Donnerstag, 23. Januar 2014

Kevin Devine, Wiesbaden, 22.01.14


Konzert: Kevin Devine (solo)
Ort: Schlachthof Wiesbaden (Räucherkammer)
Datum: 22.01.2014
Dauer: Kevin Devine gut 100 min, Yellowknife 35 min
Zuschauer: 150 bis 180, zum Teil aufmerksam



Beim auch 2013 schon exzellent besetzten Maifeld Derby in Mannheim überzeugte mich inmitten vieler Konzerte von Lieblingsbands vor allem der Solo-Auftritt von Kevin Devine aus Brooklyn auf dem Parcours d'Amour. Ich hatte wirklich nicht erwartet, ein solch umwerfendes Konzert zu erleben, wollte vielmehr den Amerikaner einfach einmal sehen. Die knappe Stunde auf der kalten Tribüne des Reitstadions war derart beeindruckend, daß ich mir die Europatour im Januar gleich vormerkte, Allerdings kamen mir dann Zweifel. Wenn es akustisch und solo so toll war, wie würde es dann mit Band sein? Gerade die Variationen seiner Stimmlautstärke, die in Mannheim ein zentrales Element des Auftritts waren, würde er wohl kaum mit einer Begleit-Rockband hinbekommen. Als Kevin dann auf seiner Website mitteilte, daß er aus finanziellen Gründen ohne Band nach Europa komme, war das für Hardcorefans vermutlich eine Enttäuschung, für mich der Grund, unbedingt eines der Konzerte zu sehen.

Köln (Blue Shell) war ausverkauft, also fuhr ich nach Wiesbaden, in die Räucherkammer des Schlachthofs, in der ich seit Ewigkeiten nicht mehr war (meine letzten Schlachthof Konzerte - beide in der Jahres-Top-3 - fanden im Ausweichquartier auf der anderen Straßenseite statt).


Um kurz nach neun trat zunächst die Kölner Vorgruppe Yellowknife auf, ein Musikprojekt von Tobias Mösch, das seit 2013 besteht und in Köln mit Kevin Devine das zweite, in der Räucherkammer also das dritte Konzert in der Bandgeschichte spielte. Das hätte ich im Leben nicht gedacht. Yellowknife klangen überhaupt nicht nach Anfängern, hatten keinerlei Unsicherheiten und bestritten ihre gute halbe Stunde mit sieben Stücken souverän.

Der Funke sprang bei mir aber nicht über. Die Musik der fünf Musiker ist sicher sehr gut gemachter Indierock, der auch aus der namensgebenden kanadischen Stadt stammen könnte. Mir fehlte dabei nur der Pfiff. Mit diesem College-Indierock kann ich zur Zeit nicht mehr viel anfangen. Aber viele im Publikum konnten das - Yellowknife kamen gut an. Also alles richtig gemacht!

Um zehn begann dann Kevin Devine sein Set. Vermutlich war es auch vorher schon laut in der Räucherkammer, weil Yellowknife aber immens laut spielten, dämmte das die Bereitschaft, sich mit den alten Kumpels zu unterhalten (und anzustoßen) ein. Als dann dieser einzelne Mann da vorne seine Lieder vortrug, konnte man wieder gut mit dem Nachbarn reden, was mich sehr nervte. Ich mache das demnächst auch mal im Kino. Mal gucken, ob die anderen Gäste da auch so tolerant sind wie Konzertzuschauer.


Kevin Devine hatte offenbar ein schlechtes Gewissen wegen der Band-Absage. Er ließ sich nämlich gar nicht mehr bremsen und spielte Lied um Lied von seinen beiden 2013 erschienenen Platten Bubblegum und Bulldozer und den vielen (sechs?) davor. Ich kenne bei weitem nicht alles, was der Sänger veröffentlicht hat, erkannte aber vieles wieder. Das großartige Brother's blood z.B., Another bag of bones, Carnival mit einem lauten Gesangsausbruch am Ende, ach es waren viele Hits! 

Mir sind Texte oft deutlich egaler, als sie einem Musikkritiker sein sollten (da trifft es sich gut, daß ich nicht über Musik sondern über Konzerte schreibe). Kevins Texte allerdings lohnen größere Aufmerksamkeit. So war es fazinierend, die (oft politischen) Texte über den Zustand der amerikanischen Gesellschaft zu verfolgen. Dadurch, daß ich mich darauf konzentrierte, bekam ich auch glücklicherweise wenig von den Texten über den Zustand der Gesellschaft Wiesbadens mit. Private first class beispielsweise über den Wikileaks-Informanten Bradley Manning, der heute als Chelsea Manning für 35 Jahre in einem US-Gefängnis einsitzt. 

Nach 80 min fragte Kevin erstmals, wie spät es sei. Die Angabe beruhigte ihn, er wolle noch ein paar Lieder singen. Es wurden noch eine ganze Menge, während sich der Saal wegen abfahrender Züge und Busse schon leerte. 

Kevin coverte Elliott Smith (The biggest lie), versuchte sich kurz an Pearl Jam und endete nach gut 100 min mit Ballgame sein Konzert, um von der Bühne zu hüpfen und direkt zum Merch zu gehen. 

Auch wenn sein Einsatz überragend war, die Songs toll sind und das Konzert so viel länger als das im Mai war, an den Charme des Auftritts von Mannheim reichte der heutige Abend nicht ran.


Setlist Kevin Devine, Schlachthof, Wiesbaden:

01: Bubblegum
02: Little bulldozer
03: It never stops (Bad Books)
04: You're my incentive
05: She can see
06: Carnival
07: Keep ringing your bell
08: Bloodhound
09: Couldn't be happier
10: Brooklyn boy
11: Another bag of bones
12: She stayed as steam
13: From here
14: Private first class
15: Just stay
16: People are so fickle
17: All of everything, erased
18: Yr damned ol' dad
19: Redbird
20: Cotton crush
21: The biggest lie (Elliott Smith Cover)
22: Brother's blood
23: Jeremy (Pearl Jam Cover - kurz)
24: Write your story now
25: You wouldn't have to ask
26: Between the concrete and clouds
27: Ballgame

Links:

- aus unserem Archiv:
- Kevin Devine, Mannheim, 01.06.13
- Kevin Devine, Mannheim, 01.06.13


1 Kommentare :

Nelle hat gesagt…

Ah, deshalb warst du nicht in Köln.

Nachdem er beim ersten Lied im Blue Shell die jeweils quatschende Person sehr bestimmt angeguckt hat, haben für die restlichen 2 Stunden glücklicherweise alle die Klappe gehalten. Früher gegangen ist auch keiner (vielmehr haben wir noch andere Konzertbesucher mitgenommen, die wegen dem langen Konzert ihre letzte Bahn verpasst haben...), da wäre Köln also wohl die bessere Wahl gewesen. ;-)

 

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