Ort: Primeclub Köln
Datum: 12.03.2007
Zuschauer: rappelvoll
Wer jetzt von mir einen objektiven Bericht über das Konzert der schwedischen Songwriterin Anna Ternheim erwartet, wird enttäuscht werden. Das hat die Schwedin in anderthalb Stunden unmöglich gemacht. Aber der Reihe nach:
Vor dem Primeclub hatte sich schon eine Schlange gebildet, als ich ankam. Und wie das dann oft so ist, stellte sich niemand mehr nach mir an. Das passiert auch im Supermarkt oder bei anderen Schlangen so oft, ohne daß ich verstehe, warum das so ist. Es vergingen sicher zehn Minuten, bis die Türen aufgingen und erst kurz vorher stellten sich ein paar Leute noch hinter mir an.
Der Primeclub füllte sich schnell - mit einem ganz anderen Publikum als beim letzten Konzert in dem schmalen und irgendwie vollkommen verbauten Schlauch. Meine letzte Liveband im Primeclub war The View, da war das Publikum jung, englisch und betrunken; die, die zu Anna kamen, erwarteten das, was ich auch erhoffte, einen schönen, sehr akustischen Liederabend mit einer von Talent überschütteten Schwedin. Und diejenigen, die das so erwarteten, waren deutlich älter und gesetzter, viele hatten sicher einen anstrengenden Schultag hinter sich, um dann mit der Ehefrau einen ruhigen Abend zu erleben. Der Bühnenaufbau sah auch passend aus: Vorne standen einige klapprige Holzstühle, vor denen Mikros aufgebaut waren. Eben für einen Liederabend. Ein wenig stutzig machten mich eine große Menge Gitarren und ein ausgewachsenes Schlagzeug im Hintergrund.
Punkt neun setzte sich ein sehr schüchtern wirkender Mann hinter eines der Keyboards und stellte sich als Oren Lavie vor. Seiner myspace-Seite hatte ich schon am Wochenende entnommen, daß er aus London, New York, Berlin & Israel stamme und akustischen Indie mache. Das, was dann kam, war sehr sehr ruhig, vermutlich schön, für mich aber auch sehr langweilig. Irgendwie fehlte mir zu der Musik eine Hotelbar als Ambiente. Unterstützt wurde Oren bei einige Liedern von einer Cellistin (Charlotte), die auf einem der klapprigen Stühle saß. Der Liedermacher setzte sich für zwei Stücke neben sie und spielte dann auf der Gitarre. Schön waren einige der Ansagen des Sängers. Auf seiner CD befindet sich eine Songtrilogie mit dem Motiv "The early bird". Er spielte alle drei Songs "The early bird is late", "The early bird is later" und "The early bird is lost." Nach einer halben Stunde schloß die Hotelbar und mit Oren verschwanden auch alle Stühle von der Bühne.
Aufgebaut wurde dann eine nach einem Rockkonzert aussehende Szene: Da stand plötzlich ein Bass, da war der Platz eines Gitarristen, es wurden mehrere Keyboards installiert. Und in der Mitte wurde ein Mikro sehr sehr hoch montiert.
Kurz vor zehn ging das Licht aus und es erklang von Band das wundervolle Intro der vor kurzen erschienenen zweiten Platte der Schwedin. In die Bandmusik stiegen dann ein Gitarrist und eine Keyboarder ein. Bassist und Schlagzeuger und die riesengroße, in ein schwarzes Cape mit Kaputze gehüllte Anna komplettierten die Band. Es hatte schon etwas Unwirkliches, wie die Frau, die man sich so zierlich vorstellt, wie in einem französichen Fantasy-Film gekleidet auf die Bühne trat. Ich war hin und weg.
Das Konzert begann mit "Girl laying down". Spätestens hier war klar, daß nicht die naked versions, die spärlich instrumentierten Interpretationen der Lieder, die auf einer zweiten CD zum jeweiligen Album erschienen sind, sondern rockige, schnelle, teilweise deutlich härtere Versionen der Stücke gespielt wurden. Das zweite Lied war die Mottomusik des Abends - "Today is a good day". Das Set war bunt gemischt aus Stücken von beiden Alben, Liedern der Naked versions CDs, einem unveröffentlichen Lied.
Vieles war - wie gesagt - sehr viel härter als erwartet. Die Band - und auch Anna - rockten richtig und schienen dabei viel Spaß zu haben. Oliver hatte von den diversen Paris-Shows der Schwedin berichtet, daß sie da ohne Begleitung (aus Kostengründen) aufgetreten sei (und auch im Billigflieger gekommen sei, vor dem Primeclub stand ein ausgewachsener schwedischer Tourbus). Weil ich daher nicht mit einer kompletten Band gerechnet hatte, war es so vielleicht besonders reizvoll. Ich kann mir allerdings auch vorstellen, daß einige im Publikum entsetzt waren, denn es war auch viel lauter als gedacht.
Anna selbst schien sich dessen auch bewußt zu sein. Nach irgendeinem Lied, das sehr unnaked gespielt wurde, sagte sie hinterher, sie sei ja "Singer/Songwriter." Eine herrliche Entschuldigung, auch wenn sie sich wirklich für nichts rechtfertigen mußte.
In der Mitte des Konzerts fragte Anna, ob sie ein schnelleres neues oder ein ruhigeres altes Stück spielen solle. Sie entschied sich dann für das unveröffentliche (alte) "Trouble mind", das nur wenige im Publikum zu kennen schienen. Ralf aus Bielefeld kannte es wohl, denn er tanzte eifrig mit. Einen anderen Zuschauer erkannte Anna: "You were here last year."
Es ist überflüssig, irgendetwas hervorzuheben, da das Konzert keine Schwächen hatte. Der Wechsel aus (hauptsächlich) härteren Liedern und (ab und zu) ruhigen, akustischen Stücken war perfekt, jedes Lied zog. Der Abschluß des regulären Sets war aber ein besonderer Höhepunkt: Mit "Tribute to Linn", "Lovers dream", "Feels like sand" und "Halfway to fivepoints" kamen vier echte Kracher am Ende. Entsprechend begeistert war das Publikum, wobei die Stimmung von Anfang an sehr sehr gut war. Es war offenbar wenig Laufkundschaft da, die Zuschauer kannten Annas Musik, zumindest das aktuelle Album sehr gut. "Halfway to fivepoints", das letzte Lied des aktuellen Albums, sollte ursprünglich das Eröffnungslied der Platte sein. Anna erzählte, sie habe es als erstes geschrieben und man habe es dann mit 32 Flötenspielern arrangieren wollen, um damit die CD beginnen zu lassen. "But it sounded like shit" und so kam die aktuelle Version ans Ende der Platte.
Gesteigert wurde der Abschluß des regulären Teils durch die Zugaben. Anna und Band (alle schwarz gekleidet und damit gut zu ihrem Outfit passend) kamen für "My secret" und "Shoreline" zurück auf die Bühne. "My secret" ist ein gutes Beispiel für die Art, wie die Band die Songs interpretierte. Man hört auf der Studioversion, daß da Gitarre und Bass eine Rolle spielen und das Lied nach einem ruhigen Start (mit Glöckchen) rockiger und intensiver wird. Das wurde live aber erst richtig deutlich. Nach der Klingglöckchen-Phase wurde es immer gitarriger. Anna und der schwedische Gitarrist liefen über die Bühne und rockten, als hätten sie die Band gewechselt. Es war herrlich.
Obwohl ich vom ersten Augenblick an in Anna verliebt war (und damit jeder Objektivität verlustig war), ist wohl unbestritten, daß der Abend ganz ganz nah am perfekten Konzert war. Insofern war ich wohl doch objektiv. Nutzt die Chance, Anna noch in Deutschland zu sehen, sonst verpaßt Ihr eines der Konzerte des Jahres.
Setlist Anna Ternheim:
01: Intro
02: Girl laying down
03: Today is a good day
04: Better be
05: I'll follow you tonight
06: Such a lonely soul
07: Bring down like I
08: A french love
09: Nothing to me
10: Trouble mind
11: Nights in Goodville
12: To be gone
13: One to blame
14: Tribute to Linn
15: Lovers dream
16: Feels like sand
17: Halfway to fivepoints
18: My secret (Z)
19: Shoreline (Z)
Livevideos:
Today is a good day
Such a lonely soul
To be gone
Feels like sand
Links:
- Anna in: Köln (26.09.07)
- Heidelberg (25.09.07)
- Paris, im Dezember 06
- in Paris im Mai 07
- Fotos aus Köln (Stadtgarten) und aus Heidelberg
Vor dem Primeclub hatte sich schon eine Schlange gebildet, als ich ankam. Und wie das dann oft so ist, stellte sich niemand mehr nach mir an. Das passiert auch im Supermarkt oder bei anderen Schlangen so oft, ohne daß ich verstehe, warum das so ist. Es vergingen sicher zehn Minuten, bis die Türen aufgingen und erst kurz vorher stellten sich ein paar Leute noch hinter mir an.
Der Primeclub füllte sich schnell - mit einem ganz anderen Publikum als beim letzten Konzert in dem schmalen und irgendwie vollkommen verbauten Schlauch. Meine letzte Liveband im Primeclub war The View, da war das Publikum jung, englisch und betrunken; die, die zu Anna kamen, erwarteten das, was ich auch erhoffte, einen schönen, sehr akustischen Liederabend mit einer von Talent überschütteten Schwedin. Und diejenigen, die das so erwarteten, waren deutlich älter und gesetzter, viele hatten sicher einen anstrengenden Schultag hinter sich, um dann mit der Ehefrau einen ruhigen Abend zu erleben. Der Bühnenaufbau sah auch passend aus: Vorne standen einige klapprige Holzstühle, vor denen Mikros aufgebaut waren. Eben für einen Liederabend. Ein wenig stutzig machten mich eine große Menge Gitarren und ein ausgewachsenes Schlagzeug im Hintergrund.
Punkt neun setzte sich ein sehr schüchtern wirkender Mann hinter eines der Keyboards und stellte sich als Oren Lavie vor. Seiner myspace-Seite hatte ich schon am Wochenende entnommen, daß er aus London, New York, Berlin & Israel stamme und akustischen Indie mache. Das, was dann kam, war sehr sehr ruhig, vermutlich schön, für mich aber auch sehr langweilig. Irgendwie fehlte mir zu der Musik eine Hotelbar als Ambiente. Unterstützt wurde Oren bei einige Liedern von einer Cellistin (Charlotte), die auf einem der klapprigen Stühle saß. Der Liedermacher setzte sich für zwei Stücke neben sie und spielte dann auf der Gitarre. Schön waren einige der Ansagen des Sängers. Auf seiner CD befindet sich eine Songtrilogie mit dem Motiv "The early bird". Er spielte alle drei Songs "The early bird is late", "The early bird is later" und "The early bird is lost." Nach einer halben Stunde schloß die Hotelbar und mit Oren verschwanden auch alle Stühle von der Bühne.
Aufgebaut wurde dann eine nach einem Rockkonzert aussehende Szene: Da stand plötzlich ein Bass, da war der Platz eines Gitarristen, es wurden mehrere Keyboards installiert. Und in der Mitte wurde ein Mikro sehr sehr hoch montiert.
Kurz vor zehn ging das Licht aus und es erklang von Band das wundervolle Intro der vor kurzen erschienenen zweiten Platte der Schwedin. In die Bandmusik stiegen dann ein Gitarrist und eine Keyboarder ein. Bassist und Schlagzeuger und die riesengroße, in ein schwarzes Cape mit Kaputze gehüllte Anna komplettierten die Band. Es hatte schon etwas Unwirkliches, wie die Frau, die man sich so zierlich vorstellt, wie in einem französichen Fantasy-Film gekleidet auf die Bühne trat. Ich war hin und weg.
Das Konzert begann mit "Girl laying down". Spätestens hier war klar, daß nicht die naked versions, die spärlich instrumentierten Interpretationen der Lieder, die auf einer zweiten CD zum jeweiligen Album erschienen sind, sondern rockige, schnelle, teilweise deutlich härtere Versionen der Stücke gespielt wurden. Das zweite Lied war die Mottomusik des Abends - "Today is a good day". Das Set war bunt gemischt aus Stücken von beiden Alben, Liedern der Naked versions CDs, einem unveröffentlichen Lied.
Vieles war - wie gesagt - sehr viel härter als erwartet. Die Band - und auch Anna - rockten richtig und schienen dabei viel Spaß zu haben. Oliver hatte von den diversen Paris-Shows der Schwedin berichtet, daß sie da ohne Begleitung (aus Kostengründen) aufgetreten sei (und auch im Billigflieger gekommen sei, vor dem Primeclub stand ein ausgewachsener schwedischer Tourbus). Weil ich daher nicht mit einer kompletten Band gerechnet hatte, war es so vielleicht besonders reizvoll. Ich kann mir allerdings auch vorstellen, daß einige im Publikum entsetzt waren, denn es war auch viel lauter als gedacht.
Anna selbst schien sich dessen auch bewußt zu sein. Nach irgendeinem Lied, das sehr unnaked gespielt wurde, sagte sie hinterher, sie sei ja "Singer/Songwriter." Eine herrliche Entschuldigung, auch wenn sie sich wirklich für nichts rechtfertigen mußte.
In der Mitte des Konzerts fragte Anna, ob sie ein schnelleres neues oder ein ruhigeres altes Stück spielen solle. Sie entschied sich dann für das unveröffentliche (alte) "Trouble mind", das nur wenige im Publikum zu kennen schienen. Ralf aus Bielefeld kannte es wohl, denn er tanzte eifrig mit. Einen anderen Zuschauer erkannte Anna: "You were here last year."
Es ist überflüssig, irgendetwas hervorzuheben, da das Konzert keine Schwächen hatte. Der Wechsel aus (hauptsächlich) härteren Liedern und (ab und zu) ruhigen, akustischen Stücken war perfekt, jedes Lied zog. Der Abschluß des regulären Sets war aber ein besonderer Höhepunkt: Mit "Tribute to Linn", "Lovers dream", "Feels like sand" und "Halfway to fivepoints" kamen vier echte Kracher am Ende. Entsprechend begeistert war das Publikum, wobei die Stimmung von Anfang an sehr sehr gut war. Es war offenbar wenig Laufkundschaft da, die Zuschauer kannten Annas Musik, zumindest das aktuelle Album sehr gut. "Halfway to fivepoints", das letzte Lied des aktuellen Albums, sollte ursprünglich das Eröffnungslied der Platte sein. Anna erzählte, sie habe es als erstes geschrieben und man habe es dann mit 32 Flötenspielern arrangieren wollen, um damit die CD beginnen zu lassen. "But it sounded like shit" und so kam die aktuelle Version ans Ende der Platte.
Gesteigert wurde der Abschluß des regulären Teils durch die Zugaben. Anna und Band (alle schwarz gekleidet und damit gut zu ihrem Outfit passend) kamen für "My secret" und "Shoreline" zurück auf die Bühne. "My secret" ist ein gutes Beispiel für die Art, wie die Band die Songs interpretierte. Man hört auf der Studioversion, daß da Gitarre und Bass eine Rolle spielen und das Lied nach einem ruhigen Start (mit Glöckchen) rockiger und intensiver wird. Das wurde live aber erst richtig deutlich. Nach der Klingglöckchen-Phase wurde es immer gitarriger. Anna und der schwedische Gitarrist liefen über die Bühne und rockten, als hätten sie die Band gewechselt. Es war herrlich.
Obwohl ich vom ersten Augenblick an in Anna verliebt war (und damit jeder Objektivität verlustig war), ist wohl unbestritten, daß der Abend ganz ganz nah am perfekten Konzert war. Insofern war ich wohl doch objektiv. Nutzt die Chance, Anna noch in Deutschland zu sehen, sonst verpaßt Ihr eines der Konzerte des Jahres.
Setlist Anna Ternheim:
01: Intro
02: Girl laying down
03: Today is a good day
04: Better be
05: I'll follow you tonight
06: Such a lonely soul
07: Bring down like I
08: A french love
09: Nothing to me
10: Trouble mind
11: Nights in Goodville
12: To be gone
13: One to blame
14: Tribute to Linn
15: Lovers dream
16: Feels like sand
17: Halfway to fivepoints
18: My secret (Z)
19: Shoreline (Z)
Livevideos:
Today is a good day
Such a lonely soul
To be gone
Feels like sand
Links:
- Anna in: Köln (26.09.07)
- Heidelberg (25.09.07)
- Paris, im Dezember 06
- in Paris im Mai 07
- Fotos aus Köln (Stadtgarten) und aus Heidelberg
3 Kommentare :
Objektive Konzertberichte sind sowieso überbewertet! Ein bißchen verliebt sein in die Leute auf der Bühne gehört doch dazu.
Tolles Cape übrigens. Und ein schöner Bericht...
Ich bin SEHR verliebt! ;-)
Aber was das Cape und die Objektivität angeht hast Du sehr recht!
...ich war live dabei!!! Anna war so genial, einfach der Hammer! Anna sieht echt gut aus, tolles Outfit... Super Songauswahl. Hoffentlich kommt Anna bald wieder!! Am Ende gabs sogar noch Autogramme, wie geil ist das denn :-D ...
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