Konzert: Heavenly
Ort: Bush Hall, London
Datum: 19. & 20.05.2023
Dauer: 75 bzw. 80 min
Zuschauer: jeweils 400 (ausverkauft)
"Inasmuch as we need holes in our heads and pins in our clothes and chocolate sauce on our record players, we need Heavenly - forebears of short-haired girl bands stomping around onstage and irritating the shite out of everyone. Interesting fact: if you laid out all the singles that Heavenly have sold in a straight line, you would have way so much f*** spare time. Get a life." Ob der Kritiker des NME, der so über die Heavenly-Single P.U.N.K girl geurteilt hat, eine große Karriere als Musikjournalist hatte, ist mir nicht bekannt, vermutlich aber schon. Denn als die Single erschien, war Britpop das große Ding, Tweepop wurde belacht. DIY Bands und Labels, denen Botschaften wichtiger als Einnahmen waren, passten gar nicht in diese Popwelt. The Battle of Britpop war das Motto.
Die Heimat vieler Tweepop-Legenden, das Bristoler Label Sarah Records, stellte seinen Betrieb 1995 nach knapp hundert Singles ein. 20 Jahre später war der NME altersweise. In seiner Liste der "greatest indie labels of all time" setzte er Sarah Records auf Platz zwei (nach 4AD), bevor das Blatt drei Jahre später eingestellt wurde. Sarah kamen zwar nie zurück, viele der Bands, die dort veröffentlicht haben, gibt es aber noch oder wieder. Beim Indietracks, bei Konzerten in England (und in Köln) habe ich in den vergangenen Jahren einige der alten Sarah-Heldinnen und Helden sehen können, The Orchids, Even As We Speak, St. Christopher, Secret Shine, Boyracer, The Wake, Action Painting und große Teile von Aberdeen. Und jetzt endlich auch Heavenly!
Eine Heavenly-Reunion schien immer ausgeschlossen, nachdem Schlagzeuger Mathew Fletcher 1996 kurz vor der Veröffentlichung des vierten Albums Operation Heavenly starb. Der Rest der Band machte als Marine Research weiter, später entstand Tender Trap. Amelia Fletcher (Gitarre und Gesang) und ihr Mann Rob Pursey (Bass in all den Bands) gründeten vor ein paar Jahren die Catenary Wires und ein eigenes Label. Da blieb wenig Luft für die Hoffnung auf eine Heavenly- (oder Talulah Gosh-) Wiederkehr. Aber wie der Mann vom NME habe ich eben keine Ahnung von Musik.
Aus dem einen Reunion-Konzert wurden schnell zwei, die Karten für die 400 Personen fassende Bush Hall waren nämlich blitzschnell ausverkauft. 28 Jahre nach dem letzten Konzert 800 Tickets zu verkaufen, unterstreicht wohl, wie geliebt Bands wie Heavenly auch nach langen Jahren noch werden. Elastica, if you read this: WOULD YOU PLEASE COME BACK! How often do I have to ask?
Unsere Reisegruppe aus dem Rheinland, München und dem Ruhrgebiet war bei weitem nicht die ungewöhnlichst weit angereiste. Das Publikum war zu großen Teilen deckungsgleich mit dem des heißgeliebten Indietracks, Leute aus den USA, Spanien, Frankreich oder Belgien schienen fast in der Mehrheit.
Die Bush Hall ist ein wunderschöner ehemaliger Ballsaal mit Spiegeln und Stuckdecke. Zuletzt hatte ich vor der Seuche dort Adorable gesehen. Nach der sehr unterhaltsamen Vorgruppe Panic Pocket aus London, die vergangene Woche ihr Debütalbum Mad half hour veröffentlicht hat und die ich sicher wiedersehen werde, kamen Heavenly um 21:15 auf die Bühne.
Daß meine Angst, daß hohe Erwartungen auch große Enttäuschungen bedeuten können, Quatsch war, war sofort klar. Die kommenden 75 Minuten waren der erhoffte Tweepop-Himmel! Und wie! Shallow, Our love is heavenly, Cool guitar boy, das Gainsbourg-Lied Nous ne sommes pas des anges vom letzten Heavenly Album, Atta girl und der Tictok-Hit P.U.N.K. girl (click!)... oh, war das gut!
Zwischen Band und Publikum schien ein Wettbewerb zu bestehen, wer besser gelaunt ist - Unentschieden, denke ich.
Die zweite spannende Frage vorher war, wer Calvin Johnsons Part in C is the heavenly option übernehmen würde. Der Gründer von K Records und Beat Happening Mann hätte eigentlich kommen können, er hätte nicht die weiteste Anreise gehabt. An seiner Stelle trat aber ein anderer Indiestar mit markanter Stimme, Darren Hayman von Hefner. Die fehlende besondere Chemie der beiden Stimmen von Amelia und Calvin machte Darrens Bühnenperformance wett!
Am Tag danach - wir waren natürlich wieder da - sang der britische Comedian Stewart Lee Calvins Part. Das Konzert war ansonsten bis auf kleine Änderungen der Reihenfolge und eine Improvisation während einer Gitarrenstimmpause sehr ähnlich - also großartig!
Bis vor der Pandemie fanden solche grandiosen Abende regelmäßig im Juli in Derbyshire statt. Seit es das Indietracks Festival nicht mehr gibt, sind sie leider unberechenbarer. Ich würde mich irre ärgern, hätte ich den verpasst.
Setlist Heavenly, London, Nacht eins:
01: Starshy
02: Our love is heavenly
03: And the birds aren't singing
04: Sperm meets egg, so what?
05: Three star compartment
06: Cool guitar boy
07: Shallow
08: Hearts and crosses
09: She and me
10: Space manatee
11: I fell in love lost night
12: Cut off
13: Nous ne sommes pas des anges (France Gall Cover)
14: Trophy girlfriend
15: C is the heavenly option (mit Darren Hayman von Hefner)
16: Atta girl
17: Dig your own grave (Z)
18: P.U.N.K. girl (Z)
19: Art school (The Jam Cover) (Z)
Setlist Heavenly, London, Nacht zwei:
01: Our love is heavenly
02: Starshy
03: And the birds aren't singing
04: Sperm meets egg, so what?
05: Three star compartment
06: So
07: Cool guitar boy
08: Shallow
09: Hearts and crosses
10: She and me
11: Space manatee
12: I fell in love last night
13: Cut off
14: Nous ne sommes pas des anges (France Gall Cover)
15: Trophy girlfriend
16: C is the heavenly option (mit Stewart Lee)
17: P.U.N.K. girl
18: Dig your own grave (Z)
19: Atta girl (Z)
20: Art school (The Jam Cover) (Z)