Mittwoch, 13. September 2023

Misty Fields Festival, De Groote Peel, 08.09.-10.09.2023

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Konzert: Misty Fields Festival
Ort: De Groote Peel
Datum: 08.09.-10.09.2023
Dauer: 3 Tage
Zuschauer: ausverkauft


Machen wir es kurz: Diese Ausgabe des Misty Field Festivals war einfach fantastisch. Obwohl wir dieses Jahr nur am Samstag vor Ort waren, zeigten sich wieder alle Schönheiten der Ausgabe. 

Ja, dass Misty Fields ist gewachsen. Und nein, es hat ihm bisher nicht geschadet. Wir reden immer noch einem kleinen Festival. Ein Festival, dass sich keinen Millimeter beim Line-Up hat verbiegen lassen. Das immer noch wie von Meisterhand kuratiert wird und keine großen Namen auf dem Poster benötigt. Mittlerweile gibt es zwei Zeltbühnen, eine Waldbühne, div. Party/Silent Disco/DJ- und Zirkus Acts, begleitet von außergewöhnlich gutem Essen und Craft-Bier. 


Trotzdem kommt man wegen der tollen Newcomer, wie zum Beispiel die am frühen Nachmittag spielenden Flying Colours (Reeperbahn Festival ahead), bevor der beste Schweizer Export von Black Sea Dahu im Zelt übernehmen. Die Band ist in Deutschland zwar schon lange kein Newcomer mehr, aber live immer noch herausragend. Wesentlich dynamischer als noch vor einigen Jahren, wechselt der Sound zwischen verträumten Hippie-Anleihen und breitem „Arcade Fire“ Indierock. Die beiden Schwestern am Gesang und Bass sind in Feierlaune, der lange Festivalsommer endet für die Band genau hier und jetzt. 


Eine (ok, gelogen...zwei) schnelle Frikandel später steigt die Vorfreude, auf die mit Vorschusslorbeeren überschütteten Lambrini Girls. Queerer Punk ist ja gerade voll im Trend und Phoebe, Lily und Catt starten furios. Eigentlich spielen, zumindest Gitarre und Bass, fast ausschließlich IM Publikum.



Wer Panic Shack oder Hotwax in diesem Jahr schon gesehen hat, bekommt eine Ahnung. Alles wirkt spontan und ausgelassen. Bei den Ansagen merkt man  aber schnell: Es geht um mehr. Das ist die Musik, die jetzt aus England kommen sollte. modern, wütend und wild. 


Danach mussten bei großer Hitze erstmal wieder die Textilien getrocknet werden. Schwierig, wenn der DJ am Eingang das Zelt mit Vinyl schon vor Sonnenuntergang zum Beben bringt. Aufgelegt wird natürlich stilecht aus einem alten, umgebauten Feuerwehrauto. Einfach schön. Preoccupations are next..., eine Band die ich sehr mag, aber komischerweise noch nie live gesehen habe. 


Ich mochte den trockenen und musikalisch etwas monotonen Sound sehr, ein Stimmungshighlight für alle wurde aus dem Auftritt aber nicht. Ganz im Gegenteil zur vielleicht „hottesten“ Band aus New York in diesem Jahr. Bodega spielen in der Tradition von LCD Soundsystem eine fantastische Show. In so kleinem Rahmen wird man die Band wohl nie wieder erleben können.


Der Termin für nächstes Jahr ist geblockt. Dann auch wieder für das ganze Wochenende. Das Misty Fields hat sich einen festen Platz im Festivalkalender spielerisch erarbeitet. Das ist gerade im Vergleich zu Deutschland bemerkenswert. Hier hatten fast alle kleineren Festivals ein hartes Jahr, was ihre Besucherzahlen angeht. 

Tickets für 2024 gibt es bereits ab Samstag, den 16.09.2023 bei: Misty Fields 2024 - Early Bird 


Fotos: Michael Graef






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Dienstag, 5. September 2023

Vorbericht / Reeperbahn Festival Hamburg 20.09-23.09.2023

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Konzert: Reeperbahn Festival 2023 - Vorbericht
Ort: div. Orte / Hamburg
Datum: 20.09.-23.09.2023
Dauer: 4 Tage




Das Reeperbahn Festival vom 20.-23-09.2023 präsentiert auch diesmal wieder unzählige Konzerte und ein großes Rahmen Programm. Wie immer sind Tages-, Wochenend- und Tickets für das komplette Festival auf der Webseite erhältlich.

Auf alle unsere Lieblinge hinzuweisen ist gar nicht möglich. Ein paar Tipps wollen wir euch aber natürlich mit auf den Weg nach Hamburg geben. Fast alle haben wir bereits live gesehen. 


Für die besonders begehrten Konzerte in der Elb-Philharmonie sticht der späte Slot von Altin Gün am Samstag heraus. Ein echter
 Newcomer ist die bunte Band aus Amsterdam zwar nicht mehr, wird aber mit ihrer wuchtigen Live Power die Philharmonie definitiv zum Tanzen bringen. 

Vorab wandelt an selber Stelle Matt Corby auf den souligen Pfaden von Paolo Nutini. Im normalen Programm beginnt der Mittwoch mit vielen weiblichen Acts, alle sehr zu empfehlen. Arlo Parks als Headliner bedarf keiner Vorstellung mehr. Auch Brockhoff und Florence Welch aus Düsseldorf dürften durch diverse Auftritte bereits einen guten Eindruck bei vielen hinterlassen haben. 

Aus dem Indie-Bereich sind Deadletter und Tramhaus, Sparkling (Albumproduzent: Goddard/Doyle-LCDSoundsystem) und English Teacher eine sichere Bank. 


Am Donnerstag bespielen dann so unterschiedliche Künstler/innen wie Paula Paula, die folkigen Taylor-Geschwister von The Staves, die "No Waver" von Asbest, der allseits bekannte Bernhoft und die neuen Teenie-Idole von The last Dinner Party die Bühnen der Reeperbahn. 

Der Freitag endet hoffentlich spät mit den punkigen Sprints aus Irland und dem gepflegten College Rock von Girl Scout. Davor präsentiert Christian Löffler sein neues Elektronik-Projekt in der ehrwürdigen Großen Freiheit 36, gleich nachdem der frische Oscar Gewinner (Volker Bertelmann) Hauschka im Resonanzraum (wo immer das sein mag) Songs aus seinem neuen, im Oktober erscheinenden Album vorgestellt hat. Was für ein Doppel. 


Am Samstag dann der vlt. beste Newcomer aus Deutschland. Augn geben in bester Sleaford Mod Besetzung auf die Augen und Ohren. Holly Humberstone wird zum Träumen anregen, Arab Strap sind immer eine Reise wert und Teleman waren schon immer Lieblinge des Konzerttagebuchs. 


Bleiben noch zwei besonders Tipps: Bipolar Feminin aus Österreich haben im Spiegelzelt in Haldern dieses Jahr bereits voll überzeugt. Und Joe Unknown spielte dieses Jahr noch völlig unbekannt beim Lowlands Festival eine Show, die auch sofort auf der Hauptbühne funktioniert hätte.

Lasst uns zusammen feiern und gute Musik genießen. Wo könnte dies besser funktionieren als in Hamburg. Wir werden berichten. 

Fotos: Reeperbahn Festival


Dienstag, 8. August 2023

Haldern Pop Festival 2023

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Konzert: Haldern Pop Festival 2023
Ort: Haldern/Niederrhein
Datum: 03.-05.08.2023
Dauer: 3 Tage
Zuschauer: ca. 5.500



Schon Tage vor dem diesjährigen Haldern Pop Festival war klar: Es wird wieder eine besondere Ausgabe. Stündliche Updates auf allen Kanälen erklärten das Wacken Festival zum Notstandsgebiet und auch der Niederrhein sollte nicht verschont bleiben. Die letztjährige Hitzeschlacht noch vor Augen, war der Gedanke an nächtliche Kältegrade und andauernde Regenfälle unvorstellbar, sollte sich aber bewahrheiten. Das Orga-Team des Festivals blieb aber immer ruhig und vertraute auf die Gelassenheit der Stammgäste und die eigene Erfahrung. 

Um es vorwegzunehmen: Es gab keinerlei Einschränkungen im Programm und bis auf einige, vom Schlamm verschluckte Schuhe, auch keine größeren Probleme für die Besucher. Richten wir daher das Augenmerk lieber auf die Schönheiten der Ausgabe. Wieder einmal präsentierte sich das Haldern Pop als Füllhorn für Newcomer und ausgewählte Headliner, die eigentlich durch die Bank nur eines gemeinsam hatten: Musikalische Qualität. Dort, wo andere Festivals ihren Besuchern mit diversen sichtbaren oder unsichtbaren Aktionen, wie Sparmaßnahmen (weniger Bands) und neuen Einnahmequellen (Glamping, Parkgebühren) zu Leibe rücken, nimmt das gallische Dorf am Niederrhein immer noch eine Ausnahmestellung ein. 

Trotzdem sollten den Zeichen der Zeit, wie einer zunehmenden Überalterung des Publikums, konsequent entgegengewirkt werden. In Zeiten, in denen für viele das Line-Up alleiniges Kaufkriterium darstellt, muss der Mehrwert des Markenkerns Haldern Pop in die Köpfe der jüngeren Generationen. Und der liegt auf Diversität und ein Hand kuratiertes Line-Up. Ein riesiges Poster mit allen Künstler*innen der letzten 40 Jahre am Eingang veranschaulichte dies auf beindruckende Weise. 


Der Beginn im Spiegelzelt am Donnerstag macht dann auch keine Ausnahme. „Special Interest“ starten mit einer lauten, zeitgeistigen und wuchtigen Show die die Anwesenden schonmal auf Betriebstemperatur bringt und thematisieren den Altersdurchschnitt direkt mit einem sarkastischen „you are collecting vinyl, aren`t you ?“. Da bleibt kaum Luft und Zeit sich erstmal mit Gelände und alten Bekannten vertraut zu machen, denn als Nächstes folgt direkt einer der wenigen, lästigen Überschneidungen. 


Brockhoff präsentiert modernen, eingängigen Pop im kleinen, bereits übervollen Niederrheinzelt, während die New Yorker Nation of Language dem Sound von New Order neuen Glanz verleihen. Beides mit Potenzial für größere Bühnen. Dachte man, mit dem Bassisten von Nation of Language den kuriosesten Männerhaarschnitt bereits früh ausgemacht zu haben, wurde es noch einmal eng. Mit den fantastischen Wunderhorse gab es im Anschluss direkt neue Highlights im Bereich Mullit zu bestaunen. 


Die Band wirkt noch etwas unreif auf der Bühne. Sie beginnen, vielleicht auch aus fehlenden Selbstvertrauen, mit den eigentlich stärksten Songs, können aber trotzdem voll überzeugen. „Leader oft he Pack“ hat das Zeug zum echten Hit. Wer Razorlight oder die Fontaines D.C. mag, ist hier genau richtig. Auf der Hauptbühne gibt es derweil koreanischen Hip-Hop. Balming Tiger nutzen die Breite der Bühne endlich einmal komplett aus und der Regen legt endlich die ersten Pausen ein. 

Das kommt für die Meisten wie gerufen und so entwickelt sich der kleine Doppel-Headliner von Tom Odell und den nachfolgenden Leoniden zur fast nicht mehr geglaubten Party an diesem „Wet Thursday“. Gut, wem trotzdem noch nicht nach Schlafen zu Mute ist. Einer der verlässlichsten Highlights sind bekanntermaßen jedes Jahr die letzten Bands im Spiegelzelt, zu ganz später Stunde. 

Und auch dieses Mal wird wirklich keiner enttäuscht. Hamish Hawk präsentiert uns eine waschechte Crooner Show mit mehr als subtilen Anleihen an große Vorbilder wie Suede und Morrissey. Damit bereitet der den Boden für den Abriss mit Ansage: Panic Shack aus Cardiff zerlegen das Zelt zwar etwas zärtlicher als noch die Idles oder Back Midi in den vergangenen Jahren. Trotzdem bekommt man bei dem herrlich melodiösen Punk Pop und den unvergleichlichen Texten „he put the milk in first“ das Grinsen einfach nicht aus dem Gesicht. Am Freitag bestätigt sich dann endlich die alte Seher Weisheit aus Asterix: „Auf Regen wird Sonnenschein folgen“. 


Der Dorfplatz füllt sich schnell. Eine Bühne gibt es zwar dort dieses Jahr nicht, aber der kleine Biergarten ist perfekt, um endlich die Kontakte zu pflegen, die das straffe Programm am Donnerstag nicht zuließ. Rolf Blumig, schon beim Maifeld Derby eine Überraschung, weiß kurze Zeit später im Jugendheim zu begeistern. Teilweise nah am Pop, dann aber wieder absurd komisch und filigran, spielt er mit seinem Publikum. 

Es folgt eine volle Ladung Gitarrenbands wie schon lange nicht mehr. Courting und Gurriers spielen wilde Sets voller Energie, unterbrochen von Pavements letztjährigem Support Katy J. Pearson, die das Ganze etwas ruhiger, aber musikalisch ausgereifter angeht.


Und trotzdem gibt es zwei große, andere Gewinner des Abends im Bereich Indierock: Porridge Radio erhalten einen prominenten Slot auf der Hauptbühne. Wie verdient dies ist, belegt die Band eindrucksvoll mit einem magischen Set voller Spielfreude. Sängerin Darga Margolin schreit, lacht und springt fast über den Wellenbrecher. Es ist DIE Band der Zeit, genau am interessantesten Punkt ihrer Karriere. 


Diese füllt bei der nächsten Band schon fast Bücher. Die Nerven spielen 75 Minuten im Spiegelzelt. Längere Auftrittszeiten können ja bei Festivals schnell ermüden. Hier ist der Mix aus neuen Songs und einem großen Backkatalog ein Segen. Die Nerven sind locker. Der Ernst und die Wut sind zwar noch spürbar, aber es macht jetzt einfach mehr Spaß als früher, ihnen bei diesem Vortrag zu folgen. 

Besonders schön, dass das Haldern Pop an allen Abenden einen tanzbaren Abschuss auf der Hauptbühne präsentiert. Nach den Leoniden am Donnerstag und den wilden Comet is Coming am Samstag ist es an diesem Abend an den Belgiern von Glauque, uns mit treibenden Beats und sprachgewaltigem Rap ins Zelt zu entlassen. 

Wenn einen da nicht noch Low Cut Connie im Spiegelzelt zur Umkehr bewegt hätten. Ein Orkan eines Auftrittes. Little Richard revisited. Auch wenn die Songs am nächsten Morgen vergessen sind, wird hier mit unzähligen Musikern das große All American Songbook zelebriert. Was für eine Nacht. 



Das Tipi des Grauens (ein „geheimes“ Partyzelt, bisher immer nur im Backstage-Bereich platziert), fordert erste Opfer. Der Gang ins Dorf und zum täglichen Pflaumenkuchen muss am nächsten Morgen entfallen, und so startet der Tag mit dem erwarteten Knall im Spiegelzelt. Die zurecht mit Vorschusslorbeeren bedachten Bipolar Feminin pusten einem wieder Leben in den Körper. Mit dem Gestus von Zeltingers Tochter werden aufwühlender Punk und eindringliche Texte dargeboten, denen man sich nicht entziehen möchte. 

The Mysterines wollen es danach etwas zu gut machen, aber gerade deshalb springt der Funke des Arctic Monkeys Support heute nicht über. Schade. Kein Problem, denn es folgt vielleicht Belgiens bester Pop Act zurzeit. 


Sylvie Kreusch wandelt fast etwas zu sehr auf Lykke Li`s Spuren, hat aber genug gute Songs dabei, damit dies nicht zu sehr in Gewicht fällt. Lasziv tanzend spielen Sie und ihre große Band mit dem Publikum und gehört definitiv nächstes Jahr auf die Hauptbühne, oder eigentlich auf jede Hauptbühne. Einer der imposantesten Auftritte des gesamten Wochenendes, auch oder weil es einfach Pop war. 

Immer wieder setzt Regen ein und lässt daher wieder kein entspanntes Quatschen und Schlendern auf dem Gelände zu. Daher fallen für mich auch Emilie Zoe und Lanterns on the Lake mehr oder weniger aus. Der ein oder andere denkt an die Abreise, oder wie diese überhaupt stattfinden kann. Besonders bei den ruhigen Klängen, mit einem mutigen Spot auf der Hauptbühne angesetzten Konzert von Hania Rani, bleibt Zeit zum Träumen. 

Wieviel besser hätte dieser Gig auf der Wiese bei einem großartigen Sonnenuntergang funktioniert? Zum Abend hin wird es dann aber tatsächlich wieder trockener und einen Iren als Headliner stört so etwas eh nicht. 


Glen Hansard gab sich schon am Mittag volksnah wie immer und schlenderte kurz mit gelbem Regenmantel über das Gelände. So nah kommt man einem Oskar Gewinner nur selten. Auf der Bühne zeigt er sich dann wie immer eklektisch aber überraschend elektrisch. Die E-Gitarre sah man bei ihm ja bisher eher selten, heute spielt fast im Geiste von Neil Young auf, begleitet von einer großartigen Band steht die fast perfekte Show der ersten Hälfte in krassem Kontrast zur Zweiten. 

Hier dominiert wieder die irische Improvisationskunst. Diverse Gäste entern die Bühne, ein Sinead O`Connor Snippet hier, ein Solostück von Susan O`Neill dort. Es ist die helle Freude. Nach 75 Minuten ist Glen Hansard gerade warmgespielt, da ist leider schon wieder Schluss. Ein toller Abschluss und auch ein würdiges Ende dieser 40. Ausgabe. Was bleibt am Ende als Fazit? 


Jeder sollte nach diesem Wochenende für diese einmalige Wundertüte eines Festivals und deren spezieller Spielorte werben. Mit dem Kleben von Postern und guter Hoffnung ist es in dieser übervollen Veranstaltungswelt nicht mehr getan, um das übliche „ausverkauft“ zu vermelden. Haldern lebt von den persönlichen Erfahrungen und Erinnerungen. Lasst mehr Leute aus eurem Umfeld daran teilhaben und dann gemeinsam neue Erlebnisse kreieren. „Spread the word".

alle Fotos: Denis Schinner


Donnerstag, 13. Juli 2023

BBK Live - Festival Bilbao

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Konzert: BBK-Bilbao Festival
Ort: Bilabo
Datum: 06.07.-08.07.2023
Dauer: 3 Tage
Zuschauer: 40.000/Tag




Der Blick über den Tellerrand ist ja meistens spannend und bringt neue Sichtweisen und Erkenntnisse. Festivals außerhalb meines normalen Aktionsradius zu besuchen, war selten notwendig. Die Niederlande und einige schöne Festivals in Deutschland boten bisher alle erdenklichen Bands im Wandel der Zeit. 

Dieses Jahr ist es etwas anders. Große Headliner spielen überhaupt nicht in Deutschland und auch die Festivals in den Nachbarländern sind sowohl in der Höhe als auch in der Breite nicht so prominent besetzt, wie in der Vergangenheit. 


Dazu gesellt sich der „Coachella-Effekt“. Die Musik tritt zugunsten des Event-Charakters etwas mehr in den Hintergrund. Da las sich das Line-Up des BBK-Live in Bilbao wie ein „Best of“ des vergangenen Jahrzehnts. Also wurde kurzfristig beschlossen, dem Baskenland eine Chance zu geben. Festivals in Spanien und Portugal sind fast ausschließlich Stadt-Festivals. 

Selten bis nie gibt es, wie hierzulande, große Campingwiesen. Hier fährt/geht man zur blauen Stunde auf das Gelände und feiert dann bis spät in die Nacht. Mit Live-Bands und weniger mit DJs. Das BBK-Live macht da keine Ausnahme, außer dass es nun mal überhaupt nicht in der Stadt, sondern auf einem angrenzenden Berg stattfindet. 


Was logistisch wie ein Irrsinn anmutet, macht das Gelände beim Betreten sofort wieder wett. Die offenen Bühnen, durch die hindurch man die Felsformationen und Bäume betrachten kann, sind eine Augenweide. Dazu versteckte Dancefloors im Wald und eine Anhöhe an der Hauptbühne, von der man auch Konzerte im Sitzen verfolgen kann, bilden einen echten Mehrwert zu verstaubten Speedwaybahnen, auf denen in Deutschland immer noch Festivals stattfinden. 


Der Mix aus den besten Newcomern der letzten Jahre wie Dry Cleaning, Idles, Fever Ray und Young Fathers, kombiniert mit gestandenen Acts wie Roisin Murphy, Phoenix und Pavement und dazu die großen Namen von Florence and the Machine, The Chemical Brothers und den Arctic Monkeys. 

Es gab also mehr als genug zu sehen und zu hören. Besonderes Highlight für mich waren zwei Bands, die ich seit Jahren nicht mehr auf dem Zettel hatte. Röyskopp und Leftfield spielten zu später Stunde noch zum Tanz auf.

Ein rundum gelungenes Wochenende, bei fast perfekter Organisation und viel Zeit, am Tag noch die Stadt zu erkunden. Vergleichbare Festivals gibt es diesen Sommer noch in Lissabon Meo Kalorama (exklusiv mit Blur und Arcade Fire) und Madrid , sowie nahe Malaga. Klare Empfehlung.


Dienstag, 30. Mai 2023

Heavenly, London, 19. & 20.05.23

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Konzert: Heavenly
Ort: Bush Hall, London
Datum: 19. & 20.05.2023
Dauer: 75 bzw. 80 min
Zuschauer: jeweils 400 (ausverkauft)



"Inasmuch as we need holes in our heads and pins in our clothes and chocolate sauce on our record players, we need Heavenly - forebears of short-haired girl bands stomping around onstage and irritating the shite out of everyone. Interesting fact: if you laid out all the singles that Heavenly have sold in a straight line, you would have way so much f*** spare time. Get a life." Ob der Kritiker des NME, der so über die Heavenly-Single P.U.N.K girl geurteilt hat, eine große Karriere als Musikjournalist hatte, ist mir nicht bekannt, vermutlich aber schon. Denn als die Single erschien, war Britpop das große Ding, Tweepop wurde belacht. DIY Bands und Labels, denen Botschaften wichtiger als Einnahmen waren, passten gar nicht in diese Popwelt. The Battle of Britpop war das Motto. 

Die Heimat vieler Tweepop-Legenden, das Bristoler Label Sarah Records, stellte seinen Betrieb 1995 nach knapp hundert Singles ein. 20 Jahre später war der NME altersweise. In seiner Liste der "greatest indie labels of all time" setzte er Sarah Records auf Platz zwei (nach 4AD), bevor das Blatt drei Jahre später eingestellt wurde. Sarah kamen zwar nie zurück, viele der Bands, die dort veröffentlicht haben, gibt es aber noch oder wieder. Beim Indietracks, bei Konzerten in England (und in Köln) habe ich in den vergangenen Jahren einige der alten Sarah-Heldinnen und Helden sehen können, The Orchids, Even As We Speak, St. Christopher, Secret Shine, Boyracer, The Wake, Action Painting und große Teile von Aberdeen. Und jetzt endlich auch Heavenly

Eine Heavenly-Reunion schien immer ausgeschlossen, nachdem Schlagzeuger Mathew Fletcher 1996 kurz vor der Veröffentlichung des vierten Albums Operation Heavenly starb. Der Rest der Band machte als Marine Research weiter, später entstand Tender Trap. Amelia Fletcher (Gitarre und Gesang) und ihr Mann Rob Pursey (Bass in all den Bands) gründeten vor ein paar Jahren die Catenary Wires und ein eigenes Label. Da blieb wenig Luft für die Hoffnung auf eine Heavenly- (oder Talulah Gosh-) Wiederkehr. Aber wie der Mann vom NME habe ich eben keine Ahnung von Musik.

Aus dem einen Reunion-Konzert wurden schnell zwei, die Karten für die 400 Personen fassende Bush Hall waren nämlich blitzschnell ausverkauft. 28 Jahre nach dem letzten Konzert 800 Tickets zu verkaufen, unterstreicht wohl, wie geliebt Bands wie Heavenly auch nach langen Jahren noch werden. Elastica, if you read this: WOULD YOU PLEASE COME BACK! How often do I have to ask?

Unsere Reisegruppe aus dem Rheinland, München und dem Ruhrgebiet war bei weitem nicht die ungewöhnlichst weit angereiste. Das Publikum war zu großen Teilen deckungsgleich mit dem des heißgeliebten Indietracks, Leute aus den USA, Spanien, Frankreich oder Belgien schienen fast in der Mehrheit.


Die Bush Hall ist ein wunderschöner ehemaliger Ballsaal mit Spiegeln und Stuckdecke. Zuletzt hatte ich vor der Seuche dort Adorable gesehen. Nach der sehr unterhaltsamen Vorgruppe Panic Pocket aus London, die vergangene Woche ihr Debütalbum Mad half hour veröffentlicht hat und die ich sicher wiedersehen werde, kamen Heavenly um 21:15 auf die Bühne.


Daß meine Angst, daß hohe Erwartungen auch große Enttäuschungen bedeuten können, Quatsch war, war sofort klar. Die kommenden 75 Minuten waren der erhoffte Tweepop-Himmel! Und wie! Shallow, Our love is heavenly, Cool guitar boy, das Gainsbourg-Lied Nous ne sommes pas des anges vom letzten Heavenly Album, Atta girl und der Tictok-Hit P.U.N.K. girl (click!)... oh, war das gut!

Zwischen Band und Publikum schien ein Wettbewerb zu bestehen, wer besser gelaunt ist - Unentschieden, denke ich.

Die zweite spannende Frage vorher war, wer Calvin Johnsons Part in C is the heavenly option übernehmen würde. Der Gründer von K Records und Beat Happening Mann hätte eigentlich kommen können, er hätte nicht die weiteste Anreise gehabt. An seiner Stelle trat aber ein anderer Indiestar mit markanter Stimme, Darren Hayman von Hefner. Die fehlende besondere Chemie der beiden Stimmen von Amelia und Calvin machte Darrens Bühnenperformance wett!

Am Tag danach - wir waren natürlich wieder da - sang der britische Comedian Stewart Lee Calvins Part. Das Konzert war ansonsten bis auf kleine Änderungen der Reihenfolge und eine Improvisation während einer Gitarrenstimmpause sehr ähnlich - also großartig!

Bis vor der Pandemie fanden solche grandiosen Abende regelmäßig im Juli in Derbyshire statt. Seit es das Indietracks Festival nicht mehr gibt, sind sie leider unberechenbarer. Ich würde mich irre ärgern, hätte ich den verpasst.

Setlist Heavenly, London, Nacht eins: 

01: Starshy 
02: Our love is heavenly 
03: And the birds aren't singing 
04: Sperm meets egg, so what? 
05: Three star compartment 
06: Cool guitar boy 
07: Shallow 
08: Hearts and crosses 
09: She and me 
10: Space manatee 
11: I fell in love lost night 
12: Cut off 
13: Nous ne sommes pas des anges (France Gall Cover) 
14: Trophy girlfriend 
15: C is the heavenly option (mit Darren Hayman von Hefner) 
16: Atta girl 

17: Dig your own grave (Z)
18: P.U.N.K. girl (Z)

19: Art school (The Jam Cover) (Z) 



Setlist Heavenly, London, Nacht zwei: 

01: Our love is heavenly 
02: Starshy 
03: And the birds aren't singing 
04: Sperm meets egg, so what? 
05: Three star compartment 
06: So 
07: Cool guitar boy 
08: Shallow 
09: Hearts and crosses 
10: She and me 
11: Space manatee 
12: I fell in love last night 
13: Cut off 
14: Nous ne sommes pas des anges (France Gall Cover) 
15: Trophy girlfriend 
16: C is the heavenly option (mit Stewart Lee) 
17: P.U.N.K. girl 

18: Dig your own grave (Z)
19: Atta girl (Z)

20: Art school (The Jam Cover) (Z)




 

Konzerttagebuch © 2010

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