Mittwoch, 29. Juni 2011

Wu Lyf, Paris, 28.06.11

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Konzert Wu Lyf (Apes & Horses)

Ort: La Mécanique Ondulatoire, Paris
Datum: 28.06.2011
Zuschauer. etwa 150
Konzertdauer: ungefähr eine Stunde Wu Lyf, Apes & Horses circa 40 Minuten


Um Sackhaaresbreite wäre ich hier nicht reingekommen. Dabei hatte ich, nachdem ich ungefähr eine halbe Stunde bei brütender Hitze in einer Schlange gestanden hatte und dabei von jungen, trendigen Menschen eingekesselt worden war, eigentlich das Ziel so gut wie erreicht. Ich stand unmittelbar vor dem Eingang zum Keller der Pariser Mécanique Ondulatoire, wo das Konzert der gehypten Briten Wu Lyf stattfinden sollte. Dann aber hieß es: "Von nun an kommen nur noch Leute rein, die auf der Liste sind, Karten können keine mehr gekauft werden"...

Und auf einer Liste stand ich nicht, ganz im Gegensatz zu vielen blutjungen Mädchen, die die Band Wu Lyf vor zwei Wochen beim Fernsehsender Canal + gesehen und hinterher kennengelernt hatten und auf einem weißen Zettel vermerkt worden waren. Ich konnte es nicht fassen, da waren kurz vor mir noch die letzten Leute gegen Bezahlung von lediglich 5 Euro in den Keller runtergeklettert und ausgerechnet bei mir wurde der Cut gemacht. So was nennt man dann wohl Pech! Aber ich hatte noch Hoffnungen, denn am Empfang saß eine junge Dame, die für den Veranstalter Supermonamour arbeitet und mich aus der Vergangenheit gut kennt. Sie weiß, daß ich Blogger bin und hat mich bereits einige Male akkreditiert. Ohnehin habe ich einen Draht zu Supermonamour, denn mit Troy von Balthazar und Scout Niblett arbeiten sie auch mit zwei Künstlern zusammen, zu denen ich engen Kontakt pflege. Da sollte es für mich doch ein Klacks sein, hier und heute noch reinzukommen. Oder nicht? Irrtum! Man ließ mich nicht durch! Ich hatte aber kaum genug Zeit, um mich über mein Pech und die mangelnde Kulanz der Veranstalter zu ärgern (ich werde mir das merken, falls diese Leute mal zu einer exklusiven Session von mir kommen wollen!), als mir plötzlich jemand von hinten auf die Schulter tippte. Es handelte sich um den Sänger von Apes & Horses (Foto), den ich bereits zwei mal live gesehen hatte. Ich schilderte ihm mein Problem, fragte ihn ob er mich nicht über seine Liste einschleusen könne. Da verneinte er entschuldigend, sein Kontingent sei leider erschöpft. Doch beim Durchgehen der Namen fiel ihm ein, daß ein Bekannter von ihm kurzfristig abgesagt hatte und ich dessen Platz nehmen könnte. Plötzlich hieß ich also Alban (Name von der Redaktion geändert) und war drin!

Das Kellergewöbe unten war heiß und stickig, viele Teenager standen dicht an dicht, schwitzten wie die Tiere und warteten gespannt darauf, daß es losgeht. Aber bevor sie ihre Lieblinge Wu Lyf bewundern durften, mussten sie sich noch gedulden, denn zuerst waren Apes & Horses dran. Ein französisches Quartett, daß sich seit Monaten alle Auftritte in kleinen Clubs selbst organisiert und deutlich an Spielpraxis hinzugewonnen hat, seitdem ich sie das letzte Mal gesehen habe. Ihr melodisch-melancholischer Indierock klang wesentlich kompakter, tighter, souveräner als vor ein paar Monaten. Wirklich eine hoffnungsvolle Band, die mit Sicherheit mehr englische als französische musikalische Vorbilder hat. An die Tindersticks kann man denken, aber auch an Echo & The Bunnymen oder Calla.

Die Jungs gaben sich allergrößte Mühe, einen guten Eindruck zu hinterlassen und konnten sicherlich auch den ein oderen anderen Fan hinzugewinnen. Ihr Dank ging am Ende vor allem an Wu Lyf, denn diese hatten die Franzosen spontan dazu eingeladen, für sie den Support zu machen, nachdem sie die Burschen von Apes & Horses bei der Fensehsendung Canal + kennengelernt hatten.

Es folgte eine kurze Pause, um etwas Luft zu holen und dann war es um 21 Uhr 15 endlich soweit. Die vier Grünspechte von Wu Lyf aus Manchester bahnten sich den Weg durch das Publikum zur kleinen Bühne und hielten teilweise in meiner unmittelbaren Nachbarschaft noch Schwätzchen mit den Fans. Ein Franzose wollte von dem schüchtern wirkenden Drummer wissen, wer denn auf seinem T-Shirt zu sehen sei, als der Befragte aber antwortete "Frida Kahlo", konnte der Froschfresser mit der Antwort nichts anfangen. Er kannte Frida Kahlo nicht.

Aber es ging ja heute auch nicht um Malerei, sondern Musik. Musik, die laut Aussagen der Zeitschrift Les Inrocks in jeder Hinsicht revolutionär sei.

Schon nach zwei Titeln war aber spätestens klar, daß der Sound von Wu Lyf keineswegs revolutionär war. Die Newcomer spielten zwar beseelt und hochdynamisch auf, handwerklich waren aber Mängel nicht zu überhören. Da war zum einen der Gesang des Leadsängers Ellery Roberts. Krächzig, verraucht und wutschäumend, aber nicht immer sattelfest und oft forciert wirkend. Definitiv kein neuer Ian Curtis, eher ein englischer Caleb Followill auf Extasy. Und seine Band gab zwar alles, war aber nicht so brillant wie es die wirklich Großen der Indieszene sind, denen kaum noch Fehler unterlaufen.

Andererseits waren die zitierten Schwächen von Wu Lyf auch irgendwo ihre Stärken. Das Ungestüme, das Naßforsche, das Respektlose, das ihrem Gebaren innewohnte, hatte nämlich durchaus Charme, ja euphorisierte in den besten Phasen gar die Meute. Bei zwei bis drei Liedern (vor allem dem abschließenden Heavy Pop) ging wirklich der Punk ab und die Zuschauer hüfpten trotz der Hitze wie die Wilden durch den engen Keller.

Gut auch das Teamwork innerhalb Band, Wu Lyf vermittelten den Eindruck einer eingeschworenen, gut zusammenhaltenden Truppe, in der jeder gleich wichtig ist und zum Gelingen des Gesamten beiträgt.

Seltsam allerdings, daß der Sänger nicht in der Mitte, sondern am rechten Bühnenrand (vom Zuschauer aus) agierte. Seine elektrische Orgel stand auf einer hellblauen Tonne und aus dieser Ecke raus schrie er wie ein kastriertes Schwein. Ihm zu Unterstützung kam gesanglich vor allem der optisch an Bono erinnernde Basser, der Chöre und Singalong Passagen druch den Keller brüllte. Ein ziemlich selbstverliebt wirkender Kerl, in dessen Nähe ein eher stiller Gitarrist performte, der als einziger nicht das Hemd auszog, obwohl alle seine drei Kumpels spätestens ab dem dritten Lied mit nacktem Oberkörper dastanden. Das hatte etwas Pubertäres, ging aber durch, weil sowohl Band als auch Publikum wahnsinnig jung waren und ich mich ohnehin fragte, was ich in meinem biblischen Alter (fast vierzig) hier zu suchen hatte.

Peinlich war es allerdings nicht, als alter Knacker hier zu sein. Die epische Kraft, die übersteigerte Theatralik, die verhallten Gitarren und Stimmen, das furiose Schlagzeugspiel, es gab schon Gründe, warum die jungen Menschen im Keller das mochten.

Trotz gelungener Stücke wie Dirt oder Heavy Pop konnte man aber nicht wirklich von einer Sensation, geschweige denn Revolution reden. Die Maccabees beispielsweise spielen genauso zackig und rasant auf, haben in der Person von Orlando Weeks aber zudem noch einen wirklich außergewöhnlich guten Sänger zu bieten, dd/mm/yyyy sind ähnlich ungestüm wie Wu Lyf, haben aber noch mehr Ideen und weniger Pathos, und Oneida aus New York sind noisiger, abgebrühter und spielerisch klar besser.

Nach einer Stunde war also deutlich geworden, daß hier eine durchaus talentierte Band über die Bühne gefetzt ist, die aber definitiv nicht an frühere Lichtgestalten der Musikszene von Manchester wie Joy Division oder The Smiths heranreichen kann.

Seid also skeptisch, wenn euch jemand erzählen will, daß Wu Lyf das achte Weltwunder sind, lehnt sie aber auch nicht allein deshalb ab, weil so ein unverschämt großer Wirbel um sie gemacht wird.

Setlist Wu Lyf, La Mécanique Ondulatoire, Paris:

01: L Y F
02: Cave Song
03: Spitting Blood
04: Dirt
05: 14 Crowns For Me & Your Friends
06: We Bros
07: Summas Bliss
08: Concrete Gold
09: Heavy Pop




Warpaint, Köln, 28.06.11

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Konzert: Warpaint
Ort: KulturKirche Köln
Datum: 28.06.2011
Zuschauer: voll aber nicht überfüllt
Dauer: 85 min


Warpaint mausern sich mehr und mehr zu einer Lieblingsband. Ein gutes Stück dieser Zuneigung basiert auf zweieinhalb Liedern, die ich live im Mai letzten Jahres in Brüssel gesehen hatte; es war Liebe auf den ersten Blick. Damals gab es erst eine EP, im November, als die Kalifornierinnen eine kleine Tour in Deutschland spielten, war das Repertoire schon um die Stücke der ersten Platte The Fool erweitert und in Frankfurt ein atemberaubend gutes, 70 minütiges Konzert abgeliefert.

Im Mai beim Primavera Festival in Barcelona das gleiche Bild: trotz der riesigen Konkurrenz, trotz Pulp, Sufjan Stevens, Mercury Rev, Belle & Sebastian oder The National, das beste Konzert des Wochenendes stammte von den Amerikanerinnen.

Heute nun spielten Warpaint ihr einziges
"Club"konzert in Deutschland. Sie hatten vorher bei Southside / Hurricane und vergangenes Wochenende in Glastonbury Auftritte und überbrücken die Zeit bis zu den nächsten Festivals (Werchter, Sankt Gallen, Arras) mit einigen ausgewählten Shows. Dazu gehörte der heutige Club, die Nippeser KulturKirche, die mit der Veranstaltung wieder einmal ihr gutes Händchen bewies.

Es war heiß in Köln. Ich kam bei 32° an. Daß dann ausgerechnet eine Vorgruppe mit dem Namen Heat eröffnete, war mir zu viel, die mussten ohne mich auskommen.

Die KulturKirche war ziemlich aber wohl nicht ganz voll. Vielleicht verkauft man aber auch nicht so viele Karten, denn vor der Kiche suchten Leute noch Tickets. Nach der Begrüßung durch den Hausherrn Gemeindepfarrer Thomas Diederichs begannen die vier Musikerinnen aus LA um kurz nach neun ihr Konzert.

Das Konzert begann mit Jubilee, einem älteren Lied, das es aber nicht aufs Debütalbum geschafft hatte. Jetzt hat die Band das Stück neu aufgenommen und wird es vermutlich in den kommenden Monaten als Single veröffentlichen. Gesungen wurde Jubilee wie die meisten der Stücke von Gitarristin Emily Kokal. Emily, die rechts stehende Frau, wirkte in ihrem bodenlangen Abschlußballkleid sehr untypisch für eine Rockgitarristin, kam aber offenbar an alle Pedale, denn nichts klang, als schränke sie irgendetwas ein.

Über den Kleidungsstil der vier Frauen hatte ich mich bisher immer amüsiert, da waren mal Witwe-Bolte-Schleifen im Haar, sehr häßliche Overalls, Jogginghosen und Holzfällerhemden zu bewundern. Heute schien die Band sich aber chic gemacht zu haben, dabei stach neben Emilys Kleid vor allem das Dings ins Auge, das Bassistin Jenny Lee Lindberg trug. Das Dings war ein Kleid, vielleicht ein Kaftan, es war giftgrün, weit und lang, aber nicht lang genug, um die stahlblauen Socken und die
roten Turnschuhe zu verdecken. Aber das sollte es wohl auch nicht. Ein echter Hingucker! Das ist der LA-Faktor der Band, ganz ohne Extravaganz geht es wohl nicht. Aber - und das ist entscheidend - sie kann es sich leisten. Warpaint versuchen nicht, musikalische Schwächen durch Outfits (oder Skandale, bekloppte Auftritte oder was auch immer man da nehmen kann) zu übertünchen. Denn sie sind so gut, daß sie auch gerne in lustigen Tierkostümen oder hinter Schattenwänden spielen könnten, schaden würde es nicht.

Und wie gut sie sind, sollte gestern wieder klargeworden sein. Auch wenn man objektiver als ich ist. Die Stücke der Band leben von sagenhaften Melodien, die immer wieder Brüche, Tempowechsel durchlaufen. Immer wieder scheint es, als ginge ein Lied in das nächste über, weil sich die Richtung des Stücks geändert hat. Opfer der Tempowechsel wurden einmal die plötzlich aufkommenden Mitklatscher. Neben uns stand einer, der dabei so weit ausholte, daß der Ordner am Bühnenrand ihn sogar wegschubsten mußte, um keine Ohrfeigen zu bekommen. Das nervige Mitklatschen war aber schnell vorbei, als der Rhythmus sich plötzlich änderte und keiner mehr mitkam!

Am deutlichsten wurde die Komplexität der Melodien bei der zweiten Zugabe Beetles. Da sang erst die links stehende Gitarristin Theresa Wayman, irgendwann nach einem Bruch setzte dann Emily ein, später sang Theresa weiter. Das Lied war gut 15 Minuten lang und endete in einem Postrockgewitter, das keinen Vergleich mit Größen des Genres scheuen muß. Ein Freund kommentierte das mit "die letzten fünf Minuten waren besser als das ganze Mogwai Konzert in der Live Music Hall!"

Ein anderer Höhepunkt des Abends war der Song Warpaint am Anfang des Konzerts, aber sie gaben sich alle nicht viel. Warpaint verfügen über ein unverschämt gutes Repertoire, obwohl sie bisher so wenig veröffentlicht haben. Und dazu kommt, - und das unterscheidet sie von anderen Lieblingen wie The Organ - daß die Amerikanerinnen dies auch live in mindestens gleicher Güte umsetzen können. Man merkt der Band an, daß sie seit 2004 besteht, wenn auch in leicht anderer Besetzung (anfangs war noch Jennys Schwester Shannyn Sossamon Schlagzeugerin). Das Spiel, vor allem das Zusammenspiel ist enorm ausgereift. Besonders gut gefallen mir bei ihren Konzerten die Stellen, wenn die treibenden Beats einsetzen, die aus postrockartigen Stücken plötzlich tanzbare Musik machen!

Vielleicht ist es das, was Warpaint nicht bloß zu einem Abklatsch irgendeiner schon
dagewesenen Band macht. Bei den eben genannten The Organ war das ähnlich, auch wenn die beiden musikalisch nicht viel gemein haben. Aber sowohl die Lieblingskanadierinnen als auch Warpaint haben einen eigenen musikalischen Charakter und sind eben nicht die Mischung aus fünf anderen Bands, die nach schneller Starteuphorie schrecklich zu langweilen anfängt. Warpaint werde ich auch in zwei Jahren noch lieben, daran zweifele ich keine Sekunde.

Ob das jetzt das beste Konzert des Jahres war, wie ich noch adrenalingeschädigt direkt nach der Show dachte, weiß ich allerdings nicht. Es gibt schließlich starke Konkurrenz... Warpaint beim Primavera.


Setlist Warpaint, KulturKirche Köln:

01: Jubilee
02: Bees
03: Warpaint
04: Burgundy
05: Composure
06: Undertow
07: Set your arms down
08: Majesty
09: Elephants

10: Baby (Emily solo) (Z)
11: Beetles (Z)

Links:

- aus unserem Archiv:
- Warpaint, Amsterdam, 19.06.11

- Warpaint, Barcelona, 28.05.11
- Warpaint, Frankfurt, 11.11.10
- Warpaint, Paris, 06.11.10
- Warpaint, Brüssel, 16.05.10


Dienstag, 28. Juni 2011

Hauschka, Paris, 26.06.11

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Konzert: Hauschka

Ort: La Gaité Lyrique, Paris

Datum: 26.06.2011
Zuschauer: geschätzte 100

Konzertdauer: etwa 70-75 Minuten



Deutsche Musiker trifft man relativ selten auf Pariser Bühnen, aber wenn sie nicht gerade Tokio Hotel, Rammstein, Wir Sind Helden oder Beatsteaks heißen, sind sie meistens richtig gut und entdeckenswert. So haben in der Seine Metropole in den letzten Jahren bereits feine Acts wie Mohna, Haruko, Get Well Soon, The Notwist, Norman Palm, Garda, Mascha Qrella (Foto), Nils Frahm, Boo Hoo, Contriva, Bodi Bill, Saroos, Sorry Gilberto, Noel, Pubkulies & Rebecca, Bettina Koester (von Malaria), Jack November, die Einstürzenden Neubeuten, die Goldenen Zitronen, Mediengruppe Telekommander, Robocop Kraus, Polarkreis 18 (sind die noch gut?), die Sterne, Fotos und noch ein paar anderes gespielt und Entertainment For The Braindead und Karo habe ich mir (genau wie Mohna) gleich zu einer Session ins Wohnzimmer bestellt.

Der Düsseldorfer Pianist Volker Bertelmann aka Hauschka dürfte wegen seiner eigenwilligen Bearbeitung seines Pianos für eine Oliver Peel Session allerdings kaum in Frage kommen, obwohl ich ihn wahnsinnig gerne einladen würde.*

Glücklicherweise bot die Pariser Gaité Lyrique die perfekten Räumlichkeiten, um ein Klavierkonzert mit Hauschka zu veranstalten und so konnte sich der Rheinländer endlich in die Liste der in Paris aufgetretenen deutschen Künstler einreihen.

Gleich schon zu Beginn hatte der wahnsinnig nette und höfliche Turnschuhträger in akzentfreiem englisch* erklärt, daß er als Düsseldorfer ja eigentlich nur vier Stunden von Paris entfernt wohne und es insofern seltsam sei, daß er hier noch nie gespielt habe, führte dies aber auf die fehlenden Räumlichkeiten für seine Musik in Paris zurück. Mit der Gaité Lyrique gäbe es aber nun eine Location, die gleichzeitig klassische Konzerte ermögliche, aber nicht so groß wie beispielsweise der Salle Pleyel sei. Schön für ihn und natürlich auch für uns, die neugierigen Zuschauer, die wir auf senfgelben Kinosesseln gespannt auf den Anfang des Konzertes von Hauschka warteten.

Ein gemischtes Publikum im Übrigen, bestehend aus Herren mit Halbglatze (wir sagten in der Schule immer: der Typ hat ein Knie auf dem Kopf), jungen hübschen Französinnen, alternativen Damen mit Birkenstocksandalen, Japanern (die lieben Klavierkonzerte!) und auch deutschen Fans, die wohl von ihren alten Freunden in der Heimat darüber unterrichtet worden waren, daß da ein sehr talentierter Düsseldorfer in Paris spiele.



Der schlanke Mitdreißiger legte gegen 15 Uhr 30 los, es handelte sich um eine spezielle Nachmittagsveranstaltung. Ganz am Anfang klang das Ganze noch relativ konventionell, aber schon sehr bald belustigte und verblüffte Hauschka die Zuschauer mit seinen diversen Gimmicks. Verschlüsse, Kronkorken, Klebebänder, ja sogar Tischtennisbälle platzierte der kreative Musiker im Innenraum seines geöffneten Flügels, um so seinen Anschlag zu verändern und auch diverse Geräusche zu erzeugen. Etwas Vergleichbares hatte ich zuvor noch nicht gesehen und so staunte ich Bauklötze, was man alles mit diesen kleinen Gegenständen machen konnte und wie sehr der Sound des Klaviers dadurch verändert wurde. Dennoch ging der Wohklang keineswegs verloren, sondern der Klangteppich wurde durch die innovative Bearbeitung (Umfrisierung?) des Tasteninstruments vielmehr bereichert.

Erstaunlich, daß wir es bei Volker Bertelmann mit einem ehemaligen Hip Hoper (!) zu tun hatten, der mit seiner Band sogar einen Major Label Vertag bei Sony vorweisen konnte. Aber diese Welt (vor allem die Arbeit mit einem großen Mainstream Label) sagte ihm nicht recht zu, wie er schmunzelnd erklärte. Er suche inzwischen viel eher nach kurioser ungewöhnlicher und neuartiger Musik und die findet er oft im Café eines Düsseldorfers Freundes, der in der dortigen Kunsthalle den schön benannten "Salon des Amateurs" betreibt. Ein Salon, der offen ist für viele neue Projekte und Musikstile und sich nach holprigem Start (was laut Volker an dem schummrigen Licht lag) zu einem wunderbaren Tip für neugierige und aufgeschlossene Musikfans entwickelt hat. Deshalb hat Hauschka auch gleich sein letztes (das insgesamt siebte seit 2004) hochgelobtes Album nach diesem Ort benannt. Ein Album, das übrigens auf Fatcat Records, einem hervorragenden Label, veröffentlicht wurde, daß dereinst sogar Sigur Ros beheimatete und auch heute noch viele exquiste Bands unter Vertrag hat.

Hauschka machte dem Label alle Ehre, sein Auftritt in Paris war so betörend schön und unterhaltsam, daß das Publikum unbedingt noch eine Zugabe hören wollte, die der Pianist nicht verweigern konnte, weil er keine Kabine hatte, in die er sich hätte zurückziehen können. Stattdessen hörte er einen Moment dem Applaus zu und setzte sich auf eine rückwärtige rote Bank, die ihn glatt an eine Therapiesitzung bei einem Psychiater erinnerte.

Fazit: Solange sie so hervorragend sind wie Hauschka, sind deutsche Künstler in Paris hochwillkommen! Wie wäre es demnächst mal wieder mit Nils Frahm? Der ist ebenfalls Pianist, verfolgt aber einen anderen Ansatz als Hauschka.



Link:

Gewohnt informativ und fachkundig, das Klienicum zu einem Konzert von Hauschka beim Frameworks Festival 2011, klick!

* schlecht formuliert. Das Problem ist nicht die Bearbeitung des Pianos, sondern die Tatsache, daß er einen richtigen Flügel braucht. Und den haben wir nicht bei uns. Mit einem elektrischen Klavier kann er nicht spielen, zumindest nicht so, wie es seinem experimentellen Stil entspricht.

* französisch hatte er 7 Jahre lang in der Schule, aber seine Erinnerungen daran waren nicht mehr ganz so frisch.



Montag, 27. Juni 2011

Die Fantastischen Vier, Luxemburg, 26.06.11

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Konzert: Die Fantastischen Vier
Ort: Rock A Field, Luxemburg
Datum: 26.06.2011
Zuschauer: ein paar Tausend
Dauer: gut 60 min


Daß ich die Fantastischen Vier nicht leiden kann, stimmt nicht, sie waren mir immer egal. Natürlich kenne ich ihre Hits. Auch jemand, der kaum (Hit-)Radio hört, bekommt die zwangsläufig mit. Aber häufiger habe ich Thomas D. und Smudo abseits der bzw. ihrer Musik erlebt.

Das Konzept des Rock A Field ist eigentlich ein sehr gutes: auf zwei Bühnen spielen abwechselnd Bands. Es findet also immer genau ein Konzert statt. Leider hat man dabei zwar nicht bedacht, daß nach Ende des letzten Taktes des einen Auftritts auch die Möglichkeit bestehen sollte, zum anderen Konzert zu kommen - aber das ist ein anderes Thema. Es bietet aber eben auch die Möglichkeiten, einmal "neue Bands" zu entdecken, zu denen man nicht ginge, spielten parallel die üblichen verdächtigen Indieacts.

So kam ich also zu den Fantastischen Vier.

Und, was soll ich sagen, das Konzert war hervorragend.

Ich bin auch nach der Stunde mit den Vier kein Fan, werde sicher nie Platten von ihnen kaufen oder hören, bin aber extrem begeistert, wie die Schwaben (und der Hesse), den Platz schnell und dauerhaft zum Feiern zu bringen. Natürlich haben Fanta 4 (jett fange ich schon so an) dies schon tausendfach gemacht, dem Konzert fehlte aber jede Abgezocktheit oder spürbare Professionalität (außer vielleicht den schneeweißen, nagelneuen Turnschuhe, die nahelegten, daß vor jedem Konzert aus einem Schuhtrailer jungfräuliche Paare gegriffen werden).

Das Konzert lief etwa so ab: vorne stehen die drei Rapper (oder MCs, ich habe keine Ahnung, die drei vorne halt) Thomas D., der Eifelkommunarde, Rennfahrer Smudo und Michi Beck. Hinter Mischpult oder Keyboard macht And. Y. (oder so) das Quartett komplett. Um die Fanta 4 herum dann noch die Begleitband, Gitarre, Bass, Schlagzeug, Percussions, Keyboard. Die drei vorne hüpfen und tanzen und lassen bis auf Smudos Kopf nicht erkennen, daß die Herren Mitte 40 sind. Das hört sich ein wenig albern an, ist es aber nicht, es ist unterhaltsam.

Die Hälfte der Lieder kannte ich (Tag am Meer, Troy, MFG...), den Rest nicht, darum ging es aber auch nicht, die Musik war egal, nicht unangenehm aber egal. Die Stimmung war toll, ich wiederhole mich, aber das war die Quintessenz der Stunde.

Einmal wurde es sogar urkomisch: irgendwann gingen Smudo und Michi Beck von der Bühne, Thomas D. sollte alleine Krieger singen. Dazu bedurfte es einer albernen kleinen Vorbereitung. Der Sänger zog sein T-Shirt aus, damit die Schultertattoos besser zur Geltung kommen konnten, stellte sich mit dem Rücken zu uns auf und ließ die Schultern kreisen. Krieger halt, der sich auf den Feldzug vorbereitet. Eine harmlose aber eben auch alberne Selbstdarstellung. Dann vergaß er aber sehr schnell den Text, grinste, und rappte nach einer sehr langen Pause weiter. Smudo, der nur im Auto richtig schnell zu sein scheint, rannte auf die Bühne, um seinem Kollegen grinsend zu helfen, kam aber zu spät, da rappte es schon wieder. Ich bin sicher, die Band hatte Spaß an der Episode, das Publikum hatte!

Das war eine horizonterweiternde Stunde, yeah yeah yeah!

Setlist Die Fantastischen Vier, Rock A Field, Luxemburg:

01: Wie Gladiatoren
02: Gebt uns ruhig die Schuld (den Rest könnt ihr behalten)
03: Ichisichisichisich
04: Danke
05: Smudo in Zukunft
06: Krieger
07: Was geht
08: Yeah yeah yeah
09: MFG
10: Tag am Meer
11: Ernten, was wir säen
12: Troy

- keine Links



Arcade Fire, Luxemburg, 26.06.11

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Konzert: Arcade Fire
Ort: Rock A Field, Luxemburg
Datum: 26.06.2011
Zuschauer: das Festival war nicht ausverkauft
Dauer: gut 70 min


Auf dieses Konzert habe ich mich seit Wochen gefreut, Arcade Fire! Im vergangenen Jahr (im November) hatten die Kanadier ein atemberaubendes Konzert in Düsseldorf hingelegt, das das beste 2010 sein sollte. Trotz Philipshalle und trotz schlimmer Verkehrsverhältnisse war das einer dieser Konzertabende, an die man sich noch in Jahren erinnern wird. So wie mein erstes Mal Arcade Fire, als noch ein blonder Owen Pallett Teil der Band war.

Heute bei Rock A Field hätte es auch wieder so sein sollen, das war der Plan. Als ich auf dem Festivalgelände auf einer Lichtung bei Roeser ankam, zwischen Luxemburg Stadt und der französischen Grenze gelegen, spielte gerade einer dieser beknackten Lärmbands, die jedes Jahr Teil des Lineups sind. Diesmal war es Bullet For My Valentine (wenn es nach mir ginge "Bullets For His Valentine's Valentine"), und die Band bestätigte alle Vorurteile, die ich ihr gegenüber pflege.

Es folgten Die Fantastischen Vier und die Wombats, bevor bereits um halb neun Arcade Fire anfangen sollten. Vergangene Woche war der längste Tag des Jahres, die Sonne schien also noch, als die Band auftrat. Den tiefere Bedeutung hinter dem Zeitplan hatte ich ohnehin nicht verstanden, daß hinter der mit Abstand bedeutendsten Band des Festivals noch Elbow, die Arctic Monkeys und Goose folgen sollten, war für Leute wie mich, die früh nach Hause fahren wollten, gut, aber doch etwas ungewöhnlich, wo Startzeiten doch vergleichbar mit der Buchstabengröße auf den Plakaten Indikator für die Relevanz der Gruppe sind. Sei's drum, so war das Licht für die Bilder wenigstens besser.

Bevor die kanadischen Grammy- und Britpop-Award Sieger erschienen, wurden sie von einer alten amerikanischen Werbetafel (digital) angekündigt: "Coming soon - Arcade Fire" Sehr hübsch!

Alles andere als hübsch war dann aber der Sound. Ready to start verpuffte regelrecht in dumpfem Bassgewummer. So etwas erlebt man speziell bei Festivals ja leider immer wieder, oft bekommt die Soundcrew das aber schnell in den Griff, aber nicht hier. Es blieb dumpf, sodaß wir unsere Plätze vorne schnell aufgaben, um es weiter hinten zu versuchen, aber auch von da klang es nicht viel besser. Schade, aber damit war das Konzert schon gelaufen; kein Vergleich zu dem Auftritt im November in der ungeliebten Düsseldorfer Halle, in der Arcade Fire fabelhaft klangen!

Die Setlist war eine verkürzte Festivalversion des Programms von Düsseldorf. Während ich auf Rococo zum Beispiel gut und gerne verzichten konnte, war das Wegfallen von Laïka schmerzhafter. Aber bei kürzerer Spielzeit, großer Hitdichte und der Tatsache, daß offenbar Lieder (ein Lied) wie Sprawl II, das zu den schwächsten der Band zählt, gesetzt sind, müssen eben auch zwangsläufig Riesenhits auf der Strecke bleiben.

Das punkigste Stück der Band, Month of May von der aktuellen, preisgekrönten
Platte, das live sonst abräumt, fiel auch dem Soundbrei zum Opfer, es klang nur nach Krach.

Daß Arcade Fire aber auch schlecht klingend spannend anzusehen sind, liegt an ihrer immer wieder wilden Bühnenshow. Auch wenn das Rumspringen, das wilde Trommelverprügeln, die Positionswechsel
tausendmal praktiziert sind, hat das immer wieder einen improvisierten Charakter. Da dauert es zwischen zwei Liedern auch schon einmal etwas länger, bis jeder am Platz ist. Von Abgehobenheit nach dem weltweiten Popularitätssprung durch den Grammy ist nichts zu spüren. Wenn Win Butler ("der mit der Nazifrisur", wie empörte Twitter-User nach der Grammy Show feststellten, als nicht Lady Gaga oder Justin Bieber den Preis gewannen, sondern diese Arcade Who aus Ca-na-da) erwähnte "we won a fucking Grammy earlier!" wirkte das nicht großkotzig, es war vielmehr so ein "ihr glaubt gar nicht, was passiert ist."

Kein Konzert des Jahres von der besten Band der Welt. Aber ein guter Anlaß, sie schnell wiederzusehen!


Setlist Arcade Fire, Rock A Field, Luxemburg:

01: Ready to start
02: Keep the car running
03: No cars go
04: Haïti
05: Intervention
06: The suburbs
07: Month of may
08: Neighborhood #1 (Tunnels)
09: Sprawl II (Mountains beyond mountains)
10: We used to wait
11: Neighborhood #3 (Power out)
12: Rebellion (Lies)
13: Wake up

Links:

- Arcade Fire, Wiesen, 22.06.11
- Arcade Fire, Düsseldorf, 29.11.10
- Arcade Fire, Paris, 29.08.10
- Arcade Fire, Paris, 05.07.10
- Arcade Fire, Paris, 24.08.07
- Arcade Fire, Köln, 22.08.07
- Arcade Fire, Nimes, 22.07.07
- Arcade Fire, Paris, 20.03.07
- mehr Fotos





Sonntag, 26. Juni 2011

William Fitzsimmons, Paris, 24.06.11

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Konzert: William Fitzsimmons (Slow Runner, Maria Taylor)

Ort: La Maroquinerie, Paris
Datum: 24.06.2011
Zuschauer: geschätzte 300-350


William Fitzsimmons und seine dreiköpfige Begleitband Slow Runner boten in der Pariser Maroquinerie ein wirklich schönes, wenngleich ein etwas gleichförmiges, zuweilen langatmiges Konzert. Fitzsimmons hatte mal bei einem früheren Auftritt scherzhaft gesagt: "My songs all sound the same" und so ganz falsch lag er mit dieser Aussage gar nicht. Vor allem seine Stimme setzte er durchgängig sehr sanft und zärtlich ein. Das gefiel den zahlreichen Romantikern im Publikum (viele Händchen haltende Pärchen, das wäre nix für meine Frau und mich, wir sind da eher nüchtern), ich hingegen hätte mir an der ein oder anderen Stelle gerne etwas mehr Feuer und Aufbegehren gewünscht. Regt sich denn dieser grundsympathische Bartträger nie auf? Diese Frage konnte man sich durchaus stellen und vermutlich ist er wirklich nur sehr schwer aus der Ruhe zu bringen, dieser William!

Der Sohn blinder Eltern hat sicherlich von klein auf gelernt, ruhig und besonnen zu bleiben und nie die Kontrolle zu verlieren. Ist er nicht auch Psychiater? Psychoterrorpeut? Ich las so etwas mal und ich könnte ihn mir wirklich gut als Therapeuten vorstellen. Wobei seine Konzerte durchaus den Charakter von Therapiesitzungen besitzen und sowohl ihm auch den Zuhörern Linderung verschaffen. Seinen hübschen Liedern wohnt einfach etwas enorm Tröstliches inne.

Beautiful Girl oder The Tide Pulls From The Moon das ist doch kuscheliger als jeder Schal! Fragile, tief in den eigenen Befindlichkeiten wühlende Stücke, die einen verletztlichen, feinfühligen Menschen erkennen lassen. Wobei William anscheinend keineswegs gesteigerten Wert darauf legt, tiefgründig zu sein, obwohl ihn jeder dafür hält. "I'm not deep" sagte er in einer der vielen witzigen und humorvollen Szenen (Männer, die traurige Lieder schreiben sind meistens lustig, siehe auch Bonnie "Prince" Billy!) und konnte sich ein Grinsen nicht verkneifen. Zuvor hatter er bereits ein paar andere Kalauer herausgehauen und schon gleich zu Beginn der Show für Schmunzler gesorgt, als er ankündigte, daß er und seine Kumpels sich heute nicht ausziehen würden, falls das denn jemand erwartet oder gar erhofft hätte.

Für den ulkigsten Moment schlechthin sorgte aber sein Schlagzeuger Joshua. Der von Fitzsimmons als Vielfraß beschriebene Bursche saß plötzlich zu einem Song mit zwei Baguette-Stangen in seinen Händen da. William drehte sich um und fragte: "was mampfst du denn schon wieder da?", als sich der Drummer kurzerhand dazu entschied, mit dem (angebissenen!) Brot Schlagzeug zu spielen. Und das klang richtig gut und professionell! Wer hätte gedacht, daß man mit Baguettes Schlagzeug spielen kann? Niemand! Der Saal johlte!

So machte Fitzsimmons schließlich deutlich, daß man auch als trister Singer/Songwriter viel Spaß und Klamauk vemitteln kann, vor allem wenn man eine solch amüsante Begleitband wie Slow Runner dabei hat.

Diese hatte zuvor ihre eigenen Lieder gespielt und dabei ein ansprechendes Konzert abgeliefert. Die Aussage von Christoph: "sie haben mir ausgezeichnet gefallen" konnte ich allerdings ebenso wenig unterschreiben wie seine zitierten Referenzen die Shins oder Death Cab for Cutie. Sie klangen eher nach Sufjan Stevens, Badly Drawn Boy Chris Garneau, manchmal fast nach Coldplay. Der Sound wurde dominiert von Pianoklängen und der inoffensiven Stimme von Michale Flynn. Recht hübsch, aber etwas harmlos und seicht.

Slow Runner waren aber nicht die einzige Vorgruppe von Fitzsimmons, denn um 20 Uhr 30 hatte eine Dame, Maria Taylor, den folkigen Konzertabend eröffnet. Vor noch recht spärlicher Kulisse spielte die hübsche, wenngleich spindeldürre brünette Chanteuse countryeske Lovesongs auf ihrer Akustikgitarre und schaffte es, die bereits anwesenden Zuschauer zu unterhalten. Sie erklärte gleich zu Beginn, daß sie ziemlich nervös sei, ließ sich das in der weiteren Folge aber nicht großartig anmerken.

In Deutschland kennt man Maria Taylor sowohl als Solokünstlerin, als auch als Teil von Azure Ray und zudem durch die Zusammenarbeit (und Affäre) mit Conor Oberst von Bright Eyes. In Frankreich hingegen ist Taylor wirklich ein unbeschriebenes Blatt. Es könnte sehr gut sein, daß sie heuer zum ersten Mal überhaupt in Paris gespielt hat, sicher bin ich allerdings nicht. Sie musste sich ihre Aufmerksamkeit deshalb auch hier in der Maroquinerie hart erarbeiten und hatte nicht von Beginn an gewonnen.

Wunderbar ihre countrygefärbte Stimme, filigran ihr Fingerpicking. Mit ihren langen Fingern zupfte sie schöne Melodien aus ihrer Akustischen und betörte nicht nur durch ihren Schlafzimmerblick (diese mandelförmigen Augen, hach!), sondern auch durch ihre mysteriöse, leicht ins gothische gehende Ausstrahlung. Es lag viel Schwermut, aber auch eine gehörige Portion Warmherzigkeit und Sanftmütigkeit in ihren Kompositionen, die an Dolly Parton oder Tift Merrit erinnerten. In der heutigen bis auf den Knochen abgespeckten Variante klangen die Stücke anders als auf den reichhaltig instrumentierten Alben, aber das war für mich eher positiv als negativ. So stand letztlich nämlich ihre Stimme absolut im Vordergund und diese besaß eine starke Anziehunsgkraft. Ich hing ihr förmlich eine halbe Stunde lang an den schmalen Lippen...

Was die Setlist anbelangt, kann ich berichten, daß Maria einige neue Lieder ihres im August erscheinenden fünften Albums Overlook, aber auch ein paar alte Sachen wie z. B. das feine Cartoons And Forever Plans gespielt hat.

Lasst euch Maria Taylor nicht entgehen, wenn sie mit William Fitzsimmons durch deusche Lande tourt!


Setlist William Fitzsimmons, La Maroquinerie, Paris, klick!
Setlist Slow Runner, La Maroquinerie, Paris, klick!
Setlist Maria Taylor, La Maroquinerie, Paris, klick!




Austra & MIT, Köln, 25.06.11

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Konzert: Austra & MIT (c/o pop)
Ort: Kammerkonzertsaal des Deutschlandfunks, Köln
Datum: 25.06.2011
Zuschauer: vielleicht 300
Dauer: jeweils 50 min


Ein weiterer besonderer Abend. Im Rahmen der c/o pop gaben MIT aus Köln und Austra aus Toronto Konzerte im Kammerkonzertsaal meines Lieblingsradios.

Zu nächtlicher Stunde erst einmal Kurzzusammenfassungen:

MIT spielten fast im Dunkeln, nur von wenigen Lampen hinter der Bühne angeleuchtet. In Besetzung Gesang, Synthie, Schlagzeug klang das Set oft nach Kraftwerk aus der Boing Boom Tschak Phase oder nach einer aufgepeppten Neue Deutsche Welle Band. Das war recht gut, aber sehr gleich auf Dauer.

Austra aus Kanada leben von der Stimme von Katie Stelmanis, die ihre musikalischen Wurzeln durchaus in der Klassik sieht (sie nennt z.B. Debussy und Bach als Einflüsse). Mich erinnerte die Musik der Band beim ersten Hören manchmal an Kate Bush, heute auch an eine uneklige Version von Evanescence. Der Auftritt war sehr gut, besonders das Zusammenspiel der Frontfrau mit ihren beiden rechts und links stehenden Mitsängerinnen beeindruckte.

Setlist Austra, Kammerkonzertsaal des Deutschlandfunks, c/o pop:
(noch ohne Gewähr, ich glaube, ich habe ein Lied vergessen)

01: Darken her horse
02: Shoot the water
03: Hate crime
04: Lose it
05: The choke
06: ?
07: Beat and the pulse
08: Spellwork

09: The future (Z)
10: Woodstock (Joni Mitchell Cover) (Z)



Syd Matters, 25.06.11

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Konzert: Syd Matters

Ort: Hippodrome de Longchamps, Paris (Festival Solidays)
Datum: 25.06.2011
Zuschauer: tausende
Konzertdauer: etwa eine Stunde


"Sag doch einfach, du seist an Aids erkrankt, dann lassen sie dich bestimmt umsonst rein".

Mein Bekannter Maxime (Name von der Redaktion geändert), den ich zufällig vor dem Eingang zum Festivalgelände traf, war mal wieder zu makabren Scherzen aufgelegt. Frei nach dem Motto: Aidskranke haben bei einer Wohltätigkeitsveranstaltung zugunsten der Aidshilfe freien und unbeschränkten Zugang, auch ganz ohne Karte oder Listenplatz. War natürlich nicht so und selbst wenn, dann galt das nicht für mich, denn ich bin HIV-negativ.

Somit musste ich also bei den Solidays 2011 draußen bleiben. Wie ein Hund in einem feinen Restaurant. Wie so oft zahlte ich den Preis für mein extremes Bedürfnis nach größtmöglicher Flexibilität und Spontaneität. Einen 3 Tages -Festivalpass hatte ich mir nämlich für die Veranstaltung nicht besorgt und mich erst ganz kurzfristig entschieden, heute am 2. Tag gegen 22 Uhr aufzukreuzen. Nur für Syd Matters. Der Rest des Line-Ups interessierte mich nicht sonderlich, da wollte ich Prioritäten setzen. Eine Akkreditierungsanfrage war deshalb für mich auch nicht in Frage gekommen.

Zu meiner Enttäuschung musste ich dann feststellen, daß auch keine Tageskarten mehr verkauft wurden, weil diese restlos ausverkauft waren. Und Leute, die überschüssige Tickets verscherbeln oder gar Schwarzhändler waren auch weit und breit nicht zu sehen. Mit Sicherheit lag das daran, daß der Festivaltag quasi gelaufen war und niemand mehr mit Nachfrage für ein Konzert um 10 Uhr abends rechnete.

Was nun tun? Unverrichteter Dinge die Rückreise antreten? Das wäre wohl die logische Lösung gewesen. Da ich aber vom Gelände kommend Töne vernahm, die eindeutig nach Syd Matters klangen, entschied ich mich, draußen vor dem Zaun einfach ein wenig zuzuhören. Wie damals in der DDR, als die Musikfans das Konzert von Michael Jackson vor dem Reichstag (19. Juni 1988) auf der falschen Seite der Mauer mitverfolgten, um wenigstens ein klein wenig das Gefühl zu haben, sie seien dabei gewesen.

Die ersten Lieder kamen ziemlich verschwommen herüber, aber Hi-Life konnte ich klar erkennen und sogar auf die Distanz fast genießen.


Syd Matters - Hi Life par val3rie-live

Mann, wie ich Syd Matters liebe! Für kaum eine andere Band auf dieser Welt würde ich wie ein räudiger Hund vor einem Zaun lungern, um wenigstens kleine Reste von einem Konzert zu erhaschen. Aber für diese sensationelle Gruppe machte ich gerne eine Ausnahme und konzentrierte mich enorm, um Liedfetzen zu erkennen. Keine so leichte Übung, denn ich musste den Krach, der von den anderen Bühnen kam, so gut es geht ausblenden. Was hörte ich da? Ach genau, Watcher! Ein Song vom zweiten Album, der lange Zeit ein Schattendasein fristete, aber in diesem Jahr live eine Rennaissance bzw. vielmehr eine absolut packende Neuinterpretierung erlebte. Eine psychedelische Bombe mit hypnotischer Sprengkraft, die auch auf die Distanz hin wirkte. Es galt die Phantasie zu bemühen, sich wieder dass umwerfende Konzert vom Olympia ins Gedächtnis zu rufen, wo sie diesen Song so faszinierend dargeboten hatten. "I'm just a watcher, trying to catch her, waiting for shadow behind the window...". Wahrlich der Hammer.

Und es wurde noch nachgelegt. Nach It's A Nickname erklang nun Bones, ein bedächtig startendes Stück vom ersten Album, daß 2011 ebenfalls ganz neu arrangiert wurde und mir im Olympia ein ekstatisches, postrockiges Ende par excellence beschert hatte. Auch heute wurde der Track bis zum Geht-nicht-mehr ausgereizt und dauerte sicherlich fast 10 furiose Minuten.


#31 Syd Matters - Bones par lecargo

Das Thema erstes Album war damit aber noch nicht erledigt, denn kurze Zeit später wurde auch der Stone Man zum Besten gegeben und auch dieser klang anders und aufregend, so als handele es sich um einen neuen Titel. Wahnsinn, dieses Talent von Syd Matters, dem alten Material neues Leben einzuhauchen und es frisch und quicklebendig zu performen!

Mit Anytime Now! wurde schließlich nach circa einer Stunde ein Festivalauftritt beschlossen, denn ich zwar nicht gesehen, dafür aber (halbwegs) gehört habe. Und nur ein paar Fitzel der genialen Syd Mtters sind immer noch besser als nichts.

À propos Fitzel. Nur ganz wenig Stoff hatten die Damen an, die mir auf meinem Fußweg zur nächsten U-Bahn über den Weg liefen. In dieser südlichen Gegend von Paris orientierungstechnisch nicht unbedingt sattelfest, wußte ich nicht, daß das Waldstück, in das ich eingebogen war, extrem lang war und von Damen (oder Transsexuellen?) des horizontalen Gewerbes bevölkert wird. Überall standen sie da, diese spärlich bekleideten Ladies (?) und hielten mich sicherlich für einen potentiellen Kunden. Statt sie eines Blickes zu würdigen, stapfte ich allerdings im Laufschritt an ihnen vorbei, den Kopfhörer mit Musik von Syd Matters auf den Ohren. Die französische Ausnahmeband bedeutet mir soviel mehr als käufliche Liebe. Ihre Songs sind schlechtweg unbezahlbar.

Das nächste Mal möchte ich sie allerdings auch wieder von Nahem sehen, meine Rolle als Zaungast soll keine dauerhafte bleiben...

Setlist Syd Matters, Solidays:

01: Obstacles
02: Wolfmother
03: Hi-Life
04: Watcher
05: It's A Nickname
06: Bones
07: Hadrian's Wall
08: Halalscillag
09: Stone Man
10: Anytime Now!
11: Me & My Horses

Fotos: Archiv.



 

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