Dienstag, 14. Februar 2012

Soap&Skin, Wien, 10.02.12


Konzert: Soap & Skin
Ort: Arena, Wien
Datum: 10.02.12
Zuschauer: ausverkauft - 1000
Konzertdauer: 80 Minuten


Den Beginn eines Konzerts am Tag selber erst mit acht Uhr festzusetzen ist schon eine komische Taktik. Besonders, wenn Konzerte in der Arena sonst allerfrühestens um halb zehn beginnen. Ob da wohl alle rechtzeitig kamen?
Die Schlange vor der Garderobe war jedenfalls auch um halb acht schon elendig lang, weswegen ich auf die gebührenintensive Erleichterung verzichtete und mich lieber dem Merchstand zuwandte. Weil nämlich: spannender. Von der Soap&Skin-Schokolade, die der steirische Konfektkünstler Zotter zusammengemixt hat, hatte ich schon gehört, eine höchst skurrile Mischung: Weihrauch, Schweineblut (1,2% oder so), Rotwein, Kornblumen und dunkle Schokolade. Ähm ja, klingt reichlich grauslich, aber wer Zotter-erprobt ist, weiß dass das mit Sicherheit eine wie die Faust aufs Auge passende Kreation ist. Weniger schmecken tut da der Preis: 4€ für 70g.
Umsonst gabs dafür rötliche Locken der Anja Plaschg, aufgetürmt in einem kleinen Schälchen, feuerrot leuchtend. Will da jemand seinem Personenkult mit einem ironischen Wink begegnen? Oder war diese Aktion ernst gemeint? Wenn ja, dann ist das wirklich Haar-dcore.

Nebelschwaden waberten über die Bühne und aus den Boxen erklangen schon Songs von "Narrow", während sich die große Halle der Arena langsam füllte. Spoileralarm! Wo werden denn bitte schon vor dem Konzert Songs der Künstlerin gespielt?!
Viertel nach acht wurde es dann finster, der Nebel dichter und Plaschg kam in einem beinlangen Mantel auf die Bühne, in der Hand ein Weihrauchfass, das sie an der vordersten Kante der Bühne zum Einsatz brachte.

Mit Deathmental begann daraufhin das Konzert, Plaschg stand zentral hinter einem Mikrofon, spärlich angestrahlt - der düsteren Atmosphäre des Songs absolut entsprechend. Dazu lieferte sie Tanzeinlagen, die vor allem an den Stellen, die so sehr an Portishead - Machine Gun erinnern, ausarteten.
Cradlesong wirkte dagegen beinahe einschlummernd, richtig ausgeglichen. Kein Wunder eigentlich, wenn ein Song schon "Wiegenlied" heißt. Dieser beruhigende Ausgleich war aber vermutlich sowohl für das Publikum als auch für die Künstlerin selbst notwendig.

Vor Big Hand Nails Down betrat dann das Ensemble den Ort des Geschehens, bestehend aus sechs Vokalisten, zwei Violinisten, zwei Cellisten (darunter Lukas Lauermann von A Life, A Song, A Cigarette), einer Kontrabassistin und einem Trompetenspieler. Auch Plaschgs Schwester war wieder dabei. Diese kleine Armee an Instrumentalisten fand ihren Platz auf einem treppenförmig aufgebauten Podest und war gänzlich in schwarz gekleidet. (Mein Favourite übrigens: das Eric Cantona-Lookalike an der Geige.)

Dadurch aufgefettet erfuhren die Songs neue Interpretationen, zudem reizt Soap&Skin anscheinend nicht mehr ihre Stimme bis zum Anschlag aus, sondern geht wesentlich zurückhaltender zur Sache. Ebenfalls eine Auswirkung des Ensembleeinsatzes könnte die große Unsicherheit gewesen sein, die Plaschg zu einigen Fehlern, Zeilensprüngen und stimmlichen Brüchen verleitete.
Teilweise wirkte sie ob dieser Unplanmäßigkeiten richtig verzweifelt, entschuldigte sich kurz, um sich am Rand der Bühne zu sammeln und warf immer wieder suchende Blicke Richtung Techniker und Schwester.

Andere Songs, wie Wonder beispielsweise, gelangen auf Anhieb und zeigten richtig gut die Möglichkeiten der Kombination Solokünstlerin + Begleitensemble auf. In Meltdown, bei dem Plaschg im rhiz beinahe ihr Piano ruiniert hatte, spießte sich dagegen wieder ordentlich. Vater wiederum, von dem man annehmen könnte, dass es die meisten Schwierigkeiten bereitet, bestritt Plaschg souverän und zielsicher.

Das alles passte gut ins Bild der Soap&Skin, wie ich sie kannte. Etwas sperriger sind die neuen Songs zwar, dennoch eine konsequente Weiterentwicklung des Begonnen. Was es mir schwer macht, ein länger als 5 Minuten gültiges Urteil über das Konzert z fällen waren die Show-Elemente und der Stil der Umsetzung mancher Songs. Da stand Plaschg dann wieder ohne Klavier und damit quasi ungeschützt und an vordester Front am Mikrofon, ließ ihren Mantel wallen, krümmte sich zu düsteren Electronic-Flächen und sang schmerzverzerrt. Show? Ablenkung? Schock? Ganz abkaufen konnte ich ihr diese Darbietungen nicht.

Völlig authentisch war dagegen ihr sichtliches Bemühen, der absolute Wille, dem Publikum etwas zurückzugeben. "Wir lieben dich trotzdem", rief jemand aus dem Publikum nach einem ihrer Fehler und rührte sie damit.
Als sie nach sicherlich 3-4 Minuten alleine zur Zugabe zurückkam, setzte sie sich ans Klavier und sprach: "Ich weiß nicht, ob ich das jetzt noch schaffe. Aber danke...", wobei ihre Stimme beim letzten Wort erstickte. Sie schaffte es. "Es": Born to lose. Nachdem sie im rhiz The End gecovert hatte, ein weiteres hundertprozentig passendes Stück. The End und Born to lose - zwei Songs, die zu Soap&Skin passen, Musik, mit der auch ein zwischenzeitlich etwas skurriles Konzert in seine Bahn zurückfindet bzw. sich schön abschließen lässt.
Soap&Skin verabschiedete sich mit einem erleichtert und dankbaren Lächeln, es folgte begeisterter Jubel, nachdem der Applaus während des gesamten Konzerts eher Konzerthausatmosphäre hatte, und weitere Minuten mit geklatschen Zugabewünschen, Plaschg kam aber nicht mehr.

Eine gute Entscheidung. Der Abschluss des Konzerts war famos gelungen. Zudem stellt sich die Frage, wie lange ein Mensch und seine Psyche das aushalten können, was Soap&Skin auf der Bühne vorbringt.
Kurz und bündig: Soap&Skin ist eine fantastische Musikerin, das Konzert war etwas unrund konzipiert, Marche Funèbre war ein absolutes Highligh, das Enemble eröffnete neue Möglichkeiten. Dennoch gefiel mir das ungleich intimere Konzert im rhiz wenige Tage zuvor um einiges besser, es erlaubte auch ein viel leicheres Urteil als diesen doch ein wenig dahingekrampften Bericht. Und das beste folgte wie immer ganz zum Schluss: Der Crêpes-Stand vor der Arena.

Hier übrigens eine schöne Videosession mit Soap&Skin: "Rotwein und Blut"

Setlist Soap&Skin, Arena Wien:

01: Deathmental
02: Cradlesong
03: Big Hand Nails Down
04: Cynthia
05: Extinguish Me
06: Wonder
07: Surrounded
08: Pray
09: Fall Foliage
10: Meltdown (Clint Mansell Cover)
11: Voyage Voyage (Desireless Cover)
12: Lost
13: The Sun
14: Vater
15: Thanatos
16: Mr. Gaunt Pt. 1000
17: Marche Funèbre
18: Sugarbread

19: Born to Lose (Shirley Bassey Cover) (Z)


Soap&Skin live (Auswahl):
27.02. - Freiheizhalle, München
17.04. - Le Trabendo, Paris
18.04. - AB, Brüssel
21.04 - Kampnagel, Hamburg

Die absolut großartigen Fotos wieder mal vom guten Patrick, vielen Dank!



2 Kommentare :

Gudrun hat gesagt…

Hier ist der Konzertbericht aus Berlin in der taz:

http://www.taz.de/1/berlin/tazplan-kultur/artikel/?dig=2012%2F02%2F14%2Fa0164

(Titel: Dem Albtraum entgegen)

Julius hat gesagt…

Danke! Scheint ihnen teilweise ähnlich gegangen zu sein, den Berlinern!

 

Konzerttagebuch © 2010

Blogger Templates by Splashy Templates