Mittwoch, 30. September 2009

Konzertvorschau Björn Kleinhenz

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Konzertvorschau: Björn Kleinhenz

Ort: verschiedene Locations in Deutschland
Daten: siehe unten


Christoph schafft es in Deutschland leider nicht, ein Konzert von Björn Kleinhenz zu besuchen, ich aber habe mir vorgenommen, wenigstens in Paris dabei zu sein. Wir können nun einmal nicht überall sein, wollen aber dennoch einen Überblick geben, was im Moment so läuft.

Zumal der Schwede Björn Kleinhenz sicherlich empfehlenswert ist. Seine melancholisch-melodischen Popsongs gehen einfach nahe. Er ist gerade auf Deutschlandtournee und steuert von Göttingen kommend, nun NRW an.

Hier die Konzerttermine:

30.09.2009: Stereo Wonderland, Köln
01.10.2009: Club Cobra, Solingen
02.10.2009: Schlachthof, Wiesbaden
03.10.2009: Ponyhof, Frankfurt
04.10.2009: Café Video, Gent, Belgien
05.10.2009: Café Lübke, Trier
06.10.2009: Pop In, Paris

Danach Termine in der Schweiz, Italien, Österreich, Tschechien

21.10.2009: Intersoup, Berlin
22.09.2009: Schokoladen, Berlin
23.10.2009: Ilses Erika, Leipzig
24.10.2009: House Show, Erlangen
25.10.2009: Babylon Underground, Fürth
26.10.2009: Café Courage, Döbeln
27.10.2009: AZ Conni, Dresden
28.10.2009: Secret House Show, NRW

Aus unserem Archiv:

Björn Kleinhenz im Stereo Wonderland, am 20.05.2008

Sophie Hunger, Köln, 29.09.09

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Konzert: Sophie Hunger
Ort: KulturKirche Köln
Datum: 29.09.2009
Zuschauer: vermutlich fast ausverkauft
Dauer: 90 min.


Vielleicht lag es daran, daß ich wußte, was mich erwartete, daß das heutige Konzert von Sophie Hunger mich zwar begeisterte, im Vergleich zu ihrem Auftritt im Mai im
Gebäude 9 aber weniger euphorisierte. Objektiv war das, was die Schweizerin in der gebannt lauschenden KulturKirche bot, sicher nicht schlechter als im Frühling, denke ich - allerdings fehlt mir meist die Fähigkeit, Konzerte nüchtern zu betrachten.

Ich kam spät in der Lutherkirche in Nippes an. Die Parksituation in diesem Nordkölner Stadtteil ist werktags besonders schlimm. Viele Einbahnstraßen sichern zwar vermutlich Arbeitsplätze in der Schilderindustrie und im Kölner Verkehrsdezernat, verspätet auf dem Weg zu einem Konzert, sind sie aber eine besondere Pest. Glücklicherweise entnahm ich dem sms-Service aus der KulturKirche aber immer wieder ermutigende Meldungen wie "noch nix passiert" und schaffte es wirklich, das Auto loszuwerden und kurz vor der Künstlerin in Altarnähe aufzutauchen.

Die KulturKirche war unbestuhlt (überraschend für mich) und ziemlich voll. Man hatte Platz, es wirkte aber sehr gut besucht, perfekt also für alle Beteiligten. Vielleicht
gab es noch Karten, es wäre aber auch gut vorstellbar, daß es ausverkauft und die Veranstalter nicht gierig waren, was in einer Kirche sicherlich Pluspunkte für später gäbe.

Nach den spannenden Abenteuern, die die Editors an gleicher Stelle mit sich vom Kirchendach abseilenden Spezialeinheiten gemacht hatten, weil sie Anwohnern zu laut waren, scheint der Zeitplan der KulturKirchen-Konzerte strikt zu sein, bis 22 Uhr müssen die Konzerte über die Bühne gegangen sein. Daher war es wenig verwunderlich, daß um 20.30 Uhr Sophie Hunger erschien.

Auch heute wirkte die Bernerin zunächst sehr scheu, vielleicht nervös. Sobald sie die Augen am Mikro schließen und singen kann, scheint davon nichts übrig zu sein. Die Fahrende, eines ihrer Lieder in ihrer Muttersprache Schweizerdeutsch, war dieses Eröffnungsstück; ein Song, der sofort mitnimmt und beeindruckt und dadurch ein perfekter Auftakt.

Erst anschließend kam der Rest der Truppe. Wie schon im Gebäude 9 begleiteten vier Musiker die Schweizerin: Christian (Chrischtian) Prader (Gitarre, Gesang, Klavier
und Altflöte), Michael Flury (Glockenspiel und Posaune), Simon Gerber (Bass) und Julian Sartorius (Schlagzeug). Eine zentrale Rolle spielt dabei Christian, der laut Sophie aus Frankfurt stammt, sie aber für das rheinische Ohr auch fließend bei Liedern auf Schweizerdeutsch begleitet. Musikalisch beeindruckend fand ich auch das Posaunenspiel von Michael Flury. Ich habe keine Ahnung von Posaunen, auch keine von Jazz und Jazzinstrumenten. Das sanfte, manchmal fast geräuschlose Spiel des Posaunisten faszinierte mich aber ungemein! Bei Shape, dem zweiten Lied, mußte man genau hinhören, um die gehauchten Töne seines nicht jung aussehenden Instruments wahrnehmen zu können.

Gutes Hinhören war ohnehin keine schlechte Idee, um die vielen Feinheiten nicht zu
verpassen. Aber es ging auch anders. Manchmal wurden die Stücke richtig laut, brüllte Sophie Hunger fast.

Im Gegensatz zum Frühsommer erschien mir die
Sängerin heute weniger schüchtern. Sie wirkte zwar immer noch etwas distanziert oder eher eingeschüchtert, bei ihren Ansagen hatte ich diesmal aber das Gefühl, als rede sie wirklich mit uns. So erzählte sie einen Witz nach, den ihr Bassist Simon ihr vorgetragen hatte oder erklärte die Entstehung des neuen Stücks Lovesong to everyone, für den sie bei einer Ausstellung Inspiration fand.

Die Setlist unterschied sich nicht stark von der vom Mai. Lovesong to everyone war neu im Programm. Die ganz besonderen Glanzlichter waren aber die selben wie
damals. Walzer für Niemand natürlich. Ein wahnsinnig beeindruckendes Lied! Dann das überragende Cover Le vent nous portera, die letzte Zugabe, zu der die Musiker am Bühnenrand hockten und ohne Verstärkung spielten und sangen. Und Spiegelbild, das Duett zwischen Sophie und Christian! Oder Round and round und Drainpipes...

Ein hinreißendes Konzert, so viel steht fest. Daß mir der Zauber des ersten Mals fehlte, mag mein Vergnügen im Vergleich ein wenig eingeschränkt haben, das ist aber natürlich nicht der Künstlerin vorzuwerfen. Beide Konzerte gehören zu den besten, die ich dieses Jahr gesehen habe!

Setlist Sophie Hunger, KulturKirche, Köln:

01: Die Fahrende
02: Shape
03:
Drainpipes
04: House of gods
05:
Mr. Shades
06:
Lovesong to everyone (neu)
07: Marketplace
08: Walzer für Niemand
09: The musician
10: Round and round
11: Citylights
12:
Le vent nous portera (Noir Désir Cover)
13: Rise and fall

14: Hotel Belfort (Z)
15: Spiegelbild (Z)
16:
Like a rolling stone (Bob Dylan Cover) (Z)

17: Monday's ghost (Z)
18:
Birth-day (Z)
19: Tell the moon (Z)

Links:

- Sophie Hunger, Köln, 09.05.09
- Sophie Hunger, Paris, 23.03.09

- ein Konzertbericht auf Pretty Paracetamol
- mehr Fotos



Dienstag, 29. September 2009

Dear Reader & Ramona Falls, Düsseldorf, 28.09.09

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Konzert: Dear Reader & Ramona Falls
Ort: zakk, Düsseldorf
Datum: 28.09.2009
Zuschauer: etwa 150
Dauer: Dear Reader 60 min, Ramona Falls 45 min


Als wir vor dem Konzert mit Brent Knopf, dem Sänger von Menomena und Ramona Falls sprachen, wollte er noch nicht damit rausrücken, wer ihn als Band auf seiner Tour durch Europa begleiten würde. Die ersten allerersten Konzerte seines neuen Soloprojekts Ramona Falls hatte Brent in den USA gemeinsam mit drei Freunden bestritten und dabei unter anderem Los Campesinos! supportet. Jaja, die Welt ist klein. Und die kleiner werdende Welt ist auch ein gutes Stichwort, denn ein wenig hatte ich schon damit spekuliert, daß Dear Reader aus Südafrika - der Hauptact des Abends - auch Brents Band sein könnten, weil das zum einen pragmatisch wäre, zum anderen aber auch eben ganz wunderbar zur gemeinsamen Geschichte von Brent und Dear Reader passen würde.

Dear Reader hatten - damals noch zu zweit - Songs geschrieben für ein erstes Album unter diesem Namen. Vorher hatten Darryl Torr und Cherilyn MacNeil bereits als Harris Tweed musiziert. Ein Streit mit dem Rechtebesitzer des Namens führte zu
Dear Reader; es entstanden neue Songs, die einen Produzenten erforderten. Cherilyn machte das, was auf der Hand liegt. Sie schrieb ihre Lieblingsband Menomena an und fragte, ob die das nicht machen wollten. Brent, auch das die natürlichste Sache der Welt, stieg ins Flugzeug, um 16.600 km zurückzulegen und die Platte zu machen.

Daraus wurde ein wundervolles Album und höchster gegenseitiger Respekt der Künstler. So entstand die Idee, Ramona Falls als Support auf die Dear Reader Herbsttour mitzunehmen. Und weil sich (fast) alle musikalisch so gut kennen, bildeten die Südafrikaner dann auch Brents Tourband, Michael setzte sich an sein Schlagzeug, Darryl nahm sich einen Bass, Neumitglied Jean-Louise ihre Viola und Cherilyn ihre Gitarre. Und obwohl sie in dieser Konstellation nur drei Tage geprobt hatten und die Songs von Ramona Falls alles andere als einfach gestrickt sind, klang es sofort fabelhaft!

Ich hatte ehrlich gesagt keine Gelegenheit, auf Unterschiede zwischen Album und Liveversionen zu achten, dafür kenne ich Intuit noch nicht gut genug. Ich hatte aber
auch keine Lust, irgendwie analytisch an den Auftritt ranzugehen, wollte vielmehr die wundervollen Arrangements auf mich wirken lassen. Und das taten sie! Wichtige (Gast-) Rollen spielten vor allem Jean-Louises Viola und Cherilyns Background Gesang. Oft war der zwar bloß textlos, er gab den Stücken aber einen ganz gehörigen Pfiff!

Die einzigen Anzeichen dafür, daß man so noch nicht häufig miteinander gespielt hat, waren Brents häufige Blicke zu seinen Mitstreitern und einige kleine Lachausbrüche von Cherilyn, wenn irgendetwas offenbar nicht geklappt hatte. Gehört habe ich diese Vielleicht-Pannen allerdings nie. Kurzum, den
fünf Musikern mit diesen grandiosen Liedern zuzuhören, war ein echtes Vergnügen!

Beste Stücke waren für mich The darkest day, Russia und Melectric. Aber mit hauchdünnem Vorsprung. Ein ganz vorzüglicher Auftakt, der wie selten etwas zuvor den Namen Co-Headliner verdient! Und der sicher für mich nicht einmalig bleibt; das will ich noch einmal sehen.

Setlist Ramona Falls, zakk, Düsseldorf:

01: Salt sack
02: Clover
03: The darkest day
04: Bellyfulla
05: Russia
06: Always right
07: I say fever
08: Going once, going twice
09: Melectric

Eine halbe Stunde nachdem Brent Knopf und Dear Reader verschwunden waren, kamen Dear Reader und ... Brent Knopf zurück. Die vier Südafrikaner hatten ihrem Produzenten eine Gitarre gegeben, er kannte schließlich die Stücke!

Cherilyn und die anderen hatten sich ein wenig umgestylt. Sie trugen jetzt 1a Schnauzbärte. Vergangene Woche in der Schweiz habe ich viele dieser Modelle in natura erlebt, der Sängerin aus Johannesburg stand der Haarschmuck aber auch außerordentlich gut!

Musikalisch begann es weniger außergewöhnlich; die ersten Lieder scheinen für den Start gesetzt zu sein. Allerdings klangen sie alle ein wenig anders. Das zusätzliche
Bandmitglied war auch hier eine hörbare Bereicherung. Bei Bend, dem phänomenalen Folksong, steuerte der amerikanische Gast zum Beispiel tolle "badada" Gesänge bei. Wenn er wie da auch Keyboard-Parts übernahm, mußte Brent natürlich nach vorne. Ansonsten stand der Menomena Mann allerding links in der Ecke, ganz oft sogar mit dem Rücken zum Publikum, ohne sich irgendwie in den Mittelpunkt zu spielen.

Wie toll diese Konzerte gemeinsam mit ihrem Lieblingsmusiker für die Sängerin sein müssen! So als würde Lukas Podolski sonntags zum Kick unter Freunden dazukommen.

Auch The same erschien mir ein wenig abgewandelt. Die Mitte des Lieds hörte sich ungewohnt an.

Der Rest des Sets bestand aus Liedern des Albums, u.a. dem bei Festivals nicht gespielten
Everything is caving, Heavy, dem iTunes-Bonustrack und ihrem in letzter Zeit immer gespielten Better than this aus Harris Tweed Zeiten. Und auch wenn ich die meisten Lieder mittlerweile mitsingen könnte, wenn ich singen könnte, habe ich mich keine Sekunde gelangweilt. Dieser Band zuzusehen, macht einfach großen Spaß! Wenn die Sängerin lacht, was sie oft tut, ist das herrlich ansteckend. Wenn es Pannen gibt (selten), sind die hochunterhaltsam. Schlagzeuger Michael, der sich in Haldern den Ruf erarbeitet hat, einen guten Wortschatz an schmutzigen deutschen Begriffen zu haben, verpatzte den Einsatz bei Out out out. Während Cherilyn lachte, setzte Brent zu einem fabelhaften Sweet Home Alabama Gitarrensolo an, laut und mit Rockstarposen! Meine Lieblingsszene!

Köstlich auch ein kleiner Dialog. Cherilyn hatte gefragt, ob wir alle aus Düsseldorf seien. Irgendjemand rief Cologne, was Brent zu einem Cologne-Wortwitz brachte, der in einer Cologne / Eau de toilette Diskussion endete.
Die Sängerin wies ihn darauf hin "girls don't wear Cologne", was Brent mit "mustaches neither" beantwortete.

Nach dem Zugabeklatschen kam die Supergroup zurück. "You did your job, now we'll do our's." What we wanted spielten sie als Bonustitel. Aber auch danach wurden sie sichtbar verlegen zurückgeklatscht. "Wir haben aber leider nichts mehr!" Das machte nichts, es war auch so wieder großartig! Toll diese Band, und toll dieser Abend!

Setlist Dear Reader, zakk, Düsseldorf:

01: Never goes
02: Dearheart
03: Bend
04: Way of the world
05: The same
06: Everything is caving
07: Out out out
08: Heavy
09: Release me
10: Great white bear
11: Better than this (Harris Tweed "Cover")

12: What we wanted (Z)

Links:

- Interview mit Dear Reader
- aus unserem Archiv:
- Dear Reader, Haldern, 15.08.09
- Dear Reader, Berlin, 07.08.09
- Dear Reader, Paris, 06.05.09
- Dear Reader, Nijmegen, 25.04.09
- Dear Reader, Köln, 18.04.09
- Dear Reader, Paris, 19.02.09
- Dear Reader, Köln, 12.02.09

- mehr Fotos

Konzerttermine:

29.09.09: Café Zapata, Berlin (nur Ramona Falls!)
30.09.09: Scheune, Dresden,
Dear Reader und Ramona Falls
01.10.09: Lagerhaus, Bremen, Dear Reader und Ramona Falls
02.10.09: Café Glocksee, Hannover, Dear Reader und Ramona Falls
03.10.09: Schaubühne, Leipzig, Dear Reader und Ramona Falls
04.10.09: Café Zentral, Weinheim, Dear Reader und Ramona Falls
05.10.09: Kamikaze, Freiburg, Dear Reader und Ramona Falls
06.10.09: KFZ, Marburg, Dear Reader und Ramona Falls
08.10.09: Chelsea, Wien, Dear Reader und Ramona Falls
11.10.09: Kiff, Aarau, Dear Reader und Ramona Falls









Montag, 28. September 2009

Konzertankündigung Simone White

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Konzertankündigung: Simone White

Ort: verschiedene Locations in Deutschland
Daten: siehe unten


Nicht nur das Rolling Stone Magazin hält die Kalifornierin Simone White für eine der besten Singer/Songwriterinnen der USA, sondern auch wir vom Konzerttagebuch sind restlos begeistert von der samtweiche Stimme der Folkeuse und ihren feinen Kompositionen, die auch textlich einiges zu bieten haben.

Unvergessen natürlich, daß Simone auch schon einmal in unserem Pariser Wohnzimmer ein Konzert gab (Kurzbericht hier, die lange Version ist in Arbeit) und durch Talent und Natürlichkeit glänzte.

Erst kürzlich ist sie bei dem toll besetzten Reeperbahn Festival in Hamburg aufgetreten und gestern beehrte sie den Sophienclub in Berlin. Wer Konzerteindrücke an dieser Stelle weitergeben will, immer her damit!

Lasst Euch die kommenden Termine nicht entgehen!:

Konzerttermine Simone White


29.09.2009: Swamp (mit Maplewood), Freiburg
30.09.2009: Backstage (mit Maplewood) München
01.10.2009: Nachtleben (mit Maplewood), Frankfurt
04.10.2009: Merleyn, Nijmegen, Holland
06.10.2009: Café Video, Ghent, Belgien




Sonntag, 27. September 2009

Herman Dune & Yeti Lane & Kim & The Low Anthem, Paris, 26.09.09

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Konzert: Herman Dune & Yeti Lane & Kim & The Low Anthem

Ort: la Maroquinerie, Paris
Datum: 26.07.2009
Zuschauer: es war voll, aber nicht ausverkauft

Konzertdauer: jeweils 35-40 Minuten



Ein gutsortierter Plattenladen in Paris feiert fünfjährigen Geburtstag und wir sind natürlich dabei! Ground Zero, so wie das Loch im Herzen von New York, nennt sich der Shop, der von Franck Pompidor, dem Schlagzeuger der HushPuppies (Foto rechts) , mit viel Engagement betrieben wird. Der Name ist gut gewählt, bedenkt man, daß das Geschäft zu einem Zeitpunkt eröffnet wurde, wo der physische CD Umsatz stark eingebrochen ist. Dennoch hat es Franck (er wäre fast Profifußballer geworden, Vorbild: Alain Giresse) zusammen mit seiner tüchtigen Angestellten geschafft, sich eine Stammkundschaft aufzubauen und Indiemusikfans eine hervorragende Auswahl anzubieten. Er verteidigt nicht nur die besten internationalen Acts, sondern hat logischerweise auch viele Franzosen im Programm. Oft findet man bei Ground Zero CDs und Schallplatten, die es nirgendwo anders zu erstehen gibt. Das liegt zum Teil daran, daß er auch Werke von Künstlern verkauft, die per Selfrelease veröffentlichen, zum andern aber auch, daß er oft streng limitierte Sachen anbieten kann.

Besonders toll sind die Akustiksessions, die Franck in unregelmäßigen Abständen im urigen Gewölbekeller seines Ladens ausrichtet. Ich selbst kam auf diese Weise in den Genuß des hochcharmanten Konzertes von This Is The Kit und ihrer englischen Freundin Rachael Dadd und auch Peter von Poehl und Herman Dune haben schon im Ground Zero musiziert. Die Verbindung zur Familie Dune ist ohnehin sehr stark, denn niemand kann sich rühmen, mehr CDs von André Herman Dune, inzwischen unter dem Namen Stanley Brinks bekannt, im Angebot zu haben. Sie lagern in einem Pappkarton gleich an der Kasse und es gibt bestimmt 20 Stück davon!

Jaja, die Dunes sind Vielschreiber, es gibt Leute die behaupten, die Kerle würden jeden Tag ein neues Lied schreiben. Wahrscheinlich ist das gar nicht übertrieben, denn der umfangreiche Musikkatalog der Franzosen mit schwedischen Wurzeln wird ständig erweitert. Kein Wunder also, daß David-Ivar (Yaya) Herman Dune heute beim Konzert in der Maroquinerie keinen einzigen alten Song (oder doch es gab ganz genau einen. Aber wie hieß er?) spielte, sondern ausschließlich neues Material präsentierte. Ohne Band und Ukulele kam der kauzige Künstler angeschlurft und trug auf seiner Gitarre Stücke vor, die wohl zumindest zum Teil auf einem neuen Album erscheinen werden. Statt seines obligatorischen Hütchens trug er ein blaues Baseball Käppchen und auch der Bart und die Haare waren relativ kurz gehalten. Unprätentiös und natürlich sein Auftreten, in keiner Sekunde ließ er raushängen, daß er nicht nur in Frankreich große Erfolge hat - eine ausverkaufte Kultlocation wie das Olympia sprechen hierfür Bände, sondern auch international bekannt ist. Er ist also sprichwörtlich auf dem Teppich geblieben, obwohl er zur Betonung seiner mit Inbrunst vorgetragenen Lieder oft auf die Zehenspitzen ging und so noch ein paar Zentimeter größer zu schien, als ohnehin schon. Äuffälig war wie feingliedrig sein Gitarrespiel war. Mit seinen langen Fingern zupfte er ganz ohne Aufwand hübsche kleine Melodien aus der Klampfe heraus, die immer zwischen Euphorie und Melancholie hin- und her tänzelten. Zu der Musik von Herman Dune kann man lachen oder weinen, je nachdem in welcher Verfassung man gerade ist und die Stücke interpretiert. Witzig sind die oft ironischen und ungewöhnlichen Texte allemal, da wundert man sich, was Yaya so alles durch den behüteten Kopf schießt!(einmal rief er textlich mehrfach aus: "I was drunk, but not from the wine!") Der Kerl hat Komikertalente, keine Frage und zum Entertainer taugt er auch, obwohl er eigentlich keine großen Ansprachen hält. Er sagt es halt eben alles in seinen Liedern. Als schließlich noch sein Saxofon spielender Musikerkollege Q hinzukam, wurde es besonders komisch, denn der bärtige Glatzkopf hatte die Angewohnheit, beim Spielen ein Beinchen zu heben, wie ein Hündchen, das pinkeln muss. Die beiden nebeneinander, ein Bild für die Götter!

Bleibt abzuwarten, wie das neue Material schließlich klingen wird, wenn es mit der Band performt wird. Ich bin gespannt!

Nach kurzer Pause ging es mit dem einzigen nichtfranzösischen Act des heutigen abends weiter. Ob es eine konkrete Beziehung zwischen dem Ground Zero Plattenladen und The Low Anthem aus Providence, Rhode Island, gibt, entzieht sich meiner Kenntnis, Fakt ist aber, daß man mit den Amis ein Glückslos gezogen hatte! Sie bereicherten den ohnehin schon hochklassigen Abend ungemein. Eine feine Sache, wenn man bedenkt, daß die Karten für diese Veranstaltung überschaubare 13 Euro gekostet haben und daß man dafür über 3 1/2 Stunden Musikgenuß bekam. Und ein Genuß war es in der Tat, The Low Anthem zuzuhören! Teilweise bereits als die neuen Fleet Foxes etikettiert, zeigten die drei Musiker, daß sie stilistisch breitgefächert und eigenständig sind und ihr Repertoire sowohl sehr leisen und intimen Folk als auch stampfenden Bluesrock umfasst. Der erste Song erinnerte mich an Simon & Garfunkel, der zweite wiederum an Bon Iver. Welch betörendes Falsett bei diesem traumhaft schönen Lied namens Charlie Darwin! Ben Knox Miller schaffte es, mich emotional so stark zu berühren, wie es in letzter Zeit nur Justin "Bon Iver" Vernon vermochte. Ich fühlte mich wie in Watte gepackt und störte mich auch nicht mehr weiter daran, daß das Publikum wieder einmal auf dem Fußboden rumsaß, was ich nicht ausstehen kann. Mir schlafen davon nämlich die Füße ein und nach eingeschlafenen Füßen klangen The Low Anthem wahrlich nicht! Als sie mit Home I'll Never Be einen von Tom Waits inspirierten Blues-Stampfer abfeuerten, merkte man, daß sie auch rocken können. Aufstehen und im Takt mitwippen, wäre insofern die probate Antwort der Meute gewesen, aber die Leute blieben am Boden kleben. Mehr Bewegung gab es auf der Bühne, da wurden nämlich munter die Instrumente gewechselt. Die talentierte Jocie Adams fing zunächst am Schlagzeug an, spielte dann aber auch Gitarre, Klarinette und Crotales. Crotales, was iss'n das? Nun, das wußte ich vorher auch nicht, ich hielt das Instrument, daß Jocie mit einem Geigenbogen von unten nach oben strich, für ein Vibraphon, lag damit aber falsch. Ben Know Miller wiederum performte an der Akustikgitarre, spielte auch jeweils einmal Orgel und Horn und blies auch desöfteren in eine Mundharmonika. Jeff Prystowsky schließlich zupfte den riesigen Kontrabass und klimperte ab und an auf der Orgel.

3 Multitalente also, die mit Ticket Taker und To Ohio auch noch zwei formidable Lieder (und ich zitiere jetzt nur Beispiele, Ausfälle gab es nämlich keine) auf Lager hatten. Die muss man genau im Auge behalten, eine klasse Band!

Als dritter Starter wurde im Anschluß der aus Bordeaux stammende Franzose Kim ins Rennen geschickt. Ich hatte den Burschen mit der Prinz Eisenherz Frisur bereits einmal vor ein paar Monaten in einem Pariser Privatclub gesehen und er hatte mir recht gut gefallen. Sein Konzert wurde aber damals von einer laut plappernden Beth Ditto gestört, die im Baron zusammen mit ihrer Band Gossip eine Aftershow- Party abhielt. Kim hatte jedoch souverän reagiert und in einer Szene Beth mit seinem Banjo gejagt, um ihr zu signalisieren, daß Ruhe sein solle. Die Ditto redete aber trotzdem ungeniert weiter...

Mit mehr Disziplin und Aufmerksamkeit waren heute die Besucher in der Maroquinerie bei der Sache. Kim machte allerdings deutlich mehr Lärm als vor ein paar Monaten, als er unplugged gespielt hatte. Heute hatte er zwei Burschen der Band The Alb dabei und zu dritt rockten sie ziemlich wild ab. Die Songs von Kim sind catchy und schwungvoll und stimmlich erinnerte er mich zumindest gestern an Jack "The White Stripes" White. Stilistisch will er sich partout auf kein Genre festlegen, er wechselt zwischen Indie, Folk, Elektropop und Bluesrock wild hin und her. Ein Phänomen dieser Kim, der aus einer Musikerfamilie stammt und schon an die 20 (!) Alben (genauer gesagt 17, demnächst 18) veröffentlicht hat. Und dies mit 32! Kein Wunder, daß man da kaum nachkommt. Sicher erkannt habe ich deswegen auch nur den Hit When The River Turns Around und den eingängigen Neuling She's A Lion. Ein Großteil des fetzigen Sets dürfte letztlich vom neuen Album Mary Lee Doo gestammt haben.

Ich behalte Kim weiter im Auge, der Kerl ist umtriebig und spielt übrigens auch bald in Deutschland.

Konzerttermine von Kim in Deutschland:

14. Dezember, Lolita Bar, Kassel
15. Dezember, King Georg, Köln
16. Dezember, Cafe Galao, Stuutgart

Als letzte Band trat schließlich Yeti Lane aus Paris auf. Spaßvögel bezeichnen das rein männliche Trio auch gerne einmal als Ben sans Cyann, weil Yeti Lane aus den gleichen Musikern wie die Vorgängergruppe Cyann & Ben besteht, bloß ohne die Sängerin Cyann, die eine Solokariere starten möchte. Cyann & Ben waren bei Kritikern schon immer höchst beliebt und für alle drei Alben hagelte es Sterne in diversen Fachmagazinen. Auch die britische Musikjournaille liebte diese Formation und so wundert es nicht, daß in der aktuellen Ausgabe des NME die hochgradig tolle Single Lonesome George in den höchsten Tönen gelobt wird. "The debut single from this parisian trio sounds like Pavement playing a Neu! Song with Grandaddy. Oh, and it's about a tortoise. What's not to love?" riefen die Briten verzückt aus und liegen mit dieser Einschätzung goldrichtig. In der Tat ist Lonesome George ein unfassbar guter Song mit riesigem Suchtfaktor und man findet darin auch tasächlich Elemente des amerikanischen Indierocks, des Krautrocks und des poppigen Folksongs. Aber auch andere Stücke auf dem Debütalbum sind gelungen, wenngleich etwas weniger eingängig. Und die Liveumsetzung ist äußerst präzise und tight, Yeti Lane spielten wie immer wie ein schweizer Uhrwerk! Eine eingespielte Truppe, bestehend aus dem Gitarristen und Sänger Ben Pleng, der auch in der Band von Herman Dune dabei ist, dem zweiten Sänger LoAc, der neben Gitarre und Bass auch noch die Synthesizer bedient und dem stoischen Drumme Charlie, der mit einem unfassbaren Tempo und einer ungeheuerlichen Genauigkeit trommelt.

Neben Lonesome George ragte aus dem Set auch Twice heraus. Ein psychedelischer, düsterer, perkussiver Tornado, der ein wenig an die Dodos, aber auch Interpol erinnert und mit einer enormen Wucht daherkam. Viele Leute waren hinterher von dem Konzert sehr angetan, obwohl es auch Stimmen gab, denen der Stoff zu wenig greifbar war. Aber das ist ja gerade das tolle bei Yeti Lane. Genau wie damals bei Cyann & Ben gewinnen die Songs bei jedem Hördurchgang und werden igendwann zum ständigen Begleiter.

Ich bekenne mich hiermit zum Fan von Yeti Lane!

Fazit: Eine rundum gelungene Geburtstagsfete für einen Plattenladen, bei dem ich eigentlich noch viel öfter einkaufen sollte. Hier kocht Mutti nämlich noch selbst! Auf die nächsten fünf Jahre!

Setlist Yeti Lane, La Maroquinerie, Paris:

01: Solar
02: Only One Look
03: Twice
04: First-Rate Pretender
05: Black Soul
06: This Day
07: Space
08: Waiting
09: Lonesome Georg

10: Think It's Done (Z)



Für gute Sachen darf man ruhig werben:

Ground Zero
Disquaire Indé à Paris
23, rue Sainte Marthe,
75010 Paris



2raumwohnung, Köln, 26.09.09

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Konzert: 2raumwohnung (Nobelpenner)
Ort: E-Werk Köln
Datum: 26.09.2009
Zuschauer: weniger als vor zwei Jahren - nicht ausverkauft
Dauer: 2raumwohnung 90 min, Nobelpenner 30 min


Die Neue Deutsche Welle war wichtiger Bestandteil meiner musikalischen Prägung. Jeder, der sie live miterlebt hat, wird sich an die sagenhaften Hitparaden mit Dieter Thomas Heck erinnern, die man plötzlich gucken konnte, weil da Falco, Extrabreit oder Ideal auftraten. Auch wenn sich meine Ausrichtung dann irgendwann Indiebands zuwandte, blieb immer etwas NDW übrig. Und die Humpe-Schwestern mit ihren beiden Platten gehörten zwingend dazu. Nie werde ich deren Auftritt mit No longer friends beim Großen Preis mit Wim Thoelke (der sie köstlich ansagte) vergessen. Während Annette Humpe, die Ideal-Sängerin, heute nicht mehr live auftritt und ihre Band Ich & Ich nur noch im Studio betreibt, ist die jüngere Humpe-Schwester Inga mit 2raumwohnung ganz regelmäßig auf Tour. Vor zwei Jahren hatte ich sie und Tommi Eckart im E-Werk erstmals gesehen und jetzt hatte ich wieder Lust darauf. Der Auftakt der Tour zum neulich erschienenen Album Lasso fand wieder im E-Werk statt...

Kurz bevor die Intro-Musik einsetzte, bewies der Tonmann guten Geschmack und spielte den Knüller Careless love von Humpe & Humpe, jetzt konnte nicht mehr viel schiefgehen! Tommi Eckart und Inga Humpe erschienen begleitet von unzähligen Musikern (naja, man konnte schon... ein Schlagzeuger, zwei Gitarristen, ein Bassist und ein Keyboarder) um Punkt neun und begannen mit der sehr elektronischen Remix-Version ihres Hits (und Bandgründungsgrunds) Wir trafen uns in einem Garten. Und damit worde auch die Ausrichtung des Abends klar; Tanz- statt Elektro-Pop. "Wir wollen, daß ihr 90 Minuten euren Hintern bewegt!"
bestätigte die 53-jährige Inga. Und sie ging mit gutem Beispiel voran. Es war kaum möglich, die Sängerin zu knipsen, weil sie dauernd in Bewegung war. Erstaunlich, wie jung die Berlinerin wirkt!

Natürlich liegen da Madonna-Vergleiche nahe, wobei sich die zwei Jahre ältere Deutsche da nur bei den Verkaufszahlen verstecken muß. Ohne Madonna je live gesehen zu haben, ist die Berlinerin mit Sicherheit die bessere Sängerin und Musikerin.

Zurück zur Musik... Vieles war mir heute zu dancig. Ich hatte das schon so erwartet,
die weniger wummernden Versionen der Stücke gefallen mir aber eine Ecke besser.

Meine ersten Lieblinge kamen mit Wir werden sehen und der "normalen" Version von Wir trafen uns in einem Garten. Mein erstes Konzert übrigens, in dem nach zwanzig Minuten ein Lied bereits zweimal gespielt worden war. Mein erstes richtiges Konzert, für das das gilt. Vor einigen Jahren habe ich mal die altgewordenen NDW Legenden Frl. Menke, Markus und Peter Schilling gesehen, die je drei Versionen ihres größten Hits gespielt hatten. Aber wir reden hier ja nicht (oder nur selten, liebe Sisters Of Mercy) von peinlich gewordenen Ex-Künstlern.

Die Rollen der beiden Köpfe hinter 2raumwohnung waren an diesem Abend ganz unterschiedlich. Inga tanzt und singt, Tommi dagegen ist mehr Dirigent. Er stand
ausschließlich an einem Synthesizer und drehte Knöpfchen. Wenn er nichts zu tun hatte, tanzte auch er, allerdings immer nur im Bühnenhintergrund. Die vielen anderen Musiker hatten viel aktivere Rollen, und die nervten mich dann auch oft. Ich mag keine Gitarrensoli, bei denen der Musiker nach vorne kommt und post. Schreckliche 70er Jahre- und Bon-Jovi-Unsitte (jeder Live-Gitarrist sollte vor seinem ersten Konzert I Like Trains sehen müssen, um Demut zu lernen!). Fieser Höhepunkt war dabei ein Sample eines scheußlichen Rockklassikers ausgerechnet mitten in Wir trafen uns in einem Garten. Ganz und gar schrecklich war die Reaktion auf die Bühnenrandsoli; der aufbrausende Jubel!

Einige der neuen Songs gefielen mir sehr gut (Wir werden sehen, Und ich dreh, Rette mich später). Aber mein Herz hängt an den alten Perlen! Leider fehlten einige meiner besonderen Lieblinge, Zwei von Millionen von Sternen oder Wolken ziehen vorbei
oder Ich denk an... (das sie aber wohl gar nicht live spielen). Entsprechend ging mein Herz bei Nimm mich mit besonders weit auf - bestes Lied des Abends natürlich!

Spiel mit beendete das reguläre Set. Dabei begeisterte mich Ingas Luftposaunen-Spiel ganz besonders! A propos Blechbläser... Mit Schrecken hatte ich den ganzen Abend über ein Saxophon am Bühnenrand gesehen und war bei jedem Lied erleichtert, bei dem es nicht eingesetzt wurde. Bei den ersten beiden Zugaben kam es auch nicht zum Einsatz, es würde also noch mehr zusätzliche Songs geben. Die allererste Zugabe hatte es aber schon in sich. Kommt zusammen feierte nämlich nach Ingas Angaben Livepremiere. Und immerhin stammt das Stück von der ersten Platte des Duos! Es fing an mit den ersten Takten von 36 Grad, wenn ich mich nicht täusche, das erst danach folgte. Kommt zusammen hatte aber auch noch etwas Fieses in sich; ein kleines Billy Jean Sample.

Bei 36 Grad gähnte dann einer der Gitarristen herzhaft. Das hatte ich auch noch nicht! Aber kein Saxophon - noch kein Ende!

Das Blasinstrument kam dann beim zweiten Zugabenblock zum Einsatz. Der letzte
Abend auf der Welt stammt auch von Lasso, war aber noch nicht das letzte Lied des Abends. Inga, Tommi und Band kamen noch einmal und spielten das wundervolle Wenn Du bei mir liegst, dessen Text eine Freundin Ingas geschrieben hat.

Inga Humpe wird vermutlich auch mit 60 noch keinen Deut peinlich sein, sollte sie da noch auftreten. Alles bei ihr hatte Stil! Egal, ob sie auf eine Trommel einschlug,
eine Sitar-Maschine bediente oder ihren Po zum Publikum streckte. Vermutlich hätte selbst sie bei den albernen Mallorca-Lasso-Tanzfiguren unpeinlich ausgesehen, die eine Frau in meiner Nähe beim Titelsong der neuen Platte machte.

Vor 2raumwohnung hatte ich schmerzhaft lernen
müssen, daß ich nie einen Job als Musikscout bei EMI bekommen werde. Auf die Idee, Nobelpenner, der Vorgruppe, einen Vertrag bei dem Major zu geben, wäre ich nämlich nicht gekommen. Dafür war die halbe Stunde der Band einfach zu langweilig.

Setlist 2raumwohnung, E-Werk, Köln:

01: Wir trafen uns in einem Garten mit Max
02: Ich & Elaine
03: Lasso
04: Body is boss
05: Wir werden sehen
06: Wir trafen uns in einem Garten
07: Und ich dreh
08: Rette mich später
09: Besser geht's nicht
10: Vielleicht im nächsten Leben
11: Nimm mich mit
12: Überall rein
13: Sexy girl
14: Sasha
15: Spiel mit

16: Kommt zusammen (Z)
17: 36 Grad

18: Der letzte Abend auf der Welt (Z)

19: Wenn Du bei mir liegst (Z)

Links:

- 2raumwohnung, Köln, 20.03.07
- mehr Fotos




Samstag, 26. September 2009

Nina Kinert, u.a., Paris, 25.09.09

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Konzert: Nina Kinert, Montys Loco, Titiyo

Ort: Le Point Ephémère
Datum: 25.09.2009
Zuschauer: mittlerer Andrang
Konzertdauer: pro Künstlerin etwa 40 Minuten



Schwedische Woche in Pariser Clubs. Das Point Ephémère und das Centre Culturel Suédois empfingen unter dem Slogan "Festival de musiques actuelles suédoises" die ganze Woche über Sängerinnen aus dem schönen skandinavischen Land. Bekannteste Musikerinnen waren hierbei Ane Brun (eigentlich Norwegerin, aber in Schweden lebend), die am Dienstag im Kulturinstitut spielte und die heute ins Rennen gehende Nina Kinert. Die anderen Damen, namens Rebekka Karijord, Jennie Abrahamson, oder Rosie Staf waren hingegen vorher nur intimen Kennern ein Begriff. Die zur Zeit erfolgreichste Schwedin, Anna Ternheim, nahm an diesem Festival übrigens nicht teil, ihr Auftritt diese Woche im Alhambra hatte mit der Veranstaltung nichts zu tun. Obwohl es doch eine Querverbindung gab: Annas brillianter Gitarrist Andreas agierte heute in der Band von Titiyo, der kleinen (allerdings sehr großgewachsenen ) Halb- Schwester von Nenneh Cherry.

Titiyo wurde als letzte Teilnehmerin des heutigen Tages aufs Parkett geschickt, vorher kamen erst einmal Montys Loco und Nina Kinert.

Montys Loco, nanu was ist das denn? Nun, hinter dem Pseudonym verbirgt sich sich eine blonde, kurzhaarige Schwedin namens Anja Bigrell, die zusammen mit der Gitarristin und Drummerin Marie Eklund die Band bildet. Die temperamentvollen Skandinavierinnen waren zusammen mit einem männlichen Begleitmusiker erschienen, der auf der rechten Bühnenseite einen heftigen Trommelwirbel inszenierte und auch ab und zu am Bass zupfte. Anja selbst spielte Keyboard und Tambourin und schrie sich die Seele aus dem Leib. Stilistisch erinnerte das Ganze an The Kills oder eine wütende Ausgabe von Björk. Nicht schlecht, aber auch nicht 100 % mein Geschmack. Die Beats waren allerdings treibend genug, um mich bei Laune zu halten und Anja Bigrell verfügt über ein sympathisches Wesen. Bester Track wsr für mich Ages Ago von dem Album Farewell Mr Happy.

Im Anschluß ging es mit Nina Kinert weiter, für die ich gekommen war. Die 24 jährige ist ein ganz fesches Fräulein, das sicherlich weiß, wie sie auf Männer wirkt. Sie scheint ein wenig damit zu spielen, denn die unglaublich langen, falschen Wimpern legt sie sicherlich nicht zufällig auf. Aber die Schwedin ist glücklicherweise kein gescheitertes Model, das versucht, singenderweise ins Rampenlicht zu kommen. Ihre Stimme ist dermaßen schön und betörend, daß die Musik auch auf mich wirken würde, wenn Nina wie eine Vogelscheuche aussähe. Überhaupt das Aussehen von Sängerinnen: überbewertet! Man (n) erfreut sich zwar gerne an einem attraktiven Äußeren, aber auch Damen, die von der Natur nicht ganz so begünstigt wurden, vermögen uns auf dem Konzerttagebuch zu begeistern. Wir sind schließlich auch Fans von Beth Ditto, den propperen Girls der Magic Numbers und der kräftigen Rose Kemp!

Nina Kinert war nicht alleine gekommen, an ihrer Seite hatte sie eine blonde Cellistin dabei, die sehr einfühlsam spielte und zu einem gelungenen Konzert wesentlich beitrug. Im Mittelpunkt stand aber natürlich immer Nina, die nicht auf den Mund gefallen war. Hinsichtlich ihres hübschen Liedes PetsFriends merkte sie an, daß es Zeitgenossen gäbe, die zweideutige Kommentare über den Titel vom Stapel lassen würden. Was für Strolche! Nina ist doch ein anständiges Mädel! Und ein talentiertes obendrein! Ich war hocherfreut, daß ihre Musik nach wie vor folkig und geerdet rüberkam und meine Befürchtungen, auf eine geglättete Popprinzessin zu treffen, unbegründet waren. Stimmlich erinnerte sie mich in einigen Momente gar an Alela Diane, manchmal aber auch an Dolly Parton, was überhaupt kein Fehler ist. Der schwedische Folk von Nina hat also eine stark amerikanisch angehauchte Klangfarbe, aber an der ein oder anderen Stelle kam dann doch der schwedische Pop zum Vorschein.

Besonders gut gefiel mir innerhalb des Sets Beast, welches Nina mit viel Sensibilität am Piano vortrug. Schwelgerischen Blickes wisperte sie gefühlvoll die Texte ins Rund und schien für ein paar Minuten entschwebt zu sein.

Die amüsanteste Szene ergab sich aber, als ein süßer kleiner Junge mit einem niedlichen weißen Mäntelchen auf die Bühne kletterte und zu Combat Lover mitklatschte- und tanzte. Da musste auch Nina schmunzeln und gerührt feststellen: "Oh, look, this is the cutest thing I've ever seen on stage!

Super, ein kleiner Junge hatte Nina die Show gestohlen, wenn das nicht charmant ist!

Titiyo fogt etwas später...


Setlist Nina Kinert, Point Ephémère, Paris

01: The Story Goes
02: Pets & Friends
03: The Art Is Hard
04: Original Sin
05: Love Affair
06: I Shot My Man
07: Beast
08: Combat Lover
09: Wings (neu)

Setlist Titiyo, Point Ephémère, Paris:

01: Stumble To Fall
02: Awakening
03: Drunken Gnome
04: If Only Your Bed Could Cry
05: Longing For Lullabies
06: Crystal Clear Mud
08: N.Y.

09: Come Along (Z)

Links:

Come Along, Videoclip der Hitsingle von Titiyo.

- Mehr Fotos von Nina Kinert hier
- Fotos von Montys Loco hier
- Fotos von Titiyo hier



Freitag, 25. September 2009

Ohbijou, Köln, 25.09.09

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Konzert: Ohbijou
Ort: Studio 672, Köln
Datum: 25.09.2009
Zuschauer: ca. 40
Dauer: gut 70 min.


Welch ein Knüller! Wieder einmal zeigt sich, daß spontane Konzertbesuche oft die besten sind. Aus Paris bekam ich vor ein paar Tagen den Tip, die kanadische Band Ohbijou unbedingt bei ihrem Gastspiel in Köln anzusehen. Der Name kam mir irgendwie bekannt vor; mein iTunes verriet mir, daß ich eine Split-EP der Band gemeinsam mit The Acorn besitze...

Toll war es! Die sechs Musiker aus Toronto haben wundervolle Lieder gespielt - meine Lieblinge waren The otherside, Misty eyes und vor allem The woods. Mehr in Kürze!

Setlist Ohbijou, Studio 672, Köln:

01: Jailbird Blues
02: St. Francis
03: Black ice
04: New years
05: Cliff jumps
06: Thunderlove
07: The otherside
08: To rest in peace on righteous tides
09: Misty eyes
10: Make it gold
11: Ode to an end
12: Echo Bay
13: Steep

14: Wooden chair (Z)
15: The woods (Z)

16: Heartbeat (Annie Cover) (Z)



Marina, Paris, 24.09.09

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Konzert: Marina

Ort: La Bellevilloise, Paris
Datum: 24.09.09
Zuschauer: 20



Dass ich Casting Shows abstoßend finde, muß ich an dieser Stelle wohl kaum erwähnen. Leider gibt es diese fiesen Formate auch in Frankreich, bloß daß sie hier Star Academy und A La Recherche de la Nouvelle Star (Pendant zu DSDS) heißen. Ich gucke diesen Käse nie, das wollen wir hier gleich mal festhalten! Ich ertrage so etwas einfach nicht. Zudem belagert meine Frau rund um die Uhr die Glotze, um Krimis anzuschauen.

Dennoch bin ich über eine Sängerin gestolpert, die bei so einer Geschichte mal mitgemacht hat. Ich hatte ihren hübschen Clip im Fernsehen gesehen (lief kein Krimi?) und mir das Ganze dann noch einmal bei You Tube zu Gemüte geführt. Da habe ich dann auch von ihrer Vorgeschichte erfahren. Dennoch: das Lied (Tout Me Revient) und das Video gefallen mir. Mit sinnlicher Stimme singt Marina (auf französisch wohlgemerkt, eine Seltenheit) einen Ohrwurm, der von einer sehr schönen Gitarrenmelodie durchzogen ist und auf Anhieb verzaubert.

Als ich las, daß Marina umsonst im urigen Café von La Bellevilloise spielen würde, entschied ich mich spontan vorbeizuschauen. Aber ich kam verdammt spät am Ort des Geschehens an, die Sängerin stürmte an mir vorbei Richtnung Umkleidekabine., weil sie mit ihrem Set schon durch war. Glücklicherweise kam sie dann aber doch noch einmal zu einer Zugabe zurück. Zusammen mit einem männlichen Zusatzgitarristen trug sie noch zwei Chansons vor, Si Elle und Je Suis Timide. Ganz so schüchtern (timide) schien sie aber nicht zu ein und ihre Stimme war wirklich ziemlich hübsch. Mehr Eindrücke konnte ich in der Kürze der Zeit aber nicht gewinnen, außer vielleicht, daß sie schöne, durchtrainierte Beine hatte. Aber das hat ja nichts mit Musik zu tun...

Vielleicht läuft mir Marina ja noch einmal über den Weg, ansonsten hat sie der Musikwelt mit Tout Me Revient zumindest einen schönen Popsong geschenkt.

Link:

Marina, Tout Me Revient, Videoclip



Donnerstag, 24. September 2009

Anna Ternheim, Paris, 23.09.09

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Konzert: Anna Ternheim (Every Man Has Your Voice)

Ort: l'Alhambra, Paris
Datum: 23.09.2009
Zuschauer: etwa 550
Konzertdauer: gut 80 Minuten Anna Ternheim, 30 Minuten Every Man Has Your Voice



Schon wieder Anna Ternheim? Gähn!, wird so mancher Stammleser (soll es ja angeblich wirklich geben) unseres Konzerttagebuches ausrufen und damit gar nichts Deplatziertes sagen, denn wir hatten die Konzerte der Schwedin gerade in letzter Zeit wirklich sehr oft rezensiert. Und wenn ich ehrlich bin: Auch mir hatte es hier ein bißchen arg viel geternheimt. Als Christoph dann auch noch in die Schweiz gefahren ist, um die Blondine kurz nach seinem Kölner Konzert erneut zu sehen, dachte ich mir insgeheim auch schon, daß mein Freund so langsam aber sicher überschnappt. Hatte sie ihm wohl gehörig den Kopf verdreht, wie? Für mich nicht ganz nachvollziehbar, denn das letzte Album ist meines Erachtens ingesamt doch recht enttäuschend ausgefallen und kann den ersten beiden Werken, vor allem in den wunderbaren "naked versions", nicht das Wasser reichen. Zudem war ich auch von den Festivalauftritten von Anna Ternheim beim Melt! und in Haldern nicht gerade begeistert, da war es mir doch an einigen Stellen der Instrumentierung und des Backgroundgesanges zu viel des Guten.

Nach dem heutigen Abend aber weiß ich: Für die Ternheim und ihre beiden glänzenden Mitmusiker an Kontrabass und Gitarre, bzw. Xylophon und Trompete würde ich bis nach Neuseeland schwimmen! Christophs Lobhudelei war also keine blinde Schwärmerei, sondern absolut gerechtfertigt! Die drei Akteure legten nämlich ein Konzert aufs Parkett, das an Brillianz, Harmonie und Schönklang nicht zu überbieten war! Jedes einzelne Lied bot Hörgenuß pur, der Sound im Alhambra war glasklar und rundum ausgewogen und die jeweiligen Versionen waren tausendmal schöner als auf den Alben. Zum mit der Zunge schnalzen! Kaviar für die Ohren! Wenn es so etwas wie das perfekte Konzert gibt, dann war es dieses hier! Nicht ein kleines Fehlerchen unterlief den Künstlern, Anna traf jeden Ton und sang so schön wie nie zuvor und die countryeske Instrumentierung war hochklassig und auf Weltniveau.

So ein Level erreicht man nicht nebenbei, man konnte erahnen, daß hinter dem störungsfreien Vortrag jede Menge Arbeit und intensives Üben steckte, auch wenn die Schwedin schmunzelnd eine Anekdote aus dem Tourbus erzählte und beichtete, daß sie vier Stunden lang den Film Mad Man gesehen hätten. Da sie ein paar Semester Architektur in Lausanne studiert hatte, war es für sie auch kein größeres Problem, diese Ausführungen auf französisch abzugeben. Eine gebildete und intelligente Frau also, die trotz ihrer enormen Erfolge in Schweden und Deutschland bescheiden und natürlich geblieben ist. Das Publikum honorierte den perfekten Vortrag und das sympatische Auftreten mit minutenlangem Applaus, so daß es am Ende noch zu zwei Zugabeblöcken kam: Beim ersten, der zwei Stücke umfasste, wurde Sinatras Klassiker Fly Me To The Moon in neuem, schicken Gewande präsentiert und beim zweiten sang sie zusammen mit ihren beiden Jungs akustisch die Ballade Summer Rain. Auch diese übrigens wesentlich besser als auf dem Album. Ihr Gitarrist unterlegte hierbei dezent die Stimme der Schwedin und machte es in dieser Hinsicht viel besser als die recht nervige Linn, die beim Haldern und Melt! viel zu stark auf die Tube gedrückt hatte und den Songs durch ihren operettenhaften Gesang ihren Liebreiz nahm.


Zum Abschluß noch eine amüsante Anekdote: Am riesigen Place de la republique hatte ich von der Metro kommend ein wenig die Orientierung verloren und wußte nicht mehr genau, auf welche Seite ich musste. Da die Zeit drängte, fragte ich Passanten nach dem Alhambra, erhielt aber jeweils nur ein ahnungloses Schulterzucken. Ein junger Franzose allerdings, hörte den Namen, guckte mich ein wenig neidisch an und meinte: "Alhambra? Du Glücklicher! Da spielt doch heute Anna Ternheim! Natürlich kann ich Dir sagen, wo Du lang musst" ...

Achso. Eine Vorgruppe gab es auch. Die hieß Every Man Has Your Voice, kam aus Frankreich und bestand aus drei Musikern, dem Sänger und Ukulelespieler Christophe, dem Gitarristen Jéremie und der Sängerin und Glockenspielerin Andrea. Und sie war ganz ausgezeichnet! Allein schon die Liste ihrer Einflüsse ist äußerst geschmackvoll, da finden sich solch feine Bands wie die Bowerbirds, die Castanets, Beirut und Explosions In The Sky. Diese kupfern sie aber keinswegs bloß ab, sondern schaffen einen eigenständigen, wunderschönen und intimen Sound, der durchaus das Niveau hat, über die Grenzen Frankreichs hinaus zu erstrahlen. Every Man Has Your Voice, also meine Stimme haben sie! Die muss ich unbedingt nochmal sehen!

Setlist Anna Ternheim, Alhambra, Paris:

01: Off The Road
02: Black Sunday Afternoon
03: What Have I Done
04: Tribute To Linn
05: Damaged Ones
06: Losing You
07: Better Be
08: My Secret
09: To Be Gone
10: Terrified
11: Let It Rain
12: China Girl (David Bowie Cover)
13: No, I Don't Remember
14: Halfway To Fivepoints

15: Fly Me To The Moon (Frank Sinatra Cover) (Z)
16: My Heart Still Beats For You (Z)

17: Summer Rain


Pour nos lecteurs français:

Une chronique de ce très beau concert (le tout meilleur d'Anna) va suivre bientôt! Je dis bravo aussi à Every Man Has Your Voice, qui m'ont beaucoup plu.

Links:

- aus unserem Archiv:


Dienstag, 22. September 2009

The Low Anthem, München, 15.09.2009

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Konzert: The Low Anthem

Ort: Atomic Café, München
Datum: 15.09.2009
Zuschauer: 50


von Eike aus Ampfing. Erstveröffentlichung auf dem brillanten Klienicum


Husten durfte man ihn wirklich nicht hören. Das war rau, fast krächzend, man spürte förmlich, wie sich schwerer Schleim in seiner Lunge überwarf. War er erkältet, chronisch gebrochen oder nur überlastet? Dem Gesang von Ben Knox Miller haftete das Beobachtete Geschehen von während der Songpausen bzw. nach dem Konzert wenig an. Da brillierte er auf selten gehörte Weise. Im Falsett oder Kopfgesang, schwer rockend oder bluesig verschwitzt, immer Vollgas, mimisch unterlegt, mit vollem Einsatz. Er beherrscht die Wendungen des Narrativen genauso wie das Stupende der Betonung. Das Reife wie das Jungfräuliche, so dass dem Beobachter, dem Zuhörer nur der Glaube an eine Ersterfahrung blieb. The Low Anthem fanden im Atomic Café zu München statt und knapp fünfzig Neugierige gingen hin. Die Band verwand diesen Umstand mit der Erinnerung an ein überfülltes, aber anonymes Festival auf der Isle of Wight zwei tage zuvor. Das Set begann denn auch so ruhig (u.a. mit Charlie Darwin), als wollte sich hier ein Innehalten des vergangenen freien Tages und der Besinnung vom Massenevent fortsetzen. Fast schon geruhsam das Streichen des Basses, das Beflügeln der Drums, der Folk depressive einsatz der Gitarre. Allein, dass sich die Bandmitglieder immer wieder an ihren Instrumenten abwechselten, brachte offenbare Bewegung ins Spiel. Und dennoch war man wie magnetisch angezogen von den Feinstaubmelodien, dem getragenen musikalischen Bild, das so versonnen dargeboten wurde wie die Madonna in der Círio de Nazarè zu Belem. Vor allem Millers brüchig-angestrengter Gesang, der die Harmonien auf wohlfeil presste, sorgte für innerste Erregung. Das kam so überzeugend, so schürfend, dass man nicht unbeteiligt die Hände in den Hosentasche lassen konnte. Nur wie stellt man sich dem? Die Hände gefaltet entgegenstrecken? Unangemessen. Sanfte Bewegungen, ein kleines Schiff in schwerer See? Uneindeutig. Offen getragene Verwunderung, schamlose Neugier standen auf der Tagesordnung. Und wer wie ich nicht mit dem Repertoire der Band aus Providence vertraut war, wurde immer wieder aufs neueste still getroffen. Vom warmen Segen der 73er gibson, dem versöhnlichen Streichen auf den wunderlichen Zimbeln (Crotales), die Jocie Adams so verdient mit einem Bogen bearbeitete, vom flink bewegten Upright Bass, der Jeff Prystowsky in den Armen lag wie eine Fußballkugel in den Fängen Oliver Kahns. Ob der was mit der Musik von The Low Anthem hätte anfangen können? Dafür ist die Nähe zu den angesagten The Felice Brothers wohl zu extrem. Deren Krakele und Geheul missfiele wohl dem Titan. Doch an die Grenzen ging der Dreier, zuweilen unterstützt vom ehemaligen Bandkollegen Dan Lefkowitz, auch. Dann wurde die kleine Drumanrichte traktiert, E- und Bassgitarre schwer beatmet und gemeinsam konzertant gebrüllt. Schönheiten? Die milde Melodie von Cage the songbird, das Mundharmonika Gewerke in Home i'll never be mit anschließendem Gerumpel und Geröhre sowie To Ohio als hymnischer Abschluss.

Das Publikum dankte artig mit Applaus und einigem Gejohle. Übermütig war hier nichts, aber irgendwo doch versonnen, vielleicht benommen von der Feinheit, Grazilität und Sensibilität des Vortrags. Ich habe mal wieder auf der Rückreise zig Melodien unterm Helm gepfiffen, obwohl ich düster fast in den Nebeln verkommen wäre.

Fußnote, leider nur. Kasey Anderson hat mich nicht überzeugt. Im Vorprogamm wusste er zwar mit flinkem Mundwerk zu überzeugen, aber seine unter keckem Mützchen hervorgebrachten Ständchen zur Gitarre gerieten langatmig und flau. Die Noten gedrillt, der Gesang geführt, das Instrument getrimmt.





Josh Tillman, Paris, 21.09.09

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Konzert: Josh Tillman (Ohbijou)

Ort: Point Ephémère, Paris
Datum: 21.09.2009
Zuschauer: mittlerer Andrang (Optimisten sagen halb voll, Pessimisten halb leer)
Konzertdauer: Josh Tillman: satte 80 Minuten, Ohbijou etwa 35 Minuten



Josh (Joshua, J.) Tillman ist ein schöner Mann. Sehr groß, schlank und männlich. Mit seiner langen Mähne und dem Bart erinnert er mich an den schwedischen Tennisstar Björn Borg. Björn war mein erstes Idol der Popkultur, er verkörperte Stärke, Freiheit und Wildheit und zeigte in manchen Momenten auch seine gefühlige Seite. Als er nach dem entscheidenden Passierball im dramatischen Wimbledonfinale 1980 gegen John McEnroe auf die Knie sank und sein Racket wie eine Monstranz in den Himmel reckte, hatte ich zum ersten Mal in meinem Leben eine Gänsehaut.*

Seitdem sind fast dreißig Jahre ins Land gegangen, Männer trugen das Haar in der Zwischenzeit deutlich kürzer und Björn Borg ist ergraut und hat seine Wimbledonrekorde an Roger Federer verloren. Lange Mähnen sind aber wieder in, seitdem Devandra Banhart vor ein paar Jahren ein Hippie Revival losgetreten hat. Josh liegt also im Trend und was noch viel wichtiger ist: er bereitet mir ähnlich wie damals Björn eine Gänsehaut, wenn er seine intimen Folksongs mit brüchiger Stimme vorträgt. Von jenen atemberaubend schönen Herzwärmern hat er jede Menge auf Lager, einer betörender als der andere. Sehr früh wird zum Beispiel No Occasion gebracht, ein Lied, das einen Gedenkstein verdient. Joshs Fingerpicking ist spärlich, wenn er die traurigen Lyrics ("I dont want to live again, cause i dont want this life to end") vorträgt und sein Blick ist gleichzeitig konzentriert und verträumt. Das stärkste ist seine samtweiche Stimme, die ein wenig vibriert und sich wie ein warmer Schal im Winter um den Hals schmiegt. Aus meinem Augenwinkel beobachte ich eine brünette Französin, die mit glänzenden Augen die Texte mitsingt. Sie trägt beigefarbene Cowboystiefel, das passt zur Atmosphäre. Hier und heute ist nämlich amerikanische Wüste angesagt, Pedal-Steel Gitarre inklusive. Der Bursche, der diese zum Schwingen bringt, guckt allerdings ein wenig gelangweilt, vielleicht ist er müde vom Touren oder denkt an seine Freundin in Texas, oder wo immer sie auch lebt. Der Drummer, der zu Beginn nur den Schneebesen rührt, ist wesentlich expressiver, seine Mimik ist köstlich. Wie ein Heavy- Metal Drummer reißt er oft den Mund weit auf und wirft verrückte Blicke in die Runde. Der Basser wiederum bewegt sich oft auf einer Linie mit Josh und ist ebenfalls ein hübscher Kerl. Fünfter Musiker ist ein unscheinbarer Gitarrist, der am linken Bühnenrand allerdings wunderschöne Melodien zaubert und somit wesentlich zum Gelingen des Konzertes beiträgt. Josh selbst spielt neben der Akustikgitarre auch Percussions, eine am Boden befindliche Pauke und bei einem Stück eine durchsichtig wirkende Flöte. Mit Hilfe dieser werden mystische Töne erzeugt, die einen psychedelischen Charakter aufweisen. Ich glaube sie gehören zum neuen Stück Crosswinds, das vom 2009 er Album Year In A Kingdom stammt. Von diesem werden natürlich auch noch einige andere Stücke performt, von denen mich der Opener Year In The Kingdom am meisten begeistert. Toll sind auch Earthly Bodies (allerdings weniger Chorgesang live als auf dem Album) und Though I Have Wronged You das am Ende ordentlich rockt. Überhaupt ist festzustellen, daß viele Lieder, die sehr schleppend und getragen beginnen, in der Schlußphase zu jaulenden Postrockern mutieren. Josh kann also nicht nur leise und intim, wie man das vielleicht aufgrund der stillen CDs vermuten könnte!

Am schönsten ist es aber natürlich, wenn er auf die Tränendrüse drückt und Kleinode vom Vorgänger Vacilando Territory Blues preisgibt, z.B Firstborn. Großartig ebenfalls When I Light Your Open Doors, fast schon so etwas wie ein Klassiker des Genres.

Auch das Publikum ist angetan und klatscht Josh am Schluß noch einmal zu Zugaben zurück. Es bekommt die wundervollen Balladen Master' s House ("You want need a dime to board in the master's house) und James Blues spendiert und entschwindet mit einem Lächeln auf den Lippen in die dunkle Pariser Nacht. Ein paar Besucher setzen sich noch ein wenig an den Kanal und lassen den Tag in Ruhe ausklingen. Wie sagte Josh Tillman während des Konzertes so uneitel zum eingangs aufgeworfenen Thema Schönheit: " You beautiful french people. If you are sitting there by the canal you look like supermodels or writers. When I am sitting there I look like a homeless man!"

Ein paar Sätze zur Vorgruppe: Ohbijou aus Kanada machen lieblichen und melodiösen Indiepop. Die Band besteht aus sechs Mitgliedern, wovon vier weiblich sind. Angeführt werden sie von Casey Mecija, die eine sehr hübsche Stimme hat. Die Band hat mir wirklich gefallen, ich kann sie empfehlen und habe mir auch ihre letzte CD Beacons zugelegt. Auf der Tour verkaufen sie übrigens auch eine limitierte Ep, die sie zusammen mit ihren hervorragenden Landsleuten The Acorn aufgenommen haben.

* bzw. das Gefühl, daß es einem eiskalt den Rücken runterläuft.



Aufgepasst! Ohbijou und Josh Tillman sind sehr bald auch in Deutschland unterwegs!

Konzertdaten Ohbijou:

22.September 2009: Paradiso, Amsterdam
24. September 2009: Feierwerk, München
25. September 2009: Studio 672, Köln
26.September 2009: Reeperbahn Festival, Hamburg
27. September 2009: Bang Bang Club, Berlin


Konzerttermine Josh Tillman:

22.09.09: Botanique, Brüssel
23.09.2009: Blue Shell, Köln
24.09.2009: Reeperbahn Festival, Hamburg
25.09.2009: Privatclub, Berlin
26.09.2009: Orangehouse, München
28.09.2009: Antwerpen, Belgien


Links:

- J. Tillman in einem intimen Video. Er singt Master's House. Schön!
- Mehr Fotos von Ohbijou hier
- Mehr Fotos von J. Tillman hier




 

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