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um
00:14
Konzert: YelleOrt: Le Nouveau Casino, ParisDatum: 19.12.2007Zuschauer: ausverkauft
Die 80er sind lange vorbei. Gott sei Dank! Klar, auch ich hatte diesen elenden Schulranzen in Fluo-Farben und vor allem meine Turnschuhe waren extrem häßlich. Ich wollte weiße, aber es gab irgendwann nur noch diese knallbunten Dinger in Bonbon - Farben zu kaufen. Durch diese modische Gruselperiode mußte ich als Jugendlicher durch, aber dann kamen ja die 90er und alles war nur noch schwarz und grau. Wahrscheinlich auf Reaktion auf diese Tristesse mag es die Jugend von heute wieder bunter.Auf der 80er Retro- Welle surft auch die hübsche Bretonin Yelle, die ich heute abend unter die Lupe nehmen wollte. Wie ich bei Wikipedia erfahren habe (da lernt man so einiges, auch wenn ein paar Eintragungen nicht ganz präzise sein dürften), stehen die ersten drei Buchstaben des Namens für "You Enjoy Life". Bürgerlich heißt sie übrigens Julie Budet.Yelle also, sollte ein wenig unbeschwerte (und meinetwegen auch oberflächliche) Lebensfreude in die vorweihnachtliche Zeit bringen und eine Abwechslung zu den hochtalentierten, aber zuweilen düster klingenden Damen Julie Doiron und Scout Niblett darstellen, die ich kürzlich gesehen hatte. Passend hierzu strahlte der Pariser Winterhimmel den ganzen Tag über in schönstem Blau und ließ den Winter-Blues etwas in Vergessenheit geraten. Und auch der Abend wurde kurzweilig und farbenfroh. Nachdem ein nerviger DJ, der den coolen Macker raushängen ließ, das Vorprogramm bestritten hatte, kam Julie aka Yelle mit einem quietschgelben Kleid und fetziger Strumpfhose (leider nie bildlich eingefangen) unter riesigem Applaus zahlreicher Teenager auf die Bühne gestürmt. Ihr vorausgeeilt waren zwei Herren an Schlagzeug und Drumcomputer, die aber nicht weiter störten. Abgesehen von einem bereits ergrauten schwulen Pärchen gleich vor mir, schien ich der älteste Besucher im Saale zu sein. Ich fühlte mich etwas unwohl, alt und leicht verfettet. Aber nun gut, man kann nicht ewig 17 bleiben und selbst Boris Becker, ein anderer Held der 80er Jahre ist auch schon 40!Ich versuchte mein Alter (36, aber mein gütiger Hausmeister hat mich ebenso wie einige Pariser Freunde auf Anfang 30 geschätzt!) irgendwie zu kaschieren, indem ich mich unauffällig verhielt, sprich die Arme hoch riß und tanzte, wenn das gefordert war. Und das war es eigentlich das ganze Konzert über. Nicht umsonst zierte der Aufdruck "Dance Or Die!" ein T-Shirt am Merchandising Stand. Ich entschied mich für die erste Variante, das mit dem Sterben hatte ich vorläufig verschoben, zumal man mit 36 ja auch gar nicht mehr jung sterben kann, wie Kurt Cobain, oder Ian Curtis das vorgemacht haben...Was gespielt wurde, weiß ich nicht, aber das war letztlich schnuppe, da das hier und heute eh nur ein Weichnachtsstress-Verdrängunsgwettbewerb war! Bestimmt war "Je veux te voire", die erste Single, unter den gespielten Titeln, aber die jungen Besucher gingen sowieso zu jedem Lied ab wie Schmitz Katze. Auch das schwule Pärchen schien sich zu amüsieren. Selten war die Stimmung im Nouveau Casino so aufgeladen wie heute! Normalerweise läuft es hier immer sehr ruhig ab, selten schafft es eine Band mal, den Laden so richtig auf den Kopf zu stellen. Die letzten, denen dieses Kunststück gelungen war, waren die Kaiser Chiefs, dank der legendären Sprünge ins Publikum von Oberkaiser Ricky Wilson. In schöner Regelmäßigkeit flogen die Arme nach oben und wenn der Boden so beschaffen wäre, wie in der Cigale, hätte er auch gebebt. Den größten Ausschlag auf dem Stimmungsbarometer gab es logischerweise bei Yelle's größtem Hit "A Cause des Garçons", aber auch bei "Les Femmes", das gegen Ende gebracht wurde, steppte der Bär. Wer französisch versteht, kann sich auch an dem frivolen Text erfreuen. Wenn ich richtig hingehört habe, geht es unter anderem auch um die weibliche Selbstbefriedigung, aber psst..., es waren auch Minderjährige im Raum!Und als Zugabe gab es dann auch noch ein echtes Sahnehäubchen, zumindest wenn man auf Trash steht. Der Komiker Michael Youn (eine Art französischer Stefan Raab) kam hinzu, um im Duett den Nummer Eins Hit (wirklich wahr) "Parle à ma main "(sprich zu meiner Hand) zu intonieren.Besagter Herr Youn hat es sich zum Ziel gesetzt, die französische Hip Hop Szene auf's Korn zu nehmen und hierzu zahlreiche Top Stars des Genres, wie z.B. Diam's, in seinen zynischen Videos übel verarscht. Auch hier die Parallele zu Stefan Raab, der ja Ähnliches mit dem Grand Prix gemacht hat, nur um irgendwann selbst erfolgreich dort aufzutreten. Michael Youn war der gleiche Erfolg beschieden, mit seiner krass bescheuerten Band Fatal Bazooka feiert er einen Top Hit in den Charts nach dem anderen...So war es dann ein vergnüglicher Ausklang einer langen Konzertsaison, die viele Höhepunkte aufzubieten hatte. Eine Liste unserer Lieblingsgigs werden wir Euch in den nächsten Tagen präsentierten. Seit gespannt und laßt und doch wissen, was für Euch die denkwürdigsten Konzerte waren!Anmerkung: Bitte unbedingt das beknackte Video zu "Parle à ma main" (im Text mit Link untersetzt) angucken!
Link: mehr Bilder von Yelle
um
01:21
Konzert: Scout Niblett (+ The Twilight Sad)Ort: Le Nouveau Casino, ParisDatum: 17.12.2007Zuschauer: gut besuchte Veranstaltung
"Mensch, die Scout wird Dir Freude machen, das ist ein saftiges, wildes Weib! Ganz nach meinem Geschmack, weit ab von Zicke, Fräulein, oder feiner Agathe! Die rockt Mit Schmackes!"Mit gewohnt blumigen Worten hat mein lieber Blogger-Kollege Eike (sein Blog ist für Leute mit einem exquisiten Geschmack sehr zu empfehlen!) auf die Ankündigung reagiert, daß ich Scout Niblett am Ende des Konzertjahres noch erleben werde. Er sollte Recht behalten, die Engländerin ist in der Tat ein saftiges, wildes Weib!Bevor ich mich davon überzeugen konnte, mußte ich aber zunächst noch ein Weilchen ausharren, denn vorher traten noch Castanets und die Shotten The Twilight Sad auf. Von Castanets bekam ich nur noch die letzten zwei Titel mit. Zu diesem Zeitpunkt stand nur noch ein Bursche mit einem waldschratigen Bart auf der Bühne; ob vorher eine ganze Band gespielt hat, entzieht sich meiner Kenntnis. Der Auftritt war zu kurz, um mir ein Urteil zu erlauben, Interessierte mögen seine MySpace Seite besuchen.Die darauffolgende Band hingegen, machten es mir mit einer Ersteinschätzung leicht. The Twilight Sad aus Glasgow gefielen mir nämlich auf Anhieb. Ich stehe nun einmal auf Himalaya hohe Gitarrenwände und von denen gab es selbst in den viel zu kurzen 30 Minuten reichlich! In breitestem Schottish stellte Sänger James Graham die Band vor und brachte zum Ausdruck, daß sie so froh seien, in Paris ( das "a" wie im Deutschen ausgesprochen, das "r" stark gerollt) aufzutreten: "it means a lot to us". Die Freude lag ganz auf meiner Seite, ist doch herrlich wenn man so kurz vor Jahresende noch eine Gruppe präsentiert bekommt, die einen spontan fesselt. Im Gegensatz zu dem, was Christoph von Amy Mac Donald berichtet hat, findet man den starken Akzent auch in den Liedern wieder, da strozt es nur so vor Wörtern mit dem wunderbar gerollten "r". Ohne großartig nachzudenken, kam mir gleich Aidan Moffat von Arab Strap in den Sinn, der auch wenn er singt, nicht auf seine heimische Mundart verzichtet. Kein Wunder also, daß die inzwischen aufgelöste Kultband auch als Referenzgruppe genannt wird. Daneben finden sich auch Shoegaze-Legenden wie My Bloody Valentine und The Jeus & Mary Chain in der Auflistung vergleichbarer Bands.Neben der Musik war aber besonders die Ähnlichkeit zwischen Sänger James und Ian "Joy Division" Curtis frappierend. Diese bezog sich nicht nur auf Frisur, Gesichstform und Statur, sondern auch die Mimik. Geradezu angsteinflößend war es, wenn der Frontmann irren Blickes in sein Mikro bellte. Trotzdem schienen mir diese Posen zu keinem Zeitpunkt aufgesetzt, dafür machten die Schotten einen viel zu natürlichen Eindruck. Beim großen Finale kauerte der Curtis-Klon gar vor seinem Schlagzeug, während die anderen Musiker ihre Gitarren schrammeln ließen. Ich genoß das in vollen Zügen! Das von den Kritikern stürmisch aufgenommene Debütalbum " Forteen Autumns & Fifteen Winters" werde ich mir blind kaufen, auch wenn ein Teil meiner anwesenden Freunde das Ganze ziemlich schrecklich fand (warum eigentlich, das war doch fabelhaft?!).Setlist The Twilight Sad, Paris, Le Nouveau Casino:01: Cold Days From The Birdhouse02: And She Would Darken The Memory03: Talking With Fireworks04: That Summer, At Home I Had Become The Invisible Boy05: I'm Taking The Train HomeMehr Bilder von The Twilight Sad hier
"We all gonna die, we all gonna die".
Hups, war ich etwa wie Christoph kürzlich bei Malcolm Middleton gelandet? Tourt der Schotte nun durch ganz Europa, um sein Vorhaben, das Lied mit dem äußerst pessimistischen Titel zum Weihnachtshit Nummer 1 zu machen, verwirklichen zu können? - Nein, der gute Malcolm war nicht da. Und leider auch nicht Bonnie Prince Billy, der Scout Niblett bei einigen Liedern ihres aktuellen Albums stimmlich begleitet hatte. Die Britin Emma Louise Niblett, wie sie mit bürgerlichem Namen heißt, war zunächst ganz alleine auf der Bühne. Bekleidet mit einem herben Holzfällerhemd und einer fluoreszierenden Bauarbeiterweste ( war sie zuvor mit dem Fahrrad unterwegs und hatte vergessen, diese auszuziehen?), erkundigte sie sich erst einmal nach den wichtigsten Dingen, die vorab zu klären waren: "Has anyone any questions? und "Is there anyone's birthday today?" Kaum jemand muckte, vielleicht weil alle zu überrascht waren, nicht mit der Standardfrage "How are you Paris" begrüßt zu werden. Gleich zu Beginn bekam man also eine wunderbare Kostprobe des verrückten Wesens der kauzigen Engländerin geboten. Spontan war ich in das quirlige Persönchen verschossen! In einer Zeit, in der Indie-Künstler sich angepasst wie biedere Angestellte verhalten, ein Genuß! Es gibt sie also noch, die launigen Musiker, die einen auch mal gegen den Strich bürsten, anstatt eine Schleimspur zu hinterlassen. Sogar regelrecht angeschrien wurde man von der Wahl-Amerikanerin. Wenn sie losgiftete, wurde man sich bewußt, daß das eigene Schätzchen zu Hause eigentlich ein zahmes Lämmchen ist. Das Besondere dabei: Scout wirkte im Grunde genommen meist schüchtern, ihre (musikalischen) Wutausbrüche erwischten einen deshalb regelmäßig auf dem falschen Fuß. Heute kam hinzu, daß ihr Temperament auf eine harte Probe gestellt wurde. Nachdem sie (leider ohne Billy, schluchz!) die Ballade "Do You Want To Be Burried With..." vorgetragen hatte, stoppte sie nach ein paar Takten des zweiten Liedes und meinte verzweifelt: "there's something really wrong here, I can't really hear anything." "I can't do a hole set like this!" Au weia! Tonprobleme! Die Leute von der Technik kamen ins Schwitzen und versuchten alles, was in ihrer Macht stand, um das Problem zu beheben. Zunächst vergeblich! Laut Scout gab es keinerlei Verbesserung. Nun galt es, Zeit zu überbrücken. "Does anyone know any jokes?" "Any questions, any comments, we have some time now?!"
Es mußte improvisiert werden und darauf verstand sich die Sängerin prächtig. Sie setzte sich spontan mitsamt Gitarre ans Schlagzeug und machte weiter. Den Leuten war nicht ganz klar, 0b das jetzt ein Souncheck war, oder ob es sich bei den vorgetragenen Stücken, um Teile des Sets handelte. Bevor das Publikum aber allzu lange sinnieren konnte, kam dann ein zuvor beschriebener plötzlicher Temperamentsausbruch zum Vorschein. Scout prügelte nämlich nach einem langsamen intro urplötzlich wie eine Besessene auf die Drums ein. Ich konnte mir ein herzliches Lachen nicht verkneifen...
Etwas später dann eine erneute Kostprobe ihrer widerspenstigen Natur. "Gimme an "L", gimme an "O", gimme an "V", gimme an "E", for Lovers!" Selten habe ich eine Musikerin so spitz schreien gehört! Fast zuckte ich zusammen! Zitierte Passage gehörte zu dem alten Titel "It's All For You", ein sperriges Etwas, wie so manche ihrer Lieder. Aber wer glattgebügelte Musik will, sollte halt eben nicht zu Scout Niblett's Konzerten kommen.
Kurze Zeit später stieg ihr Schlagzeuger ins Programm mit ein, Kristian Goddard heißt der wild prügelnde Bursche. Das verleihte dem Set mehr Schmackes und siehe da, jezt war auch Fräulein Niblett mit dem Sound zufrieden. "Everything's o.k. now" ließ sie erleichtert verlauten und auch das Publikum konnte aufatmen. Also doch noch ein "richtiges" Konzert. Zu dessen Höhepunkt gehörte vor allem eine Passage im letzten Drittel, in dem die drei famosen Stücke "Dinosaur Egg", "No-Ones- Wrong" und "Nevada" hintereinander weg gespielt wurden. Hier war ihre Vorliebe zu Künstlern aus der Grunge-Periode wie Mudhoney und natürlich Nirvana zu spüren. Daß sie sich aber auch auf Folk im Stile einer Cat Power, oder auch PJ Harvey versteht, wurde im Laufe des Abends auch deutlich. Wobei klar sein muß, daß bei Emma Louise alles eine Spur ruppiger und unangepasster ist. Gut so, denn wie langweilig wäre die Musikwelt, wenn uns nur noch leicht zu konsumierende Kost vorgesetzt würde? Scout Niblett hat gehöriges Nervpotential, keine Frage; allerdings hat mich kaum eine Sängerin neugieriger auf ihre bizarre Welt gemacht wie sie...
Auszüge aus der Setlist Scout Niblett, Nouveau Casino, Paris (in dieser Reihenfolge):
- Do You Want To Be Buried With...
- Pom Poms
- Your Beat Kicks Back Like Death
- It's All For You (we all gonna die)
- Handsome
- Hot To Death
- Lullaby For Scout In 10 Years
- Let Thine Heart Be Warmed
- Dinosaur Egg
- No- Ones Wrong (Giricocola)
- Nevada
Neue Konzerttermine von Scout Niblett im Mai 2008:
08.05.2008: Brüssel, Botanique
10.05.2008: Dresden
11.05.2008: Beverungen, Orange Blossom Festival
13.05.2008: Wiesbaden, Schlachthof
14.05.2008: München, Registratur
15.05.2008: Schorndorf, Manufaktur
16.05.2008: Bremen, Lagerhaus
17.05.2008: Utrecht, Tivoli
24.05.2008: Paris, La Maroquinerie
um
12:56
Konzert: The Verve & Malcolm Middleton
Ort: SECC Glasgow
Datum: 15.12.2007
Zuschauer: ausverkauft (10.000)
Auf meinem Rückflug von Glasgow habe ich mir mal den Spaß gemacht, nachzulesen, was an einem normalen Wochenende in London an Bands auftritt. Und das ist gar nicht so schlecht: diesen Freitag spielten u.a. Bloc Party, die Cribs, Foal, Charlotte Hatherley, die Chemical Brothers, Simian Mobile Disco, The Enemy, Madness oder die Kaiser Chiefs, Samstag Kaiser Chiefs, Chemical Brothers und Bloc Party wieder, dazu die Spice Girls und CSS. Und die unzähligen tollen noch namenlosen Bands.
Daher war es auch kein großes Wunder, daß ich, als ich nur mal eben gerade nachgesehen hatte, ob vielleicht auch an meinem zweiten Abend in Glasgow etwas Interessantes spielen würde, sofort fündig wurde... Und wie! Denn es spielten The Verve und ich bekam noch ein Ticket für die zweite Runde der Wiedervereinigungstour der Band aus Wigan. Im November hatte die Gruppe um Richard Ashcroft zum ersten Mal seit ihrer (letzten) Auflösung Konzerte in Großbritannien gespielt, die ein riesiger Erfolg waren. Für Dezember wurden sechs weitere Termine angekündigt, u.a. in London und Manchester und eben im SECC in Glasgow, dem nationalen schottischen Platz für Ausstellungen und Großveranstaltungen.
Der eindrucksvolle Bau des SECC (ok, der Bau selbst ist funktional, das Schmuckstück ist das von Sir Norman Foster geplante Clyde Auditorium) liegt direkt am Fluß Clyde und ist von der Innenstadt bequem mit Gig-Busses oder Taxen erreichbar. Mit mir kamen viele sehr aufgebretzelte Frauen mittleren Alters an (ich habe Leggingfarben gesehen, die ich so schnell nicht mehr vergessen werde), die allerdings (puh!) zu Mamma Mia! oder Snow White. Rechts und links des an eine Einkaufspassage erinnernden Gangs durch das SECC gehen die Säle bzw. Hallen ab, in denen die Veranstaltungen stattfinden. "Meine" Halle war Nummer vier, mit einem Fassungsvermögen von 10.000 und vielen Tribünen ein großer und mächtig eindrucksvoller Ort für ein Konzert - angemessen also für ein großes Comeback. Die Smiths werden da sicher dann auch spielen.
Spannend war für mich zunächst einmal, wer The Verve supporten würde. Gelesen hatte ich alles Mögliche, da waren von Annie Lennox über The Coral, Reverend and the Makers bis zu bloß einem DJ Set viele Namen genannt worden. Als dann ein DJ damit anfing, langweilige funkige Lieder aufzulegen, fürchtete ich also, den Trostpreis gezogen zu haben. Nach viel zu langer Zeit verschwand der Plattenwender aber und ein Knüller kam auf die wahnwitzig große Bühne. Es war zwar "nur", wie so oft in Köln, eine lokale Vorgruppe, im Falle von Glasgow war das aber eben Malcolm Middleton, den ich im Gebäude 9 schon gesehen hatte.
Der Ex-Arab Strap Mann hatte nur eine akustische Gitarre dabei und spielte acht Lieder. Das kam es geht so an. Mir gefiel das kurze Konzert ausgezeichnet. Der Sänger schreibt wundervoll melancholische Stücke. Sicher ist seine Musik nicht für eine gigantische Halle wie im SECC gemacht. Für mich war es aber genau das richtige Rahmenprogramm.
Neben den großen Hits "A brighter beat" oder "Loneliness shines" spielte Malcolm auch Stücke, die ich nicht erwartet hätte, "Choir" oder "Burst noel". Weihnachten war bzw. ist bei dem Glasgower ohnehin ein großes Thema, da er versucht, sein "We're all going to die" zum Nummer eins Weihnachtshit zu machen. Als er das auch vor dem Lied noch einmal erzählte, brüllte ein angetrunkener Schotte neben mir "you'll fucking never be number one." Vermutlich ist der Song auch nicht weihnachtlich genug, ich wünschte es Malcolm allerdings sehr, Erfolg mit seinem Vorhaben zu haben, weil ich seine Musik sehr schätze!
Anfang des Jahres erscheint ein Akustikalbum. Mindestens eines der gespielten Lieder ("Blue plastic bag") wird auf dieser Platte erscheinen. Bei den anderen beiden mir unbekannten Liedern bin ich unsicher, ob sie neu sind.
Setlist Malcolm Middleton SECC Glasgow:
01: Follow Robin down02: Choir
03: Blue plastic bag (neu)
04: We're all going to die
05: A brighter beat
06: Burst noel
07: Total belief08: Loneliness shines
Seit ich zumindest Richard Ashroft live gesehen habe (er trat da mit Kettcar und Coldplay in Köln auf), hat sich der Sänger ziemlich verändert. Wieder-Verve-Ashcroft hat die Haare kurz und blondiert (er sieht aus wie Eminem!), trägt Sonnenbrille (weil nach seiner Aussage die Leute in Glasgow gerne mit Bier schmeißen, was ich bestätigen kann, das machen sie) und raucht weiterhin. Er war damit (also mit dem Rauchen) die Ausnahme, denn in der Halle herrschte striktes Qualmverbot. Sobald sich jemand eine Kippe ansteckte, leuchteten die Ordner teils mit riesigen Lampen auf den Raucher und drohten Hallenverbot an. Die Securities hatten den Saal perfekt im Griff, obwohl viele Besucher sehr alkoholisiert waren, unterbanden sie jeden Versuch von Prügeleien im Ansatz (die gab es reichlich). Die Stimmung war sehr ausgelassen, es war aber eben trotzdem sehr angenehm, man hielt es bequem vorne aus, ohne irgendwann flüchten zu müssen, wie mir das bei einigen Palladium Konzerten ergangen ist.
The Verve spielen in Besetzung Richard Ashcroft (Gesang und ab und an Gitarre), Nick McCabe (Gitarre), Peter Salisbury (Schlagzeug) und Simon Jones (Bass). Während natürlich Ashcroft im Mittelpunkt steht, weil er, wenn er nicht Gitarre spielt, sehr gestenreich singt (aber dabei nicht albern aussieht, wie der Sänger der Rakes) oder sich hinhockt und sitzend weitermacht, macht gerade Simon Jones eine riesige Show. Nach jedem Song streckte er die Fäuste aus, als habe er ein Tor geschossen, feuerte uns an (was unnötig war) und gab alles. Als Bittersweet Symphony verklungen war, gingen er und Nick McCabe Arm in Arm von der Bühne. Es scheint also wirklich so zu sein, wie es die Band in einem Interview zur Wiedervereinigung gesagt hatte, sie spielen des Spaßes wegen, nicht wegen großer Gelder (die sie alle ohnehin bereits lange verdient hätten).
Der Sound anderer Konzerte der aktuellen Tour war teilweise heftig kritisiert worden. Hier klangen einige sehr laute Töne, als kippten sie weg. Das gab sich aber schnell, danach klang die Band für eine solch große Halle prima.
Auch wenn The Verve ein neues Album planen (und bereits einige neue Lieder haben), standen bekannte Stücke im Mittelpunkt. Vom neuen Material spielte die Band nur "Sit and wonder". Und obwohl sie die beiden Vor-LP Songs "Gravity graves" und ""Man called sun" im Programm hatten, kam nichts vom ersten Album "A storm in heaven", merkwürdig... Ich weiß nicht, ob das üblich ist, es war mein erstes Verve Konzert. Ein ganz anderes Konzept verfolgen gerade die Sparks, die von 16. Mai an an 21 Tagen all ihre 21 Alben (das neue hat am letzten Abend Premiere) in London spielen werden - aber das ist ein anderes Thema.
Bei Liedern wie "Velvet morning", "Lucky man", "Drugs don't work" und "Bittersweet symphony" wurde es besonders feierlich - und ein großes Singalong. Es ist schon verflucht beeindruckend, wenn 10.000 Leute einen (guten) Song mitsingen. Das war Stadionrock der guten Sorte und ein Erlebnis, das ich nicht missen möchte!
Nach anderthalb Stunden (und B.S.S.) war Teil eins beendet. Die Vier erschienen dann nach ein paar Minuten (und sicher dem ein oder anderen Drink) wieder und spielten 15 Minuten Zugaben, die mit "Come on" endeten.
Schön, daß The Verve zurück sind! Ganz sicher demontiert die Band damit nicht den Ruf, den sie sich mit ihren drei Alben vor Jahren gemacht hat. Also ein gutes Comeback!
Setlist The Verve SECC Glasgow:
01: A new decade
02: This is music
03: Space and time
04: Gravity grave
05: Weeping willow
06: Life's an ocean
07: Sonnet
08: Sit and wonder
09: Velvet morning
10: Lucky man
11: Stormy clouds
12: On your own
13: Rolling people
14: Drugs don't work
15: Bitter sweet symphony
16: Man called sun (Z)
17: History (Z)
18: Come on (Z)
Links:
- Mehr Fotos sind hier.
um
11:59
Konzert: Amy MacDonald
Ort: Barrowland Ballroom, Glasgow
Datum: 14.12.2007
Zuschauer: ausverkauft
"Oh the lights outside they're as bright as the sun
They're much brighter than anyone
Oh the girls in the queue yes they're waiting for you
Well they're waiting for their song to be sung
And when the night turns to day and all the people go away
It's not the same, tell me who's to blame?
And when the stars shine so bright on the cold December night
I wish that I was on the stage"
Als ich mir nach ihrem Auftritt als Support von Paul Weller in Frankfurt Amy MacDonald's Debüt-CD gekauft habe und zum ersten Mal "Barrowland Ballroom" gehört habe, habe ich mir vorgestellt, wie gut es sein müsste, das Lied in dem besungenen Konzertsaal einmal zu hören. Der schottischen Singer/Songwriterin ging es auch so, sie hatte bei einem anderen Auftritt in Glasgow den Song vor ein paar Monaten damit angesagt, dass das nächste Lied von einem Ort handele, an dem sie irgendwann mal spielen wolle. Dass das alles so schnell ging und Amy ein halbes Jahr nach ihren gefeierten Festivalauftritten den Saal ausverkaufte, in dem Bands wie Maximo Park oder Travis spielen, hatte sie dann aber wohl auch nicht erwartet. Auf ihrer Website schrieb die junge Schottin vor ein paar Tagen "I really am incredibly excited for the gig. It's such a great way to round up the year aswell. I hope it's as special as i dreamed!" Das war ich auch, denn das wollte ich mir nicht entgehen lassen...
Schon an den Strassenmusikanten merkt man, dass Glasgow mehr musikalisches Talent beheimatet als manches europäische Land insgesamt. Auf einem kurzen Gang durch die Innenstadt waren die Highlights, die ich gesehen habe, eine dreiköpfige Band mit Cello, Keyboard und Saxophon und ein Duo mit Gitarre und Schlagzeug (!).
Der Barrowland Ballroom liegt fünf Minuten zu Fuss von der Innenstadt weg, ist also prima erreichbar. Der Saal liegt im zweiten Stock, ist etwas kleiner, als ich wegen der Menschenmassen bei Maximo Park gedacht hatte (da kam ich, als der Raum schon proppenvoll war), stinkt aber auch wie damals ekelhaft nach viel Bier auf dem Boden, sehr viel Bier.
Um sieben war Einlass und um halb acht begann die erste Vorgruppe "The Fire and I" aus Bathgate in Schottland. "The Fire and I" sind zwei Musiker, ein singender Bassist und ein punkig blondierter Schlagzeuger, der wie der Ex-Automatic Penny haupsächlich den Background-Schrei-Part übernahm. Das hat mich nicht vom Hocker gerissen, klang weder aufregend noch neu, hat aber einige Leute so begeistert, dass die tanzten und mitsangen (und brüllten). Nach einer lauten halben Stunde waren sie fertig und machten Platz für ein ziemliches Gegenstück. Ein lockiger, holzfällerhemdtragender Mann (Jack) setzte sich an sein Keyboard und begann ein paar Lieder gemeinsam mit einem Gitarristen Chris, der auf einer Bühnenkiste sass, zu spielen. Der Stil war irgendwo zwischen (Achtung!) James Blunt, Jack Johnson und dem 90er Jahre Elton John, sprich, es war genau das, was Deutschlands meistgehörtes Radio tagaus, tagein spielt. Also liebe SWR3-Musikredaktion: ladet den Mann ganz dringend zu Eurem New Pop Festival ein! Eine Platte mit dem Titel "Either side of midnight" erscheint Anfang des Jahres.
Ich fand es schrecklich.
Setlist Jack (??? Name kommt noch) Barrowland Ballroom Glasgow:
01: Not the hardest part
02: Milky Way
03: Either side of midnight
04: Living in a suitcase
05: Fine time
06: You think I don't care
07: Bang on the piano
Das dauerte glücklicherweise auch nur 30 Minuten, so dass um halb zehn das Licht ausging und schottische Pipes und Drums ertönten. Ganz stilgerecht tauchten auf der Bühne zwei Dudelsackbläser und zwei Trommler auf und spielten ein Intro. Unter grossem Jubel erschien dazu dann Amys Band. Im Gegensatz zu ihrem Paul Weller Support hat Amy MacDonald nämlich mittlerweile eine Band (und im Gegensatz zu Kate Nash auch eine Band, die spielen kann) - Schlagzeuger, Keyboarder, Bassist und Gitarrist.
Amy MacDonald war (britisch) festlich gekleidet, mit viel Glitzerkram im Gesicht, einem schwarzen Kleid mit schwarzen mit Glitzerzeugs verzierten Leggins und Stiefeln. Die zwanzigjährige Sängerin hat eine unfassbare Stimme, das wurde gleich beim ersten Song "This is the life" deutlich. Wow! Die Stimmung bei ihrem Heimspiel war so, wie ich es mir erhofft hatte, es war laut und grossartig! Der ausverkaufte Saal war wegen ihr da und liess sie das von Beginn an merken. Das Publikum war bunt gemischt, hatte aber eben die Begeisterung für die Musik der jungen Sängerin gemeinsam. Also sang jeder mit, tanzte, wippte, es war herrlich! Die Stimmung war durchaus mit Gogol Bordello vergleichbar, wenn auch viel friedlicher und entspannter natürlich.
Wenn Amy MacDonald sing, macht sie das in schönstem Englisch. Wenn sie allerdings spricht, ist das eine vollkommen andere Sprache. Ich habe selten ein so schwer verständliches Schottisch gehört, unfassbar!
Das Set war anfangs nicht überraschend, bestand aus Lieder der im Sommer veröffentlichen CD, die auf Platz zwei der britischen und Platz eins der schottischen Charts (vier Wochen) war. In der Mitte des Programms kamen dann mit der B-Seite "Rock bottom" und dem Killers Cover "Mr Brightside" die ersten nicht-Album Stücke. Es folgte, falls ich Amy richtig verstanden habe, hmmm...., das offizielle Lied zur Bewerbung Glasgows für die Commonwealth Games 2014, das auf den späteren Albumversionen enthaltenen "Road to home", ein wunderschöner Titel! Dabei begleitete sie nur ihr Bassist am Schlagzeug.
Das nachfolgende "Run" war laut Amy das Lieblingslied von Paul Weller und dessen Begleiter Steve Cradock während ihres Supports. Cradock sollte wohl ursprünglich auch im Barras dabei sein, konnte aber leider nicht. Mit "Let's start a band" endete nach immerhin einer Stunde der extrem gefeierte Auftritt. Selbstverständlich war aber klar, dass das Konzert nicht ohne das Lied dazu enden würde. Daher dauerte es auch nicht lange, bis Amy zurückkam. Sie kam aber nicht mit Band, sie kam mit ihren in Kilts gekleideten Landsleuten zurück, die sie zu "Caledonia", dem hidden track auf "This is the life" begleiteten, mit Dudelsack und Trommeln. Alleine dafür hätte sich der Abend gelohnt, einfach wundervoll!
Die zweite Zugabe, dann mit Band, war dann aber noch eine Nummer aufregender. Weil ja bald Weihnachten ist, folgte ein Weihnachtslied, "Fairytale of New York" von den Pogues, von Amys Bassisten gesungen, der den Text auf mehreren Blättern vor sich auf dem Boden hatte. Amy übernahm dabei nur die zweite Stimme. Dazu leuchteten Lichterketten am Schlagzeug! Hach...
Während dieses Stücks legte der Tourmanager einen Blumenstrauss auf einen der Verstärker. Nach dem Pogues Cover erschien dann ein rundlicher Mann mit lustiger bunter Frisur (das musste einfach ein Radiomoderator sein), stellte sich als Joe von Radio XFM Schottland vor und berichtete, Amy habe ihm damals Demos geschickt und heute habe er etwas für sie. Er überreichte der vollkommen verdutzten Sängerin eine Platinplatte für 300.000 verkaufte Exemplare ihrer Debüt-CD. Nach ein paar Fotos und einem "Ihr wisst, was jetzt kommt" folgte "Barrowland Ballroom" als grosser Abschluss eines fabelhaften Abends. Jeder sang mit, jeder wirkte wahnsinnig glücklich, es war wie es sein sollte und jeder ging sehr zufrieden zurück in die cold December night.
Amy hatte vorher noch gesagt, sie seien alle nicht sicher gewesen, ob sie dieses Jahr den Ballroom füllen könnte und vor ein paar Tagen habe sie bei ebay nachgesehen, ob es da Tickets gebe und es gab nicht mal da welche. Es wollte sich niemand entgehen lassen, diesen besonderen Abend dieser hochtalentierten Frau mitzuerleben. Wenn nichts dazwischen kommt, habe ich in Glasgow den zukünftig grössten weiblichen Star aus Grossbitannien erlebt. Den Vergleich mit Amy Winehouse hatte die Schottin schon klar gewonnen, Kate Nash, die ich letzte Woche gesehen habe, ist nett, kommt aber nicht ansatzweise an Amy MacDonald ran.
Setlist Amy MacDonald Barrowland Ballroom Glasgow:
00: Intro
01: This is the life
02: Poison prince
03: Youth of today
04: L.A.
05: Wish for something more
06: Footballer's wife
07: Mr Rock 'n' Roll
08: Rock bottom
09: Mr Brightside (Killers Cover)
10: Road to home
11: Run
12: Rock 'n' Roll star
13: Let's start a band
14: Caledonia
15: Fairytale of New York (Pogues Cover)
16: Barrowland Ballroom
Links:
- Amy MacDonald, Köln, 06.03.08
- Amy MacDonald, Frankfurt, 16.09.07 - mehr Fotos
- Amy Winehouse, Köln, 28.10.07
- Kate Nash, Köln, 06.12.07
um
00:59
Konzert: Moriarty + The Tellers (+ Sammy Decoster)Ort: EMB Sannois, Sannois bei ParisDatum: 14.12.2007Zuschauer: relativ gut gefüllt"Alela Diane mögen wir übrigens auch sehr gerne, wir haben auch schon mit ihr zusammen gespielt und werden es nächstes Jahr wieder tun". Rosemary, die charmante Sängerin von Moriarty reagierte mit diesen Worten auf das Abspielen des Liedes " My Tired Feed", welches kurz zuvor als Hintergrundmusik vom Band lief. Moriarty waren zu diesem Zeitpunkt mit ihrem Programm eigentlich schon durch und nach einem famosen Set mit reichlich Applaus verabschiedet worden. Sie schienen auch keine Zugabe zu geben. Warum hätte es ansonsten auch schon Musik aus der Konserve gegeben? Aber der Eindruck täuschte. Das Band wurde gestopt und die französisch/amerikanische Band gab noch ein Lied zum Besten, bevor sie sich wie eine Theatertruppe verabschiedete. Hach, wie gerne hätte ich jetzt Alela gehört und gesehen, das hätte musikalisch wunderbar gepasst! Fräulein Diane weilte aber in etwa zur gleichen Zeit in Paris, wo sie im ausverkauften Européen auftrat. Mich hingegen hatte es in die Vorstadt gezogen, zum Einen, weil mir das Programm Moriarty und die Tellers zusagte, zum Anderen, weil ich das EMB Sannois endlich mal kennenlernen wollte. Hier traten in letzter Zeit schon viele interessante Bands auf, zum Beispiel die extrem gehypten The Do, ein französisch/finnisches Duo mit der bildhübschen Olivia B. Merilahti an der Spitze, welches spätestens 2008 überall für Furore sorgen dürfte.Um nach Sannois zu kommen, mußte ich aber erst einmal ein paar Hürden nehmen. Die Webseite des EMB versprach, daß es vom Pariser Bahnhof St.Lazare nur 20 Minuten nach Sannois sei. Das klang schon einmal verlockend. Und zurück nach Paris gäbe es Nachtbusse. Auch gut. Daß mit den 20 Minuten stimmte in etwa, aber verschwiegen wurde, daß diese Vorstadtzüge eklig überfüllt sind. Außerdem hatte ich Probleme, mich am Bahnhof zurechtzufinden. Es gab unzählige Gleise, die Züge für alle möglichen Vorstadtkäffer bereithielten. Erst schickte man mich von der Info zum Gleis elf, nachdem mir aber dort die Türe vor der Nase zugeschlagen wurde und alle Versuche, diese noch gewaltsam zu öffnen fehlschlugen (die Leute im Zug taten alles, um mich noch reinzuschleusen, in Deutschland undenkbar!), mußte ich zum Gleis 13 wechseln. So hatte es mir der bärbeißige Typ an der Info mit den krass abgefressenen Fingernägeln zumindest gesagt. Viele Wege führten also nach Sannois. Diesmal kam ich rechtzeitig und stand dann ziemlich eingepfercht zwischen den armen biederen Angestellten, die von ihrem alltäglichen tristen Arbeitstag in die ebenso tristen Vorstädte zurückfuhren. Ich schien der Einzige zu sein, der zu einem Konzert fuhr. Nach jeder Station stiegen mehr und mehr Leute aus. Die Streckenführung peilte ich nicht richtig, die grüne Linie führte neben meinem Zielort Sannois (auf der Linie südöstlich eingezeichnet) auch geradeaus nach was-weiß-ich-wohin (was falsch gewesen wäre!). Aber egal, man hatte mir ja gesagt, daß Gleis 13 richtig sei und so war es dann auch. In Sannois angekommen, galt es nur noch das EMB zu finden. Auch diese Hürde meisterte ich und hatte Glück, daß die kleine Halle nicht weit vom Bahnhof entfernt lag. Draußen war es nämlich schweinekalt! Der Saal selbst (im Keller gelegen) dann nicht sonderlich groß, mit holzvertäfelten Wänden, die an eine Sauna erinnerten und ordentlichem Sound. Zunächst langweilte mich der französische Folk-Barde Sammy Decoster etwas und ließ mich nur gegen Ende aufhorchen, als er eine passable Cover Version des Ronnettes Hits "Be My Baby" anstimmte. Hatte ich mir nach den wohlwollenden Zeitungsberichten besser vorgestellt, aber die lokale Musikpresse geht ja oft mit Samtpfötchen mit den eigenen Landsleuten um. Nun gut, ich war ja wegen Moriarty und den Tellers hier. Und Moriarty erfüllten meine hohen Erwartungen voll und ganz. Allein schon das Bühnenbild mit dem asiatischen Paravent und den antiken Utensilien war die Reise nach Sanois wert. Und erst die Kostüme von Rosemary Standley, wundervoll! Zunächst trug sie ein purpurfarbenes, später ein grünes. Obwohl sie etwas stärker gebaut ist als die typisch zierliche Pariserin, gefiel sie mir sehr. Sie hat halt eben ein paar weibliche Rundungen, wen stört's? Auffallend ist ihre Ausstrahlung und ihr Charisma. Wenn sie den Raum betritt, sind alle Augen auf sie gerichtet. Sie muß eine Theaterausbildung hinter sich haben, anders kann ich mir das Phänomen nicht erklären. Oder sie ist ein Naturtalent, gesegnet mit einer wundervollen Mimik und Gestik. Das Schönste (neben ihrem entwaffnenden Lächeln) an ihr ist und bleibt aber die kraftvolle Stimme. Auch ihre männlichen Kollegen haben so einige Talente in die Waagschaale zu werfen, sie beherrschen die theatralische Mimik ebenso wie ihre Instrumente (darunter Kontrabass und Mundharmonika). Einer der Herren, genauer gesagt der flinke Kontrabassspieler hatte Geburtstag und bekam von Rosemary eine kleine Mandarine gespickt mit einem funkelnden Kerzchen überreicht. Das hatte etwas Feierliches und passte gut zur Stimmung des Abends in diesem recht schönen Saale, der übrigens auch ausgerechnet heute sein 10 jähriges feierte.Zu diesem Zeitpunkt hatte die Sängerin bereits ihre Perücke abgelegt, die sie zu Beginn des Auftritts trug und später zur Belustigung des Publikums an einen ihrer Musiker weiterreichte.Musikalisch herausragend waren vor allem das wunderbare "Cottonflower", welches man auch auf der MySpace Seite der Band anhören kann und die geniale Cover-Version von Depeche Mode's Klassiker "Enjoy The Silence". Auch hier war die Darbietung sehr unterhaltsam. Der Gitarrist hatte sich kleine Klöppel besorgt und schlug auf groteske Art und Weise auf ein winziges Xylophon ein. Rosemary hingegen hielt eine tierische Trophäe im Arm und wog sie wie ein Baby. Hinreißend! Höhepunkt des Sets war aber wie schon damals in der Flèche d'or das sehnlich erwartete Stück "Jimmy" zu dem man prima mitwippen konnte. Nach knapp 50 Minuten war aber leider Schluß, bevor oben beschriebenes Stück von Alela Diane vom Band lief und die Band mit "Private Lilly" ein wunderschönes Sahnehäubchen draufsetzte. Hier sollte man auch einmal auf den Text achten. "My name is Lilly, I'm nineteen years old, no money to study, no boyfriend, i'm kind of bored. I went to the trade fair to find a job: there I met a few guys from the army. They told me that I was smart and pretty. I'm going to war..."
Setlist Moriarty, EMB Sannois:
01: Oskosh Bend
02: Jaywalker
03: ?
04: Cottonflowers
05: Enjoy The Silence (Depeche Mode Cover)
06: Jimmy
07: Motel
08: Bacon (ein Lied für Francis Bacon)
09: Whiteman's Ballad
10: Private Lilly (Z)
Links:
- Video Moriarty - Jimmy (live) hier
- Video Moriarty - Private Lilly hier
- Video Moriarty im Interview mit RodLeHibOO (köstlich unbedingt ansehen!)
- Mehr Photos von Moriarty hier
Nachdem Moriarty unter verdientem und frenetischem Applaus die Bühne verlassen hatten, wurde es im Saale deutlich leerer. Viele Besucher waren wohl in erster Linie wegen Moriarty gekommen und - ich kann es vorwegnehmen - sie hatten nicht ganz Unrecht, den Konzertraum zu verlassen. Zwar war das, was die belgischen Tellers zu erzählen hatten nicht zum Weglaufen, aber wirklich originell leider auch nicht. Schon nach wenigen Titeln drängte sich mir der Gedanke auf, es mit einer Libertines-Coverband zu tun zu haben. Frisch und sympathisch spielten sie ja schon auf, aber der Mangel an eigenen Ideen war schlichtweg nicht zu kaschieren. Wenn man es genau nimmt, klangen sie sogar oft noch eher nach The View als den Libertines, was die Sache nicht besser machte. Wer braucht schon den Klon eines Klons? Das jugendlich ungestümme Selbstvertrauen der Letztgenannten hatten sie aber auch nicht vorzuweisen. Sänger Ben wirkte eher schüchtern und unsicher und überließ seinem forscheren Bassisten François die Ansagen. Sowas kommt natürlich schluffig sympathisch rüber, aber auf der Bühne ist es nun einmal so, daß idealerweise der Sänger die Rolle des Leaders übernimmt. Symptomatisch war, daß Ben statt in der Mitte - wie es üblich ist - am äußerst linken Rand Stellung bezogen hatte. Konsequenz aus dieser mangelnden Bühnenpräsenz war, daß bis auf eine handvoll angeheiterter Teenager niemand tanzte, oder andersweitige Regungen von sich gab. Mein Freund Fabien schien sogar fast einzuschlafen. Der große Kerl kauerte mit dem Rücken an der Wand und drohte wegzudämmern. Als ich zu ihm rüberging, sagte er in ungewohnt forscher Weise: "c'est chiant, je suis assez déçu!" (das ist beschissen, ich bin ziemlich enttäuscht!). Recht hatte er, auch ich hatte mir nach der nett anzuhörenden EP viel mehr versprochen. Stattdessen reihte sich ein ähnlich klingendes Lied an das andere. Und war "He get's High" nicht eine frei adaptierte Cove-Version? Ich hoffe es für die Belgier, denn wenn das nicht nach "Time For Heroes" von den Libertines klang, dann weiß' ich es wirklich nicht. Beim Grand Prix D'Eurovision wären sie damit disqualifiziert worden...
Aber auch bei älteren Klassikern hatten sich die Jungspunde reichlich bedient. Die Single "Second Category" ist bestimmt entstanden, nachdem die Kerle sich an Papis Plattenschrank vergangen haben und dort "If I Got A Hammer" von Trini Lopez gefunden haben müssen. Wenigstens war "Cut Your Hair" von Pavement als Cover kenntlich gemacht. Und auch die Zugabe war natürlich, ja dreimal darf man raten... ein Cover! Diesmal wurde der Soul- Klassiker "Sittin" On The Dog Of The Bay" von Otis Redding verwurstet. Danach hatten Fabien und ich genug gehört. Auch mit der Setlist machten sich die Belgier übrigens nicht allzuviel Mühe. Sie entsprach nicht nur was die Auswahl, sondern vor allem die Reihenfolge der Titel angeht, derjenigen, die Christoph in Köln serviert bekam. Aber er will ja angeblich die "feineren" Libertines (was immer das heißen mag) gesehen haben. Hmm...
Einspruch!
Setlist The Tellers, EMB Sannois:
01: If I Say (Die With Me)
02: More
03: Jack Knife
04: Hugo
05: A Bit Of Glue
06: Want You Back
07: Another Coin For
08: He Gets High
09: Second Category
10: Cut Your Hair (Pavement)
11: Penny
12: Girls Of Russia
13: Confession
14: Sittin' On The Dock Of The Bay (Otis Redding) (Z)