Mittwoch, 26. September 2007

Anna Ternheim, Heidelberg, 25.09.07


Konzert: Anna Ternheim
Ort: Karlstorbahnhof Heidelberg
Datum: 25.09.2007
Zuschauer: ziemlich viele, es schien fast voll zu sein



Einen Künstler zwei Tage in Folge zu sehen, ist nicht-Musikverrückten auch nicht ansatzweise zu vermitteln. Bei mir ist das bei Anna Ternheim auch Premiere, als der Plan ihrer kurzen Tour durch Deutschland bekannt wurde, wollte ich aber auch gar keinen Fall irgendetwas verpassen und kaufte daher Tickets für Heidelberg und Köln.

Der Karlstorbahnhof in Heidelberg ist kein besonders großer Konzertsaal - aber ein sehr schöner. Der Raum scheint breiter als lang zu sein, vor der Bühne ist kein furchtbar großer Platz, dahinter geht es ein paar Stufen hoch und eine ähnlich große Fläche schließt sich weiter oben an, ganz hinten gibt es noch einmal ein paar Stufen. Dadurch hat der Saal irgendwie Theater-Ambiente. Und das paßte perfekt zum folgenden Abend.

Auf der riesigen Bühne standen ein rotes, sehr witzig aussehendes Klavier (ok, die Assoziation ist nicht originell, mir erschien das aber einem Astrid Lindgren-Film entsprungen), zwei Mikros, eines ganz normal aussehend. Das zweite war so ein Verzerr-Mikro, das vor einem Schemel aufgebaut war. Im Hintergrund standen noch
drei Gitarrenhalter - und das war es. Es schien also so wie in Berlin zu sein, wo Anna vergangenen Mittwoch in einer Kirche auftrat, solo, und dies damit begründete, daß ihre Band betrunken sei. Wahrscheinlich hatten die Musiker da wirklich so viel getrunken, daß sie immer noch nicht einsatzfähig waren, mir sollte es recht sein, denn ich hatte Anna Ternheim schon mit Band gesehen (und war begeistert) und wollte sie eben auch alleine und akustischer erleben.

Um viertel nach neun trat die junge Schwedin dann auf. Anna trug ein weißes, hoch zugeknöpftes Hemd, eine weite Stoffhose, die nach Hosen aussah, die man aus uralten Filmen kennt, dazu schwarze Hosenträger und als modernes Element Springerstiefel. Wären die Stiefel nicht gewesen, hätte Anna einem Foto aus den 20er Jahren (und älter) ensprungen sein können.

Die Sängerin nahm sich eine der Gitarren, stellte sich an das normale Mikro und
begann ohne viel Show mit "Better be". Das Lied ihrer Debütplatte ging nahtlos in das grandiose Bowie-Cover "China girl" über. Ich hatte den Eindruck, als verunsicherte das das Publikum, denn kaum jemand wagte da zu klatschen. Auch danach war das Klatschverhalten sehr ungewöhnlich. Meist dauerte es einen Moment länger als sonst, bis Applaus kam, irgendwie wirkte jeder ergriffen von der wundervollen aber leisen Musik, jedes zu frühe Klatschen hätte da gestört.

Was allerdings massiv gestört hat, war eine Frau im Hintergrund, die anfangs in jedes
Lied reinplärrte, redete, dazwischen rief, es war grausam! Anna war auch sehr schnell sehr genervt. Sie hatte vorher gesagt, sie seien mit dem Bus acht Stunden aus Salzburg angereist, erschien anfangs auch müde. Zunächst bat sie die Störerin noch nach vorne, sie solle am Ende mal auf die Bühne kommen und ein Lied mitsingen. Später sagte sie, es sei ein sehr ruhiges Konzert und wir sähen aus wie Kerzen (das stimmte, von vorne sahen die andächtig zuhörenden, sich kaum bewegenden, vom roten Bühnenlicht beleuchteten Leute so aus!). Da gäbe es nur eben diesen Störer. Gottseidank war das aber schnell vorbei. Ich verstehe so Leute auch nicht, selbst nicht zuzuhören und sich zu unterhalten statt dem Konzert zu folgen, ist die eine Sache. So laut rumzustören, daß die anderen Zuschauer und die Künstlerin angepisst sind, ist wirklich das allerletzte!

Glücklicherweise war Annas Laune schnell wieder deutlich besser. Denn sie schien sichtlich erfreut, wie gut ihre ruhige Musik in Heidelberg ankam. Vorher hatte sie sich noch für unser Kommen damit bedankt, daß sie bei einem ersten Konzert in einer Stadt froh wäre, wenn überhaupt jemand käme. Aber auch die vielen, die vermutlich vorher noch nichts (oder nur wenig) von ihr gehört hatten, konnten sich den großartigen Melodien, so fabelhaft zurückgenommen vorgetragen, entziehen. Das
Programm ging weiter mit Liedern aus allen Phasen ihrer Karriere, also (da das so hochtrabend klingt) von beiden Alben, von den naked versions der Alben und den EPs. "I say no" spielte sie in der ursprünglichen Version, "as I recorded it in the kitchen of a close friend." Ein weiterer Höhepunkt am Anfang war "Tribute to Linn", das auch musikalisch perfekt zu diesem Abend passte.

Anschließend kam das Verzerrmikro zum einzigen Mal zum Einsatz. Anna nahm sich die dritte Gitarre, setzte sich auf den Schemel und erklärte, daß das ihr erstes Instrument sei, diese Gitarren seien für die Schule gemacht worden. Sie klänge aber richtig mies. Damit spielte sie dann "Nights in Goodville" von den naked versions der aktuellen Platte. Es klang natürlich alles andere als "crappy".

"No
subtle men", das nächste Stück, begann sie zunächst deutlich zu hoch, bemerkte das schnell und fing lachend und tiefer neu an. Das war aber die einzige kleine "Panne" des Abends, ansonsten klangen ihre Lieder präzise, ihre Stimme war überzeugend, die reduzierten Arrangements traumhaft. Bei ganz wenigen Stücken kamen Begleitungen vom Band, u.a. der Anfang von "Girl laying down", das sie am Klavier spielte. Anna erklärte, bei ihrem zweiten Album hätte sie ein gutes Budget gehabt, sodaß sie Geld für Streicher und ähnliches ausgeben konnte. Nur sei das leider zu teuer, die auf eine lange Tour mitzunehmen. Natürlich sind die üppig instrumentierten Albumversionen grandios, ein akustischer Abend mit Anna Ternheim ist allerdings mindestens genauso fabelhaft.

Anders als früher ist "Shoreline", das Broder Daniel Cover, nicht mehr Abschlußsong ihrer Konzerte. Sie spielte diesen Riesenhit auch am Klavier - und herzerweichend!

Danach folgten noch "Lover's dream" (leider natürlich ohne Fyfe Dangerfield), "To be gone" und Annas Liebling "Halfways to Fivepoints" - welch ein Ende! Aber das Publikum hatte natürlich noch nicht genug (ich denke wirklich, daß viele Anna vorher nicht gut kannten, von ihr aber restlos überzeugt wurden - die Schwedin fragte irgendwann, ob jemand von uns das aktuelle Album hätte, ein paar meldeten sich - "The rest of you are downloaders" - sie habe damit aber kein Problem, es sei eine Möglichkeit, Musik kennenzulernen).

Zwar mit umgehangener Gitarre (aber ohne die zu benutzen) war "A voice to calm you down" die erste Zugabe. Es folgten noch u.a. "Little lies" von der Shoreline EP und "
Elegi" auf Schwedisch. Es war wundervoll! Und für Anna war es nach dem genervten Auftakt auch wohl ein schöner Abend, sie wirkte nämlich immer fröhlicher, immer gelöster, bedankte sich oft mit Verbeugungen, bedankte sich in alle Richtungen. Dabei hätten wir uns verbeugen müssen, vor Annas riesigem Talent!

Setlist Anna Ternheim Heidelberg:

01: Better be übergehend in
02: China girl
03: I say no
04: I'll follow you tonight
05: One to blame
06: Tribute to Linn
07: Nights in Goodville
08: Wedding song
09: No subtle men
10: Words of love
11: Girl laying down
12: Shoreline
13: Lover's dream übergehend in
14: To be gone
15: Halfway to Fivepoints

16: A voice to calm you down (Z)
17: My secret (Z)
18: Little lies (Z) (Fleetwood Mac Cover)
19: Elegi (Z)


Links:

- Anna in: Paris, im Dezember 06
- im März 07 in Köln
- in Paris im Mai 07
- mehr Fotos

Konzerte von Anna Ternheim in Deutschland:

26.09.07: Köln, Stadtgarten
27.09.07: Bielefeld, Ringlokschuppen
28.09.07: Hamburg, Reeperbahnfestival




 

Konzerttagebuch © 2010

Blogger Templates by Splashy Templates