Mittwoch, 29. April 2009

Anna Ternheim, Frankfurt, 28.04.09


Konzert: Anna Ternheim
Datum: 28.04.2009
Ort: Batschkapp, Frankfurt
Zuschauer: 500 bis 600 (fast ausverkauft)
Dauer: Anna Ternheim 80 min, The Tiny 20 min


Bei meiner Planung, zu welchem Konzert der aktuellen Anna Ternheim Tour ich gehen würde, war die Frankfurter Batschkapp so etwas wie eine Notlösung, weil mir die Halle für eine solche Art Musik denkbar ungeeignet schien. Vor allem ist die Batschkapp riesig groß und würde sicher nicht ausverkauft sein.

Da hatte ich mich allerdings ordentlich verschätzt. Denn schon recht zeitig schien die Halle fast voll zu sein. Ich hatte ehrlich gesagt nicht damit gerechnet, daß die Schwedin mittlerweile so bekannt in Deutschland ist. Auch das Kölner Luxor war wohl Montag fast ausverkauft. Ob dieser schreckliche Werbesatz "Blonde Frau - schwarze Seele" so erfolgreich war? Vermutlich haben aber wohl eher Mundpropaganda und der wahnsinnige Suchtfaktor, den die Musik der in New York lebenden Stockholmerin hat, dafür gesorgt, daß ihre Deutschland-Tour so erfolgreich ist. We hate it when our friends become successful? Nein, ganz sicher nicht.

Nach dem Konzert in Nijmegen am Freitag wußte ich bereits, was mich an
Vorgruppen-Programm erwartete. Das schwedische Duo The Tiny, das ich vorher nur als Annas Tour-Band-Mitglieder gekannt hatte, wollte ich unter keinen Umständen verpassen, denn das 20-minütige Set vergangene Woche hatte mich sehr begeistert. The Tiny bestehen aus Ellekari Larsson und Leo Svensson. Ellekari spielt in Annas Begleitband Keyboards, Trompete und singt background; Leo ist Cellist, Backgroundsänger und Säge-Spieler. Bei The Tiny kommt ein Harmonium zu diesem ohnehin schon illustren Instrumente-Spektrum. Und machmal wirkt auch Ellekaris Stimme wie ein weiteres Instrument.

Leider spielten die beiden auch diesmal nur vier ihrer Lieder, obwohl The Tiny bereits zwei Platten (und eine EP) veröffentlicht haben. Und noch einmal leider erscheint das dritte Album des Duos erst "an einem Mittwoch im September", wie sie mir hinterher sagten. Für mein Leben gerne hätte ich das aufregende dritte Lied ihres Sets gleich auf der Rückfahrt wieder gehört. Das Stück
mit dem Refrain "I could not stand losing you" hat mich vollkommen erobert. Immer wieder erinnerten The Tiny mich an Helden wie Kate Bush (fast hätte ich Nash geschrieben), ohne dabei aber einen deutlichen skandinavischen Charme vermissen zu lassen. The Tiny werde ich mir definitiv auch ansehen, wenn sie einmal ohne Anna Ternheim unterwegs sein werden. Aber mit wäre auch nicht so schlecht, davon hätten mich die folgenden achtzig Minuten überzeugt, wäre das denn noch nötig gewesen.

Denn nach fünf ganz unterschiedlich ausgerichteten aber allesamt brillanten Konzerten der Sängerin, mache ich mir keine Sorgen mehr, ob der Abend gut werden würde. Dafür hat Anna Ternheim zu viel Songwriting- aber auch Wiedergabetalent -
und nicht zuletzt einen erobernden Charme, dem sich wohl kaum einer der Besucher entziehen konnte.

Neu im Gegensatz zu dem Konzert vor einer Woche war eine zusätzliche Background-Sängerin. In Stockholm hatte ich dies schon ähnlich erlebt, da hatte Anna Ternheim drei schwarz gekleidete Sängerinnen dabei. Wenn ich das richtig verstanden habe, hieß die Dame Linn Segelson (DIE Linn?).

Das Konzert begann mit den beiden dunklen und sehr schlagzeugintensiven Titeln Terrified und What have I done vom aktuellen Album. Und beide waren deutlich
besser abgemischt als vor ein paar Tagen, sodaß das Schlagzeug Vergnügen und nicht dumpfe Qual war. Natürlich hätte ich What have I done auch zu gerne einmal in der famosen akustischen Version gehört, die als Vorabdownload vor der Platte erschienen war. Aber auch dies hier begeisterte mich wieder sehr. Diese schrecklich traurigen Lieder (zu den erstaunlicherweise mancher sehr fröhlichen Ausdruckstanz zeigte), in düsterem Arrangement in diesem Laden - das machte auf einmal ganz viel Sinn!

Im Prinzip war die Setlist die von meinem letzten Konzert der Schweden, mit zwei Änderungen. Die Reihenfolge der Stücke war eine andere und Better be fehlte in Frankfurt. Ich habe ganz bewußt auf die vielen kleinen Dinge
geachtet, die auf der Bühne passieren, und das lohnt sich. Bis auf den Schlagzeuger wechseln alle Musiker regelmäßig ihre Instrumente. Bei Bassist Patric Thormann ist dies noch wenig spektakulär - er wechselt nur zwischen E- und Kontrabaß. Ellekari singt, spielt Keyboards, pfeift und trompetet bei Black sunday afternoon. Ihr The Tiny Kollege kann da aber noch mehr. Oftmals wechselte er mitten im Stück zwischen Cello, Glockenspiel, Keyboard, Säge und Synthesizer. Meine Lieblingsstelle war die in einem der letzten Lieder, als er den Synthie mit den Glockenspiel-Klöppeln bediente! Und auch er sang viel. Ehrlich gesagt habe ich bei all den singenden Menschen Linn gar nicht rausgehört. Vielleicht lag das aber auch daran, daß mein Blick auf die zusätzliche Sängerin von Anna Ternheim verdeckt wurde.

Weitere unglaublich schöne Momente waren das wundervolle Intro von Lovers dream. Das Lied - vor allem in der Version mit Fyfe Dangerfield von den Guillemots -
habe ich unzählige Male gehört. Allerdings ist die aktuelle Live-Variante die mit Abstand schönste. Dieses gezupfte Cello mit Glockenspiel am Anfang ist umwerfend! Auch das schon erwähnte Black sunday afternoon gehörte zu den unbedingten Höhepunkten! Genau wie I'll follow you tonight ("it's a song about sleeping with people"), das neben Annas Gitarre nur die singende Säge von Leo instrumentierte. Irre! Glockenspiel und Pfeifen bei dem eh sagenhaften I say no, die neuen Enden von My secret und Damaged ones (dieses köstlich schiefe Cello!) oder der Herzschlag am Ende von My heart still beats for you...

Unbestrittene Lieblinge des Abends waren aber zwei andere, eigentlich weniger beachtete Lieder: Summer rain, ohne Mikro, nur von Ellekari und Anna gesungen, mit ganz leider Gitarre und das am Ende von Anna Ternheim rausgeschrieene A french love, bei dem sie zwischendurch einen knallroten Kopf hatte! Natürlich hielt auch in der Batschkapp das ganz ganz leise gesungene Summer rain einige nicht davon ab, laut zu lachen, "Zugabe" zu rufen (während die lief - originell!). Ich hatte währenddessen viele sehr unflätige Schimpfworte im Kopf, die ich aber leider alle wieder vergessen habe (sie waren aber auch wirklich böse).

Ich fürchte, ich kann nicht richtig verbergen, wie begeistert ich war. Die Halle konnte das auch nicht. Und die olle Batschkapp hatte mich mit einem grandiosen Konzert richtig überrascht! Schade, daß die Deutschland-Tour vorbei ist!
*

Setlist Anna Ternheim, Batschkapp, Frankfurt:

01: Terrified
02: What have I done
03: Girl laying down
04: No, I don't remember
05: A french love
06: I'll follow you tonight
07: Lovers dream
08: Damaged ones
09: Black sunday afternoon
10: Let it rain
11: I say no

12: To be gone (Z)
13: My secret (Z)

14: Summer rain (Z)
15: My heart still beats for you (Z)

Links:

- aus unserem Archiv:
- Anna Ternheim, Nijmegen, 24.04.09
- Anna Ternheim, Stockholm, 08.12.08
- Anna Ternheim, Paris, 01.10.07
- Anna Ternheim, Köln, 26.09.07
- Anna Ternheim, Heidelberg, 25.09.07
- Anna Ternheim, Paris, 31.05.07
- Anna Ternheim, Köln, 12.03.07
- Anna Ternheim, Paris, 12.12.06
- Interview mit ihr in Köln
- mehr Fotos vom Konzert im Doornroosje


* auch wenn meine Fotos den Eindruck erwecken könnten: ich habe mir nicht To be gone in der französischen Version gewünscht (Oublié - auch wenn das toll ist!)...

7 Kommentare :

Anonym hat gesagt…

14, ?, 16? :)

Christoph hat gesagt…

Leider 14 und 15 :-( Am Freitag hat sie ein Stück mehr gespielt.

Nachts kann ich offenbar nicht mehr korrekt bis 16 äh 15 zählen.

Danke für den Hinweis!

Nelle hat gesagt…

Und, noch nach Paris getuckert?
Köln war bereits im Vorfeld ausverkauft, wobei ich keine Ahnung habe wie viele Zuschauer das bedeutet.

Anonym hat gesagt…

Habe gerade Olivers bericht aus Paris gelesen... Du hast ganz verschwiegen, dass Anaa ternheim Dich auch erkannt und Dir zugezwinckert hat...

Es war wirklich ein tolles Konzert! Vielen dank noch mal! Wird bestimmt nicht das letzte mal sen, dass ich Anna live angesehen habe...

LG, Roland

Anonym hat gesagt…

Ups... habe heute offensichtlich ein kleines orthografisches Problem... Liegt wohl daran, dass ich heute ausgeschlafen habe ;-)

LG, Roland

Peter aus Ettlingen hat gesagt…

Ich war in Stuttgart und eine Woche später in FFM. Stuttgart war IMHO deutlich besser - durch Bestuhlung irgendwie andächtiger. Die Frankfurter waren teilweise einfach nervend laut, zumindest bei THE TINY und bei der unplugged Zugabe. Das hat sich dann auch gelohnt, weil sowohl Anna als auch THE TINY jeweils deutlich gesprächiger waren. Beim nächsten Mal also auch noch nach Stuttgart fahren. Lohnt sich. Tolle Bilder. Danke.

Oliver Peel hat gesagt…

Interessant, The Tiny habe ich ganz anders empfunden. Das war gar nichts für mich und selbst die 20 Minuten erschienen mir schon zu lang. Den Song mit der Zeile " I could not stand losing You" fand ich am zähesten...

 

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