Dienstag, 22. Oktober 2024

left of the dial Festival - Rotterdam - 17.-19.10.2024

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Konzert: "left of the dial" Festival
Ort: Rotterdam - div. Locations 
Datum: 17.-19.10.2024
Dauer: 3 Tage
Zuschauer: ausverkauft



Schon im letzten Jahr stand dieses rasant wachsende Showcase-Festival auf unserer "to do" Liste. Einige Viren hatten leider etwas dagegen. 130 Acts auf 22 Bühnen, verteilt über die Innenstadt von Rotterdam. Ein Moloch von Programm, bei dem die Playlist alleine 14 Stunden in Anspruch nimmt.

Interessanterweise besteht hier das Line-Up aus unzähligen UK-Acts, die z.B. beim Reeperbahn Festival vor einem Monat fast gar nicht anzutreffen waren. Auch sind die Genre hier enger gefasst. Post-Punk, Indie und ein paar wenige Ausreißer in Richtung Pop, Folk und Punk. 


Umso besser, aber auch anstrengender ist daher die Planung mit der Festival eigenen App. Zwar sind alle Clubs in Gehweite, thematisch gibt es aber keine weitere Zuordnung. Ansonsten ist aber alles ganz liebevoll und organisatorisch perfekt gestaltet. 


Die Läden hören auf so tolle Namen wie Worm, Roodkapje oder Tiki`s. Drei  wunderschöne Kirchen werden bespielt. Dazu die bekannten und ehrwürdigen Clubs:  Perron und Rotown. 


Das Rahmenprogramm bietet einen Moshpit Lehrgang (auch in einer Kirche), Merch fast aller Bands zum Selberdrucken und Kinofilme am Mittag. Extra-Tickets gibt für vier Hafenrundfahrten in Booten mit je zwei Bands. Die Innenstadt präsentiert darüber hinaus noch einige Bands gratis und ohne Eintritt. 


Fast alle Bands treten mehrmals am Wochenende auf, so dass sich der Zeitdruck etwas entspannt. Irgendwann muss man dann ja auch nochmal etwas Essen und Schlafen. Ich kann diese Innenstadt Festivals nur immer wieder empfehlen. Man sieht trotzdem immer noch genug von der Stadt und entdeckt Ecken, die einem ein normaler Städte Tripp definitiv vorenthalten hätte. 

Bands auf ihren ersten Live-Schritten zu sehen macht einfach Freude. Viele werden den Sprung auf andere Festivals in 2025 schaffen. Musikalisch gab es folgende Bands zu beachten:


Deary konnte man bereits als Support von Slowdive in diesem Jahr erleben. Hier spielen sie am Nachmittag ihren ruhigen Mix aus Shoegaze und Indiepop. Pamphlets aus New York ziehen dann das Tempo schon etwas an. Klassischer Indie-Rock mit amerikanischem 90er Einschlag. 

Als einer der Gewinner des Wochenendes können dann Human Intrest punkten. Auf dem gleichen Label wie Sports Team und Englisch Teacher (Nice Swan) spielen sie tolle Songs mit Harmoniegesang und einen Sound zwischen Arcade Fire und T. Rex. Tipp. 


Eine der wenigen Bands, die schon vorher etwas Aufmerksamkeit bekamen, waren Dog Race. Ich konnte den Hype aus Haldern hier nicht nachvollziehen. Der Gesang ist sehr gewöhnungsbedürftig, irgendwo zwischen Highlands und Exorzist. Eine Coverversion von Joan Baez bleibt unverstanden. Trotzdem hat die Bands zwei echte Hits im Gepäck und wird ihren Weg machen. 

Viel mehr Spaß machten mir da schon zwei Bands aus dem BCNR Umfeld. Sowohl ladylike als auch Ugly sah ich in der Kirche und beide waren hervorragend. Introvertierte Pop-Perlen, meist jenseits der fünf Minutengrenze. Himmlisch. Danach noch zur Aftershow-Abriss Party ins Rotown. So schön können Herbst-Festivals sein. 


Eine besondere Erwähnung gibt es dann noch für Meryl Streek. Zunächst nur mit einer Taschenlampe beleuchtet betritt er die Bühne und startet einen Rant gegen Kirche und Staat, der Mike Skinner wie einen wortkargen Anfänger klingen lässt. In Dublin scheint sich einiges angestaut zu haben. Miete, Missbrauch und Mafia bieten genug Themen für einen explosiven Auftritt. Unbedingt reinhören. 

Und so verfliegen die Stunden, Tage und dann ist es auch schon wieder vorbei. "Left of the dial" beweist, wie ein perfektes Indoor-Festival funktioniert und wenn man in die lachenden Gesichter der unzähligen Musiker blickt, die ihre Instrumente durch die Gassen tragen, scheinen sie es genauso zu genießen.  

3 Fotos: Tineke Klamer    



Donnerstag, 3. Oktober 2024

Ryan Adams - Concertgebouw de Vereeniging - Nijmwegen - 02.10.2024

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Konzert: Ryan Adams
Ort: de Vereeniging, Nijmwegen
Datum: 02.10.2024
Dauer: 150 min.
Zuschauer: ausverkauft


"To die by your side. Well, the pleasure, the privilege is mine". Ryan Adams covert The Smith in einer berührenden Pianoversion, und vielleicht ist diese Zeile auch schon die größtmögliche Hoffnung auf eine Zukunft, die eigentlich gar keine ist. 

Leicht und unbeschwert ist nichts an diesem Konzertabend und das Fotoverbot obligatorisch. Nicht einmal eine Bühnenbeleuchtung gibt es. Ein paar wenige Wohnzimmerlampen müssen reichen, Adams scheint wirklich gar nichts erhellen zu wollen. 


Dreißig Songs in 2,5 Stunden, abwechselnd am Piano oder mit Gitarre, kaum Ansagen und schon gar kein Lächeln sind während des Auftritts zu erkennen. Eine live vorgetragene Katharsis und weniger ein Konzert werden hier aufgeführt. 
Nur was soll ich als Zuschauer damit anfangen ? 

Adams hat viele Übergriffe und Fehler eingestanden und wirkt auch äußerlich schwer angeschlagen. Mit mittlerweile kurzen Haaren und vielen Kilos ist er kaum wieder zu erkennen. Seine Gesten sind klein, seine Sprechstimme leise. 

Will man einen Saal mit 2.000 Besuchern akustisch überzeugen, helfen  Charisma und Bühnenpräsenz schon sehr viel weiter. Gerade ein Vergleich zu Glen Hansard zeigt die gewaltigen Unterschiede auf. 

Ja, es gibt Highlights. "I see monsters", und das letzte Drittel des Sets sind etwas zugänglicher. Doch meistens sind es die Coverversionen, die er meisterlich vorträgt. Dylans "Love Sick", oder "Pale Blue Eyes" von Velvet Underground klingen träumerisch, aber nicht weniger depressiv als im Original. 


Und so bleibt es ein Abend in komplettem Moll. "The fact that you are married. Only proves you`re my best friend. But it`s truly, truly a sin." Zugaben sind inkludiert. 

Zwei Songs vor dem Ende zieht sich Adams bereits wieder sein Sweatshirt an. Darauf ist das Motiv von "The Exorcist". Wer an Zufälle glaubt, ist hier falsch.  





Dienstag, 1. Oktober 2024

Nick Cave & the Bad Seeds - Rudolf-Weber Arena - Oberhausen - 24.09.2024

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Konzert: Nick Cave + the Bad Seeds 
Ort: Rudolf Weber Arena, Oberhausen
Datum: 24.09.2024
Dauer: 145 min.
Zuschauer: ca. 10.000


Ein verregneter Abend im Spätsommer, ein grauer Anzug mit Krawatte und eine Multifunktionsarena im Ruhrgebiet sind normalerweise nicht die perfekten Zutaten für ein emotionales und musikalisch hochwertiges Konzert.

Aber wir reden ja hier von Nick Cave, der an diesem Abend seine neue Tournee mit den Bad Seeds, vier Backgroundsänger/innen und Colin Greenwood (Radiohead) am Bass in Oberhausen startet. Thematisch will das so gar nicht in diese schmucklose Halle am Centro passen. 

Wer meint, er bräuchte einen Liter Cola, kann ihn hier für 11,80 EUR erwerben. Ansonsten ist man froh, das grelle Licht des Umgangs zu verlassen und sich in der bereits dunklen Halle auf Dry Cleaning zu freuen. Die haben einen schweren Stand. 


Wer Florence Shaw noch nie live gesehen hat, wird natürlich zunächst etwas verwirrt sein. Die Band versucht gar nicht erst, die Vorfreude der Nick Cave Fans zu stören und spielt ihre 40 Minuten einfach dahin. Schade. Aber wer möchte schon bei Nick Cave als Support fungieren. 

Nichts weniger als eines der Konzerte des Jahres wird erwartet. Hier noch versehen mit der Stimmung des Ungewissen, da die Setlist ja noch nicht bekannt ist. Und ja, es wird viele Premieren geben an diesem Abend. Neun bisher nie live gespielte Songs des Albums "Wild God", dazu Raritäten wie Grindermans "Palace of Montezuma" und "Papa, won`t leave you, Henry". 

Das Konzert ist nicht weniger als ein Ereignis und die hohen Erwartungen werden mehr als erfüllt. Natürlich gleichen viele Elemente der letzten Tourneen mit den Bad Seeds, aber wer möchte darauf verzichten. Schon beim ersten Song nutzt Cave wieder den montierten Catwalk auf dem Wellenbrecher. 


Trotz der fast 2,5-stündigen Show gibt es keine Aufwärmphase. Joy, Frogs und Wild God eröffnen das Set und fühlen sich an wie alte Bekannte. In der bekannten Mischung aus Prediger und Hospitalismus macht Cave Meter um Meter, sucht sich starke Hände zum Abstützen und tadelt nicht textsichere Besucher mit Augenkontakt. 

All dies wäre unnütz, würde es nicht zur Musik, den Texten und der Band passen. Diese spielt in einer überbordenden Perfektion  und treibt Cave immer wieder an, lässt ihm dann wieder viel Raum, um ihn am Ende sicher durch den Wahnsinn der einzelnen Tracks zu begleiten. 


Wer jemals Zeuge einer Live-Version von Jubilee Street wurde, wird sie nie wieder vergessen. Hier zwingt sich Cave immer wieder an den Flügel um die bereits ikonischen Akkorde anzuschlagen, während die Bad Seeds sich dazu in eine Raserei aus Sound spielen. 

Es gibt nur wenige Minuten, die Zeit zum Luft holen lassen. Anders als bei seinen Solokonzerten wirken hier die Balladen, alleine am Klavier, allerdings fast störend. Eher muss man sich in diesen Minuten wieder etwas sammeln als die Ruhe und Klasse der Songs ausgiebig genießen zu können. Einzig "I need you" funktioniert hier für mich in diesem Rahmen, wunderschön illuminiert verliert sich das Licht langsam hinter dem Flügel. 

"Red right Hand" und "The Mercy Seat" treiben danach die Ekstase weiter voran, bevor bei den Zugaben der Gospel dominiert. Es ist ein universelles Stück Musikgeschichte, das hier präsentiert wird. Kein Verständnis der Texte ist notwendig, um die Emotionen zwischen Hoffnung und Hoffnungslosigkeit zu verstehen. 


Cave und seine Musiker erfinden nichts neu aber kreieren so viel Neues. Am Ende steht man wieder mit seinem leeren Mehrwegbecher im Regen vor der Mehrzweckhalle, aber mit einem Lächeln im Gesicht. Das Leben wird einem so schnell nichts mehr anhaben können.  



Montag, 30. September 2024

Reeperbahn Festival Hamburg - 18.-21.09.2024

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Konzert: Reeperbahn Festival
Ort: div. Orte/Hamburg
Datum: 18.-21.09.2024
Dauer: 4 Tage
Zuschauer: div.


Die Veranstaltung sei eine "bewusste Überforderung" las ich in einem Vorbericht zum Reeperbahn Festival. Selten traf es eine Formulierung besser. 

Dabei waren die Rahmenbedingungen dieses Jahr fantastisch. Strahlender Sonnenschein an fast allen vier Tagen im September. Dazu selbst in der Nacht noch fast T-Shirt artige Temperaturen. Ansonsten waren jedoch wieder alle Arten von Kompromissen erforderlich. 

Auch wenn sich der begeisterte Indie-Gitarrenfan natürlich komplett im Molotow einschließen könnte. Hier gibt es von ca. 12.00 Uhr mittags bis 06.00 Uhr am Morgen schon genug zu erleben ohne das abbruchreife Gebäude verlassen zu müssen. Im Dezember ist an dieser Stelle der Reeperbahn ja dann auch endgültig Schluss und das Molotow zieht wenige Meter nach rechts. 


Bis dahin gab es Thementage einzelner Länder (Australien, Niederlande), Showcases einzelner Bands und Künstler/innen sowie eine Disco im kultigen Hinterhof zu bestaunen. Highlights boten in diesem Jahr besonders die Bands aus den Niederlanden, die zum Teil mehrfach die Bühnen stürmten. 

Marathon und Personal Trainer waren bei kleineren Festivals dieses Jahr ja schon positiv aufgefallen. Hier eroberten sie alle Herzen im Sturm und werden in der nächsten Festivalsaison sicher noch größere Ausrufezeichen setzen können. 

Australien punktete mit den energetischen Girl and Girl, dem dunklen und intensiven Auftreten von RVG und dem klassischen Pop der noch jungen Asha Jefferies. 


Die deutschsprachige Fraktion wurde von International Music (hier als Secret Act The Hi Hats in der Skybar), den Österreichern von Endless Wellness und Easy Easy aus Köln bestens vertreten. Publikumslieblinge waren außerdem die tanzbaren Kapa Tult und die sperrigeren Klänge von Zahn. Dazu noch To Athena aus der Schweiz mit ihrem orchestralen Kammerpop, der schon beim Maifeld Derby begeistern konnte. 


Besonders herausragend waren aber die Auftritte von Jule, die auf einer kleinen Acoustikbühne für Aufsehen sorgte (merkt euch diesen Namen) und die großartig aufspielenden Voodoo Beach aus Berlin, bei denen schwerer, "mystisch durchhauchter Post-Punk" ganz leicht klingt.

Von der Insel überzeugten Antony Szmierek (wer mag The Streets ?) aus Manchester und der catchy Hiphop von Master Peace, der sogar schon um 14.00 Uhr alle umstehenden in einen tanzenden Flashmob verwandelte. 


Vor dem Aufbruch in die Nacht dann noch ein köstliches koreanisches Chicken an  einer neuen Bude am Beatles-Platz. Manchmal reicht es eben, nur ein Gericht auf der Karte zu haben.

Danach lohnte sich ein Abstecher in die wunderschöne St. Pauli Kirche. Hier gab es ein besonderes Highlight: Bess Atwell. Schon als Support von The National konnte sie ihr Album präsentieren, aber hier passte der Rahmen noch besser zu ihrem träumerischen, fast nach Americana klingenden Songs. 


Da traf es sich gut, das Emily Kokal (Warpaint) nicht nur in der Jury des Festivals aktiv war, sondern am Folgetag ebenfalls in der Kirche auftrat. Neue und ältere Solosongs und ein Joni Mitchell Cover bot sie wechselweise an E-Gitarre und weißem Flügel. Ein Genuss. 


Zu erwähnen bleiben noch Efterklang, die mit neuem Album ihre erste Live-Show seit Jahren im wunderschönen Mojo-Club spielten, und natürlich Geordie Greep. Der Mastermind der gerade implodierten Black Midi präsentierte etwas abseits im Knust eine Lehrstunde in komplexem und intelligentem Rock. Trotzdem sicher nicht jedermanns Sache. 


Am Ende gingen die eigentlich vier langen Tage dann doch wieder viel zu schnell vorbei. Einige Kritikpunkte gab es sicher auch, doch insgesamt präsentiert sich das Festival trotz seiner unübersichtlichen Struktur wesentlich aufgeräumter und besser organisiert als noch vor wenigen Jahren. 


Und dann gibt es ja immer noch diesen einen Moment, den man einfach nicht auf der Rechnung hatte: Beharie, ein junger, schlacksiger Wuschelkopf aus Norwegen spielt im wunderschönen Krimi-Theater (Imperial) modernen Soul mit wahnsinnigem Charisma und einer  Perfektion, die einen einfach nur staunend zurücklässt. Ein beeindruckender Auftritt.

Und so überwiegen die positiven Eindrücke und es bleibt zu hoffen, das sich die Branche auch am unteren Ende der Nahrungskette im nächsten Jahr wieder etwas erholen kann. Die Probleme sind vielfältig und nicht einfach zu lösen. Unterstützt eure lokalen Clubs und Veranstalter und besucht junge, aufstrebende Künstler. Es lohnt sich. 

Early Bird Tickets für 2025 sind bereits erhältlich: Reeperbahn Festival Ticket 2025




Freitag, 27. September 2024

Misty Fields Festival - Heusden - Niederlande

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Konzert: Misty Fields Festival 2024
Ort: Heusden/NL
Datum: 06.-08.09.2024
Dauer: 3 Tage
Zuschauer: ausverkauft


Die Probleme in der Festivallandschaft sind bekannt und werden auch in naher Zukunft nicht verschwinden. Selbst größte, etablierte Festivals beugen sich Investoren, verkaufen das Tafelsilber und sind ja selber schon lange, mehr Wirtschaftsunternehmen als begeisterte Idealisten. 

Am besten scheint es zur Zeit den kleinsten "gallischen Dörfern" zu gehen. Sie bieten ein gutes Preis/Band/Leistungsverhältnis, punkten mit einem familiären Zeltplatz, schlanker Organisation und setzen auf das Vertrauen in ihre Ticketkäufer/innen. 

Genau in dieser Nische hat sich auch das Misty Fields Festival in den Niederlanden (direkt hinter der deutschen Grenze, bei Eindhoven) etabliert. Mittlerweile gibt drei Bühnen ( darunter 2 Zeltbühnen), und sogar auf ein buntes Rahmenprogramm wie Theater, Silent Disco und Dj`s bei Nacht muss nicht verzichtet werden. Wir haben ja bereits in den letzten Jahren über die besonders liebevolle Deko und das tolle, meist ehrenamtliche Personal berichtet. 


Veranstalter Marco Verbenne schafft es darüber hinaus noch, wie ein Trüffelschwein der guten Musik, fast 60 Künstler/innen in das kleine Dorf zu locken. Immer wieder gibt es handverlesene Perlen zu entdecken, aufstrebende Bands und ein wirklich internationales Programm, wo andere gerne mit Locals ihre Nachmittagsbühnen füllen. 


Aus Zeitgründen war in diesem Jahr nur ein Kurzbesuch am Sonntag möglich (ja, es gibt auch immer Tagestickets). Aber alleine der Nachmittag mit den sympathischen Indiepoppern von Horsees aus Frankreich, dem stilvollen Weekender-Pop von PM Warson und der kompletten Überraschung von Cairo Jag aus den USA, war ein Genuss. 


Selten wurde eine Merchstand am Ende so leergekauft, wie nach dem Auftritt von Cairo Jag. Der Mann am Merch stand noch Stunden später mit seinem Handy vor dem Zelt und erzählte allen Freunden zu Hause von den Erfahrungen. Another Sky hatten leider abgesagt, dafür spielten die wirklich unglaublich jungen Bluai eine spontanes Konzert. 

Danach gab es einen Abstecher zum köstlichen Vietnam-Streetfood, bevor Big Special in der "blauen Stunde" ihrem Headliner Status gerecht wurden. Schon beim Haldern Pop Festival waren sie ja schon mit zwei Konzerten als einer der Sieger des Wochenendes vom Reitplatz gegangen. 


Das Songmaterial zwischen Royal Blood und den Sleaford Mods kann noch nicht ganz mit dem Energielevel der Beiden mithalten. 
Aber die Band steht ja wirklich noch ganz am Anfang und hat wirklich Bühnenpotential, besonders für Festivals. 

Aus gut informierten Kreisen konnten am Samstag besonders Library Card aus Rotterdam mit ihrem queeren Post-Punk und Nusantara Beat überzeugen, die auch schon beim Maifeld Derby zu Beginn des Festivalsommers auf sich aufmerksam machten. 

RVG boten tollen Indierock mit einer Prise Goth, und das Künstlerkollektiv von Tapir! konnte nach ihren hervorragenden Tonträgern nun endlich auch mal außerhalb von UK live bewundert werden. 


Somit bleibt das Misty Fields ein absoluter Festivaltipp für Menschen, die eigentlich gar keine Festivals mögen, und für die anderen sowieso. Kommt vorbei. Tickets sind bereits für die Ausgabe 2025 erhältlich. 


Donnerstag, 5. September 2024

MEO Kalorama Festival - Lissabon - 29.08.-31.08.24

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Konzert: MEO Kalorama Festival
Ort: Lissabon
Datum: 29.08.-31.08.24
Dauer: 3 Tage
Zuschauer: Tageskarten und WE-Tickets


Der Begriff "Win-Win Situation" kann ja eigentlich nicht mehr unironisch verwendet werden. Die Idee, einen Städte-Trip und ein Festival zu verbinden, könnte der Wortschöpfung aber ausnahmsweise mal wieder gerecht werden.

Mehr als 2000km entfernt von zu Hause erlebt man jedoch eine komplett andere Festivalkultur. Doch dazu später mehr. 


Das MEO Kalorama findet erst zum dritten Mal in einem wunderschönen, hügeliegen Park östlich der Stadt statt, und bietet eine neue Alternative zu den etablierten Playern in Portugal, wie dem NOS Alive oder den Primavera Festival im Juni.

Die stabile Wetterlage erlaubt entspannte Stadtbummelei an allen Festivaltagen. Keiner muss tagsüber in der Hitze auf dem Gelände schwitzen. Die interessanten Konzerte starten alle bei Sonnenuntergang und dauern bis tief in die Nacht. Und damit sind wir dann auch schon bei den Besonderheiten:


Campingplätze und überfüllte Anfahrtswege mit langen Staus sucht man vergebens. Menschen mit Wochenend-Tickets bilden die Ausnahme. Man reist gemütlich zu einem der Tage mit der Metro aus der Innenstadt an und hat dann nur noch einen kleinen Anstieg bis zum Eingangstor zu bewältigen. Selbst größere Festivals ähneln hier einem "walk in the park" mit Freunden. Ohne den Anspruch mit einem festen Zeitplan über das Gelände zu eilen.

Dadurch macht es für die Veranstalter natürlich noch mehr Sinn, die einzelnen Abende zumindest etwas thematisch zu gliedern. Ebenfalls typisch für Festivals im Süden Europas sind deutlich weniger Bands auf dem Poster, dafür entschädigt jeden Abend ein Doppel-Headliner, die ihre Namen auch allesamt verdienen.



Etwas gewöhnungsbedüftig sind die vielen Sponsoren und kirmesartigen Stände, die sich aber auf dem sehr weitläufigen Gelände gut ausblenden lassen. Bargeldlose Zahlung und gute Organisation sind Standard. Nur die Toilettensituation am Freitag war grenzwertig.

Über Geld redet man natürlich nicht. Totzdem ein Vergleich: Das WE-Ticket mit Headlinern wie LCD Soundsystem, Jungle, Massive Attack und anderen kostet hier in der teuersten Preisstufe ca. 160 EUR. Das ist weniger, als ein reiner Stellplatz für einen Camper auf der grünen Wiese bei einem niederländischen Festival (ohne Eintrittsticket). Es gibt auch keinerlei VIP Upgrades oder andere versteckte Kosten.

Neben den großen Namen gibt es eine gute Handvoll Newcomer (Yard Act, Nation of Language, Ezra Collective), gestandene Festivalgrößen (The Kills, DEUS, Gossip) und viele einheimsche Bands am Nachmittag.


Musikalisch stachen die immer gleiche. aber immer tolle Darbietung von LCD Soundsystem, der etwas überdrehte Soul/RAP/Blues der preisverwöhnten Raye, und ein perfekt inszeniertes Sets voller Hits des sehr sympatischen Sam Smith heraus.  


Massive Attack kamen in Klassenstärke mit fast allen Sänger/innen. Neben Elizabeth Frazer, Horace Andy und Deborah Miller waren sogar noch die Young Fathers live dabei. Wären nicht die auf Dauer nervenden politischen Botschaften auf der Leinwand, es wäre ein noch größerer Genuß. Frontaluntericht auf einem Festival macht leider keinen Spaß. So wichtig der Band diese Anliegen auch schon immer waren.


Mit geschätzten 15.000 - 20.000 Besuchern (die Tage waren durch die vielen Tageskarten sehr unterschiedlich gut besucht) ist dort ein Festivalbesuch möglich, der bei uns durch eine andere Kalkulation (höhere Kosten) oder mehr Konkurrenz (höhere Bandgagen) nicht mehr möglich erscheint. 

Es ist daher eine großartige Idee, Festival und Stadtbesichtigung zu verbinden. So relaxed wie dort Festivals ausgerichtet werden, hält sich die "Doppelbelastung" in klaren Grenzen. Große Namen und große Städte. Die Kombination gelingt hervorragend.


Dienstag, 13. August 2024

Haldern Pop Festival - Rees Haldern - 09.-11.08.2024

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Konzert: Haldern Pop Festival 2024
Ort: Rees-Haldern Reitplatz
Datum: 09.-11.08.2024
Dauer: 3 Tage
Zuschauer: fast ausverkauft


"Wer vieles bringt, wird manchem etwas bringen; Und jeder geht zufrieden aus dem Haus." 

Zum 41. Mal präsentiert das kleine Dorf am Niederrhein nun schon sein "Haldern Pop Festival". Die letzten Jahre waren eher durch die Umstände als die Vorfreude geprägt: Corona, große Hitze und Dauerregen waren die Themen und betrafen nicht nur die Besucher, sondern vor allem auch die Veranstalter, aufgrund nicht planbarer Einnahmen und Ausgaben. 

Und so wird dieses Jahr für alle ein Festival der Erleichterung bleiben, bei dem genug Platz war für die "Romantik, Wucht und Sinnlichkeit", die sich auch Stefan Reichmann im Vorfeld gewünscht hatte. 

Starten wir also ausnahmsweise mit dem Fazit.

Es bleibt festzuhalten: Das Haldern Pop ist nach wie vor kein zum Selbstzweck verkommenes Festival geworden. Die Wundertüte ist und bleibt prall gefüllt und breit gestreut. Von klassischer Musik am Morgen in der Kirche bis zu wüsten Post-Punk am Abend im Spiegelzelt bleibt alles möglich. Das ist gut so. 



Es gilt "[...] nicht ein Festival zu machen, um Tickets zu verkaufen, sondern Tickets zu verkaufen, um ein Festival zu gestalten." (S. Reichmann) Ein Festival, bei dem die Stimmung der Besuchenden nicht von den Namen im Line-Up abhängt und 
ein unausgesprochenes Gespür dafür herrscht, dass an diesem Tag Bands wie Dog Race oder Fat Dog den entscheidenden Funken überspringen lassen werden. 

Die das Gefühl transportieren, welches hier alle so schätzen. Eine Romantik ohne Verklärung; einen Moment mit anderen, der so schön ist, wie es romantische Komödien immer sein wollen. 

In Haldern kommen nicht Fans zusammen, die sich auf die gleiche Musik einigen können, sondern Menschen, die andere Menschen mögen. 


Und nun zur Musik: 

Leider kann ein kleiner Virus die große Lust auf drei Tage Camping sehr schnell verfliegen lassen, daher kann ich in diesem Jahr nicht über Alles im Detail berichten. Es gibt einen Mix aus erlebtem und zugetragenem. Aber die Quellen waren gut und die Gespräche lang. 

Allein der Mix im Spiegelzelt am Donnerstag kann begeistern, auch wenn die kurzfristige Absage von Endless Wellness schmerzt. Wohlfühlpop von Go-Jo mit seinem Riesenhit "Mrs. Hollywood", verspielter Folk mit einem seltenen Auftritt von BC Camplight, und der erste Abriß der Jugend beim Auftritt von The Silhouettes Project sind ein toller Start. 


Dazwischen spielen Yard Act einen existentiellen und unendlich treibenden Jam, der die Hauptbühne schon früh und in der prallen Sonne vollkommen mitreißt. 

Ein ausführlicher Bericht zum Headliner Duo Berq und Faber folgt noch in den nächsten Tagen. 


Hier zeigt sich der Vorteil der (nicht immer möglichen) aber gewollten Strategie, an einzelenen Festivaltagen thematische Geschichten zu erzählen. Der Donnerstag gehörte den angesagten deutschsprachigen Acts, während am Freitag und Samstag die Iren mit Folk, Rock und Melancholie den Schwerpunkt setzten. 

Das Jugendheim von Haldern und der Marktplatz blieben in diesem Jahr bühnentechnisch leer. Mehr als gut gefüllt ging es daher beim erwartet guten Auftritt von Tramhaus in der Pop Bar zu. Die Band aus Rotterdam könnte natürlich auch locker die Hauptbühne bespielen. 


Aber auch hier ist das Haldern Pop ein Ort der Geduld und viele Bands sieht man ja in den nächsten Jahren noch einmal in anderem Rahmen wieder. Das gleiche gilt für die im Spiegelzelt startenden Sharktank und Picture Parlour. Auch eher an die Jugend gerichtete Musik, wobei Picture Parlour als interessante Alternative zu den völlig durch die Decke startenden The Last Dinner Party gezählt werden könnten. 


Zu Anna Ternheim findet ihr ja auf unserer Seite schon genug Content (auch von der gerade stattfindenden Tournee), daher bleibe ich im Spiegelzelt und erlebe Puma Blue zum zweiten Mal, nach seinem fantastischen Auftritt in der Reeperbahn Kirche St. Pauli im letztes Jahr. Dunkelheit hätte auch den diesjährigen Auftritt noch intensiver gestaltet, aber auch hier enfaltet sich die Mischung aus Jazz, Indie und tiefen Emotionen hervorragend. Das Tenor-Saxophon drückt in die Schwüle des Zelts und weckt tiefe Gefühle. 

Mary in the Junkyard folgen mit ihrem Übersong "Tuesday" wirken aber ansonsten etwas verhuscht und lassen vermuten, das die Songs des noch nicht erschienenen Debut Albums noch etwas Feinschliff benötigen. Danach senkt sich die Sonne zum zweiten Mal über das Gelände und die Schlange vor dem Spiegelzelt wirft lange Schatten. Fast bis zum Reitplatz reicht sie dieses eine Mal, ansonsten war der Einlaß dort recht enspannt. 


Fat Dog kündigen sich an, und während auf der Hauptbühne "Mein Name ist Chilly Con-Zales" seine wilde Mischung aus klassischem Piano und Deutsch-Rap zum Besten gibt, wird klar. Alle werden es nicht ins Zelt schaffen. 

Aber Haldern wäre nicht Haldern wenn sich daraus nicht ein typischer Festivalmoment für die Ewigkeit ergeben würde. Sobald der brachiale Elektropunk aus den Boxen der Leinwand vor dem Zelt schallt, entwickelt sich erstmals in der Geschichte ein Moshpit im Biergarten. Der Swiftie Moment des Olympiabergs in Dorfgröße. 


Und wenn es eigentlich nicht mehr besser werden kann, kommt der Moment, den alle sehnsüchtig erwartet haben. Nach Glastonbury, und vor anderen Riesenfestivals im August und im nächsten Jahr spielen die Fontaines D.C. noch einmal in Haldern. Ein Coup mit wirklich seltener Ausnahme im heutigen Festivalgeschäft. War es gut ?

Ja. Es war trotz der fast zu hohen Erwartungen sehr gut. Am Anfang noch etwas leise und auch im Mix schon sehr glatt auf die anderen Riesenauftritte hin abgemischt, konnte es den gewaltigen Songs wenig anhaben. Hit auf Hit fegt über den Platz. Fehlender Kontakt zum Publikum ist hier keine Arroganz oder gespielte Langeweile sondern Normalität. Dafür gibt es andere Acts. 


Die Band nach ihrem Spiegelzelt Auftritt von 2019 in ihrer jetzigen Entwicklung noch einmal in so intimen Rahmen sehen zu dürfen, war ein Genuß. Die neue Platte wird die Band in noch unbekanntere Höhen katapultieren. "Romance" erscheint am 23.08.2024. 

Nach diesem dynamischen Duo muss man sich am Sonntag bei einigen Stücken köstlichem Pflaumenkuchen erstmal sammeln. Gerade sind die Synapsen wieder auf normal "0", da kommt die nächste große Kunst um die Ecke. Nichtseattle packt mich jedes mal wieder, ob mit Band oder ohne. Hier war es eine Mischung, da der Schlagzeuger kurzfristig abreisen musste. 


Alles, was auf der Bühne geschieht ist eigentlich mit einem Festival nicht kompatibel. Lauter Songs jenseits der sieben Minuten. Nur wenige, minimale Anschläge auf der Gitarre, keine Schauwerte. Aber Songs, die man nicht vergisst. Wer einmal Zeuge war, kommt wieder. "Frau sein", wird allen gewidmet. Viele weinen ohne sich zu schämen. Katharina dringt in die Seele und kann gerne dort bleiben. Hört auf diese Liedermacherin. 


Im Spiegelzelt wechseln sich derweil harter Tobak von Chalk und Yard mit energischem Indie von Deadletter und purem Jazz des Michael Wollny Trios ab, bevor die Lanterns on the Lake mit ihren elegischen Klangwänden das musikalische Programm dort beenden. 

Bleiben noch zwei neue und nicht mehr ganz so neue Highlights: Dog Race spielen ihre erstes Konzert ever auf dem Festland und werden wie alte Bekannte gefeiert, obwohl im kleinen Niederrheinzelt eigentlich gar kein Platz zum Feiern ist. 


Und die von mir sehr geschätzten King Hannah spielen zwar eigentlich relativ "normalen" Indierock; Ich mag die Arrangements und den Mix aus kühlem Vortrag und wuchtigen Gitarren aber seit den ersten Singles sehr. 

Ach ja, das Fazit hatten wir ja schon weiter oben. Mögen euch "Romantik, Wucht und Sinnlichkeit" auch weiter erhalten bleiben. Bis zum nächsten Jahr. Spread the word. 

Fotos: Denis Schinner 



 

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