Konzert: Poliça
Ort: KulturKirche, Köln
Datum: 28.01.2014
Dauer: Poliça 75 min, Marijuana Deathsquads 38 min
Zuschauer: ausverkauft
Beim End Of The Road Festival im vergangenen Herbst hatte ich Poliça verpasst, obwohl mich die Band nicht zuletzt wegen der Aussicht auf die beste Konzertfrisur des Jahres gereizt hatte. Ich verquatschte mich aber mit einem englischen Fotografen und als Menschen, in deren Elternhaus die Kinderstube nicht durch ein Fernsehzimmers ersetzt worden war, verließen wir dafür das Zelt, in dem die amerikanische Band auftrat. Hinterher erzählten mir eine Freundin und Kollege Oliver, deren Geschmack nicht immer deckungsgleich ist, daß das Konzert sehr gut gewesen sei ("sehr gut" bedeutet aber bei einem exzellent besetzten Festival wie dem EOTR auch noch nicht viel).
Das ist die Vorgeschichte, warum ich am Dienstagabend sehr zeitig in der ausverkauften KulturKirche in Nippes stand. Warum die Veranstaltung schon seit einer Weile ausverkauft war, weiß ich nicht. Ist die Musik von Poliça in Deutschland so erfolgreich? Oder liegt es am Veranstaltungsort? Sehr vieles in der evangelischen Kirche in Nippes ist schnell vergriffen. Wäre meine Post-Festival-Neugierde nicht gewesen, wäre ich vermutlich nicht gekommen, so wichtig ist mir Poliça nicht, vielen anderen aber scheinbar doch.
Um acht begann die Vorgruppe Marijuana Deathsquads, die wie die Hauptband aus (der halben Twin-City) Minneapolis stammt. Marijuana Deathsquads und Poliça verbindet nicht nur die Herkunft. Poliça-Gründer Ryan Olson ist Mitglied bei Marijuana Deathsquads, Sängerin Channy Leaneagh und Schlagzeuger Drew Christopherson sind regelmäßige Gäste. Auch ist ein doppeltes Schlagzeug Element beider Gruppen.
Neben den beiden Schlagzeuger standen zunächst drei Mann um einen Tisch mit Macbook und vielen Dingen, an denen man drehen kann. Durch die beiden Trommler hatte die elektronische Musik der Gruppe einen viel "echteren" (ich will das fiese Wort "organisch" umgehen) Charakter, als man das anhand des Knopfdrehens und Rumhüpfens der drei in der Mitte vermuten konnte. Da statt Gesang nur ab und an geisterhafte Stimmen aus dem Mikro kamen, blieb die Geschichte aber sehr experimentell. Für Freund von Bands wie !!! und ähnlichen (ich bin da wenig bewandert, daher fehlen mir die Referenznamen), sind Marijuana Deathsquads vermutlich eine große Erfüllung, ich empfand sie als kurzweilig.
In der zweiten Hälfte des Konzerts wurde es dann noch besser. In der Kanzel über dem Altar stand schon eine Weile ein Zuschauer, ich hielt ihn für den Tourmanager, mit Bierflasche und guckte zu. Irgendwie angelte er sich von oben das verwaiste Mikro links, zob es zur Kanzel und sang (oder sprach) verzerrt mit. Später tauchte er wieder als Bassist von Poliça auf. Auch Sängerin Channy kam jetzt dazu, noch in Hose und Kapuzenpulli gekleidet und sang (wirklich) mit. Jetzt wurde es auch für mich nicht nur unterhaltsam, sondern auch gut.
Nach knapp vierzig Minuten war das Vorprogramm beendet. Eigentlich ist das lang für eine Band diesen Stils, aber in den drögeren Phasen konnte ich immer noch den beiden Schlagzeugern zusehen, die mal synchron, mal gegenläufig trommelten.
Als Poliça um kurz nach neun auf die Bühne kamen, war nicht viel umgebaut worden. Die beiden Schlagzeuge blieben, Channys Keyboard war ein wenig verrückt worden und Sängerin und Bassist hatten die Pullis abgelegt.
Es begann mit Spilling lines vom im Herbst erschienenen Album Shulamith. Mir gefiel das (wie alles danach) ziemlich gut, der Funke sprang aber nicht über. Das kenne ich schon von den beiden Poliça-Platten; live hatte ich mir mehr Begeisterung erhofft. Erst Dark star, fast schon am Ende des Konzerts, gefiel mir richtig gut, der Rest war ok, nie langweilig, packte mich aber eben nicht.
Zu Torre kam einer der Marijuana Deathsquads Musiker (oder war das Ryan?) auf die Bühne und bediente Channys Synthie, der Rest der Lieder verlief immer sehr ähnlich: der Rhythmus der beiden Schlagzeuge, der Keyboards und des Basses und dazu Channys leicht soulige Stimme. Alles war sehr tanzbar, aber eben auch sehr ähnlich.
Aber zwei besonders bemerkenswerte Dinge passierten dann doch noch. Gleich am Anfang (bei Very cruel) flog ein leerer Plastikbecher auf die Bühne. Gehört so etwas in Großbritannien zur Konzertfolklore, ist es in Deutschland doch sehr assig, vor allem bei einer Band wie Poliça. Sängerin Channy quittierte das mit einem düsteren Blick und sagte vor dem nächsten Stück in sehr ruhigem Ton, daß das Konzert sofort ende, fliege noch ein Becher.
Die letzte der beiden Zugaben (nachdem Poliça zehn Lieder vom aktuellen und sechs vom ersten Album gespielt hatten) war dann noch ein wundervollen Cover, das auch im Stil der Band toll funktionierte: You don't own me, der Evergreen von Lesly Gore. Ich mag es nicht, Lieder fremder Künstler mehr zu mögen als die eigenen, das Cover war aber neben Dark star das Highlight des Konzerts.
Riesiger Poliça-Fan bin ich nicht geworden (und von der Frisur war ich es schon vorher), den Konzertausflug bereue ich aber trotzdem überhaupt nicht.
Setlist Poliça, KulturKirche, Köln:
01: Spilling lines
02: Lay your cards out
03: I see my mother
04: Very cruel
05: Amongster
06: Smug
07: Tiff
08: Warrior lord
09: Vegas
10: Chain my name
11: Torre
12: Dark star
13: I need $
14: Wandering star
15: So leave
16: Leading to death (Z)
17: You don't own me (Lesley Gore Cover) (Z)
Links:
- aus unserem Archiv:
- Poliça, Paris, 15.07.12
- Poliça, Paris, 05.06.12
0 Kommentare :
Kommentar veröffentlichen