Konzert: Maifeld Derby 2021
Ort: Mannheim Reitstadion
Datum: 03.-05.09.2021
Dauer: 3 Tage
Zuschauer: täglich ca. 1.500
„Der nächste Song handelt von Spaghetti, denn Spaghetti sind ziemlich toll“...Mit dieser
liebenswerten Einleitung zu ihrer neuen Single bringt die luxemburgische Künstlerin C`est
Karma, das positives Lebensgefühl des Wochenendes auf den Punkt.
„Toll“ sind nämlich
auch Festivals und so langsam nimmt die Branche wieder Fahrt auf.
Der Weg zur Jubiläumsausgabe des „Maifeld Derby“ (wenn auch unter Corona-
Bedingungen) glich eher einem 3-fachen Ochser als einer flüssigen Dressur (um mal bei den
beliebten Pferdevergleichen zu bleiben). Verschiebungen, Absagen, Crowdfunding und
andere Hilfen führten aber am Ende doch zum Ziel.
Das Festival konnte also, wenn auch mit extrem kurzer Vorlaufzeit, stattfinden.
Not macht erfinderisch; großes Palastzelt raus, Stühle und neue Bühne am Reitplatz rein.
Viel war von den notwendigen Corona-Maßnahmen durch das straffe Programm und die
clevere Umsetzung zum Glück nicht mehr zu spüren. Lediglich außerhalb des Sitzplatzes
war noch eine Maske notwendig. Ansonsten galten die üblichen 3G-Regeln und das
Einloggen mit Luca und Sogar Camping war möglich.
Musikalisch gab es viel zu erleben.
Das Maifeld Derby steht seit Jahren für musikalische
Breite. Stilgrenzen werden gedehnt, „Scheuklappen“ gibt es nicht.
Auffällig waren in diesem
Jahr Bands und Künstler: innen, die nah am deutschen Schlager musizieren. Edwin Rosen
und Dagobert wagen den Spagat, bringen aber dafür auch schon am Nachmittag das jeweils
zahlreiche Publikum zum Tanzen (natürlich nur am eigenen Platz).
Der Sound von Sofia Portanet ist da variabler. Zwischen 80er Pop, französischem Chanson
und rockigeren Tönen zeigt sie, ebenfalls am Freitag, einen starken Auftritt. Genau wie Alex
Mayr auf der zweiten, kleineren Biergarten-Bühne. Ihre im Studio mit tollem Wall-of Sound
eingespielten Songs führt sie hier in intimeren, etwas schrofferen Tönen auf. Lediglich mit
Bass und Schlagzeug als Begleitung verlieren die Stücke aber fast nichts von ihrer
traumhaften Leichtigkeit. Besonders „Geisterbahn“ gewinnt live nochmal an Intensität.
Weitere Gewinner des Freitags sind Schubsen aus Nürnberg mit ihrem charismatischen
Frontmann Robert Krupar und punkigen Klänge sowie natürlich Cari Cari aus Österreich. Die
beiden überraschen die Zuschauer mit einem elektrischen Didgeridoo und staubigen
Wüstensounds (a la Tarantino) und machen den Reitplatz bei praller Sonne zur
Westernstadt.
Lewsberg aus den Niederlanden dagegen haben ihren Sound etwas verändert. Geige statt
Schlagzeug macht die Songs etwas ruhiger und der brachiale Sound der Hauptbühne, auf
der Drangsal seine rote Latexmaske zur Schau stellt, macht es nicht leichter ihnen zu folgen.
Am Samstag überzeugt die Hauptbühne dann mit vier starken Auftritten: Zunächst Anika , die
betont unterkühlt, mit bewusst unverständlichen Ansagen, der Sonne trotzt. Am Bass brilliert
Jil März von der Band Gurr .
Danach Sophia Kennedy mit Songs ihres starken, neuen Albums „Monsters“ und einer
fantastischen Ausstrahlung, gefolgt von den gefeierten Efterklang , die Hit an Hit reihen.
Sänger Caspar Clausen bekommt das Grinsen gar nicht mehr aus dem Gesicht, soviel Lust
hat die Band, wieder auf der Bühne zu stehen. Ein bewegender Auftritt, der beide Seiten
strahlend zurücklässt.
Headliner am Samstag ist dann noch Sophie Hunger , der man in diesem Jahr als
Konzertgänger wohl nur schwer entkommen kann. Sie verwandelt ihre Songs von Tour zu
Tour mit wechselnder Besetzung ihrer Musiker: innen immer wieder neu. Dieses Mal sind
gleich 5 weitere Sänger: innen dabei und schaffen ein wohlige Atmosphäre zwischen Musical
und Gospel. Echte Emotionalität soll hier in jeder Phase kreiert werden, mich packt es an
diesem Abend leider nicht.
Am Sonntag wird es dann noch heißer. Zur Mittagszeit bleiben viele Zuschauer auf den
Rängen der überdachten Tribüne, was ein großes Loch zwischen Bühne und Rängen
erzeugt. Die oben bereits erwähnte C’est Karma bleibt trotzdem cool, auch wenn ihr Laptop
mit Sonnenstich aufgibt und sich alles gegen Sie zu verschwören scheint. Ihre Songs sind
großartig und hoffentlich hat Sie in naher Zukunft mehr Glück, sich bei großen Festivals zu
beweisen.
Erste Jubelrufe und wilde Tanzeinlagen folgen dann bei Dagobert , der hat netterweise
seinen Freund Kai Shanghai dabei, dessen einsamer Hit „Ananas“ zum Running Gag des
Tages wird. Im Biergarten schwitzen drei junge Bands aus Österreich hintereinander: Culk ,
Dives und Oehl .
Danach senkt sich die Sonne über dem Reitplatz und das große Finale steht an. Besser
hätte der Booking-Gott es nicht planen können. De Wolff aus den Niederlanden lassen
endlich auch mal die Gitarren krachen. Ähnlich wie bei den Hives stehen hier nicht die
Songs, sondern die Performance im Vordergrund. Und die ist, vom roten Cord-Anzug des
Sängers bis zum Gitarrensolo, das hinter dem Rücken gespielt wird, perfekt.
Und dann sind da noch The Notwist , die dem Ganzen die musikalische Absolution erteilen.
In einem wilden Ritt durch die Bandgeschichte, erzeugen sie einen Sog aus Sounds, Licht
und Melodien, denen sonst wirklich nur Radiohead oder LCD-Soundsystem so auf die Bühne
bringen.
Ein wirklich würdiger Abschluss eines tollen Wochenendes, das mit dem ruhigen
und bezaubernden „Consequence“ ein Ende findet.
Für das nächste Jahr wird laut Veranstalter schon fleißig am Line-Up gebastelt. Bald soll es
bereits Infos zum Ticketverkauf für 2022 geben. Die Vorfreude steigt bereits.
Alle Fotos: Michael Graef