Konzert: Jae & General Bye Bye
Ort: ein Wohnzimmer irgendwo in Paris, Oliver Peel Session # 34
Datum: 30.01.11
Zuschauer: 28
Nach der letzte Session, bei der 58 Leute unser Wohnzimmer bevölkerten, hat mich meine Frau (auf dem Foto, die Katze streichelnd) bezüglich der Zuschauerzahl hart an die Leine genommen. "Wenn das nächste Mal wieder so viele kommen, wird es nie wieder ein Konzert bei uns geben!", ließ sie durchblicken und ihrem strengen Gesichtsausdruck entnahm ich, daß sie nicht zu Scherzen aufgelegt war. Ohnehin hat sie bei uns das Sagen, sie ist neben unserem Kater der uneingeschränkte Boss im Hause. Ihr sardisches Temperament hat sie von ihrem Vater in die Wiege gelegt bekommen und wenn die Sarden wütend werden, dann gnade dir Gott! Habe ich Bock, ein Messer in den Rücken gerammt zu bekommen? Nö.
Konsequenz: wir fanden uns an diesem bitterkalten, aber sonnigem Wintertag in Paris in recht kleiner Runde wieder. Meine Frau hatte in der Einladungs E-mail unmissverständlich klargemacht, daß Leute die sich zu spät schriftlich melden, draußen bleiben müssen. So tröpfelten schließlich 25-30 Musikfans ein (darunter die bildhübsche Alice-Anne, Foto) und lümmelten sich auf dem von den Sessions völlig versifften Teppichboden. Rotweinflecke mustern das häßliche, ursprünglich hellbraune Teil und hinterlassen eine Art Kunstwerk im Stile des Art Brut. Vielleicht sollten wir die Teppichteile rausschneiden, von den jeweiligen Übeltätern unterschreiben lassen und bei ebay versteigern? Aber wer würde so was kaufen? Keine Sau. Na, gut, es gibt hirnverbrannte Leute, die den doofen Spickzettel von Jens Lehmann käuflich erworben haben, aber ein Stück Teppich von Oliver Peel? Dann doch lieber Katzenhaare von d'Artagan?!
Aber lassen wir diese absurden Gedankenspiele und kommen zur Musik, denn die war erneut hochklassig. Wie schon am letzten Wochenende wurde wieder holländisch gesprochen, zumindest vor und nach dem Konzert. Unsere gute Stube ist im Moment Anlaufstelle für Talente aus Amsterdam, nach den famosen Bird On The Wire nun die nicht minder talentierte Jessica Sligter alias Jae. Eigentlich dachte ich, daß die Folkeuse in Oslo leben würde, aber das stimmt so nicht mehr. Ihr Aufenthalt in Norwegen ist zu Ende und sie ist zur Zeit wieder in Holland. Dort scheint die Luft besonders inspirierend zu sein, jeder der sie heute abend erleben durfte, wird dies bezeugen können. Aber sie war nicht alleine auf der improvisierten Bühne, sondern spielte zusammen mit einem Gitarristen names Viljam. Ich glaube er ist Finne und er sprach auch gut deutsch. Die beiden schüttelten ein herrliches Set aus dem Ärmel. Ganz relaxt, ohne zu forcieren, ließ Jae ihre liebliche, naturreine Stimme erklingen (man höre Red Around The Eyes bei Myspace!) und erwärmte die Herzen der bedächtig zuhörenden Gäste. Diese waren zwar nicht so zahlreich wie sonst, dafür aber in Applaudierlaune. Selten gab es nach einem Konzert solch donnernden Beifall. Auch die Debüt CD Balles And Kittens, Draught And Strangling Rain fand reißenden Absatz und so kam es, daß ich selbst leer ausging und mir den Tonträger im Geschäft besorgen muss. Er ist übrigens bei dem norwegischen Label Hubro erschienen.
Vor Jae hatten die drei Pariser von General Bye Bye ein äußerst abwechslungsreiches, spannungsgeladenes und ungewöhnliches Konzert abgeliefert. Highlight war der Einsatz einer roten finnischen Harfe, dessen Name mir schon wieder entfallen ist. Ab und zu gab es aber auch pluckernde Diskobeats, melodramatische Songs im Stile von Blonde Redhead und eine Melancholie, die an Serge Gainsbourg und französiche Spielfilme der 1970er Jahre denken ließ.
Anmerkung zu dem Video von General Bye Bye: die Sängerin (eine Deutsche) mit der sensationellen Jane Birkin Stimme, die man im Clip sehen und hören kann, ist nicht mehr in der Band.