaupt vollkommen ausgeglichen. Sie fragte zum Beispiel nach Nina Simone, die - so glaube sie - mal in Nijmegen gewohnt habe. Weil aus dem Saal unterschiedliche Zahlen kamen, wie lange die Jazzsängerin in den Niederlanden gelebt habe, kommentierte sie schauspielernd "one year, two years, five years, no ten years, she was born and died her - she still lives in Nijmegen!" Sie war noch nicht zufrieden. Weil Nina Simone reichlich "schwierig" war, wollte sie es näher wissen: "Did she attack anyone? - She did? - Did she kill anybody?"

Richtig abwechslungsreich wurde das Set nachdem die Band im Anschluß an "This life" wiederkam. Ein Großteil der Songs des neuen Albums war vorgestellt, viel Altes wollte sie offenbar nicht spielen, also war Zeit für Extras. Erstes Bonbon war das Edith Piaf Cover "Adieu mon coeur", das sie (als halbe Frankokanadierin) für mein Ohr ohne fiesen amerikanischen Akzent sang. Es folgten noch einmal ein paar Albumstücke (alt und neu), darunter das grandiose G.P.T., das mich immer an Dean Martin* erinnert, und daher einer meiner Lieblinge ist, und das das Set beendete. Aber selbstverständlich kam Martha zurück, zunächst wieder alleine und spielte das angeblich ihrem Vater gewidmete "Bloody mother fucking asshole". Seit ich dieses fabelhafte Lied zum ersten Mal gehört habe, erfreue ich mich immer wieder an der Vorstellung, auf wie vielen romantischen Liebessamplern das Lied wohl zu finden ist, weil es so herrlich lieblich klingt...

Die Band kam zurück, diesmal allerdings auf anderen Plätzen. Bassist und Ehemann Brad spielte nun Schlagzeug, der Gitarrist Bass und der bisherige Schlagzeuger Gitarre. In dieser Konstellation stimmten sie "See Emily play" an, Marthas Interpretation des Uralt-Pink Floyd Lieds - und was für eine aufregende Version! Als
wäre das Stück selbst noch nicht unterhaltsam genug, zerstörten Brad und der neue Gitarrist anschließend das Schlagzeug, traten in die Bassdrum, rissen alles um und hinterließen ein heilloses Chaos. Martha nahm es lächelnd und sang mit "Dis quand reviendras-tu?" ein weiteres Cover. Das Original stammt von der französischen Sängerin Barbara. Aber auch dieses wunderschöne Stück war noch nicht der Abschluß - die Sängerin und Thomas, der Keyboarder kamen noch einmal zurück für "Stormy Weather", den Klassiker aus den 30ern. Nach 95 Minuten war dann endgültig Schluß, obwohl sicher alle noch gerne weiter der fabelhaften Stimme Wainwrights zugehört hätten.

Hoffentlich kommt Martha Wainwright im Herbst noch einmal nach Deutschland. Auch wenn vielleicht nicht alle Lieder des neuen Albums an die Vorgänger herankommen mögen (das kann ich noch nicht beurteilen), werde ich mir blind jedes weitere Konzert ansehen. Ganz sicher war ich aber auch nicht zum letzten Mal in Hollands bestem Nachttempel, dafür sind Club und Programm zu gut!

Setlist Martha Wainwright, Doornroosje, Nijmegen:

01: I wish I were
02: Bleeding all over you
03: Comin' tonight
04: Jesus and Mary
05: Hearts Club Band
06: When the day is short
07: So many friends
08: In the middle of the night
09: Far away
10: Tower song
11: This life
12: Adieu mon coeur (Edith Piaf Cover)
13: Jimi
14: Factory
15: The George song
16: You cheated me
17: G.P.T.

18: Bloody mother fucking asshole (Z)
19: See Emily play (Pink Floyd Cover) (Z)
20: Dis quand reviendras-tu (Barbara Cover) (Z)

21: Stormy weather (Ethel Waters Cover) (Z)

Links:

- mehr Fotos


*Auf einem Roman fand ich einmal den Aufkleber "Besser als Dan Brown". Schöner kann man eine Werbung nicht auf den Punkt bringen. Seitdem kleben auf meinen Dean Martin CDs Aufkleber "Besser als Frank Sinatra" - denn auch daran gibt es keinen Zweifel.



Donnerstag, 29. Mai 2008

MGMT, Paris, 28.05.08

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Konzert: MGMT
Ort: Le Bataclan, Paris
Datum: 28.05.2008
Zuschauer: ausverkauft
Konzertdauer: 70 Minuten


"Michael Moore!"

"Du siehst aus wie Michael Moore mit Deiner Kappe!"*- Wie bitte? Nicht sehr schmeichelhaft für mich, ich würde anstatt mit dem amerikanischen Dokumentarfimer lieber mit Brad Pitt verglichen werden, aber nun gut, der Typ, der mich im überfüllten und überhitzten Pariser Bataclan von der Seite angemacht hat und vor Schadenfreude ganz schelmisch grinst, hätte mich ja auch für das Double des Glöckners von Notre Dame halten können, das wäre schlimmer gewesen...

So ganz schnell komme ich aber doch nicht über den Spruch weg, obwohl ich völlig ruhig bleibe. Was habe ausgerechnet ich mit dem alten Fettsack Michael Moore gemein? Na gut, etwas mehr als mein Idealgewicht von 72 Kilo, das ich noch 2004 hatte, werfe ich momentan schon in die Waagschale, aber so beleibt wie Michael Moore bin ich doch niemals, oder doch? "Nein, nein, beruhigt mich der zu Scherzen aufgelegte Franzose und bringt mir zur Entschädigung sogar eine Cola von der Bar mit. Wir kommen ins Gespräch. Wie denn die Vorgruppe war, will ich wissen? - "Sehr hippiesk" antwortet der Knabe, der mich wiederum irgendwie an Till Schweiger erinnert.

Von einer Singer/Songwriterin berichtet er, die nur mit einem Drummer und ihrer Gitarre gekommen sei. "Und, habe ich was verpasst?", will ich abschliessend wissen. - "Eigentlich nicht", meint er knapp. Hmm, ob man seinem Urteil vertrauen kann? Ein riesiger Fachmann scheint er ja nicht zu sein, sogar die Editors, die ich ihm gegenüber erwähne, weil sie eben die letzte Band war, die ich hier im Bataclan gesehen habe, kennt er nicht. Hmm...

Nach dem Konzert sehe ich übrigens auf der Leuchttafel, wie die Engländerin heisst, die hier einheizen durfte (obwohl die Temperatur auch so gefühlte 67 ° Celsius betrug!):

Florence And Machines. So steht es da zumindest unter MGMT. Stimmt aber nicht genau, eigentlich heisst ihr Projekt Florence And The Machine.

Ich sag's ja, die Franzosen! Noch nicht einmal so einen simplen Namen können sie richtig übertragen. Typisch! Auch meinen eigenen Namen hat die Hausverwaltung falsch geschrieben und seitdem ärgere ich mich jedes mal, wenn ich den Klingelknopf an meiner Haustüre sehe...

Insofern erstaunlich, dass sie aus MGMT nicht MGND, oder etwas in der Art gemacht haben. Na gut, sogar ein blindes Huhn findet auch mal ein Korn. Interessanterweise haben sich die Frenchies auch früh auf die Newcomer aus Brooklyn gestürzt. Schon im Februar war die Maroquinerie im Nu ausverkauft (Bericht hier) und auch das wesentlich grössere Bataclan platzte heute aus allen Nähten. Stolze 40 Euro hätte mir ein Schwarzhändler vor der Tür für mein Ticket gegeben und möglicherweise für 60-80 Euro weiterverkauft. Nicht schlecht, wenn man bedenkt, dass die Karte offiziell nur 27, 50 gekostet hatte!

Ein riesiger Hype um eine Band also, die mal Management hiess und im Vorprogramm von Of Montreal auftrat, bevor sie den Namen leicht abwandelte und in Punkto Zuschauergunst lässig an Of Montreal vorbeizog.

Aber sind sie auch wirklich so gut, wie das riesige Interesse vermuten lässt? Genau das fragte sich ein zum Grossteil extrem junges Publikum und die versammelte Pariser Bandprominenz. Die Mädels von Koko von Napoo waren da, der Sänger von Housse De Racket, Louise von Plastiscine, Dorothée von The Rodeo und und und...

Sie alle wollten hören und sehen, was dran ist an den jungen Amis, die dieses Jahr ( genau wie Florence And The Machine) sogar in Glastonbury spielen dürfen.

Schon der Opener brachte die ersten Fans in Wallung. Mit dem psychedelischen Pop-Hit "Weekend Wars" hatten die Shooting Stars von 2008 aber auch wirklich gleich ein scharfes Geschütz aufgefahren. Und das galt sowohl in musikalischer als auch kleidungstechnischer Hinsicht. Was trug denn das engelsgesichtige Lockenköpfchen Andrew Van Wyngarden da? War das etwa ein fluoreszierender Kimono? Das an der Brust aufgeknöpfte Teil des Sängers und Gitarristen bot wirklich alle möglichen grellen Farben auf, die man sich in seinen von Drogenpilzen ausgelösten kühnsten Träumen ausmalen konnte. Zartrosa, gelb, grün, orange, jeder Ton war vertreten.

Und da wir schon bei komischen Vergleichen und angeblichen Ähnlichkeiten sind in diesem Artikel: Optisch erinnerte er mich an den (nichtvorhandenen) Zwillingsbruder von Stéphanie "Soko" Sokolinski.
Diese Löckchen, die immer von einem Stirnband gezähmt werden und dann das jüngelchenhafte zarte Gesicht, das allerdings im Gegensatz zu dem gewaltigen Bizeps stand, den der Bursche aufzuweisen hatte! Welche Muckis! So mit hervortretenden Adern und allem drum und dran! Der rennt bestimmt ins Fitnesstudio, wahrscheinlich will er nicht mit Michael Moore verglichen werden. Sein Partner am Keybaord, Ben Goldwasser ist demgenüber viel unscheinbarer. Ahnunglose würden ihn für einen Statisten in der Band halten, dabei ist er einer der beiden Gründer von MGMT und die drei zusätzlichen Musiker, die man auf der Bühne agieren sah, sind nur Live-Aushilfen.

Zu fünft kredenzten die Typen einen hochprozentigen Cocktail mit so unterschiedlichen Zutaten wie Glam-Rock, 70 er Heavy Metal, Psychedelic Pop, Freak-Folk und sogar Disco. Völlig verrückt diese Mischung und umso erstaunlicher, dass kein ungeniessbares Gebräu, sondern eine wohlschmeckende Limo mit einem Schuss Champagner dabei rauskommt. Und Hits haben die Amis zu bieten und zwar nicht zu knapp. Eigentlich ist jeder Titel ein Ohrwurm und könte spielend als Single ausgekoppelt werden. Ich persönlich stehe besonders auf das fast esoterisch wirkende "The Youth", aber im Grunde genommen kam fast jeder Song gleich gut an. Allerdings wirklich nur fast, denn "Time To Pretend" ragte auch heute wieder heraus. Kein Wunder, neben dem unglaublich eingängigen Orgelgeklimper ist auch der Text super und trifft ziemlich genau den Zeitgeist der heutigen Generation MySpace:

Let's make some music, make some money, find some models for wives.
I'll move to Paris, shoot some heroin, and fuck with the stars.
You man the island and the cocaine and the elegant cars.

This is our decision, to live fast and die young.
We've got the vision, now let's have some fun.
Yeah, it's overwhelming, but what else can we do.
Get jobs in offices, and wake up for the morning commute.

Musik machen, Geld machen, mit Models bumsen, Drogen nehmen, schnell leben und jung sterben (geht bei mir persönlich mit fast 37 schon fast gar nicht mehr) und vor allem: Spass haben! Besser kann man wohl nicht auf den Punkt bringen, worum es jungen Leuten heute geht. Allerdings waren diese Themen schon damals unter den Hippies beliebt, wenn man mal davon absieht, dass diese vordergründig nicht so stark auf die Kohle fixiert waren und anstatt eleganter Wagen ("elegant cars") eher auf einen bunt bemalten VW-Bus standen...

Mit "Time To Pretend" hatte die Party,
die teilweise auch etwas an eine Karnevalsveranstaltung erinnerte (beste Szene: ein Typ in Spiderman-Kostüm entert kurzfristig die Bühne!), ihren vorläufigen Höhepunkt erreicht und das abschliessende "The Handshake" konnte da keinen mehr draufsetzen.

Wer aber glaubte, nach lediglich 50 Minuten sei alles schon vorbei und das Beste bereits gelaufen, sah sich getäuscht. Zunächst verlängerte das ellenlange und irgendwie an David Bowie erinnernde "Metanoia" die Hitzeschlacht um satte 15 Minuten, bevor mit "Kids" endgültig alle Dämme brachen und das Batclan zu einem Tollhaus wurde. Beide MGMT Chefs, also sowohl Andrew als auch Ben genossen mit nacktem Oberkörper rücklings ein Bad in der aufgepeitschten Menge und der ganze Saal tanzte ausgelassen zu diesem trashigen Indie-Diskostampfer. Was für ein Abschluss!

Und Michael Moore aka Oliver Peel hat wieder alles dokumentiert. Wahrscheinlich ist das unsere Gemeinsamkeit. Die Liebe für das Dokumentarische. Und nicht die Leibesfülle. Hoffe ich zumindest...


Setlist MGMT, Bataclan, Paris:

01: Weekend Wars
02: Future Reflections
03: The Youth
04: Of Moons, Birds & Monsters
05: Pieces Of What
06: 4th Dimensional Transition07: Electric Feel
08: Time To Pretend
09: The Handshake

10: Metanoia (Z)
11: Kids (Z)

Fotos von MGMT bereits hier

* an Stelle eines Selbstportraits habe ich aber lieber das Foto einer feschen jungen Dame gesetzt, die sich nach dem Konzert schweissgebadet von mir ablichten liess!



Montag, 26. Mai 2008

Dinosaur jr., München, 23.05.08

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Konzert: Dinosaur jr.
Datum: 23.05.2008
Ort: Moffathalle, München
Zuschauer: ausverkauft


Wo passiert Bewegung? Es muss nicht immer die sichtbare Sequenz sein, die Wirkung hinterlässt. so steht man denn etwas ungläubig einem stoisch dreinblickenden Joseph Donald Mascis jr. gegenüber und fragt sich, wo all die emotionsgeschwängerten Töne herkommen. Es kann nicht mit rechten Dingen zugehen, sollte wirklich der unter J. Mascis bekannte Frontmann der berühmt berüchtigen Dinosaur jr. daran beteiligt sein. Denn mit völlig ausdrucksloser Miene vollführt er seine Gitarrenläufe und läßt das Gerät, das ihm lässig über die Schultern hängt, singen. Er ist der Zeremonienmeister einer alt gedienten und zugleich überaus agilen Dreimanngemeinschaft, die das zuhauf angegraute Publikum in zunächst zögerliche, später ausgereifte Ekstase zu versetzen weiß. Murph und Lou Barlow, zurückgekehrt in den Bannkreis des weißhaarig behangenen Chefs, beleben neben dem straffen Rhythmusgerüst auch die harmonische Komponente des musikalischen Konzepts dieser Band, die ihre Höhen und Tiefen nie zu verbergen wusste. Mit der Reunion in 2005 und dem aktuellen Album "Beyond" wird Mascis und co. kein Geldsegen behelligen, aber dafür bekommen sie eine mittelgroße Muffathalle an einem Freitag abend fast vollständig befüllt.

Und es werden keine Gefangenen gemacht. Mascis, eingehüllt in einen Halbkreis aus Marshallboxen, die ihm den Abend auf eine für jeden unkundigen unheimliche Weise versüssen, singt, als wäre seine Anwesenheit nicht gefragt, ein Pressen, ein Nuscheln, kaum hörbare unterschiede zwischen den einzelnen Worten, Sätzen, Liedern. und doch kennt die Crowd jeden Fetzen und singt, da die Band Stillstand übt gelassen mit. Wer bei dieser Veranstaltung kein Eingeweihter ist, wird sich nicht nur über die Gestalt Mascis' wundern, sondern über die Brachialgewalt einer Musik, die wie aus einem entfernten Jahrtausend, angestaubt und auf sympathische Art konventionell, herüberweht, nein -stürmt! Lou Barlow, der mit seinem immer noch auf Milchbubimodus eingestellten Gesicht, gegenüber seinem Paten geradezu euphorisch wirkt, wenn er mit offen kreisendem Arm seinen Bass bedient, als sei es ein weniger virtuos denn strafend zu handhabendes Instrument. Die Wucht dieses Geräts lenkt ab von Murphs dynamischen und punktgenauen Schlagzeugspiel. Ein Wunder, was der Kerl aus den kleinen, grünfunkelnden Drums herausholt. und doch bleiben beiden nur Sideparts an diesem und vermutlich allen anderen Abenden, die sie mit Mascis die Bühne teilen. Seine ausgewachsenen, schreienden, fein ausgearbeiteten Soli beherrschen die Szenerie und werden vom Publikum mit Oberkörperkreisen in den hinteren Reihen und wildem Moshpit in vorderster Front gefeiert. So stehen sich Kultfigur und Auditorium auf denkbar konträrste Weise gegenüber. Hier der Stoiker, dort die wilde Brandung. Und die Liebe ist dennoch gleichsam groß und wird von Seiten der Band mit Songs des aktuellen Albums, aber auch mit einigen Gassenhauern beantwortet, von Seiten der Fans mit Applaus, pfiffen und allerlei weiteren Bekundungen unumwundener Zuneigung und Dankbarkeit. Wer glaubt, dass ich übertreibe, suche bei nächster Gelegenheit ein Konzert von Dinosaur jr. auf! Dass an diesem Abend zwei Vorbands am Start waren, ist eine Marginalie dieses Berichts. Denn die Band aus Amherst strahlte und in ihrem Glanz versengt sich jeder noch so gut gemeinte Auftritt. Über Mondo Fumatore möchte ich den Mantel des Schweigens hängen, denn sie waren ausgesprochen schlecht, langweilig und neben memorablem Material mangelte es auch an Bühnenpräsenz und leider nicht an schlechten Witzen. Die waren vermutlich der Nervosität geschuldet. Eine deutliche Steigerung gegenüber den Deutschen waren Awesome Colour aus den Staaten, deren Mixtur aus Garage, Metal und psychedelischem Rock 'n Roll mehr als unterhaltsam war. Ihr letztes Album erschien auf Ecstatic Peace, allemal ein Grund aufmerksam zu bleiben, was das Treiben der drei Jungspunde (Dame an der Schießbude!) betrifft.

Einziger Minuspunkt des Abends, vernachlässigen wir das Treiben von Mondo Fumatore, war die fehlende zweite Zugabe des Hauptacts. Aber angesichts einer langen Tournee muss man verstehen, dass die alten Säcke Energien sparen müssen.

Setlist Dinosaur jr., München:

01: Been there all the times
02: Budge
03: Lou2 (?)
04: Crumble
05: Pick me up
06: Out there
07: This is all I came to do
08: Feel the pain
09: Raisans
10: Freakscene
11: Kracked
12: Sludgefeast

13: The wagon (Z)
14: Tarpit (Z)

von Eike vom klienicum

Links:

- aus unserem Archiv:
- Dinosaur Jr., Paris, 24.08.07
- Dinosaur Jr., Hohenfelden, 18.08.07





Sonntag, 25. Mai 2008

Scout Niblett, Paris, 24.05.08

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Konzert: Scout Niblett (Beach House)
Ort: La Maroquinerie, Paris
Datum: 24.05.2008Zuschauer: nicht ausverkauft
Konzertdauer: Beach House: ca. 30 Minuten, Scout Niblett, ca. 80 Minuten


Als Abknipser von Konzerten gucke ich mir bei Flickr natürlich auch immer mal wieder an, wen die "Kollegen" so abschiessen. Und da sah ich in den letzten Tagen zu meiner grossen Verwunderung Bilder von Scout Niblett vom Festival "Les nuits botaniques" in Brüssel, auf denen die ansonsten so rebellische Frau ganz brav und hübsch gekleidet war. Man hätte sie für eine fleissige englische Studentin an einer renommierten Universität halten können.

Feine flache Ballerinas, ein weisses Röckchen und dazu ein blauer Cardigan und ein nach Pfadfinderart gebundenes Tuch. So kannte ich sie bisher nicht. Bei dem Konzert, das ich in Paris im Dezember 2007 gesehen hatte (hier nachzulesen!), trug Scout eine im Dunkeln leuchtende orangefarbene Bauarbeiterweste über einem karierten Holzfällerhemd und ihre Haare sahen recht fettig und ungepflegt aus.

Ich war gespannt, wie sie heute in der Maroquinerie erscheinen würde, im Gegensatz zu dem Fotografen Robert Gil, der damals im Dezember auch dabei gewesen war, allerdings weniger erstaunt, als ich sie dann schliesslich im Röckchen vor mir stehen sah. Ihr Look ähnelte demjenigen von Brüssel, bloss das heute ihre Schuhe etwas höher, aber ähnlich manierlich und geschmackvoll waren. Man hätte Scout in diesem Aufzug ohne weiteres konservativen Eltern als die perfekte Schwiegertochter vorstellen können.

Dies galt aber nur so lange, bis sie ihren Mund zum ersten mal so richtig aufgerissen hatte. Dann schrie, keifte, flehte und tobte sie nämlich wie man sie kennt. Das Punk-oder Grungegirlie, das in ihr steckt, hatte sie keineswegs beerdigt. Im Gegenteil, ich hatte den Eindruck, dass sie heute noch viel mehr Biss und Feuer hatte, als vor ein paar Monaten. Und dies im wahrsten Sinne des Wortes, denn sie fletschte regelrecht ihre Zähne und zog die Lippen nach oben. Aber Scout wäre nicht Scout, wenn sie nicht in Sekundenbruchteilen vom lodernden Vulkan zum zuneigungsbedürftigen Kätzchen wechseln könnte. Manchmal kam sie butterweich und sanft daher, nur um den dahindämmernden Zuschauern kurze Zeit später ein brutales Gitarrenriff in die Fresse zu schmettern. Kongenial unterstüzt wurde sie hierbei von ihrem Drummer Kristian Goddard, der sich oft zunächst langsam heranpirschte, bevor er explodierte wie ein Derwisch. Manchmal spielte er schneller als ein Drummer einer Death-Metalband, ein anderes Mal wiederum tippte er sein Becken nur zart an. Vollkommen verblüffend! Und das wunderbare am heutigen Konzertabend war, dass das Zusammenspiel mit Scout's Gitarre und Gesang perfekt harmonierte. Sah ich noch im Dezember ein Duo, dessen grösster Charme das chaotische Element war, so wirkten beide heute höchst professionell und präzise in ihrem Stil. Es war mit Sicherheit kein Zufall, dass die Engländerin nach einem längeren Stimmen ihrer Gitarre schmunzelt ausrief: "just trying to be professionell." Ihr Lächeln war hierbei so zuckersüss und unschuldig wie das eines braven und guterzogenen 14 jährigen Mädchens. Natürlich verzog sie dann kurze Zeit später ihren Mund wieder zu einer Schnute, aber insgesamt war sie heute gleichzeitig entspannt, konzentriert und erstaunlich konstant. Hänger, längere Pausen, Leerlauf, oder Rumgealber gab es heute so gut wie gar nicht. Lediglich einmal griff sie zu einer (Schein)-frage, die zu ihrem Standard-Repertoire gehört: "Do you have any questions?", frug sie scheinbar spontan, aber den Gag kannte ich im Gegensatz zu Neulingen unter den Besuchern schon. Mit solchen Mätzchen hielt sie sich aber nicht lange auf, sondern ging zum nächsten Stück über, schloss ihre Augen und versuchte ihren Gesang den Stimmungen der Lieder möglichst perfekt anzupassen, was ihr hervorragend gelang. Vielleicht lag es an dem guten französischen Rotwein, dass alles so ungewohnt reibungslos flutschte. Den trank sie nämlich aus einem Becher, allerdings immer im Wechsel mit stillem Mineralwasser. Einen betrunkenen Eindruck machte sie nicht, obwohl es etwas komisch aussah, als sie am Ende des regulären Sets mit der Rotweinpulle in der Hand die Bühne verliess...

Zuvor hatte sie so einige Knüller aus ihrem inzischen schon recht stattlichen Repertoire an Liedern auf die Pariser losgelassen. Sie startete zunächst alleine ins Programm und performte "Do You Want To Be Buried With My People" ohne ihren Drummer, bevor dieser zu "Good To Me" mit einstieg. Durch sein druckvolles Spiel gewann das Set deutlich an Dynamik und besonders bei "Hot To Death" vom Album "Kidnapped By Neptune" trommelte er gegen Ende mit 200 Sachen. Vom Aufbau her ein typisches Scout Niblett Stück dieses "Hot To Death". Langsam, schleppend und depressiv startend, befreit sich die Engländerin mit amerikanischem Wohnsitz aus dem Würgegriff der Depression und macht ihrem ganzen Wut und Ärger musikalisch Luft, dass die Fetzen fliegen. Auch "Let Thine Heart Be Warmed" ist ähnlich aufgebaut. Es pirscht sich mit marschähnlichen Drums langsam heran, verharrt zuweilen in der Lethargie und mündet in ein orgastisches Finale. Im Grunde genommen gibt es so gut wie kein einziges "rundes" Lied im Set. Es strotzt nur so vor Brüchen und dramatischen Wendungen und zwar in beide Richtungen. Manchmal wird auch nach einer Sturm- und Drangphase die Rolle rückwärts geübt und ein Stück gleitet wieder in sanftere Fahrwasser. Insofern bleibt es immer spannend und wird nie zu glatt. Dadurch versaut sich die Künstlerin natürlich die Chancen, im kommerziellen Radio gespielt zu werden, bleibt ihrem chaotischen und launischen Naturell aber immer treu.

Vielleicht ist "Kiss" schon das zugänglichste Lied, das Scout je geschrieben hat. Überhaupt ist ihr letztes Album "This Fool Can Die Now", das sie teilweise mit Bonnie "Prince" Billy eingesungen hat, erstaunlich "angenehm" zu hören. Ist die Raubkatze in ihr etwa gezähmt worden?
Wohl kaum, denn bei "Nevada" schnauzt sie einen textlich und gesanglich schon wieder an, dass man fast vor Schreck zusammenfährt: "Put on that suit and let me that costume" bellte sie auch heute wieder und stampfte dazu energisch mit einem Fuss auf den Boden.

Andere Momente, bei denen die Besucher genauer hinschauten war das Interpretieren von "Pom Poms" zu dem Scout hinter den Drums ihres männlichen Kollegen Gitarre spielte und das zynisch-bittere
"Your Beat Kicks Back Like Death",wozu die Grunge-Lady wie eine Verrückte trommelte und allen Optimisten die Laune verdarb: "We all gonna die, woho, we all gonna die"...

À propos Grunge-Lady. Auf ihrer Frage "any requests?"( die auch zu ihrem Standard-Repertoire gehört), antwortete ein Franzose mit dem Wunsch nach einem Nirvana Cover-Song. Die Sängerin überlegte kurz, wie sie kontern sollte und brachte den besten Spruch des Abends: "I thought all my songs sound Nirvana Covers!"

Aber so stimmt das natürlich nicht, die Schublade Grunge-Revival ist zu eng für ein Ausnahmetalent wie Scout Niblett. Sie schwankt zwischen Folk-Sängerin, Singer/Songwriterin und Rockerin wild hin und her und ist auch mit ihrem momentanen, braven Look keineswegs als liebes, schönes Mädchen zu verstehen.

Auch bei der Vorgruppe Beach House wäre die Einordung Dream-Pop, die man durchaus vornehmen könnte, viel zu oberflächlich. Hinter der Sängerin und Keyboarderin mit der etwas eigentümlichen roten Weste und der weissen Hose offenbarte sich mir ziemlich schnell eine Folksängerin mit viel Herz und Seele, die mich stimmlich manchmal an Cat Power, ein anderes Mal sogar an Alela Diane (dann wenn sie forsch und bestimmt rüberkam) erinnerte. Mit jedem Lied glitt ich tiefer hinab in die melancholischen Landschaften, die die drei Leute auf der Bühne (es gab noch einen zusätzlichen Drummer, der eigentlich nicht wirklich zur Band gehört) gestalteten. Vor allem die lockenköpfige Sängerin Victoria Legrand, die ausgezeichnet französisch sprach, jagte mir ein Messer ins Herz. Die Frau, deren Alter ich überhaupt nicht einschätzen konnte, wirkte so traurig und zerbrechlich und schaute mich oft aus ihren tristen, aber gütig wirkenden Augen an. Als sie bei dem Stück "Gila" die Songzeile "Don't you waist your time" sang, kullerte mir spontan eine Träne aus dem Auge. Dazu spielte der Gitarrist in seinem weissen Anzug und auch noch unglaublich schöne Melodien, dass ich dahinschmolz. Das Duo, das mit "Devotion" gerade ihr zweites Album vorgelegt hat, wird definitiv meine Vorgruppe des Jahres werden! Freunde von Au Revoir Simone, Mazzy Star und Blonde Redhead sollten bei den Amerikanern beherzt zugreifen und sich auf den deutschen Konzerten verzaubern lassen!

Konzertermine von Beach House im Juni 2008:

2. Juni: Flèche d'or, Paris (mit Fleet Foxes)
3. Juni: Botanique, Brüssel
(mit Fleet Foxes)
4. Juni: Knust, Hamburg
(mit Fleet Foxes)
5. Juni: Café Zapata
(mit Fleet Foxes)
6. Juni: Ekko, Utrecht
7. Juni: Merleyn, Nijmwegen
8. Juni: Hammersmith Apollo, London (mit Cat Power!!)

anschliessend etliche weitere Termine in UK

Setlist Scout Niblett, La Maroquinerie, Paris:

01: Do You Want Be Buried With my People
02: Good To Me
03: ?
04: Kindnapped By Neptune
05: ?
06: Hot To Death
07: Kiss
08: Pom Poms
09: Your Beat Kicks Back Like Death
10: Wet Road
11: Nevada
12: Let Thine Heart Be Warmed
13: Your Last Chariot
14: Miss My Lion

15: Wolfie (Z)

Fotos von Scout Niblett
Fotos von Beach House



Samstag, 24. Mai 2008

Virginia Jetzt!, Köln, 23.05.08

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Konzert: Virginia Jetzt! (Nino & Thomas akustisch)
Ort: Subway, Köln
Datum: 23.05.2008
Zuschauer: ca. 60
Dauer: 60 min.


Ist die Überschrift jetzt eigentlich richtig? Virginia Jetzt! traten nämlich nicht komplett in Köln auf, das akustische Konzert bestritten (schreckliches Wort, ich will aber nicht so oft "spielen" verwenden) nur Nino Skrotzki und Thomas Dörschel, Sänger und Gitarrist der Band aus Berlin. "Wir sind 2/3 von Virginia Jetzt!", stellten sich die beiden vor. "Heute sind wir sogar 3/4 der Band" - und der Drumcomputer ging an. "Wir sind also die gefühlvolle Fraktion, die anderen sind die - wie sagt man - Haudegen." Einige Male lästerten die beiden über ihre beiden zu Hause gebliebenen Bandkumpels, weil die sich ja nicht wehren könnten, bis ihnen aufging: "Das ist doch morgen alles bei youtube! Die haben auch Internet!" Bei youtube ist es nicht, aber hier...

Aber es stimmte ja auch ("ist doch besser, daß wir hier sind als die, wer guckt sich schon Drum & Bass an?")...

Der Auftritt der beiden war das erste VJ! Konzert seit sieben Monaten, weil die Band im Studio (irgendwo mitten in einem Wald) ist und da an ihrem nächsten Album arbeitet. Nino kündigte an, daß es wahrscheinlich 2008 auch keinen weiteren Auftritt geben werde. Der akustische Abend in Köln war also ein exklusiver. Das Publikum leider auch, es waren leider weit weniger Leute da, als der Saal hätte vertragen können.

Wie gut, daß wir die Plakate zum Konzert erst im Treppenabgang des Subway sahen. Da war 21.30 h als Termin genannt. Als wir um zehn vor elf ankamen, wurden gerade die letzten Vorbereitungen begonnen. Der (wie auch immer große) Bruchteil von Virginia Jetzt! begann das Konzert um kurz nach elf.

Sie hätten den ganzen Tag in einem dunklen Raum verbracht und die Stücke des Abends geprobt, sagte Nino gleich zu Beginn entschuldigend. Wegen der Arbeiten am neuen Album sei es nicht leicht, sich wieder auf die alten Sachen einzustellen. Offenbar hatten die beiden ihre letzten Alben bei dieser Probesession dabei, mit Ausnahme von "Mein Sein" spielten sie ausschließlich Lieder von "Anfänger" und "Land unter". Von den alten Songs.

Spannend war dann natürlich, ob VJ! schon Einblicke in ihre aktuelle Arbeit geben würden. Nach dem Auftakt mit "
Mein Herz ist keine Wohnung" und "Liebeslieder" folgte auch schon ein neues Stück ("Leise gehen"), später im Set mit "Weil Liebe dort beginnt" und "Alles ist gut" zwei weitere. Ich finde es vollkommen unmöglich, die drei Lieder einzuordnen. Einen Song erstmals bei einem akustischen Konzert zu hören, läßt ja noch jeden Spielraum zu. Alle drei Lieder sind ruhig und unterschieden sich damit nicht vom Rest des Programms. Vermutlich hatten Nino & Thomas aber auch nicht die flottesten Nummern des neuen Albums ausgesucht, den akustischen Umständen geschuldet. Gefallen haben mir alle drei, gespannt bin ich also auf die fertigen Versionen. "Alles ist gut" köönte ich mir schon einmal gut als Single vorstellen.

Ganz streng akustisch war der Abend nicht. Neben dem Drumcomputer, kam auch Thomas' Keyboard häufiger zum Einsatz. Im Subway war es ähnlich. Akustisch war das Publikum überhaupt nicht, es war teilweise (wieder mal) fies laut. In so einen kleinen Raum entgeht das der Band natürlich auch nicht. Eines der neuen Stücke stellte Nino als leises Lied vor (sag ich doch), "man darf dabei nicht schwatzen." Es half nicht - das ist der Preis dafür, daß nach einem Konzert noch eine Party, eine I Love Pop Party, um genau zu sein, stattfindet. A propos: ich habe das Leuchtschild der Partyveranstalter vermisst. Habt ihr das der Frau aus Amerika verkauft?

Nach einer Dreiviertelstunde war das Programm zunächst durch. Die beiden reagierten danach auf zugerufene Wünsche damit, daß sie erklärten, sie könnten nicht alles spielen, sie hätten nur noch vier andere Lieder eingeübt. Drei davon waren die erste Zugabe, unter anderem eben das neu "Alles ist gut" und "Mein Sein", als einziges wirklich älteres Stück. Danach fragten sie, ob wir noch etwas hören wollten. "Es kommt sonst Indie-Pop"... - und spielten als letztes "
Das ganz normale Leben".

Unakustisch gefallen mir Virginia Jetzt! besser, auch wenn der Vergleich (im Gloria) ein gutes Jahr zurück liegt. Aber auch in der reduzierten Form haben die Lieder ihren Reiz, daher war es ein sehr schöner Konzertabend. Und wenn ich wacher und aufnahmefähiger gewesen wäre, hätte ich noch deutlich mehr davon gehabt.

01: Mein Herz ist keine Wohnung
02: Liebeslieder
03: Leise gehen (neu)
04: Bitte bleib nicht, wenn Du gehst
05: Weil Liebe dort beginnt (neu)
06: Ich kann nicht wie die anderen
07: Ein ganzer Sommer
08: Mehr als das
09: Weit weg

10: Der Himmel über Berlin (Z)
11: Alles ist gut (neu) (Z)
12: Mein Sein (Z)

13: Das ganz normale Leben (Z)

Links:

- aus unserem Archiv: Virginia Jetzt!, Köln, 16.03.07




Koko von Napoo, Paris, 23.05.08

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Konzert: Koko von Napoo (After Show Party Crystal Castles)

Ort: Paris Paris, Paris (nicht wundern, ich bin nicht besoffen, der Laden trägt zweimal den Namen der französischen Hauptstadt und liegt in ebendieser!)
Datum: 22 u. 23.05.2008 (als ich eintrat war es 23 Uhr 30, das Konzert begann aber erst um 1 Uhr, also am 23.)
Zuschauer: wieviele Snobs passen in den Schuppen? Schätzungsweise 200-250
Konzertdauer: circa 40 Minuten


"Nein - ich gebe nichts!", (kurze Pause) - "Ich habe kein Geld dabei, tut mir Leid!"

Wie bitte? Ich hatte nur einen jungen Mann in Hemd und Anzug gefragt, wo es denn zu dem angesagten Club Paris Paris geht und wollte selbstverständlich nicht um Kleingeld betteln. Die beschriebene Szene ereignete sich in der Nähe der berümten Pariser Oper. Da ich noch nie in dem Laden war, fragte ich eben einen Passanten um Hilfe, von dem ich vermutete, dass er in solchen Etablissements verkehren könnte. Mit seinem Anwalts-bzw. Geschäftsmann-Outfit und dem aufrechten Gang schien er mir die passende Ansprechperson zu sein. Ich lag mit meiner Einschätzung richtig, der arrogante Schnösel wollte auch ins Paris Paris!

"Geh mir einfach nach, ich will auch dahin", murmelte er von oben herab und musterte mich mit seinen blauen Augen und dem Gesicht eines zu gross gewordenen Babys (Haare hatte er mit seinen geschätzten 28-30 Jahren bereits keine mehr auf dem Kopf).

Gerade heute abend hatte ich mir bewusst Eike's richtigen und weisen Kommentar zu Herzen genommen, indem er sich zu recht darüber beschwert hatte, dass ich in meinem Konzertbericht über Meg Baird ein zu vorurteilshaftes Bild von den Jungdynamikern gezeichnet hatte und dann so etwas!

Ich ging also mit dem Anzugträger die Strasse entlang, obwohl er mich zuvor zu einem bettelnden Penner degradiert hatte und behandelte den Tpen, dem ich gerne den Arsch versohlt hätte, ausnehmend höflich und zuvorkommend. "Weshalb ich denn ausgerechnet heute ins Paris Paris müsse?", wollte er plötzlich von mir wissen. - "Da spielt eine Pariser Band, die ich gerne sehen möchte, Koko von Napoo heissen die", informierte ich ihn - "Kenn' ich nicht, was für eine Art von Musik machen die denn?", spielte er interessiert - "Elektro-Pop mit starken Eighties-Anleihen", klärte ich auf. "Hmm", machte er nur.

"Ja und eigentlich findet dieser Konzert-Abend ja statt, weil Crystal Castles eine Aftershow Party geben und Platten auflegen und so", informierte ich ihn eingehender. - "Die kenn' ich auch nicht", sagte er knapp und schien darauf ziemlich stolz zu sein.

"Und was willst Du heute im Paris Paris?", bohrte ich ein wenig nach. - "Ein Arbeitskollege feiert da heute, der hat mich eingeladen; eigentlich gibt es immer zwei Sessions im Paris Paris, einmal sofort nach der Arbeit ("après le boulot", wie er sagte) und dann noch eine spätere. Wenn Du so willst, komme ich jetzt erst für die erste Session."

Der Gedanke an diese seltsamen After-Work Abende wirkte auf mich stark abschreckend (weil ich mir die ganzen jungen Anwälte vorstellte, die nach Feierabend ihre Krawatte in die Jackettasche stecken und um sich locker zu machen, exakt zwei Knöpfe ihres Hemdes öffnen), aber ich liess mir nichts anmerken. "Interessant" heuchelte ich ihm vor. Nach wie vor hatte er diesen musternden und hochnäsigen Blick drauf, aber davon liess ich mich nicht mehr ärgern, denn jezt hiess es an den bulligen Türstehern vorbeizukommen. Wir wünschten uns gegenseitig einen schönen Abend und stellten uns in die Schlange der Wartenden. Gleich nebenan hatte eine Anwaltssozietät ihre Büros, ansonsten waren in dem Gebäude mit dem imposanten Tor jede Menge Psychater und Psychologen niedergelassen, was mich an ein Buch des Zynikers Michel Houellebecq denken liess. Da beschrieb er treffend, dass die ganzen Psychoklempner alle in den feinen Adressen von Paris zu finden seien...

"Was willst Du hier?", raunzte mich einer der beiden Gorillas an, die den Sesam des Paris Paris wie Pitbulls bewachten. - "Ich stehe auf der Liste von Koko von Napoo, die später hier spielen werden", gab ich mich betont selbstsicher, weil ich mir dachte, dass diese Nummer ziehen würde. - "Wer ist das Koko von Napoo?", spielt er ahnungslos und ich hörte die gleiche Frage innerhalb kurzer Zeit zum zweiten Male. - "Eine Band, die treten hier auf und haben mich auf die Gästeliste setzen lassen." Der Typ guckte in die Luft und beachtete mich nicht mehr, da kam sein Gorilla-Kollege mit einer wichtigen Liste an. "Wie heisst Du?" - Ich murmelte meinen Namen, aber das schien im eigentlich egal zu sein. Er hatte keinen Bock, die Liste durchzusehen und liess mich durch. Der Sesam öffnete sich...

Ich ging eine Treppe hinunter und sah Yuppies ausgelassen zu "Push The Button" von den Chemical Brothers tanzen. Es war haargenau so, wie ich mir das von Sylt, Monte Carlo oder Aspen/Colorado vorgestellt hatte. Neureiche Typen liessen die Sau raus, tanzten auf den kleinen runden Tischen und orderten Champagnerflaschen in rauen Mengen. So der so ähnlich muss es im P1 in München sein, dachte ich mir und bekam beim Gedanken an Olli Kahn, der seine strohblonde Verena K ausführt, leichte Magenkrämpfe. Die Frauen im Paris Paris waren sehr jung und hatten Absätze an, die in vielen Fällen locker die 12 cm- Grenze erreichten. Zudem zeigten sie gerne und bewusst Bein und bedeckten ihre Augen mit diesen riesigen Paris Hilton-Sonnenbrillen, obwohl die Sonne nicht gerade senkrecht in den Club schien. Ich kam mir vor wie im Zoo und wollte fast schon wieder gehen, als ich auf den Gitarristen von Koko von Napoo traf. Während die Leute auf der Tanzfläche zu "Karma Chameleon" steilgingen, fragte ich ihn, wann denn mit dem Liveauftritt zu rechnen sei. "Nicht vor 1 Uhr", klärte er mich auf. Es war gerade einmal Mitternacht und ich konnte mir nicht vorstellen, wie ich es so lange hierdrin aushalten könnte. Aber das Eis war gebrochen, ich plauderte noch ein bisschen mit ihm weiter und traf später auch die mir schon bekannten Jungs der Band Hushpuppies. Frank, der Schlagzeuger, sagte mir, dass Olivier Jourdain, der Sänger der Hushpuppies, Koko von Napoo produzieren würde. Alles sei noch sehr amateurhaft, aber das habe ja auch seinen Charme. Ich pflichtete ihm bei und so verging die Zeit dann doch schneller als befürchet.

Irgendwann war dann auch derjenige Teil der Tanzfläche, der eine kleine Rampe zu bieten hatte, zur Konzertbühne hergerichtet.

Die Koko von Napoos gingen in Stellung. Marion, die Keyboarderin mit dem roten Kleidchen musterte ihr Tasteninstrument, Toupie die Sängerin guckte, ob ihre Melodica und das Babykeyboard an ihrem Plätzchen waren und Faustine, die schlagzeugspielende Musikkritikerin (Magazin Magic) setzte sich hinter ihre Drums. Der männliche Bassist und Gitarrist mit dem gepflegten Drei-Tage Bart griff zu einem seiner Saitengeräte, die er im Laufe des Sets wechselte und los ging es mit "Baden Baden".

Baden Baden? Aber das ist doch eine Kurstadt in Deutschland, wie kommt eine französische Band auf einen solchen Titelnamen? Toupie, die Sängerin mit der quietschenden Stimme (ihr Kommentar dazu: "entweder die Leute lieben meine Stimme, oder sie hassen sie"), klärte mich später per e-mail auf. Meine Bandkollegen fanden den Namen sehr lustig und dann fragten sie mich, ob ich nicht ein Lied mit diesem Namen schreiben wolle und das habe ich dann eben gemacht.

Das Lied war brauchbar, aber nicht das beste des Sets. Viel problematischer war für die drei Mädels und den einen Jungen hingegen, dass der Sound nicht so recht passte. Sie konnten ihre Instrumente selbst nicht hören und waren dadurch recht verunsichert. Hinzu kam, dass es dem Grossteil des stark angeheiterten Publikums ohnehin egal war, wer da vorne spielte und was geboten wurde. Eigentlich hätte man auch "Hänschen-Klein" vortragen können, das wäre auch nicht weiter ins Gewicht gefallen. Zum Glück für die Band auf der Bühne gab es aber ausser mir aber noch circa 20 Leute, die sich auch für die Musik von Koko von Napoo interessierte. Und die wurde von Lied zu Lied besser, auch wenn die Soundprobleme bis zum Ende fortbestanden. Mit "I Am Dead" brachten die Pariser einen Knüller in bester New Order Manier, getrieben von einer polternden Basslinie, für die der Hahn im Korb verantwortlich zeichnete. Er hielt den Laden zusammen und führte seine weiblichen Bandkolleginnen mit seinem beherzten Spiel sicher durch das Set. Die Singelauskopplung "Jonbon" war ein weiteres Highlight und dann kam plötzlich auch noch Olivier "Hushpuppies" Jourdain hinzu. Der wie ein Latin Lover aussehende schlanke Kerl spielte zur Belustigung aller Anwesenden Melodica und sang auch ein wenig mit. Dann liess er die Necomer wieder alleine weitermachen und die Emporkömmlinge der Pariser Indie-Szene setzten mit den Ohrwürmern "Polly" und "June", gehalten im Stile von New Wave Pop à la Blondie oder Altered Images, noch weitere positive Akzente (obwohl ich amüsanterweise ihr Englisch mit dem französischen Akzent nicht immer richtig verstand; Was sangen sie da? "A horse should behave like a real horse?" (Polly) ).

Nach vierzig Minuten war dann schliesslich mit "Saadie" Schluss. Der Diskoabend ging allerdings mit lauter Techno-Musik weiter und mein arroganter "Freund" von dem ich eingangs erzählte, soff mit Kollegen Cocktails. Wie in dem Film mit Tom Cruise. Achso und auf einer Leinwand lief übrigens "Miami Vice". Ausgerechnet die Folge mit Phil Collins...

Setlist Koko von Napoo, Paris Paris, Paris:

01: Baden Baden
02: Agence Blaby
03: I Am Dead
04: Jonbon
05: Polaroid
06: Polly
07: June
08: Saadie



 

Konzerttagebuch © 2010

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