Konzert: Steven Wilson
Ort: Junge Garde Dresden
Datum: 14.07.2018
Dauer: 150 min
Zuschauer: ca. 1500
Endlich war es der 14. Juli und die Vorfreude auf mein drittes Steven Wilson-Konzert - noch dazu unter freiem Himmel in einer der schönsten Freilichtbühnen mindestens in Sachsen war riesig. Bei Ankunft im Großen Garten waren nur wenige Leute unterwegs, obwohl wir spät dran waren. Auch die Wiese vor der Garde war leer, nicht mal ein öffentlicher gastronomischer Betreuerwagen war geöoffnet. Am Einlass war kaum Andrang. Hmm... Bevor hier überhaupt etwas anbrennen sollte, ging es gleich zum Merch. Hier entspann sich ob der leeren Ränge ein kleiner Dialog mit dem Händler. Seiner Meinung nach ist Dresden nach wie vor ein Tal der Ahnungslosen und Steven Wilson ist eben nicht Roland Kaiser. Dennoch waren wir uns einig: Respekt vor Steven Wilson und den Aufrechten, die dada waren und bei 5000 Plätzen immerhin ein gutes Drittel füllten. Mich beschleicht bei wenig gefüllten Konzertstätten immer ein Unwohlsein, weil ich nicht weiß wie Künstler mit sowas umgehen und darauf reagieren.
Als Steven Wilson und seine Begleitband die Bühne betraten wurden sie bejubelt und lautstark begrüßt. Und der Meister ging sofort ans Mikro für ein paar Begrüßungsworte und los ging's mit Nowhere now und Pariah vom neuen Album mit Ninet Tayeb auf der Videoleinwand. Dann stöberte Steven Wilson in der Fundgrube seiner Schätze bis mit Refuge mein Höhepunkt des Abends kam, der Texte wegen und wegen der dazu eingespielten nahegehenden Videobilder.
Steven Wilson nutzte die Bühne, um von Seite zu Seite und von Kollege zu Kollege zu wandern und zu tanzen, er dirigierte das Publikum und spielte mit uns. Im Verlaufe des Abends war dies meine größte Überraschung: ich hatte das Gefühl einen verwandelten Steven Wilson vor mir zu haben. Ganz im Gegensatz zu den Konzerten der Vergangenheit ist aus ihm ein Entertainer geworden, der sich die T-Shirts der Fans ansah und kommentierte, ein ABBA-Fan nicht weit von einem Sodom-Shirt, Bandbreite halt! Und dann sah er das SAGA - T-shirt. Er erzählte, dass er die Band nicht kannte, bevor ihn ein Interviewer fragte, ob er richtig liege mit der Vermutung nach Saga-Einflüssen in Steven Wilsons Musik. Dafür erwähnte er seine Wurzeln wie Ashra Tempel und Neu!, von denen letztere hier kaum bekannt waren. Steven Wilson entschuldigte sich dafür, dass er uns unsere eigenen musikalischen Wegbereiter nahegebracht hatte. Aber Saga blieb der running gag des Abends.
Zur Musik: Steven Wilson spielte natürlich die Songs des aktuellen Albums ergänzt durch eine Reihe Titel aus seinem schier unerschöpflichen Katalog bis hin zu Porcupine Tree-Songs aus den Anfangsjahren dieses Jahrtausends. Und: ich hatte hier schon Abende erlebt, an denen es mir fast die Trommelfelle zerschoss, heute jedoch war die Anlage aufs Beste ausgesteuert und das Zuhören ein Genuss. Die Begleiter glänzten in Soli und als ganzes Ensemble und wurden bei den passenden Gelegenheiten gefeiert.
Nach der Pause brachte Steven Wilson den bekannten und obligatorischen Hinweis, dass er ja bestuhlte Konzerte nicht mag. Wer's glaubt... Und er wundert sich immer wieder, warum die Säle voller Stühle sind und bat Leute mindestens zu Permanating aufzustehen und zu tanzen. Da standen aber eh schon fast alle. Und irgendwie schien er es zu genießen, das Publikum zu fordern und zu unterhalten - halt eine ganz neue Erfahrung.
Vielleicht hat seine musikalische Entwicklung hin zu To the bone auch dazu geführt, dass die enorme Verbreitung des Albums und seiner Musik auch Steven Wilson geöffnet hat. Alle auf und vor der Bühne fühlten sich sichtlich gut.
Und so kam dann auch mit Ancestral der vorerst letzte Song, denn man müsse ja hier pünktlich um 22:30 zum Ende kommen, so dass mit dem Applaus für die Zugaben auch nicht allzu viel Zeit vertan wurde. Schnell kam die Band wieder auf die Bühne. Er als unbekannter Künstler verspüre nicht den Zwang, dass er seine nicht vorhandenen Hits spielen müsse. Sagte es und spielte: The sound of muzak (2002) und Song of unborn (2017) waren die perfekte Klammer und fassten den Abend noch einmal eindrücklich zusammen.
Setlist
Set 1:
Nowhere Now
Pariah
Home Invasion
Regret #9
The Creator Has a Mastertape
Refuge
People Who Eat Darkness
Ancestral
Set 2:
Don't Hate Me
Permanating
Song of I
Lazarus
The Same Asylum as Before
Vermillioncore
Sleep Together
Encore:
The Sound of Muzak
Song of Unborn
stevenwilsonhq.com