Dienstag, 7. Februar 2012

Soap&Skin, Wien, 06.02.12



Konzert: Soap & Skin

Ort: rhiz, Wien
Datum: 06.02.12
Zuschauer: gesteckt voll, 150-180?
Konzertdauer: 60 Minuten


Soap&Skin gratis im rhiz? Viele dachten wohl eher an einen Scherz, als durchsickerte, dass das Ausnahmetalent einen Auftritt in Wohnzimmerdimension spielen würde. Der Fasching treibt ja oft gar seltsame Blüten!

Wer sich trotzdem und auch trotz der kurzfristigen Hysterie um den Gig Richtung rhiz aufmachte, wurde belohnt. Zumindest wenn er vor halb neun ankam, denn da wurde dicht gemacht. Kuschelig wars, aber noch nicht drückend eng. Ein mit einer Plane überdecktes E-Piano stand schon auf der Bühne, ansonsten hieß es bis zur anvisierten Auftrittszeit aber zwei Stunden warten. Alles kein Problem, wenn die Musik dermaßen gut ist, wie sie es in der Veranstaltungsreihe Club Waidwund eben ist. Eigendefinition: "Musikalische Depressionen von unermesslicher Schönheit. Monatlich im rhiz."
Auch vor den Fenstern gab es einiges zu schauen: Zuspätgekommene, die sich einen Platz mit Sicht auf die Bühne sichern wollten, vor allem aber dichtes Schneetreiben. Dies zum ersten Mal richtig in diesem Jahr und auch wenn ich auf Schnee in der Stadt dankend verzichten kann, muss man Neuschnee und der damit verbundenen Atmosphäre schon eine gewisse ästhetische Qualität attestieren. (Morgen darf die weiße Pracht aber gerne wieder verschwunden sein!)
Außerdem tropfte es von den Lüftungsrohren an der Decke, was kleinere Platztauschorgien zur Folge hatte. Je heißer es drinnen wurde, desto irrelevanter wurde der Segen von oben dann aber.

Viertel nach zehn betrat Anja Plaschg dann die - diesmal halbierte - Bühne, deckte das Piano ab und stellte ihr MacBook drauf. Das Gedränge wurde gleich mal größer, da auch die Leute aus dem Foyer vor die Bühne strömten, der Tontechniker bekam dadurch offensichtlich nicht mit, dass seine Dienste schon gefragt waren. Um Sichtkontakt zum etwa fünf Meter entfernten Mann an den Reglern herzustellen, musste sich Plaschg auf die Zehenspitzen stellen und zusätzlich die Hand heben.

Dann ertönten auch schon mächtig die Klavierakkorde von Big Hand Nails Down, dem letzten Song des neuen Albums. Wo zuvor noch laut gelacht wurde, Gläser klirrten und Stühle scharrten, kehrte augenblicklich Stille ein.
Keine andächtige, sondern sehr gespannte. Immerhin handelte es sich hier um den ersten Auftritt der guten Frau seit vielen Monaten und den ersten überhaupt mit neuem Album. Von dem auch Cradlesong stammte, aber gut, zum neuen Album dann vielleicht freitags ein paar Worte, da steht das offizielle Release-Konzert in der Arena an.

Cry Wolf dagegen ist altbekannt, dennoch leistete sich Plaschg einen kleinen Fehler beim Einsatz zur Laptop-Spur und musste neu beginnen. Das schien sie aber überhaupt nicht mehr, wie das vor ein paar Jahren noch so schien, aus der Bahn zu werfen, der zweite Anlauf gelang souverän.
Gewaltiges Nervositätspotenzial hätte aber auch Vater geborgen, Plaschgs Song an ihren Vater, der vor zweieinhalb Jahren plötzlich verstorben war. Der Entstehungsprozess jenes Songs war dem Vernehmen nach mühevoll und belastend, umso bewundernswerter, wie stark Plaschg diesen Song performte. Als Unterstützung darf man da wohl die Anwesenheit ihrer Schwester (zumindest spricht die Ähnlichkeit dafür) werten, die zu ihr gewandt an der Wand saß und die Backing Vocals gab.

Nach dem Applaus folgte ein flotte Improvisation am Piano, die sich aber zu einem richtigen Ausbruch steigerte, Soap&Skin hämmerte in die Tasten wie wild geworden. Etwas richtig Anspruchvolles schien in ihr vorzugehen, das Wort "Anschlag" entfaltete richtiggehend seine Doppelbedeutung. Plötzlich sank Plaschg erschöpft in sich zusammen, "Fuck". Eine Taste des Pianos hatte Schaden genommen. "Mach dir nichts draus! Auf ORF2 war gestern eine Doku über einen Klavierreparateur, der kriegt das sicher wieder hin!", rief jemand aus dem Publikum.
Soap&Skin konnte das nicht wirklich trösten, sie wollte nicht akzeptieren, dass ihr Instrument, das sie seit dem Alter von sieben Jahren besäße, auf einmal hinüber sei. Ihre Miene spiegelte eine Mischung aus Verzweiflung und Fassunglosigkeit, ich rechnete mit dem Abbruch des Konzertes. Gerade als die Taste wieder einrastete und alles erleichtert aufatmete.

Es folgte eine verdammt gute Version eines Kelly Family-Songs (vielleicht sollte ich mich mal mit dieser Kommune beschäftigen), ironischerweise betitelt: She's Crazy.
Zwei Songs von Lovetune for Vacuum später gab es eine weitere Kostprobe aus der musikalischen Frühsozialisation der Steirerin: "Ich spiele jetzt den letzen Song. Ihr kennt ihn." An Angel, wieder von besagter Formation. Und wieder großartig. Ist die Kelly Family einfach unterschätzt, oder hat Soap&Skin schlichtweg die Fähigkeit, aus Scheiße Gold zu machen? Liebe Kenner der Kelly Family, klärt mich auf!

Nicht endenwollende Applausbekundungen zwangen Soap&Skin eine Zugabe auf, wieder ein Cover. The End von den Doors. Ein Klassiker und perfekt passend zu diesem Abend. "This is the end, beautiful friend. This is the end, my only friend."

The end - eine angedeutete Verbeugung und der Abgang. Zurückgelassen: begeistertes, nicht verstörtes, aber desorientiertes Publikum, beschenkt mit einer kostenlosen Darbietung allerhöchster Güte. Von der Straßenlaterne beschienen warf der alte Baum vor dem rhiz einen dunklen, verästelten Schatten auf die beschlagenen Scheiben. Ein Abend, der wieder mal kaum in Worte zu fassen war. Oder doch? "Ich hab ins Dunkle gesehen, ich habe Stimmen gehört. Die waren so schön, wie nichts auf der Welt." Danke, Tocotronic!

Freitag dann mehr über die großartige Dame und ihr neues Werk. Danke Club Waidwund, danke Soap&Skin, danke rhiz. Und danke Winter, für die metereologische Illustration dieses Abends.

Setlist Soap & Skin, Wien, 06.02.12:

01: Big Hand Nails Down
02: Cradlesong
03: Cry Wolf
04: Lost
05: Vater
06: Instrumental
07: She’s Crazy (The Kelly Family Cover)
08: The Sun
09: Thanatos
10: An Angel (The Kelly Family Cover)

11: The End (The Doors Cover) (Z)

Danke für die Fotos an Club Waidwund!



2 Kommentare :

Christoph hat gesagt…

Oh, klingt das gut! Beneide Dich sehr um dieses Konzert!

Zur Einschätzung der Kelly Family kann ich glücklicherweise nichts beitragen :-)

Dirk hat gesagt…

Bei der Kelly Family muss ich auch passen, aber das Cover von "Voyage, Voyage" (Desireless) auf ihrem neuen Album ist schaurig-schön.

 

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