Konzert: Lanterns On The Lake & Sophie Jamieson
Ort: Evangelische Friedensgemeinschaft Darmstadt (Bedroomdisco)
Datum: 25.01.2014
Dauer: Lanterns On The Lake knapp 65 min, Sophie Jamieson 40 min
Zuschauer: 370 (ausverkauft)
"You're a little bit scary!" Sophie Jamieson, die junge aus London stammende Musikerin, die das erste Kirchenkonzert der Bedroomdisco eröffnete, war sichtlich beeindruckt von der vollen Kirche der evangelischen Friedensgemeinde. Sie habe mit ihrer Band schon ein paar Konzerte in Kirchen gespielt, dies sei das größte - und überhaupt das größte Publikum.
Sobald die Lieder begannen, war von Sophies Nervosität nichts mehr zu spüren. Ihre Stücke, die an Daughter erinnern, leben von der ungewöhnlich tiefen Stimme der Sängerin und den enorm spannenden Arrangements.
So hatte das Spiel des Schlagzeugers Amos immer wieder Pausen. Er trommelte kaum wirklich lange Passagen. Mir fallen Schlagzeuger selten auf, da bin ich recht ignorant, Amos' Art, seine Instrumente zu bedienen, faszinierten mich aber sehr. Vielleicht hat er aber auch ein wenig betrogen, um Aufmerksamkeit zu bekommen, die abstehenden Fasern seines Wollpullovers wurden von einem Strahler hinter ihm nämlich angestrahlt, sodaß er eine Art blaue Auro um sich hatte.
Zu Sophies Band gehören außerdem Gitarrist Liam und Bassist Alex, die sicher genausoviel Aufmerksamkeit verdient gehabt hätten! Bei Stain (einem wohl unveröffentlichten Stück, es ist jedenfalls nicht auf der Debüt EP Where) spielte Liam eine ganz großartige Gitarre, sehr toll!
Sophies Stücke sind melancholisch und sicherlich nicht so (im Indierahmen) massentauglich wie die von Daughter, um noch einmal diesen vielleicht arg konstruierten Vergleich zu bemühen. Aber sie sind vor allem wunderschön und kamen sehr zu recht beim furchterregenden Publikum (und mir) hervorragend an!
Setlist Sophie Jamieson, Bedroomdisco, Darmstadt:
01: The weight comes (?)
02: Dinah
03: I don't
04: Stain
05: Other
06: ?
07: Ode to the east
08: Waterloo
Bei Lanterns On The Lake wusste ich, was mich erwartet. Am Donnerstag hatte ich die Band aus Newcastle in Köln gesehen und war begeistert. 2011 hatte ich schon einmal ein Lanterns On The Lake Konzert in Köln erlebt, ohne vorher viel von der Band zu kennen. Eine weitere englische Folkband hatte ich erwartet, die Postrock-Elemente, teilweise mit drei Gitarren gespielt, hatten mich überrascht und umgeworfen!
In den letzten zweieinhalb Jahre hat die Band einiges erlebt. Zwei Gründungsmitglieder, die beiden Brüder Adam und Brendan Sykes, verließen die Gruppe, die anderen entschieden sich, ihre Jobs aufzugeben und sich ganz auf ihre Musik zu konzentrieren. Adam war einer der Sänger. Auf der ersten Platte gab es Lieder, bei denen er die erste Stimme singt. Also änderte sich auch der Stil der Musik ein wenig. Zwar singen auch Schlagzeuger Oliver und Gitarrist Paul. Vor allem Paul macht dies aber sehr ungern bei Konzerten. Und weil er auch beide Platten produziert hat, regelt er auch auf Platte seine Stimme runter, wie mir Sängerin Hazel und Oliver vor dem Konzert in einem Interview verrieten. Ich mag Duett-Elemente bei Bands enorm gerne, die der Nordengländer erinnerten mich manchmal an The xx beim ersten Konzert. Das gibt es jetzt nicht mehr, es fehlt mir aber zu meiner großen Überraschung gar nicht. Sowohl die zweite Platte, als auch die beiden Konzerte in neuer Konstellation gefielen mir noch besser als die ersten.
Das Konzert in dem großen, sehr schlichten aber eleganten Kirchengebäude begann gleich wie das in dem winzigen Theater der Wohngemeinschaft in Köln. Nur saß Hazel Wilde nicht am Klavier sondern am Keyboard. Picture show stammt vom im vergangenen Jahr erschienenen Album Until the colours run und ist auf den ersten Blick nicht eines der zwei, drei auffälligsten Lieder der Platte. Aber es wird immer besser, vor allem live. Die Gitarre von Paul, die das Klavierspiel begleitet, ist grandios! Nach meinem ersten Konzert hatte ich die Ausbrüche, in die einige der Lieder münden und bei denen drei Gitarren zum Einsatz kamen, mit Bands wie Explosions In The Sky vergleichen, obwohl dies absurd erscheint. Allerdings sind diese Postrockelemente durchaus ähnlich. Aber auch bei einem eher ruhig verlaufenden Stück wie Picture show klingt Pauls manchmal wahnwitzig schnell gespieltes Instrument so gar nicht nach einer Band, die man irgendwie mit Folk verbindet (was ich getan hatte, bevor ich sie live gesehen habe). Lanterns On The Lake klingen durch die Kombination stillerer Elemente, Hazels wunderbare Stimme, das meist sehr zurückhaltend gespielte Schlagzeug und die schnellen Gitarren - und natürlich die immer wieder eingesetzten Krachelemente - vollkommen eigen und enorm toll! Je häufiger ich die Band höre, desto spannender wird sie. Und das ist wirklich eine Seltenheit.
Natürlich überraschte es mich nicht, als ich neulich gelesen habe, daß Lanterns On The Lake Explosions In The Sky in Großbritannien supportet haben.
Einer der großen Hits (der besonders großen Hits) folgte danach, Elodie, das einen symphonischen Beginn hat. "Cinematic post-pop" hat das irgendwer mit mehr Ahnung genannt. Mir sind solche Genrebezeichnungen oft vollkommen egal, diese (wenn ich sie richtig verstehe) trifft die Art der Musik aber gut. Und sie klingt toll! Bei Elodie war mir das Schlagzeug bloß einen Tick zu laut (auch schon in Köln), das einzige klitzekleine Haar in der Kirchenkonzert-Suppe.
Eines der besten Stücke des Abends war A kingdom von der ersten Platte. Dabei spielt Hazel Mundharmonika, allerdings auf eine solch zurückgenommene Art, daß ich, wenn ich es nicht gesehen hätte, das Instrument nicht erkannt hätte. Bassist Andrew bediente ein Harmonium (denke ich), und das Stück mündete in einem dieser lauten Enden mit Gitarrist Paul, der auf die Becken einschlug, um am Schluß die drei Altartreppen runterzuspringen, um an seinen Platz zurückzukommen. Großartig!
Ships in the rain, Another tale from another English town, The ghost that sleeps in me... alles wundervolle Lieder, die im Wechsel alles Lieblinge sind.
Im Vergleich zu Köln waren zwei zusätzliche Stücke im Programm, Tricks vom Debüt und The buffalo days vom zweiten Album. Bei The buffalo days hatte ich irgendwann nur noch Augen für Paul, der in einer absurden Geschwindigkeit Gitarre spielte. Dieser sich selbst enorm toll findende Geiger David Garrett ist angeblich der schnellste Violinist der Welt (mit Guinness Rekord). Gegen Pauls Geschwindigkeit ist er nicht nur albern sondern auch lahmarschig.
Wie in Köln war auch das herrliche Sapsorrow (von der Lungs quicken EP von 2010) Teil des Programms ("that's the one, where the drummer sits behind the drumset!"). So weit, so gut. Aber die besten Stücke kamen am Ende...
Not going back to the harbour beendete das reguläre Set. Der Schluß des Lieds war für mich nicht mehr überraschend, aber es war wieder so unendlich schön! Am Ende des Stücks, wenn bei anderen Lieder die Lautstärke explosionsartig ansteigt, wird es in der Liveversion dieses Stücks plötzlich leise. Hazel, Paul und Oliver singen unverstärkt die letzten Zeilen. "I'm not going back to the harbour, I'm not going back to my old life." Der Text entstand, als die Band entscheiden musste, wie es weitergeht und sich Hazel, Geigerin Sarah, Paul und Oliver festlegten, die Band zum Beruf zu machen. Wenn nur alle schwierigen Entscheidungen solch wundervolle Folgen wie dieses Lied hätten!
Die erste Zugabe war Green and gold, ein Solo-Piano Stück, auf dessen Studioversion man laut Hazel den Staubsauger der Reinigungskraft des Proberaums hört. Die Band kam anschließend zurück, um mit Until the colours run und I love you, sleepyhead die (jetzt wirklich) besten Stücke des Abends zu spielen. Die langsame Lautstärken-Steigerung bei I love you... ist das perfekte Ende eines solchen Konzerts!
Das Wagnis, die Wohnzimmerkonzerte des Bedroomdisco in eine mit fast 400 Leuten besetzte Kirche auszudehnen, ist vollauf geglückt. Wieder einmal hat das Darmstädter Team einen wundervollen Konzertabend veranstaltet. Ich kann die Events der Bedroomdisco nur wärmstens empfehlen!
Setlist Lanterns On The Lake, Bedroomdisco, Darmstadt:
01: Picture show
02: Elodie
03: A kingdom
04: Ships in the rain
05: Another tale from another English town
06: The ghost that sleeps in me
07: The buffalo days
08: Sapsorrow
09: Tricks
10: Not going back to the harbour
11: Green and gold (Hazel solo) (Z)
12: Until the colours run (Z)
13: I love you, sleepyhead (Z)
Links:
- aus unserem Archiv:
- Lanterns On The Lake, Köln, 23.01.14
- Lanterns On The Lake, Köln, 09.11.11
- Lanterns On The Lake, Paris, 05.11.11
- Lanterns On The Lake, London, 07.09.11
01: Picture show
02: Elodie
03: A kingdom
04: Ships in the rain
05: Another tale from another English town
06: The ghost that sleeps in me
07: The buffalo days
08: Sapsorrow
09: Tricks
10: Not going back to the harbour
11: Green and gold (Hazel solo) (Z)
12: Until the colours run (Z)
13: I love you, sleepyhead (Z)
Links:
- aus unserem Archiv:
- Lanterns On The Lake, Köln, 23.01.14
- Lanterns On The Lake, Köln, 09.11.11
- Lanterns On The Lake, Paris, 05.11.11
- Lanterns On The Lake, London, 07.09.11
1 Kommentare :
Eine tolle Zusammenstellung, jede Band hätte sich auch für sich allein gelohnt. Zudem waren die 370 Zuschauer/-hörer wirklich wegen der Musik dort und lauschten andächtig, wie es sich für so einen Ort gehört den wunderschönen Klängen, anstatt sich über uninteressante Belanglosigkeiten zu unterhalten, wie man es ja auch ab und an bei anderen Konzerten erleben muss (eine der 10. Konzertsünden). Dazu endete das ganze Konzert dann auch noch, als CHerry on the top" mit "I love you, Sleephead", einem meiner ganz großen Lieblinge von Lanterns On The Lake. Das war so toll, jetzt müssen mich Sophie Jamieson wohl in der Wohngemeinschaft wieder in der ersten Reihe erblicken :-)
Kommentar veröffentlichen