Konzert: Nick Cave + the Bad Seeds
Ort: Rudolf Weber Arena, Oberhausen
Datum: 24.09.2024
Dauer: 145 min.
Zuschauer: ca. 10.000
Ein verregneter Abend im Spätsommer, ein grauer Anzug mit Krawatte und eine Multifunktionsarena im Ruhrgebiet sind normalerweise nicht die perfekten Zutaten für ein emotionales und musikalisch hochwertiges Konzert.
Aber wir reden ja hier von Nick Cave, der an diesem Abend seine neue Tournee mit den Bad Seeds, vier Backgroundsänger/innen und Colin Greenwood (Radiohead) am Bass in Oberhausen startet. Thematisch will das so gar nicht in diese schmucklose Halle am Centro passen.
Wer meint, er bräuchte einen Liter Cola, kann ihn hier für 11,80 EUR erwerben. Ansonsten ist man froh, das grelle Licht des Umgangs zu verlassen und sich in der bereits dunklen Halle auf Dry Cleaning zu freuen. Die haben einen schweren Stand.
Wer Florence Shaw noch nie live gesehen hat, wird natürlich zunächst etwas verwirrt sein. Die Band versucht gar nicht erst, die Vorfreude der Nick Cave Fans zu stören und spielt ihre 40 Minuten einfach dahin. Schade. Aber wer möchte schon bei Nick Cave als Support fungieren.
Nichts weniger als eines der Konzerte des Jahres wird erwartet. Hier noch versehen mit der Stimmung des Ungewissen, da die Setlist ja noch nicht bekannt ist. Und ja, es wird viele Premieren geben an diesem Abend. Neun bisher nie live gespielte Songs des Albums "Wild God", dazu Raritäten wie Grindermans "Palace of Montezuma" und "Papa, won`t leave you, Henry".
Das Konzert ist nicht weniger als ein Ereignis und die hohen Erwartungen werden mehr als erfüllt. Natürlich gleichen viele Elemente der letzten Tourneen mit den Bad Seeds, aber wer möchte darauf verzichten. Schon beim ersten Song nutzt Cave wieder den montierten Catwalk auf dem Wellenbrecher.
Trotz der fast 2,5-stündigen Show gibt es keine Aufwärmphase. Joy, Frogs und Wild God eröffnen das Set und fühlen sich an wie alte Bekannte. In der bekannten Mischung aus Prediger und Hospitalismus macht Cave Meter um Meter, sucht sich starke Hände zum Abstützen und tadelt nicht textsichere Besucher mit Augenkontakt.
All dies wäre unnütz, würde es nicht zur Musik, den Texten und der Band passen. Diese spielt in einer überbordenden Perfektion und treibt Cave immer wieder an, lässt ihm dann wieder viel Raum, um ihn am Ende sicher durch den Wahnsinn der einzelnen Tracks zu begleiten.
Wer jemals Zeuge einer Live-Version von Jubilee Street wurde, wird sie nie wieder vergessen. Hier zwingt sich Cave immer wieder an den Flügel um die bereits ikonischen Akkorde anzuschlagen, während die Bad Seeds sich dazu in eine Raserei aus Sound spielen.
Es gibt nur wenige Minuten, die Zeit zum Luft holen lassen. Anders als bei seinen Solokonzerten wirken hier die Balladen, alleine am Klavier, allerdings fast störend. Eher muss man sich in diesen Minuten wieder etwas sammeln als die Ruhe und Klasse der Songs ausgiebig genießen zu können. Einzig "I need you" funktioniert hier für mich in diesem Rahmen, wunderschön illuminiert verliert sich das Licht langsam hinter dem Flügel.
"Red right Hand" und "The Mercy Seat" treiben danach die Ekstase weiter voran, bevor bei den Zugaben der Gospel dominiert. Es ist ein universelles Stück Musikgeschichte, das hier präsentiert wird. Kein Verständnis der Texte ist notwendig, um die Emotionen zwischen Hoffnung und Hoffnungslosigkeit zu verstehen.
Cave und seine Musiker erfinden nichts neu aber kreieren so viel Neues. Am Ende steht man wieder mit seinem leeren Mehrwegbecher im Regen vor der Mehrzweckhalle, aber mit einem Lächeln im Gesicht. Das Leben wird einem so schnell nichts mehr anhaben können.