Sonntag, 26. Februar 2012

Phantogram, Paris, 24.02.12


Konzert: Phantogram
Ort: La Flèche d'or (Inrocks Indie Club)
Datum: 24.02.2012

Zuschauer: ausverkauft, also 450 etwa



Manchmal habe ich den Eindruck, die Indie-Szene wird immer mehr Schick-Micki bzw. bling-bling wie man in Frankreich sagt. Mehr Modenschau und Projektionsfläche für eitle Szenepeople als ein Ort, wo sich Musikbegeisterte treffen. "Schuld daran" sind unter anderem Pitchfork und die hippe Elektrobewegung, wo oft nur das Coole, das Trendige, das Kurzlebige zählen.



Beim Konzert der Amerikaner Phantogram in der Pariser Flèche d'or hatte ich wieder einmal diesen Eindruck. Leute, die genau wissen, wie man Second Hand-Fummel mit Designerteilen kombiniert, bevölkerten den Laden und nervten mitunter wahnsinnig. Allein das Pärchen, das vor mir stand, war unerträglich. Er den Dreitagebart genau auf die richtige Länge gestutzt, mit Mützchen à la Enrice Iglesias und einem selbstverliebten Blick, seine Tussi treudoof und arrogant guckend. Ich ahnte schon, daß die mir auf den Sack gehen würden. So kam es dann auch. Die beiden tanzten wahnsinnig affektiert, schossen dann aber auch immer wieder Selbstportraits mit ihren i-phonen und schwätzten ungeniert laut rum.

In der Mitte vor der Bühne eine Horde junger Amerikanerinnen, die sich bewegten, als seien sie Eisprinzessinen und auf der Bühne ein hübsches Pärchen (+ ein Drummer), das elektronischen Dream Pop/Shoegaze kredenzte. 20 % Blonde Redhead, 10 % Mylene Farmer (wegen der dünnen Säuselstimme der Sängerin), 10 % My Bloody Valentine, 10 % Metric, 10% Julee Cruise, 15 & Crystal Castles, 10 % Lush, 10 & School Of Seven Bells und 5 % Jane Birkin, so die nicht unbedingt originelle musikalische Mischung. Eine regelrechte "Plage" an Dream Pop Bands mit verhuschtem weiblichen Gesang bricht seit dem Erfolk von Beach House über uns herein und wenn ich nicht grundsätzlich dieses Genre sehr mögen würde, schrie ich nach Hilfe. So aber bin ich hin und her gerissen. Einerseits mag ich die Einflüsse dieser jungen Bands, andererseits vermute ich, daß in dem ein oder anderen Fall kommerzielle Interessen überwiegen. Es ist allein schon nervig, daß man die Facebook Seite von Phantogram erst liken muß, bevor man die Lieder gratis im Stream hören kann und das Debütalbum Eyelid Movies wurde am Merch nicht wie sonst meistens üblich für 10, sondern für 15 Euro verkauft.

Zugeben muss ich aber, daß ich einigen Passagen des heutigen Konzertes eine Menge abgewinnen konnte. Zum einen war die bildhübsche (dieser fesche Pagenschnitt!) Sarah Bartel eine wirklich beeindruckende, ständig in Aktion befindliche Performerin, die die Texte mit Inbrunst intonierte und zum anderen war das Songmaterial oft hitträchtig. Mouthful Of Diamonds, 16 Years und When I'm Small, das prickelte phasenweise wie bester Champagner. Kühle Synthies trafen auf melodisch-melancholische Gitarren, während das Schlagzeug von hinten mechanisch schepperte. Obendrüber immer der sinnliche Hauchgesang von Sarah, also anziehend war es schon, keine Frage!




Bei der Zugabe wurden sie dann auch noch einmal ganz melancholisch und in einer der letzten Szenen rückten Joshua und Sarah ganz eng zusammen. Der Moment hatte etwas Intimes, etwas stark Knisterndes. Aber just in diesen Sekunden rief eine offensichtlich besoffene Amerikanerin ganz laut rein:" you're so hot, it's unbelievable" was die Magie völlig zerstörte.


Wie ich sagte, das Publikum ist manchmal blöd und affektiert und versteht nix von Musik. Mein persönliches Urteil zu Phantogram ist damit noch nicht gefällt. Die sind toll! Oder doch nicht? Ach, ich brauche da etwas Zeit...


Setlist Phantogram, Flèche d'or, Paris:

01: Intro
02: Bloody Plams
03: Running From The Cops
04: Mouthful Of Diamonds
05: As Far As I Can See
06: Turning Into Stone
07: 16 Years
08: You Are The Ocean
09: Don't Move
10: Turn It Off
11: Make A Fist
12: When I'm Small

13: Nightlife
14: Futuristic Casket



1 Kommentare :

E. hat gesagt…

danke für die beschreibungen der alltagsphänomene, ich steh ja drauf. aufgepeppte menschen bei indiekonzerten. ok. kein benehmen. schlimm. ich wäre für einen konzertknigge. sparsam, aber eindeutig beschrieben.

 

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